Kapitel 6 | Bad dreams
Bei Damon angekommen, hielt er mir die Autotür auf, damit ich ohne Probleme aussteigen konnte. Auf zittrigen Knien stolperte ich auf das Haus zu. Damon erwartete noch immer eine Erklärung für meinen plötzlichen Schrei im Auto. Aber wie erklärte man etwas, was man selbst nicht verstand? Wie erzählte man eine Geschichte, die kein Ende hatte? Wie veröffentlichte man ein ungeschriebenes Buch? Es ist wie eine Gerade ohne Anfang und Ende. Die Fragen dazu blieben unendlich, jedoch ungeklärt. Mein Kopf dröhnte bei zu großen Bemühungen nachzudenken. Als könnte es mit jedem kleinen Schritt explodieren. „Okey Elena. Erzähl mir was los ist", verlangte Damon stur im Wohnzimmer. „Also ich-" Ich drehte mich zu ihm um, als ich ein Geräusch hörte, welches sich anhörte, als hätte sich jemand gerade etwas gebrochen. Er lag einige Meter entfernt auf dem Boden, sein Genick war gebrochen. Was war passiert? Wer war das? „Na?", kam es gleich danach hinter mir. Ich drehte mich wieder mit dem Rücken zu Damon. Vor mir stand... Stefan? Minimale Centimeter von mir entfernt. „Stefan?", flüsterte ich sprachlos. Er musterte mich wortlos. Er hielt es anscheinend für unnötig zu sprechen. Sein ‚Na' reichte ihm schon. Was machte er hier? Obwohl seine Gefühle noch immer wie eine Schatztruhe in der Erde vergraben waren, konnte ich ein gewisses Knistern zwischen uns spüren. Das Feuer lebte noch. Es war schwach und hüstelte nach Kraft, doch war es noch nicht ganz erloschen. Als bald ich Stefan näher kam, trat er wieder weg. „Ich bin nicht hier, weil du mir wichtig bist, Elena." Für ihn waren es nur leere Worte. Doch für mich fühlte es sich wie ein Angriff mit scharfen Messern an. Als wolle er mir mein Herz rausreißen und damit spielen, es erforschen, nach Schwachstellen suchen. Nach einem Nerv, welches mein Leben kosten könnte. Wie ein Chirurg. „Was?", das war das einzige, was ich aus mir hervorbringen konnte. Der Rest wäre Müll für ihn gewesen. ‚Ich liebe dich.' ‚Ich hab dich vermisst.' ‚Verlass mich nie wieder.' ‚Du hast mich im Stich gelassen.' Unwichtige Informationen, die er sofort wieder löschen konnte. Wie ein Dokument, an dem er noch pfeilte und versuchte, ihn perfekt zu haben. Nun ja. Auf seine Art und Weise perfekt. Gab es überhaupt noch ein Wort, welches ihn vielleicht ein bisschen zum fühlen bringen konnte? Was auch immer es sei, ich würde es wagen. Manche Chancen gab es nur einmal im Leben. Und dieser Moment war so eine Chance. „Weißt du was ich mich seit dem ersten Tag an gefragt habe, an dem wir uns begegnet sind?", ließ er mich rätseln. Ich schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang sanft, wenngleich noch so kalt und undurchschaubar. „Ob dein Blut genau so süß schmeckt, wie du immer vorgibst zu sein." Unwissend blinzelte ich. Wovon sprach er da? Nie hatte ich versucht süß zu sein oder mich so auszugegeben. Somit kam dieser Satz sowohl als Kompliment, als auch als Beleidigung in Frage. Und ein wenig als Drohung. Ich brauchte passende Worte, um Stefan fühlen zu lassen. Nur wusste ich nicht welche zur Verfügung standen. Dinge, wie ‚Ich liebe dich' waren ihm wohl so egal. Also probierte ich meine Worte beim fallen lassen dieser zu finden: „Stefan. Ich brauche dich. Wir brauchen dich. Mir egal, ob das alles dir etwas bedeutet oder nicht, aber uns bedeutet es was. Ob gefühlslos oder nicht, du kannst die Blutgier besiegen und deinen Ripper unterdrücken. Wir helfen dir, okey? Ich liebe dich, Stefan. Wenn du mich auch liebst, dann