VIII

Fitzwilliam Darcy zeigte sich bewusst bei mehreren gezielt von ihm ausgesuchten Veranstaltungen, wie den Pferderennen, welche fast allwöchentlich an den Wochenenden stattfanden.

So gelang es ihm wirklich anlässlich des letzten September- Rennen in Ascot Mitglieder der Familie Janewallis zu erspähen, unter ihnen auch Miss Olivia Janewallis. Erneut war sie in Begleitung Ihres Vaters und ihres Bruders bei diesem Anlass. Zudem war auch eine Dame anwesend, die man augenscheinlich als ihre Frau Mutter erkennen konnte, da die Damen große Vertrautheit zeigten und Sir Baron Janewallis die Damen und seinen Sohn stets bei sich zeigte.

Doch ergab sich für Darcy auf den Rängen während der ersten Renndurchläufe keine Gelegenheit zu einem Gespräch, weder mit Sir Janewallis oder seiner Familie- und schon gar nicht mit Miss Olivia Janewallis, die recht abgeschirmt im Kreis der Familie verblieb.

Nach den ersten Rennläufen nutzte Sir Baron Janewallis den öffentlichen Auftritt und Anlass, seine Frau, den Sohn und auch Miss Olivia verschiedenen Anwesenden vorzustellen. Da unter der Vielzahl von Aufwartungen auch einige Herren ohne weitere Begleitung waren, betrübte und grämte dies Darcy erheblich.

Wohl auch aus diesem Grunde heraus konnte sich Fitzwilliam Darcy über einen doch recht passablen Wettgewinn nur verhalten und kurz freuen.

In der großen Menge an anwesenden Personen fanden sich dennoch einige Gesprächspartner für ihn selbst, so dass sich Mister Darcy nicht vollkommen verloren fühlen musste ohne eigene Begleitungen.

So sprach er mit zwei Politikern, welche er kannte, und auch Colonel Lennart, dessen Einladung an Cousin Fitzwilliam zum künstlerischen Abend er gefolgt war.

Auch Colonel Lennart war hier in Begleitung seiner Familie auf der Rennbahn erschienen. Im Austausch förmlicher Höflichkeiten stellte Mister Lennart erneut seine Frau, seinen Sohn und seine zwei Töchter vor. Letzteres übersah Darcy fast unhöflich- dies nicht aus Stolz, eher aus Desinteresse, da sich die Familie der Janewallis in räumlicher Nähe war.

Die ältere Tochter von Colonel Lennart, Miss Sophie Lennart, suchte gleichwohl die Kommunikation mit Fitzwilliam Darcy auch nach dem Bekanntmachen aufrecht zu erhalten.

„Genießen sie die Pferderennen, Mister Darcy?", fragte Miss Sophie Lennart.

„Doch. Sie schaffen eine angenehme Ablenkung."

„Unser Herr Vater hatte leider seine Wette auf einen Verlierer der letzten Rennen platziert. Ich hoffe, Sie hatten vielleicht mehr Glück?" Miss Sophie Lennart zog ihre etwas jüngere Schwester näher zu sich heran. Darcy bemerkte dies nebenher, ließ jedoch seinen Blick schweifen, da Miss Olivia Janewallis mit ihrem Bruder durch die nahestehenden Herrschaften ging.

„In der Tat. Auch wenn ich kein sehr größer Kenner oder Förderer des Pferderennsportes bin, so schien mir Fortuna heute in der Platzierung einer Wette überaus großzügig zu sein. Ich durfte mich über einen Gewinn glücklich schätzen."

„Sie Glücklicher. Ich hoffe, ihr gewinn bereitet Ihnen Freude. Die meisten der anwesenden Herrschaften, mit denen wir die Freude eines Gespräches hatten, waren heute weniger mit Erfolg gesegnet."

Und empfand Darcy bis zu diesem Moment das Gespräch mit Miss Sophie Lennart eher als beiläufig und aus Höflichkeit geführt, damit man sich nicht verloren fühlte unter all den vielen Anwesenden, so bekam das Gespräch durch die Initiative von Miss Sophie mit einem Male eine für Darcy mehr als angenehme Wendung.

Miss Sophie Lennart bat nicht nur die vorbeischwebende Miss Olivia Janewallis näher zu ihrem Gespräch heran- mehr noch, sie lenkte die Aufmerksamkeit der jungen schönen Dame auch noch auf Mister Darcy.

„Miss Olivia? Sie fragten mich doch noch vorhin, ob es überhaupt einen Gentleman auf dem Court gibt, der etwas Glück beim Wetten vorweisen durfte? Hier. Dieser noble Gentleman, Mister Viscount Darcy aus Derbyshire ist ein solcher Glückspilz. Nicht wahr?"

Miss Olivia Janewallis löste sich vom Arm ihres Bruders und kam zu den zwei Lennart- Damen und Mister Darcy kurzentschlossen hinzu.

„Wirklich? Dann dürfen Sie sich überaus glücklich schätzen, Mister Darcy, denn nach meiner bescheidenen Einschätzung haben am heutigen Tag nur die Rennbahn und die Wettscheinstelle gewonnen. Die Rennen verliefen überaus unvorhersehbar am heutigen Tag, was mir auch bereits verschiedene Anwesende bestätigten."

