Kapitel 15 | Save me

Nach diesem seltsamen Vorfall fuhr mich Caroline nach Hause. Im Auto umging sie dem Geschehnis und verlor kein einziges Wort darüber. Und ich ebenfalls nicht. Ich wollte nicht über Damon und mich reden. Oder nur über Damon. Ich war sauer auf ihn. Er wusste genau, dass ich nicht so weit gehen wollte und dennoch hatte er mich dazu gezwungen. Und ich glaubte, Caroline war sich sicher, dass ich keinen Nerv dazu hatte. Zuhause angekommen blieb sie noch kurz. Care versuchte Bonnie zu erreichen und sie ebenfalls einzuladen. Doch sie war wie vom Erdboden verschluckt. Unerreichbar. Weg. War ihr etwas zugestoßen? Bestimmt nicht. Hoffentlich nicht. Bestimmt war sie nur sehr beschäftigt. Bald würde sie sich bei uns melden. Da war ich mir sicher. Das war doch bei jedem so, nicht nur bei ihr. „Willst du einen Tee?", bediente sich Caroline aus der Küche und bot mir auch etwas an. Dabei sollte es genau anders herum sein. Sie war der Gast. Nicht ich. Dennoch nickte ich ihr aus dem Wohnzimmer zu. Ich wusste, dass ich nicht über Damon reden wollte. Nicht einmal denken wollte ich an ihn. Und ja, momentan hasste ich ihn. Trotzdem hingen mir einige Fragen noch im Kopf: Was tat er wohl gerade? Bereute er es wohl? Lief er aufgewühlt im Zimmer herum und dachte nach, wie er sich bei mir entschuldigen sollte? Sowieso nicht. Wir alle kannten Damon Salvatore. Er saß wieder im Mystic Grill und trank einen Scotch mit Alaric. Denn Ric war auch nicht da. Und wo sollte er sich sonst verstecken außer mit Damon im Grill? Caroline reichte mir meinen Tee. Dankend nahm ich einen Schluck und stellte es auf dem Tisch ab. Dann ertönte ein Klingeln. Wir beide schauten auf unser eigenes Handy, um zu checken, wessen es war. „Meins", teilte ich ihr mit, stand auf, verließ das Wohnzimmer, nahm ab und hielt das Telefon an mein Ohr, „Hallo?" „Elena." Eine bekannte Stimme, die ich lange nicht mehr gehört, aber vermisst hatte. Eine Stimme, die wieder voller Gefühl sprach, diese jedoch versuchte zu verbergen. Eine Stimme, die ich aufgegeben hatte. „Stefan?", sprach ich leise. Caroline guckte mich fragwürdig an. Hatte sie tatsächlich nicht zugehört? „Hör mir gut zu. Jeremy ist bei mir. Ihm geht's gut. Noch. Ich will dich treffen." „Du hast Jeremy entführt?", flüsterte ich aufgebracht und entfernte mich weiter von meiner Freundin. „Und zwar will ich dich alleine sehen." „Wo?" „An einem alten Hexenhaus. Ich werde dir die Adresse senden. In einer Stunde", lieferte er mir die nötigen Informationen. Ich erinnerte mich daran, dass das Haus schon mal zwischen unseren Gesprächen gefallen war. Glaube ich. War das nicht das Haus, in dem Katherine eigentlich verbrannt werden sollte mit all den anderen Vampiren? Nein, das war die Kirche in der Nähe, welche verbrannt wurde. „Stefan, ich warne dich, wehe du tust Jeremy irgendetwas an", warnte ich ihn leise. Ich würde ihm das nie wieder verzeihen. Jeremy hatte das alles nicht verdient. Die ganze Aufregung. Den ganzen Stress. Das alles nur, weil man mir Leid antun wollte. Und dafür setzte jeder Jeremy ein. Wie eine Geheimwaffe. Ohne eine Antwort zu bekommen, legte Stefan auf und sendete mir die Adresse. „Elena, wer war dran?", interessierte es Caroline. Benommen log ich: „Ric. Er wollte nur wissen, wann Jeremy genau entlassen wird. Ich soll anrufen und fragen." „Okey?" Womöglich hatte Stefan gelogen. Womöglich lag Jeremy noch gemütlich in seinem Bett im Krankenhaus und schlief wahrscheinlich. Nur um sicher zu gehen, rief ich doch im Krankenhaus an und fragte nach ihm. „Er wurde heute entlassen. Ein netter junger