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Die Weihnachtszeit auf Pemberley war bis auf wenige Ausnahmen sehr ruhig.
Mister Greenshaw hatte für das große Haus eine Tanne schlagen und aufstellen lassen.
Schon seit der zweiten Woche des Monats Dezember war nun auch Georgiana Darcy von Ramsgate zurück und genoss ihre Räume und Freiheiten. Ihr überließ es Fitzwilliam auch, dem Hauspersonal einen finanziellen Bonus für ihre treuen Dienste zum dritten Adventssonntag nach der Kirche auszureichen. Dies brachte Georgiana viel Freude und dem Personal einen zusätzlichen Dank vor dem Fest.
Ein Chor von Gemeindemitgliedern aus Lampton stellte sich zudem vor dem vierten Advent auf Pemberley ein und sorgte für Ablenkung und beschauliche Fortführung alter Traditionen im Hause Darcy.
Zum Fest hatten die Darcys der Mehrheit des Personals drei freie Tage gegeben, in Ausnahmen sogar fünf Tage. Nur Mister Greenshaw, die Hausdame und mehrere jüngere Bedienstete ohne eigene Familie blieben auf dem Anwesen.
Schlechtes Wetter zwang dazu, im Haus zu bleiben, jedoch zeigten sich Georgiana und Fitzwilliam Darcy zum Dankgottesdienst- auch um die Almosen zu stiften und weihnachtlichen Segen zu erhalten.
Georgiana erfreute ihren Bruder mit Stücken am Pianoforte und kleinere Gaben wurden geschenkt.
Das neue Jahr begann mit einem Kartenabend, an welchem neben dem Verwalterehepaar auch der neueingesetzte Pfarrer aus Kimpton, der Bürgermeister aus Lampton mit Gemahlin sowie einige Adlige geringeren Standes zugegen waren. Zudem hatte sich auch Mister George Wickham zu einem kurzen Besuch auf Pemberley eingestellt und wurde gebeten, dem Kartenspiel beizuwohnen. Mister Wickham als auch Lamptons Bürgermeister hatten ein gewisses Glück an diesem Abend.
George Wickham nutzte eine Pause im Spiel dazu, seinem Jugendfreund Fitzwilliam Darcy nochmals für seine Großzügigkeit und sein Verständnis zu danken. Mister Wickham schilderte, dass er ein Studium der Rechtswissenschaft zwar kurz begonnen, jedoch auf Grund der Verfügbarkeit eines Postens in einem Milizregiment in Kent schnell wieder abgebrochen habe. Er unterhalte noch ein Zimmer in London, sei jedoch in einer kasernierten Unterbringung nahe Biggin Hill vertan.
„Zumeist verbringen wir die Abende beim Kartenspiel, was meinen kleinen Erfolg vom heutigen Abend sicherlich erklären wird.", beteuerte Wickham seine Unschuld am Gewinn von Einsätzen, nahm jedoch bereits die Hälfte des Gewinnes schon zur Pause an sich.
Fitzwilliam sah dies, wollte es jedoch nicht hinterfragen, um Wickham nicht zu brüskieren. Wickham überspielte dies im Kreis seines Spieltisches zu Beginn der Pause mit kleineren Scherzen, welche an Mistress Greenshaw und Mistress Dashborn gerichtet waren sehr galant.
„Doch werde ich den Damen in der weiteren Runde sicherlich beweisen, dass auch Ihnen das Glück holt ist.", schmeichelte Wickham, bevor er wieder mit Fitzwilliam Darcy ins Gespräch kam.
Wickham schien hierbei Wert darauf zu legen, dass er Mister Darcy etwas abseits der anderen sprechen konnte, sozusagen mehr privat.
„Ich habe in London erfahren, dass Ihr mit höheren Offizieren gesellschaftlich gut gestellt seid, lieber Freund?"
„Schenkt diesen Gerüchten nicht zu viel Beachtung. In London kann man bei der Mannigfaltigkeit von Anlässen und Gelegenheiten nicht jede Person von Rang und Namen kennen, selbst wenn man sich darum bemühte."
„Doch vielleicht, lieber Freund, könntet Ihr ein gutes Wort für mich bei eben jenen Herren finden? Ich hörte, ihr habt Kontakte bis zum Ministerium? Vielleicht sogar zur Patentstelle dort?", zischelte George Wickham mit gut aufgesetzter Miene.
„George? Ich kann Dir nicht folgen. Worauf bist Du aus?"
„Nun, ich wollte Euch bitten, für mich beim Ministerium zu bürgen. Ich habe mich zwar in den Rang eines Fähnrichs beim Regiment bringen können und mir auch dort einen angesehenen Stand erarbeitet, doch die Ansprüche an den Posten sind mit einigen Ausgaben verbunden gewesen. Ausgaben verschiedener Art, die ich sicherlich wieder einfordern kann, jedoch entweder mit Einsatz von Geld beschleunigen könnte oder mit einer Bürgschaft darauf, die Dritten gegenüber besichernd und zuverlässig ist."