Mit dieser Feststellung gesellte sich Miss Olivia Janewallis dem Gespräch hinzu.

Innerlich überaus glücklich über diesen zufälligen Umstand, war es allerdings Fitzwilliam Darcys Stimme, die in diesem Moment zu versagen drohte. So wirkte der Mund recht trocken, der Hals zugeschnürt- kaum, dass man Luft atmen konnte. Sogar ein klares Denken schien beeinträchtigt, gleichwohl riet Darcys Kopf ihm, dennoch das Gespräch fortzuführen mit den drei Damen. Nur so konnte er die Aufmerksamkeit von Miss Janewallis auf sich halten.

„Nun. Ich vermute, mein Glück ist sicher nur dem Umstand geschuldet, dass ich die Wette fast wild und wohl auch zu leichtsinnig platziert hatte. Jeder Kenner der Pferde oder ihrer bisherigen Erfolge hätte mir mit Sicherheit von meiner Wette abgeraten. So lief sie als Außenseiter- Wette im vorletzten Rennen.", erläuterte Darcy seine Wettentscheidung.

„Dann haben sie wenig Bezug zum Pferderennen und den Pferdewetten im Allgemeinen?", hinterfragte Miss Sophie Lennart.

„So ist es wohl, meine Damen. Ich ziehe es üblicherweise vor, keine Wetten auf unsicher erscheinende Faktoren zu setzen, bei denen mir zudem sich Sachkunde fehlt. Für heute traf ich meine Wahl kurzentschlossen und wohl auch, um es allen anderen Herrschaften hier gleichzutun."

Miss Olivia Janewallis blickte Darcy fast unverständlich in die Augen, was Darcy sofort verunsicherte und irritierte.

„Mein Herr Vater, Sir Janewallis, ist Besitzer gleich zweier Rennpferde, welche heute hier vorgezeigt wurden und auch in den Rennen zu sehen waren. Doch waren deren Rennerfolge heute eher unvorhergesehen- beinahe als schlecht zu bewerten.", erklärte Miss Olivia offen und sichtlich betrübt. „Einige Herren, mit denen mein Vater als ein Förderer und überaus Sachkundiger des Pferderennsportes heute schon gesprochen hat- und die sich durch Wetteinsätze loyal zu ihm zeigen wollten, brachten ihre heutigen Enttäuschungen darüber bereits deutlich zum Ausdruck. Und nun stehe ich Ihnen gegenüber, Mister Darcy. Einem der wohl wenigen Gewinner des Tages und weiß nicht so recht, wie ich ihr spontanes Glück zu bewerten habe- zumal sie zudem offen einräumen, kein Kenner des Pferderennsportes zu sein."

Miss Sophie Lennart schien Mister Darcy gegenüber der irritierten Miss Olivia Janewallis sogleich zu verteidigen.

„Mister Darcy war offenbar unvoreingenommener, als die Herren, welche sich Eurem Vater durch ihre Wetten verpflichtet sahen und auf einen sicheren Wetteinsatz hofften. Gewiss suchte Mister Darcy nur kurzweilige Zerstreuung durch seinen Besuch der heutigen Rennen."

Darcy nickte Miss Sophie freundlich zu.

„So ist es, Miss Lennart. Derbyshire bietet derlei Rennen nicht."

Doch richtete Darcy seine Aufmerksamkeit wieder Miss Olivia Janewallis zu. Da es ihm als Gentleman jedoch nicht vergönnt ist, unverhohlen und persönlich nur mit ihr zu sprechen- was vielleicht durch Dritte unbeabsichtigt aufdringlich wahrgenommen werden könnte, band Darcy alle anderen Damen der kleinen Gesprächsrunde mit ein.

„Ich möchte die Damen bitten, meine Unkenntnis über Pferderennen nicht für mich nachteilig zu werten. Zudem muss ich einräumen, dass ich auch der Schau der Pferde am Morgen und auch vor dem eigentlichen Rennen ferngeblieben bin. Ich setzte meine Wette daher fast willkürlich und unwissend. Allerdings bewundere ich die Schönheit der Tiere hier am Platz überaus, deren Kraft und Schnelligkeit wirken allesamt sehr beeindrucken. Die Damen sollten mich daher nicht bedrängen, eine Wette für Sie zu platzieren. Glück ist hier auf dem Platz, wie sie gerade heute und im Gespräch mit anderen anwesenden Gästen der Veranstaltung sicherlich auch bereits bemerkten, zumeist nicht erzwingbar und oftmals nur situativ. Doch denke ich, dass ich selbst bei anderen Formen von Spielen mit finanziellem Einsatz vielleicht üblicherweise mehr Erfolg für mich vermuten kann."

Miss Olivia schienen diese Worte doch, wohl auch wegen ihrer Offenheit, in gewisser Hinsicht zu beeindrucken. Und auch auf die zwei Töchter der Familie des Colonel Lennart blieben Mister Darcys Worte nicht ohne Wirkung. Miss Sophie Lennart zeigte sich- ob der Offenheit und natürlichen Ehrlichkeit- überaus beeindruckt, wie es schien.