Mann hat ihn abgeholt", bekam ich als Antwort. Mein Herz stoppte für eine Sekunde. Hatte Stefan völlig den Verstand verloren? Wie konnte er nur? „Dein Tee wird kalt", lachte Caroline und ich setzte mich langsam wieder zu ihr, „Was haben die Ärzte gesagt?" „Er kann morgen um 18 Uhr abgeholt werden", schluckte ich. Ein wiederholtes Mal nippte ich an meinem Tee. Meine Lust auf Tee war vergangen. Denn ich hatte Angst. Und so sehr ich diese Worte auch hasste, wollte ich am liebsten alles sofort Damon erzählen, damit er sich darum kümmerte. Aber ich durfte nicht. „Caroline, mir ist eingefallen, dass ich etwas bei Damon vergessen hab. Ich fahr nochmal zurück und hole es, okey?", suchte ich mir eine Ausrede dafür, das Haus zu verlassen. So wie ich Caroline kannte, hätte sie mich anders durchschaut. Schulterzuckend nickte sie und verließ vor mir ebenfalls das Haus. Also verabschiedete ich mich noch schnell von ihr. Sie wollte so oder so nur kurz bleiben. Ich griff nach meinem Autoschlüssel und packte ein wenig Eisenkraut zur Sicherheit ein. Unsere Haustür öffnete sich plötzlich und fiel wieder zu. Hurtig schrieb ich noch einen kleinen Zettel und lief konzentriert an der Person, die das Haus betreten hatte, vorbei. Doch ich wurde aufgehalten. Mit einem starken Griff wurde ich an meinem Arm festgehalten. „Wohin so eilig?" Immer noch sauer funkelte ich ihm in die blauen Augen. Damon. „Weg." Hoffnungslos versuchte ich mich von ihm loszureißen. Trotz meiner ganzen Anstrengung klappte es nicht. Und Damon gab nicht mal große Mühe darin, mich festzuhalten. „Wohin?", fragte er erneut und wieder gab ich ihm die selbe Antwort. „Elena, wohin?" Sein Geduldfaden riss. Bittend schaute ich ihm in die Augen. Er sollte mich loslassen. Ich hatte keine Zeit für so etwas. Nicht jetzt. Jeremy war in Gefahr und es war meine Schuld. Ich musste ihm helfen, ihn da raus holen. Und zwar sofort. Verwundert und zögernd ließ er dann wirklich von mir ab. Einige Sekunden blieb ich überrascht noch stehen, um sicher zu gehen, dass er mich nicht wieder abhalten würde. Doch das tat er nicht. Somit quetschte ich mich an ihm vorbei, stieg in mein Auto und fuhr los.

Vor der Tür überlegte ich. Sollte ich klopfen? Es war nicht sein Haus, also... Gerade als ich trotzdem darauf anlegen wollte, wurde die kaputte Eingangstür geöffnet. Das Haus war kaputt, fast vollkommen zerstört. Hier wohnten Hexen? „Elena", lächelte Stefan spöttisch. Wortlos betrachtete ich ihn. Ich atmete einige Male tief ein und aus. Ich hatte ihn so lange nicht gesehen. Unser erstes Treffen nach der Rettungssache hatte ich mir nicht so vorgestellt. Dann lief ich an ihm vorbei. „Wo ist Jeremy?" „In Sicherheit", meinte er. Doch ich konnte ihm nicht glauben. Ich wollte ihm nicht glauben. Nicht mehr. Wieso sollte ich auch? „Wo ist Jeremy, Stefan?", wiederholte ich mich bedrohlicher. „Er ist noch im Krankenhaus, das war nur eine Lüge um dich herzubringen", stellte er sich, vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen und leckte sich über die Lippen. Kopfschüttelnd ging ich wieder in Richtung Ausgang. Wie konnte er nur? Ich hatte Todesangst um Jer gehabt. Doch auch er hatte das Verlangen danach, mich abzuhalten, hielt mich wie Damon ebenfalls fest und drehte mich zu ihm. Ohne etwas zu sagen, musterte er mich. Ich blinzelte ihn nur enttäuscht an. Das war nicht Stefan. Er hatte sich verändert. Ständig hatte ich darauf gewartet, dass er zurück kommen würde. Ich hatte geweint, geschrien, gelitten. Aber anders. Nicht so. Nicht, indem er mich her lockte. „Ich wollte dich sehen", ein zweites Mal