gib nicht auf. Kämpfe." Langsam trat ich nach vorne zu ihm und legte meine Hände auf seine Wangen. Seine Augen konzentrierten sich auf meine. Und anders herum. Das waren nicht genau die Worte gewesen, die ihn hätten treffen können. Aber ihn vielleicht dazu brachten, nachzudenken. Nicht über das, was ich gerade motiviert erzählt hatte. Sondern über das, was er zurück gelassen hatte. Wen er zurück gelassen hatte. Im Stich. „Elena", sprach Damon erschöpft kaum hörbar. Ohne von Stefan loszulassen wagte ich einen Blick nach hinten auf Damon. „Elena!" Diesmal war es lauter und es kam aus Stefans Richtung. Damon ruttelte mich sanft, während er meine Hände, die auf seinen Wangen ruhten, mit seinen hielt. Ich zuckte auf. Das konnte doch nicht wahr sein. Es war wie in einem schlimmen Film. Einem Horrorfilm. Einem Albtraum, in dem man lebte und jedes mal, wenn man dachte, man hätte endlich das Ende erreicht, wurde einem das Gegenteil bewiesen. „Damon... War das-" „Stefan war nie hier! Hey! Wieso hast du mit mir geredet, als sei ich Stefan? Halluzinierst du etwa?" Mit der Angst ausgesetzt nickte ich. „Ständig sehe ich so reale Dinge, Damon. Sie sind aber nicht real. Und das macht mich verrückt, woher soll ich denn noch die Realität von den Halluzinationen unterscheiden?" Besorgt schaute er mich an. Sein Blick verriet, dass auch er diesmal keinen Plan hatte. Keinen Ausweg. Kein Heilmittel. Und keine Erklärung. „Ich werde Bonnie anrufen", entschloss er sich dann, ließ mich los und griff nach seinem Handy. „Sie ist tot", stotterte ich. „Nein, ist sie nicht." „Du hast sie vorhin angefahren, Damon. Und bist einfach weiter gefahren. Es hat dich nicht gekümmert... Warte, ich- Oder war es wieder unecht? Vielleicht ist das hier auch nicht echt, was wenn das hier auch wieder ein Traum ist? Wie kann ich mir sicher sein, dass du hier bist, Damon? Oder dass ich nicht immer noch neben dir auf dem Stuhl, an der Bar vom Grill sitze?" Meine Stimme wurde immer lauter. Und unsicherer. Mit jedem Wort verfingen sich mehr Zweifel in mir und ich fing an jede einzelne Vermutung näher zu bedenken. War Damon wirklich hier? War ich wirklich hier? War Damon Damon? Vielleicht redete ich ja die ganze Zeit mit Jeremy, nicht mit Damon. Mit großen Schritten kam er auf mich zu und fasste mir erneut kurz an die Schultern. „Das war eine Halluzination, Elena. Hörst du? Es war nicht echt. Sieh mich an", befahl er. Mit feuchten Augen erwiderte ich seinen Blick. Um etwas zu sagen, fehlten mir die Worte. Oder die genügende Kraft. „Ich bin echt. Ich bin hier. Konzentrier dich auf mich. Halt meine Hand, okey? Und solange du sie nicht loslässt, kannst du dir sicher sein, dass ich wirklich hier bin." Er reichte mir seine Hand. Ohne eine Sekunde zu zögern, griff ich nach ihr. Sie war ein bisschen rau, dennoch warm. Ich fühlte mich sicher. Denn er hatte Recht. Auch wenn ich jetzt Stefan statt Damon sehen würde, wäre ich mir sicher, dass ich nie Stefans Hand gehalten hatte. So folgte ich seinen Schritten. Er wählte Bonnies Nummer und wartete darauf, dass sie annahm. „Bonnie, wir haben ein Problem", klang es aus ihm. Bonnie war also dran. Während er mit ihr sprach, dachte ich nach. Was konnte mir den Unterschied zwischen Traum und Realität beweisen? An was konnte ich mich halten, wenn ich wissen musste, ob es echt war? Außer an Damons Hand. Seine Finger zuckten kurz und zitterten schwach. Er zeigte Schwäche. Er hatte Angst. Um mich?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top