Kapitel 32 | Nevermind

Nachdem Caroline und Bonnie mich überredet hatten, heute schon Stefan zu besuchen, machte ich mich auf den Weg zu ihm. Denn sie hatten Recht und niemand konnte ihren Theorien über Stefan wiedersprechen. Er war wieder da, nach so langer Zeit. Da sollte ich die Chance ergreifen und ihn besuchen. Wer hatte mir das klar gemacht? Na klar. Caroline und Bonnie. Wer sonst? Meine zwei besten Freundinnen. Eine Vampir, eine Hexe. Ich, Mensch. Alle so unterschiedlich und einzigartig, und dennoch wie Puzzleteile perfekt füreinander geschaffen. Ohne einen von uns, wär das Bild, unser Leben unvollständig. Zum Glück habe ich sie, ohne sie wäre ich wohl verloren. Zurück zu Stefan. Ich musste herausfinden, wie wir nun miteinander standen. Nach allem, was passiert war. Waren wir noch ein Paar? Enge Freunde? Freunde? Ich hatte nach ihm gesucht, aber nur vergeblich. Ohne Damon konnte ich ihn nicht finden. Keine Anzeichen von Stefan, Streit mit Damon. Das wurde schwer. Im Moment stand ich vor dem Salvatore Anwesen und klopfte an der Tür. Es war nicht lange her, dass ich zuletzt hier war. Jedoch kam es mir so Fremd vor. Als ob ich, wie bereits erwähnt, eine Ewigkeit nicht mehr hier gewesen wär. Vielleicht lag das an den Erinnerungen, die ich hier zurück gelassen hatte, von vor paar Tagen. Die tobenden Halluzinationen, die Probleme mit Damon, das Wahrheit oder Pflicht Spiel. Der Kuss. Nachdem die Tür noch immer nicht geöffnet wurde, haute ich erneut dagegen. Irgendjemand müsste ja da sein. Stefan? Damon? Oder auch Andie? Und wie aus Zauberhand fiel das Schloß auf. Wie bei meinem ersten Treffen mit Damon, hatte sich nun die Haustür von selbst geöffnet. Und ich war ohne Bitte hinein getreten, um nach Stefan zu suchen, da ich ihn sehen wollte. Déjà-vu. Fehlte nur noch, dass ich Damon begegnen würde. Und zwar genau so plötzlich und unvorhersehbar, wie bei dem aller ersten Mal. So wie ich ihn kannte, würde dies jede Sekunde passieren, wenn er zuhause war. Wenn er schon die Chance hatte, mich auf so eine Art zu erschrecken, dass es mir den Atem rauben könnte, sodass ich ersticke. „Stefan?", rief ich durch das gesammte Haus. Meine Stimme echote leicht durch den Raum. Ich liebte Echos, doch in solchen Situationen wirkten sie unheimlich. Nein, kurze Korrektur. In einem Leben wie meinem, kam so etwas immer gruselig rüber. Selbst die Stille machte einem Todesangst. Es war wie lautes Geschrei von Menschen, die an harter Folter starben und ihre letzten Hilfeschreie losließen. Und das aus tiefster Kehle. Keine Antwort auf mein Echo. Somit begab ich mich gewagt in das Wohnzimmer. Schritt für Schritt. Kein Stefan in Sicht. Und ebenfalls kein Damon. Wo waren sie? War nicht einmal Andie da? Stefan wollte mich sehen. Er hatte doch gesagt, dass er daheim war. Oder hatte ich das falsch verstanden? Oder er hatte gelogen? Wollte er mir einen Streich spielen? War das eine Falle? Und Damon war auch nicht da. Ganz ehrlich? Zum Glück. Unsere Freundschaft war so oder so zerstört. Wie eine Sandburg wurde sie aus Absicht, unbedacht, zertreten. Und das, obwohl man vielleicht sogar Monatelang daran gesessen hatte. Natürlich ließ es sich dann nicht mehr so leicht und schnell aufbauen. Das brauchte Zeit, Hilfe und die gewisse Motivation und Überwindung. Und all das hatte ich für Damon nicht zur Verfügung. Ein zweites mal versuchte ich mein Glück mit einem lauten ‚Hallo? Stefan? Damon?'. Nichts. Seltsam. „Andie?" Ob Stefan damit gerechnet hatte, dass ich bei Bonnie war und deshalb selbst etwas plante? Oder ob Damon ihn verschleppt hatte, um ihm den Spaß des Lebens wieder näher zu bringen? Vielleicht sogar wollte Stefan mich so unbedingt sehen wie ich ihn und war selbst aufgebrochen, um mich zu besuchen? Reine Spekulation natürlich. Womöglich waren sie in ihren Zimmern und hatten mich, weshalb auch immer, nicht gehört? Dabei waren sie Vampire und hätten mich sogar gehört, wär ich rein geschlichen. Merkwürdig. Womöglich schlief Stefan in seinem Zimmer? Sicher war sicher. Ich wollte nachsehen, somit drehte ich mich um, um mich auf in sein räumliches Tagebuch zu machen, als ich vor mir eine Gestalt wahrnahm und schreckhaft hoch sprang. „Oh Gott!", wisperte ich mit zu schnell pulsierendem Herz, „Du hast mich erschreckt." Mit einer gehobenen Augenbraue