leckte er sich über seine Lippen und mied kurz den Blickkontakt zwischen uns. „Du hättest Jeremy dafür nicht als Druckmittel benutzen müssen", betonte ich. Ich hatte mir wirklich Sorgen gemacht. Ich hatte es bereut, ihn alleine gelassen zu haben. Im Stich. „Anders wärst du nicht gekommen." „Stefan, ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass du zurück kommst. Ich wäre gekommen!" „Aber nicht allein." Okey. Da hatte er vielleicht ein bisschen recht. „Lass mich gehen", wehrte ich mich schwach. Immer vorsichtiger wurde sein Griff lockerer, bis er schlussendlich losließ. „Die Krankenschwester meinte, du hättest Jeremy-" „Sie war manipuliert", erklärte er, ohne mich meine Frage aussprechen zu lassen. Natürlich. Manipulation war immer die Lösung. Zumindest für Vampire. Das machte alles gleich viel leichter. Ich wollte mich nicht mehr in Stefans Nähe aufhalten, ich war wütend auf ihn. Wütender, als ich auf Damon war. Als ich aus dem Haus lief, blieb ich unerklärlicherweise mit meiner Hand, an einem abstehenden Holzsplitter an der Tür hängen, wie als sei es Absicht gewesen. Es ähnelte nicht einmal einem Holzsplitter. Es ähnelte einem Pfahl mit Dornen. Klar war es ein Splitter, nur war es riesig. Selbst ich verstand nicht, was passiert war und wie. Meine Hand tat nur weh. Schmerzen zogen sich weiter und eine rote Flüssigkeit tropfte aus meiner Hand. Blut. Mist. Wieso genau jetzt? Wieso neben Stefan? Wieso neben... einem Ripper? Er beobachtete mein Blut, wie es langsam über meine Finger floss und bekam wieder das Verlangen. Unter seinen Augen wurden seine Adern sichtbar. „Ich sollte gehen", bestand ich, doch Stefan hatte meine Hand schon fest im Griff und starrte es an. „Stefan...", wisperte ich flehend. Man merkte ihm an, dass er versuchte zu widerstehen. Jedoch vergeblich. Er zog meine Hand mit der Wunde an seinen Mund und streckte schon schwach seine Zähne danach. Dieser Moment ließ mich starr stehen. Ich konnte mich nicht bewegen, nichts sagen. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Er nahm mein Blut zwischen zwei seiner Finger und leckte diese ab. Daraufhin wurden seine Adern noch größer. „Stefan, nicht", stotterte ich. Ich hasste mich in diesem Moment dafür, dass ich so voller Angst und Zweifel sprach. Doch er überhörte mich. Absichtlich? Ohne dass ich reagieren konnte, strich er meine Haare aus meinem Hals und biss hinein. Einen lauten Schrei konnte ich mir nicht verkneifen. „Hör auf", ächzte ich voller Schmerzen. Mein Körper wurde immer leichter, meine Augen schwerer. Meine Hand, die ich gegen Stefan gedrückt hielt, fing an zu sinken und ich klappte in mich zusammen. Stefan musterte mich einige Sekunden, bis er dann zur Tür schaute. Meine Augen waren schwach, ich konnte fast nichts mehr erkennen. Alles war verschwommen und blass. Überanstrengt ließ ich meine Augen offen. „Verdammt! Stefan!", fluchte jemand, „Bist du von allen guten Geistern verlassen?" Dieser Jemand kniete sich vor mich, fühlte nach meinem Puls und strich meine Haare aus meinem Gesicht, um mich besser betrachten zu können. Bemitleidend schaute er mich an. „Komm her", befahl er sanft und mit diesen Worten hob er mich im Brautstil hoch. Schwach lag ich in seinen Armen. „Ich bring dich hier raus", nuschelte er und besprach noch irgendetwas mit Stefan, was ich nicht verstand. Ich war zu erschöpft. Er trug mich schlussendlich aus dem Haus und legte mich auf die Rücksitze in seinem Auto. „Damon", flüsterte ich erleichtert und schwach, bevor ich das Bewusstsein komplett verlor.

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