Kapitel 4-Übereinkunft

Das was Chams Gespräch mit seiner Frau folgte war im Grunde ein Verhör. Kanan saß ihm am Esstisch gegenüber, und Heras Vater ließ ihn nicht für eine Sekunde aus den Augen. Die Fragen lagen in einem Spektrum von normalem Geplänkel bis zu sehr persönlichem, das für den ehemaligen Jedi zum Teil schwieriger zu beantworten war, als ihm lieb gewesen wäre.
Es wurde immer später.
„Wie viele Beziehungen hattest du vor meiner Tochter schon?"
„Noch keine so ernste wie die mit Hera, Sir."
Cham verschränkte die Arme.
„Das ist keine Antwort."
Kanan seufzte.
„Drei, schätze ich."
Der Ältere musterte ihn skeptisch und verschränkte die Arme.
„Schätzt du?"
„Mit der einen war ich nur etwas über zwei Monate zusammen. Ich bin mir nicht sicher, ab wann es als wirkliche Beziehung gilt."
Das war nicht gelogen, aber ganz die Wahrheit war es auch nicht. Es gab tatsächlich nur drei Frauen, mit denen er wirklich zwischenzeitlich zusammen gewesen war, wenn auch irgendwie nicht richtig. Keine davon war die Art Beziehung gewesen, an die Cham vermutlich gerade dachte... aber solange das im Wissen und Einverständnis beider Beteiligten der Fall war, war das nach Kanans Ansicht auch in Ordnung. Gut, eine dieser Geschichten hatte trotz allen Beteuerungen, dass es nichts ernstes war, mit einem Heiratsantrag von der anderen Partei geendet... aber das war eher aus Gewohnheit als aus Liebe passiert. Die genaueren Details dieser Beziehungen und seine sonstigen Eskapaden vor Hera würde der ehemalige Jedi seinem – hoffentlich – künftigen Schwiegervater allerdings lieber nicht auf die Nase binden, der ihn ohnehin schon mehr als skeptisch musterte.
„Aha." Kanan bekam keine Atempause. „Habt ihr zwei aktuell irgendwelche Kinder in Planung?"
Er kam bei dem Versuch, das zu beantworten, etwas ins stammeln.
„Ich, also, wir..." Das war ein Gedanke, den er an sich gern durch seinen Kopf gehen ließ, den er allerdings nur sehr nebenbei und sehr kurz mit Hera besprochen hatte. Er atmete tief durch. „Vielleicht Adoption irgendwann. Nicht in nächster Zeit. Und wir wissen auch noch nichts genaues."
„Warum keine leiblichen?" Kanan war sich bei dem Ton der Stimme von Cham nicht sicher, ob er scherzte, also blieb er einfach stumm. Danach folgte zum Glück wieder eine verhältnismäßig einfach zu beantwortende Frage. „Was hast du gearbeitet, bevor du Hera kennengelernt hast?"
„Verschiedenes. Ich bin viel rumgekommen, weil ich wegen dem, was ich mal war, nicht riskieren konnte, vom Imperium erwischt zu werden. Als ich sie getroffen habe, war ich hauptberuflich Frachterpilot."
Die Geschichte mit dem Nebenjob in der Bar ließ er lieber aus. Er merkte schon, dass Heras Vater ihn nicht gerade besonders gut leiden konnte, und diese Alkohol-Geschichte nochmal aufzugreifen wollte er wenn möglich vermeiden. Für immer. Was er sagte war ja technisch gesehen auch wahr.
„Weißt du irgendetwas über deine leiblichen Eltern?"
Die Frage war Kanan mehr als unangenehm. Es war außerdem eine Frage, bei der er nicht davon ausging, sie je würde beantworten können.
„Nichts, Sir."
Der Gedanke machte ihn traurig... aber daran ließ sich nichts ändern. Seine Eltern hatten ihn weggegeben, und nie auch nur versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen, vermutlich hielten sie ihn inzwischen für tot. Ob ihnen das wohl etwas ausmachte? Immerhin hatten sie ihn ja kaum gekannt.... Bei dem Gedanken schauderte er.
„Irgendwelche Allergien?"
„Keine, von denen ich wüsste."
Der ehemalige Jedi verstand ohnehin nicht, wozu das groß relevant sein sollte. Selbst angenommen, er hätte irgendwelche Allergien gehabt, so häufig würde er nicht hier sein, und wenn er es war, hätte er ja aufgepasst, die Sachen zu vermeiden, gegen die er allergisch war. Es war ja nicht so, als würde er in nächster Zeit irgendetwas vererben...
Cham schaute ihn prüfend an.
„Angenommen die schönste Frau des Universums fängt an, mit dir zu flirten, wenn du schon mit Hera verheiratet bist. Was tust du?"
Kanan lächelte, als er antwortete.
„Fangfrage. Hera ist die schönste Frau des Universums."