blieb er nur ernst. Ich hatte ja geahnt, dass er mich erschrecken würde. Dann aber wenigstens spektakulär. Er witzelte: „Ach, hab ich das? Hab deinen rekordverdächtigen Sprung gar nicht bemerkt." Damon stand nur einige Zentimeter von mir entfernt. Ich könnte schwören, er hatte sich in meinen Augen für ein paar Sekunden verloren, da er es immer noch nicht darauf anlegte, zurückzutreten. Also schaffte ich selbst zwischen uns etwas Platz, indem ich mich mit einem kleinen Schritt entfernte. „Was suchst du hier?", wollte er nun wissen und blickte mich drohend an. Drohend, weil ich hier war. In seiner Nähe. Dachte er wegen ihm? Denn dann täuschte Damon sich. Und zwar gewaltig. Ich war nur für Stefan da. In Damons Nähe wollte ich nicht mehr freiwillig. „Ich wollte nur-" Doch er fiel mir ins Wort. „Du wolltest nur was? Vorbeikommen? Rekorde aufstellen?" Was war sein Problem? Wenn er keine Erklärung hören wollte, wieso fragte er dann danach? „Nein", lehnte ich kopfschüttelnd, mit einem fragenden Gesicht ab. Lass mich ausreden. „Ich bin hier weil-", mir gingen die Worte aus, obwohl ich ganz genau wusste, wieso ich hier war und was ich sagen wollte. Da ließ er mich mal ausreden, fiel ich mir selbst ins Wort. Somit legte ich meinen Satz neu an: „Stefan. Ich suche nach Stefan. Ist er hier?" Damon hob fragwürdig eine Augenbraue und schien selbst nicht zu wissen, wovon ich eigentlich sprach. „Wieso sollte er?" „Er hat mich angeschrieben. Stefan meinte, er wohnt wieder hier. Bei dir", erläuterte ich ihm ausführlich. Anscheinend stimmte das nicht, oder es stand noch in Planung. Oder Damon selbst hatte davon keinen Wind bekommen. Ich tippte auf die zweite Theorie, vielleicht auch dritte. Unser Leben war ein reines Wirrwarr. „Sieht's danach aus?" Wieso war er ständig so sarkastisch? Ja, okey, wir hatten uns groß gestritten. Schon verstanden. Musste er weiter auf mich eintreten, wenn ich schon am Boden lag? Metaphorisch gesprochen. Und das genau dann, wenn ich gerade dabei war, wieder auf die Beine zu kommen? Ohne Hilfe? „Ich weiß ja, dass du momentan einen großen Hass auf mich verspürst. Schon klar. Der Streit. Aber können wir nicht wenigstens normal miteinander sprechen, ohne dass sich der Tod in deinen Augen widerspiegelt?" Hoffnungsvoll beobachtete ich seine Gesichtszüge. Nicht, weil ich wieder Kontakt aufbauen wollte, sondern weil ich hier sein mochte, ohne Angst haben zu müssen, dass Damon sich im Kopf zehn Wege zusammen rieb, mich zu töten. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, seine Lippen presste er leicht aneinander und rieb schwach seine Backenzähne aneinander. Damon dachte über meine Worte nach, oder war einfach misstrauisch und überlegte, was ich geplant hatte. Vielleicht sogar war er etwas wütend auf mich, weil ich noch hier war. Das hatte doch keinen Sinn. Wieso wartete ich darauf, dass Damon das akzeptieren würde? Wir alle kannten ihn. Wir alle konnten ihn nicht verändern und verstehen. So wusste ebenfalls jeder seine Antwort in genau solch einer Situation. Damon würde mich anschreien, raus schicken, mir drohen und mich sogar gewaltsam raus zerren, wenn es sein müsse. Langsam drehte ich mich um und lief wortlos Richtung Ausgang. Meine Miene hatte sich leicht verfinstert, mein Tag hatte doch keine positive Wendung genommen. Er selbst lief zurück zu seinem Bourbon. „Oh, hey Elena", nahm ich eine weibliche Stimme wahr, die mich wieder halten ließ. Wow, Andie lebte noch. Was für ein Wunder ihre gesunde, glückliche und unbesorgte Stimme zu hören. Ich setzte mir ein kleines gequältes Lächeln auf, blickte sie an, lief wieder Richtung Wohnzimmer und grüßte zurück. „Gehst du schon?", wollte sie verblüfft wissen. Ich nickte nur. Sie ließ ihren Blick zu Damon schweifen und durchbohrte ihn mit fragenden Gesichtszügen. „Willst du nicht noch ein bisschen bleiben?", bat sie mir an, doch ich lehnte freundlich ab, „Damon?" „Sie will nicht", entgegnete er nur wütend schulterzuckend und schenkte sich ein Glas voll. Einige Sekunden starrten sie sich in die Augen, ohne ein Wort zu verlieren. Damons nächste Worte überraschten mich positiv: „Schön. Setz dich. Aber sei lieber extrem nett zu mir." Er zwinkerte gereizt und grinste ironisch. „Jedem das, was er verdient."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top