„Dann soll ich Dir Geld leihen oder mit einer Bürgschaft wegen Deines Offizierspatentes als Fähnrich?"
Fitzwilliam Darcy erkannte nun recht deutlich, worum es George Wickham ging. Es war damit ausgesprochen, wurde jedoch von George Wickham durch ein zögerliches Kopfnicken untermauert, wobei er sich im Raum peinlich berührt umsah, dass Darcys offene Worte nicht von Dritten wahrgenommen wurden.
„George, ich gab Dir schon Dreitausend- mehr als die Kimptoner Pfründe an Wert besitzt- um alter Verbundenheit willen. Doch sagte ich Dir auch, dass ich Dir hiernach nicht erneut Mittel geben werde. Und unter dieser Bedingung willigtest du ein. So sehe ich mich auch meinem Wort verpflichtet."
„Dann bitte ich Euch, wenigstens die Bürgschaft zu leisten- nicht lang. Absehbar vielleicht ein Jahr, bis ich wieder auf die Beine gekommen bin.", mit mehreren peinlichen Seitenblicken bettelte Mister Wickham fast um diesen Bonus auf alte Absprachen, da er deutlich erkannte, dass Darcy nicht erneut Geld geben würde.
„George, das wäre doch das gleiche Maß- und keine Lösung, da ich deine Gewohnheiten nur zu gut kenne. Ich kann nicht glauben, dass Du binnen eines halben Jahres das gesamte Geld der Pfründerücknahme ausgegeben hast."
Fitzwilliam Darcy war empört.
Mit dieser Summe hätte Jeder, der besonnen ist, sich ein gutes Leben aufbauen können. Doch so, wie George Wickham leichtfertig sein Leben über seinen Möglichkeiten zu genießen gedachte, hatten die Mittel nicht einmal für dieses eine Jahr ausgereicht. Wahrscheinlich verspielte Wickham einen Großteil davon oder trug es in Gasthäuser. Zudem war er gut gekleidet- so, wie er es immer tat, um einen Schein zu wahren und besseren Stand zu zeigen, als er ist.
„Nein George. Ich kann dies nicht tun. Es würde mein bereits gegebenes Wort ad absurdem führen. Und ich kenne auch niemanden dort so gut, um für deine Schuld einzustehen, ohne mein Gesicht vielleicht bei mir nur wenig bekannten Menschen zu verlieren, wenn Du das Patentgeld nicht hinterlegen kannst. Ich möchte, dass heute Abend kein Wort mehr darüber fällt in diesem Haus."
Darcy blieb damit hart.
Wickham war unwohl in seiner Rolle. So ging er mit seitlichen Blicken auf die Anwesenden zurück zu seinem Spieltisch- Platz und nahm auch den Rest seines Gewinnes noch an sich.
Blumig entschuldigte er sich bei Mistress Greenshaw.
„Mistress Greenshaw? Ob sie mich wohl bei den Damen und Ihrem Gemahl entschuldigen würden? Ich fühle mich leider nicht so recht und möchte lieber sofort in meine Unterkunft nach Lampton zurückkehren, um mich auszuruhen."
„Aber Mister Wickham? Wollen sie uns wirklich keine weitere Gesellschaft leisten?"
Galant und mit einem fast zu offenen Blick zu jeder der Damen vertröstete George Wickham die Damen seines Spieltisches.
„Leider werde ich mich für heute ihrer angenehmen Gesellschaft entziehen müssen. Ich hoffe jedoch sehr, dass wir einen solchen Abend alsbald in gleicher Runde fortsetzen können. Die Damen entschuldigen mich? Mistress Greenshaw. Mistress Dashborn."
Mit höflichster Verbeugung verabschiedete sich Mister Wickham damit, neigte sich mit Kopfnicken zudem den anderen Herren zu.
Sodann ging er zu Mister Darcy, der mit seiner Schwester Georgiana im Gespräch war. Höflich wartete George Wickham, bis Miss Georgiana durch einen Blick zu Mister Wickham ihrem Bruder signalisierte, dass George Wickham ein Gespräch suche und hierfür leicht abseits hinter ihm stand.
Fitzwilliam Darcy drehte sich aus diesem Grunde zu George Wickham um, um ihm seine Aufmerksamkeit zu schenken.
„George?"
„Fitzwilliam, ich bitte um Nachsicht, dass ich diesen angenehmen Kreis der hier Anwesenden bereits verlassen möchte. Ich wünsche Ihnen alles Gute und würde mich freuen, wenn wir uns unter anderen Umständen erneut und freundschaftlich begegnen könnten."
George Wickham machte eine leichte Verbeugung vor Fitzwilliam Darcy.
Mister Darcy war ein wenig überrascht von George Wickhams überraschenden Rückzug aus der kleinen Gesellschaft.