Er meinte das ganz ehrlich so. Er konnte sich nicht vorstellen, jemals jemandem zu begegnen, für den er auch nur ansatzweise das empfinden konnte, was er für sie empfand.
„Jetzt trägst du aber ein bisschen dick auf, meinst du nicht?", warf Cyndra amüsiert ein.
Sie stand während des Gesprächs die meiste Zeit nur stumm daneben und hörte zu, sie mischte sich nur ein, wenn sie es für nötig hielt. Das schien offensichtlich einer dieser Momente zu sein.
Kanan schüttelte den Kopf.
„Nein. Wie gesagt, ich bin viel rumgekommen, und ich kann mit Sicherheit sagen, dass sie die schönste, wundervollste, mutigste Frau ist, der ich je begegnet bin, und ich niemand anderen will. Da könnte die Macht höchstpersönlich ankommen, und sie hätte trotzdem keine Chance", erklärte er mit fester Stimme. „Ich liebe sie. Und daran wird sich nie etwas ändern. Außerdem sind Betrüger echt das Letzte. Ich habe nie verstanden, warum man sich nicht einfach scheiden lässt, wenn man in der Beziehung nicht mehr glücklich ist, statt dem Partner, den man wenigstens irgendwann mal geliebt hat, so etwas anzutun."
„Scheidung?" Cham schaute ihn abschätzig an. „Das ist so ein unfassbar menschliches Konzept. Man könnte seine Probleme auch einfach lösen, aber stattdessen trennt man sich und läuft vor ihnen weg, weil das »einfach« ist. Warum sollte man sich auch Mühe geben, eine Beziehung, in die man jahrelang Zeit und Liebe und Geld investiert hat, aufrechtzuerhalten und die Probleme miteinander aussprechen, wenn es einfach geht?"
Kanan hob die Hände.
„Nicht, dass ich mich jemals von Hera scheiden lassen würde, falls ich sie denn heiraten darf, aber... bei allem Respekt, Sir, mache Leute habe gute Gründe, sich zu trennen. Ich denke nicht, dass das Konzept der Trennung an sich eine furchtbare Idee ist. Manchmal lebt man sich einfach auseinander, und dann sollte man sich lieber trennen und jemanden suchen, mit dem man wieder glücklich werden kann, als sich in der Beziehung weiter zu quälen. Ich kann mir auch vorstellen, dass beispielsweise der Verlust eines Kindes ein Grund sein kann, sich zu trennen, weil das zusammen sein einen kontinuierlich daran erinnert, dass es mal da war, es aber nicht mehr ist, und der Gedanke einen langsam aber sicher wahnsinnig macht... um nur ein paar Beispiele zu nennen."
„Wenn so etwas passiert, hat man die falsche Person geheiratet."
Kanan wollte widersprechen. Betonen, dass sowas nicht vorhersehbar war, und er viel Verständnis dafür hatte, dass manche Beziehungen einfach nicht so funktionierten, wie man es anfangs gehofft hatte... aber ihm wurde schnell klar, dass er genauso gut hätte gegen eine Wand reden können.
Wieder mischte Cyndra sich ein.
„Caleb, ich fürchte, es hat keinen Sinn, ihn davon überzeugen zu wollen. Im Grunde versteht er, was du sagst... aber das ist bei uns einfach nicht so. So sind wir nicht erzogen worden."
Der ehemalige Jedi schaute sie verwirrt an.
„Wie meinst du das?"
„Das Konzept der Scheidung existiert in unserer Kultur nicht", erklärte sie ruhig. „Twi'leks heiraten in ihrem Leben nur einmal. Ich weiß, dass das bei euch Menschen anders ist... aber wen unsere Hochzeitszeremonie in Körper, Seele und Geist eins werden lässt, der wird nicht mehr getrennt. Nie wieder. Auch nicht durch den Tod."
„Oh. Ich verstehe."
„Du solltest dir das also gut überlegt haben. Wenn du zu einer Twi'lek »für immer« sagst, dann heißt das auch, dass ihr wirklich untrennbar »für immer« vereint seid. Nicht die gekünstelte Version von euch Menschen, die man immer noch trennen kann, wenn es einem gerade zu viel wird", fuhr Cham dazwischen, woraufhin seine Frau ihm einen leicht warnenden Blick zuwarf.
In vielen Punkten stimmte sie ihm soweit zu, dass sie ihn einfach machen ließ. Diesmal nicht.
Kanan nickte abwesend. Er schämte sich fast dafür, dass er darüber noch nie nachgedacht hatte, ob und wie anders Hochzeiten in anderen Kulturen funktionierten. Gut, zu seiner Verteidigung... So viel er im Tempel auch über die unterschiedlichen Kulturen verschiedener Spezies gelernt hatte, Eheschließungen hatten nicht zu den Lehrstunden gehört. Er stellte außerdem fest, dass er viel zu wenig über die Kultur der Twi'leks wusste – dabei war es eigentlich gut möglich, dass er darüber im Tempel mal etwas gelernt hatte. Über die Jahre hinweg, in denen er sich hatte verstecken müssen, hatte er allerdings vieles vergessen.
