XI
Das Frühjahr 1809 wurde für Fitzwilliam Darcy mit einer Jagdgesellschaft geladener Adliger auf den Gütern Pemberleys begonnen, mit dem man dem Bestand an Schwarzwild, welches vielerorts die Felder schädigte, gehörig zu Leibe rücken konnte. Diese große Treibjagd konnte man wahrlich ein gesellschaftliches Ereignis nennen, da ein Großteil der Adligen Derbyshires der Einladung gefolgt waren.
Zudem hatte Mister Darcy vielerorts Besichtigungen mit seinem Verwalter Mister Greenshaw vorzunehmen. Man prüfte gemeinsam den Zustand von Zäunen und Gattern, von Gebäuden, sogar die Ausmaße von Verbuschungen in den Wäldern.
Als jedoch alles angewiesen und gerichtet war, zog es Fitzwilliam Darcy- wohl auch im hohen eigenen Absichten- zurück nach London.
Darcy hatte London verlassen, um sich auch über gewisse Zuneigungen und Empfindungen mehr Klarheit zu verschaffen, die wichtig waren, jedoch nicht überstürzt angegangen werden durften.
Doch das Londoner Leben- auch das gesellschaftliche Leben- blieb über den Winter hinweg nicht rastlos, wie Fitzwilliam Darcy zu seinem Bedauern sehr schnell erkennen musste. So wurde- kurz vor seiner Rückkehr nach London- die Verlobung von Miss Olivia Janewallis zu ihrem neunzehnten Geburtstag mit einem höchst ehrenwerten Commodore, Sir Baron Nathan Harris, öffentlich bekannt gemacht. Der vierunddreißig Jahre zählende Commodore Harris war sowohl Mitglied des Parlaments als auch im Marineministerium tätig und wurde in einer Notiz als sehr verdienstvoller Marineoffizier benannt.
Als Fitzwilliam Darcy diese Nachricht las, brachen ihm fast Tränen aus. Wäre er nur nicht aus London fortgegangen, rügte er sich. Ebenso warf sich Fitzwilliam Darcy selbst vor, nicht forsch, eindringlich und andauernd genug in aller Deutlichkeit seine tiefempfundene Verehrung für Miss Olivia Janewallis gezeigt zu haben.
Ein Verlöbnis, noch dazu so öffentlich bekannt gegeben, würde jedwede Annäherungen an die anmutige Miss Olivia zu einem Versuch der Verführung einer vergebenen Frau werden lassen oder solcher Unbotmäßigkeit gleichgestellt werden müssen. Dies wäre etwas, dass einem Gentleman wie Fitzwilliam Darcy in keinster Weise gestattet war.
Selbst sich zu diesem Zeitpunkt an Miss Olivia zu wenden, könnte unwiederbringlich das Ansehen in die eigene Person und Stand gefährden - ja sogar Ursache für ein Duell geben.
Schweren Herzen musste sich Fitzwilliam eingestehen, dass der Wunsch, Miss Olivia näher kennen lernen zu wollen, nun verloren war.
Und Miss Sophie Lennart? Würde sie nicht mutmaßen müssen, in Anbetracht der aktuellen Umstände, vielleicht nur als Ersatz- Gesellschaft gedient zu haben, wüsste sie um Darcys inneres Zerwürfnis? Dem wäre gewisslich so. Doch konnte Miss Sophie hiervon wissen? Darcy hatte seine Interessen zu keinem Zeitpunkt deutlich wären lassen oder mit ehrlichen Worten erklärt.
Darcy zögerte seine Ankunft in London heraus. Er verlängerte seinen Aufenthalt in dem kleinen Gasthof um weitere zwei Übernachtungen.
So ging er viel in den dichten Wäldern spazieren, um klare Gedanken zu bekommen und sich mit dem bekannt gewordenen Nachrichten abzufinden. Dies gelang ihm nur mäßig.
Darcy vermutete, dass die Verbindung wohl ein windiger Schachzug des Vaters von Miss Olivia Janewallis sein konnte. Als Zulieferer für Armee und Marine war eine solche Verbindung für seine eigenen Absichten und Geschäfte überaus förderlich. Gewiss ist der anverlobte Schwiegersohn von Mister Janewallis, Commodore Harris, ein Mann von Ehre und Verdiensten. Doch war er zudem auch genau an einer Stelle tätig, die Mister Janewallis mit Sicherheit Vorteile versprach im Hinblick auf Belieferungen oder Ausrüstung der Marine.
Darcy überlegte, ob er selbst eine positive Erinnerung an einen Commodore dieses Namens in Erinnerung hatte. Dies war jedoch nicht der Fall. Er kannte einige Personen mit diesem Nachnamen, jedoch stand keiner von denen im Dienst der Marine. Doch konnte er dem Mann schon einmal begegnet sein, da Harris im Parlament mitwirkte.
Doch brachten all diese Überlegungen eines Für und Wieder nur letztlich eine Tatsache hervor, in der all die Gedanken mündeten. Olivia Janewallis war verlobt! Dies war eine zu akzeptierende Tatsache- egal, was Fitzwilliam Darcy sich für Gedanken erlaubte.
So fand er dazu, sich in Bezug auf Miss Olivia Janewallis damit abzufinden.
Und in Bezug auf Miss Sophie? Miss Sophie war eine überaus angenehme Person mit sicherem Auftreten und klarem Verstand. All dies waren Vorzüge, welche Darcy schätzte. Doch würde ihm dies genügen? War Miss Sophie die Gefährtin, welche er sich für sich wünschen würde?
Darcy dachte an seine Gespräche mit Georgiana. Georgiana hatte von ihm selbst in Weymouth im Vertrauen entlockt, worauf es ihm ankommen würde bei einer Gefährtin.
Miss Sophie Lennart war einiges davon, doch leider erfüllte Miss Sophie viele Aspekte nicht oder noch nicht. Sie war auch nicht so lebensfroh und glühend, Fitzwilliam Darcy sofort entflammen zu lassen für sich. War dies nur einer noblen Erziehung oder einer Zurückhaltung zuzuschreiben?
Darcy entschied für sich, Miss Sophie Lennart vielleicht in Betracht zu ziehen, jedoch würde er sich nicht aufdrängen dürfen. Er würde ihr Verhalten und auch das Verhalten der Familie Lennart studieren, um sich ein besseres Bild zu machen, durfte jedoch keinen Anlass geben, vorzeitige oder übereilte Schlüsse in Bezug auf seine Absichten zu ziehen.
Ja, so wollte er handeln.
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