Die drei Damen waren fast verstummt nach Darcys Aussage, denn üblicherweise versuchen sich alleinstehende Gentlemen Ihnen gegenüber eher als sehr kundig und kompetent darzustellen, um sich im besten Lichte vor den Damen zu präsentieren. Darcys Offenheit und Ehrlichkeit, die sie sogar nachvollziehen konnten, waren sie von anderen Herren kaum in den Gesprächen gewohnt.

Die drei jungen Damen und Darcy selbst sahen sich in einem ungewohnten Moment der Stille, der für Darcy viel zu lang anzudauern schien. Er überlegte bereits, wenngleich er die Gesellschaft der Damen sehr genoss, insbesondere die Anwesenheit von Miss Olivia Janewallis im nahen Gespräch, ob er sich nicht aus Höflichkeit aus dem Kreis entpflichten sollte, um den Damen den Fortgang der unangenehm scheinenden Situation zu ersparen.

Miss Sophie durchbrach die Stille allerdings- sich ebenso natürlich äußernd.

„Ihr Standpunkt ehrt sie, Mister Darcy. Darf ich bei dieser Gelegenheit im Namen von Colonel Lennart noch hinterfragen, ob Ihnen der Aufenthalt im Hause unseres Vaters zu der Lyrischen Veranstaltung gefallen hat?"

Darcy fiel auf, dass sich Miss Sophie Lennart wohl an sein Beisein an jenem Abend erinnerte, wenngleich Darcy selbst nur als weitere Begleitung seines Cousins zufällig dort erschienen war.

„Der Abend war überaus angenehm. Ich beglückwünsche Ihre Familie für diesen Erfolg. Ich empfand sämtliche Gesangsstücke als auch die verschiedenen Autorenlesungen als sehr gut ausgewählt und durchweg gelungen.", gestand Darcy ein.

Gleichwohl näherte sich Sir Janewallis und sein Sohn nun, wohl auch um seine Tochter aus den Fängen des Gespräches heraus zu holen. Baron Janewallis war deutlich in er Wahl seiner Worte.

„Wenn die Damen und der Herr entschuldigen? Ich möchte meine Tochter bei mir wissen, wenn wir für das nächste und damit letzte Rennen des Tages unsere Plätze einnehmen."

Mister Darcy nahm diese Entscheidung von Mister Janewallis mit einem höflichen Lüften seines Zylinders wortlos hin.

Ebenso wortlos verabschiedete sich Miss Olivia mit einem kurzen Knicks aus dem Gespräch und folgte ihrer Familie.

„Nun?", sprach Darcy. „Dann möchte ich die Damen nicht länger von ihren Beobachtungen des Rennens abhalten. Ich möchte mich ebenfalls von Ihnen verabschieden. Es war mir ein Vergnügen. Wenn mich die Damen entschuldigen."

Darcy lüpfte erneut höflich seinen Zylinder, was beide Lennart- Schwestern mit einem Knicks erwiderten.

Die Lennart- Schwestern sahen Darcy hinterher, während er durch die Menge entschwand- sich wohl in Richtung des Ausganges zum Stellplatz der Kutschen hinbewegte.

Colonel Lennart sammelte seine Töchter ein, um auch sie bei der Rückkehr auf die Plätze bei sich zu haben. Sowohl Miss Sophie Lennart als auch die noch sehr junge Miss Anne Lennart folgten der Familie.

Miss Anne Lennart hakte sich am Arm ihrer Schwester Sophie unter, kam dann sehr nahe an Sophie heran, um ihr zu zuflüstern.

„Ein recht angenehmer Gentleman. Und weit weniger aufgeblasen oder unterwürfig als andere Gentlemen oder Vaters Offiziere, mit denen wir in Übersee oder hier in London in Kontakt kommen durften. Findest du nicht? Doch auch ein wenig einfältig, wenn du mich fragst- auf ein Pferd zu wetten, ohne es zu kennen oder gesehen zu haben. Hast Du dir seinen Namen gemerkt?"

„Darcy. Sein Name war Darcy.", antwortete Sophie.

Und auch wenn Miss Sophie Lennart es wollte, sie nahm Mister Darcy vor ihrer Schwester hinsichtlich des Vorwurfes der Einfältigkeit nicht in Schutz.

Doch das Gespräch und die Anschauungen von Mister Darcy schienen bei Miss Sophie Lennart nicht ohne einen gewissen nachhallenden Eindruck geblieben zu sein. Ja sie fragte sich sogar, ob man Mister Darcy- der ohne jeden Zweifel nicht nur sehr angenehm und natürlich schien, sondern auch ein wahrer Gentleman in ihren Augen war- vielleicht sogar erneut begegnen könnte.

Vielleicht würde sie vorsichtig ihre Mutter auf den Herren aufmerksam machen können, die wiederum den Vater vielleicht dazu bewegen oder drängen könnte, Mister Darcy in ihr Haus einzuladen.

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