Nicht, dass irgendwas, das er jetzt erfuhr, etwas daran hätte ändern können, dass er Hera heiraten wollte... Er liebte sie, genug, um zu wissen, dass sich daran auch in der Ewigkeit nichts ändern würde. Aber es machte ihn deutlich unsicherer bezüglich der Frage, ob sie auch zustimmen würde. Sie könnte sicherlich jemand besseren finden als ihn... und wenn sie wirklich nur ein Mal heiraten durfte... Gerade der Krieg machte das schwierig. Wenn er starb, hieß das, dass sie ihn nie würde loslassen dürfen. Der Gedanke war grausig. Andererseits... nur, weil die Möglichkeit bestand, dass einer von ihnen sterben könnte... sollte das sie wirklich davon abhalten, glücklich zu sein, wenn auch vielleicht nur für eine begrenzte Zeit?
Nach kurzer Überlegung stand sein Entschluss fest. Er würde sie bitten, ihn zu heiraten. Sie durfte entscheiden, ob es wirklich das war, was sie wollte – und wenn nicht, dann würde er es verstehen. Und wenn sie doch zustimmte... dann würde es ihm jetzt noch deutlich mehr bedeuten als zuvor schon.
„Ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich liebe sie, und ich werde sie immer lieben. Aber sie muss entscheiden, ob sie das wirklich will."
Cyndra nickte langsam und lächelte ihn an. Sie schien ihn wirklich zu mögen. Cham... nicht so sehr.
„Ich meine es ernst. Überleg es dir gut. Ewigkeit heißt für uns Ewigkeit. Das heißt kein Kneifen. Niemals. Sonst drehe ich dir den Hals um."
Er schaute ihn streng an. Heras Mutter verdrehte die Augen.
„Ich dachte, wir hätten vereinbart, dass du die Morddrohungen etwas zurücksteckst?"
Ihr Mann zuckte die Schultern.
„Daran kann ich mich gar nicht erinnern."
Kanan seufzte leise, dann schaute er die beiden direkt an.
„Kein Kneifen. Niemals. Das schwöre ich."
Cyndra legte eine Hand auf seine Schulter.
„Gut. Meine Zustimmung hast du."
Ihr Mann gab sich allerdings mit seiner Befragung noch nicht ganz zufrieden.
„Habt ihr schon mal miteinander geschlafen?"
Kanans Kopf lief hochrot an. Cyndra packte ihren Mann am Arm und schaute ihren Mann warnend an.
„Cham, es reicht jetzt. Ich mein's ernst."
Er seufzte leise.
„Na schön." Kanan atmete erleichtert aus. „Wenn sie zustimmt, dann werde ich zulassen, dass du sie heiratest, weil sie das glücklich macht. Aber deshalb muss ich dich noch lange nicht mögen."
Der ehemalige Jedi seufzte leise.
»Na großartig... Das wäre aber auch zu schön gewesen.«
Er glaubte nicht, dass Heras Vater ihn jemals wirklich akzeptieren würde, ganz egal, wie er sich anstellte. Aber er hatte zugestimmt. Sie hatten beide zugestimmt. Er dufte ihr einen Antrag machen, und wenn sie das wollte, dann durfte er sie mit Einverständnis ihrer Eltern heiraten. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
„Und ich verspreche dir, wenn du ihr auch nur einen Kratzer zufügst, werde ich-"
„Cham..." Cyndra seufzte. „Kanan, bitte geh einfach schlafen, ja? Es ist fast vier, und der Schlafmangel ist denke ich für keinen von uns gut. Um alles weitere kümmern wir uns, nachdem wir alle mal eine Runde geschlafen haben, was meint ihr?"
Wenig zufriedenes Grummeln der beiden Männer folgte, aber sie gehorchten.

Kanan lächelte Hera an, als er sich wieder zu ihr legte, vorsichtig, sie nicht zu wecken. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und schaute sie einen Moment lang einfach nur an. Ausnahmsweise wirkte sie ziemlich friedlich. Trotz dem Streit mit ihrem Vater schien sie ausnahmsweise mal wieder total ruhig zu schlafen.
„Ich liebe dich. Schlaf gut", flüsterte er und legte die Arme um sie.
Sie schlief tief und fest, aber unbewusst begann sie, ihren Kopf an seinen Hals zu schmiegen. Er konnte sich in diesem Moment kein schöneres Gefühl vorstellen. »Womit habe ich dich bloß verdient...«
Kaum waren seine Augen geschlossen, war er auch schon eingeschlafen.

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