Doch schrieb Darcy dies dem Umstand zu, dass er George Wickham eine erneute finanzielle Unterstützung versagte und George Wickham sich aus diesem Grunde trotzig aus der Runde des Spieleabends zurückzunehmen gedachte. Wenn George Wickham nur wegen des Geldes erschienen war, so tat dies Fitzwilliam Darcy ehrlich leid, denn die alte und gewachsene Freundschaft zu George Wickham erlitt hierdurch doch erheblichen Schaden- ja die Freundschaft schien damit beendet, wenngleich Wickhams Worte des Abschiedes wohl gewählt und von freundlicher und ehrerbietender Natur waren. Die Ausschweifungen Wickhams und sein doch anspruchsvoller Lebensstil hatten wohl schnell seine Mittel im Großteil bereits jetzt aufgezehrt. Doch war nur wenig Aussicht auf eine Änderung seines Verhaltens absehbar- zumindest aus Fitzwilliam Darcys Sicht der Dinge. Darcy fürchtete sogar in diesem Moment des Abschiedes, dass George Wickham vielleicht sogar scheitern und sich noch mehr verschulden würde, so Wickham sein Leben nicht grundlegend veränderte und an den Realitäten reifte.
Indem er sich jetzt zurückzog, wahrte Mister Wickham zumindest hier in der Runde ihm bekannter Personen doch sein Gesicht. Nicht jedoch vor Fitzwilliam Darcy, der ihn jedoch ohne Gram ziehen lassen wollte und nicht mit dem Gedanken spielte, Wickham seinen heutigen Auftritt und das Gespräch mit ihm nachzutragen oder Wickham in der Runde der Anwesenden bloßzustellen.
„Auch ich wünsche Ihnen alles Gute für ihre Zukunft. Leben sie wohl."
Während sich beide Männer tief anblickten, wich Wickhams Blick aus- wohl aus Scham über sein gezeigtes unangemessenes Verhalten.
Mistress Dashborn bat Mister Darcy zu sich, als Gentlemen neigte Darcy jedoch noch kurz den Kopf zu George Wickham, um ihn in Höflichkeit zu verabschieden.
Mistress Dashborn hatte jedoch andere Probleme zu klären, zumal sie zu dem kleinen Zerwürfnis zwischen Wickham und Darcy in der Spielpause keine Informationen hatte.
„Mister Darcy? Vielleicht wollen sie sich unserem Spieltisch anschließen, da Mister Wickham sich nun verabschieden musste? Wie ich sehe, waren an ihrem Tisch einer zu viel, während wir nun nur noch zu Dritt weiterspielen müssten. Bitte gesellen sie sich doch zu Uns herüber, Mister Darcy."
„Sehr gern komme ich Ihrer Bitte nach."
Während sich Fitzwilliam Darcy an Wickham vorbei bewegte, um Mistress Dashborn und Mistress Greenshaw Gesellschaft zu leisten, blieb George Wickham in bedauernswerter Pose stehend zurück.
Schon fast im beabsichtigten Verlassen des Raumes begriffen, fiel sein Blick auf die allein nahe dem Pianoforte stehende Miss Georgiana Darcy.
Ob er bereits in diesem Moment einen neuen Plan für sich ins Auge fasste, würde man nicht zu unterstellen wagen. Dennoch ging George Wickham zu Miss Georgiana Darcy herüber.
„Miss Georgiana."
Georgiana Darcy ging davon aus, dass Mister Wickham sich zur Verabschiedung zu ihr gesellte. Daher hielt sie ihm- wie es die Etikette erlauben- ihre behandschuhte Hand hin, damit George Wickham einen Handkuss andeuten konnte.
„Auch wenn ich mich für den heutigen Tag von Ihnen, Miss Georgiana, verabschieden muss, so hoffe ich doch von ganzem Herzen, dass wir einander schon alsbald erneut begegnen dürfen. Ihre Gesellschaft ist mir hier auf Pemberley immer die angenehmste Gesellschaft gewesen."
Wickham deutete den Handkuss nicht nur an, er ging sogar über das erlaubte Maß hinaus und drückte Miss Georgiana einen festen Kuss auf den Handschuh, so dass Georgiana- dieses Verhalten nicht für sich richtig einschätzen und als überzogen und unangemessen werten könnend- George Wickhams Verhalten ihr gegenüber als schelmenhafte Galanterie und fast Flirterei mit ihr verstand. Verstärkt wurde dieser Eindruck bei Miss Georgiana Darcy durch den sehr feurigen und anzüglichen Blick in Miss Georgianas Augen, den Mister Wickham dem Handkuss folgen ließ.
Während George Wickham hiernach seine Handschuhe anzog und sich den Zylinder aufsetzte, schien ein feines Lächeln seinen Mund zu umstreichen. Mit letztem Blick auf Miss Georgiana und einen kurzen Lupfen des Zylinder zu ihrer Richtung verließ Mister Wickham dem Raum.
Miss Georgiana schien ebenfalls etwas zu lächeln- teils irritiert über George Wickhams Verhalten, teils überaus geschmeichelt und in ihrer erblühenden jungen Fraulichkeit berührt.
Von all dem nahm der Rest der abendlichen Kartenspiel- Gesellschaft jedoch keine Kenntnis. Auch Fitzwilliam Darcy nicht.
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