31
Kian
Meine Augen fielen vor Erschöpfung immer wieder zu. Ich versuchte gar nicht mehr dagegen an zu kämpfen. Ich war sowieso zu schwach. Das Durstgefühl hatte aufgehört, doch ich trank das Glas trotzdem jedes Mal in einem zug leer. Meine Hände brannten wie Hölle von den Seilen, aber sie wurden lockerer und das gab mir Hoffnung.
Die Metalltür wurde aufgestoßen und Taro kam herein.
"Wer bist du Kian?", fragte er mich und kniete sich vor mich. "Warum hat Ilay dich immer noch nicht geholt?"
Weil er nicht dumm ist. Er weiß, dass das hier eine Falle ist.
"Ich gebe ihm noch einen Tag, dann wird er hier auftauchen."
Taro stand wieder auf. "Und wenn er es nicht tut. Tja, dann müssen wir uns was anderes überlegen. Vielleicht töte ich dich erst. Dann dreht er bestimmt durch. Stell dir sein Gesicht vor, wenn ich ihm deine Leiche zeige."
Unwillkürlich liefen mir Tränen über die Wangen. Ich wollte nicht weinen, aber ich hatte keine Kraft mehr dagegen anzukämpfen.
"Gott, du liebst ihn wirklich, was?", fragte Taro belustigt. "Und er liebt dich auch. Glaub mir, wir haben euch lange beschattet. Niemals hat er sowas für jemanden getan. Schwuchtel."
Er gab mir einen Tritt in den Magen, sodass ich nach vorne sackte.
Taro schaute nicht einmal zu mir zurück, sondern schlug die Tür hinter sich einfach zu.
Aber plötzlich spürte ich wie der Druck in meinen Handgelenken nachließ.
Die Seile waren gerissen.
Durch Taros Tritt musste ich mich nach vorne lehnen und so wie es aussieht war das sowieso schon kaputte Seil dadurch so auf Spannung, dass es gerissen ist.
Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Mit zitternden Händen packte ich die Seile meiner Füße und versuchte den Knoten zu lösen. Meine Finger kribbelten und fühlten sich taub an, aber ich musste das hier jetzt schaffen.
Denn mein Entschluss stand fest: Ich musste hier raus, bevor Ilay hierherkam. Das war die einzige Möglichkeit, wie er wirklich überlebt.
Scheiße, das Seil an meinen Füßen war wirklich fest gebunden.
"Mach schon...", murmelte ich zu mir selbst, während ich immer nervöser wurde, weil ich den Knoten nicht gelöst bekam.
Ich atmete zitternd durch um mich zu beruhigen und versuchte es nochmal. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis ich den Knoten gelöst bekam.
Das war wertvolle Zeit, die ich verloren hatte. Denn ich hatte nicht ewig Zeit. Es ist schon etwas her, als ich das letzte Mal etwas zu Essen bekam. Wenn sie es mir jetzt bringen und sehen, dass ich nicht mehr gefesselt bin...
Ich will mir gar nicht ausmalen was dann passiert.
Langsam stand ich auf und mir wurde schlagartig schwindelig. Ich hielt mich an dem Metallregal hinter mir fest um nicht umzukippen. Meine Beine zitterten heftig, meine Sicht verschwamm.
Ich schloss meine Augen, atmete mehrmals tief durch und öffnete sie dann wieder.
Das hier muss ich jetzt schaffen. Für Ilay.
Ich sah zu dem hohen Fenster, dann zu dem Metallregal daneben. Die Regale waren das Einzige wo ich wirklich draufklettern konnte um an das Fenster zu kommen.
Doch zuerst schaute ich mir das Fenster genauer an und sah etwas, was mich fast aufschrien ließ. Ein Schloss am Fenster. Ich musste es gar nicht erst ausprobieren um zu wissen, dass es abgeschlossen ist. Aber das durfte mich nicht davon abhalten hier rauszukommen. Ich schaute zu den verschiedenen Metallregalen. Keiner von denen sah wirklich stabil aus, bis auf das, an welchem ich gefesselt war.
Bei dem Regal neben dem Fenster lösten sich bereits Schrauben. Ich schnappte mir das Regal und legte es so leise wie es ging auf den Boden. Das Regal war nicht wirklich schwer, doch durch meine sowieso schon nicht vorhandene Kraft streikten meine Arme gegen das Gewicht. Ich machte mich daran die lockeren Schrauben ganz zu entfernen und nahm die Metallstange an mich. Damit musste ich es irgendwie schaffen das Fenster aufzubrechen.
Wird das laut werden? Ja.
Hab ich eine andere Wahl? Nein.
Doch bevor ich das Fenster jetzt aufschlug, musste ich erstmal an dieses rankommen. Meine einzige Möglichkeit ist es eines der Regale vor das Fenster zu stellen und es als Leiter zu benutzen. Das Regal an welchem ich gefesselt war wurde in die Wand gebohrt, das konnte ich also nicht benutzen. Ich nahm das Regal, welches mir am zweitstabilsten aussah und lehnte schräg an die Wand. Stabil war das nicht, aber es musste reichen um das Fenster zu erreichen. Da ich jedoch keinen Halt auf diesem Regal finden würde, musste ich das Fenster nun doch von hier unten aus einschlagen. Die Metallstange war zum Glück groß genug und hatte eine scharfe Kante. Ich musste nur genug Kraft aufwenden um es zu durchbrechen. Meine Arme zitterten, als ich die Metallstange anhob, aber ich ignorierte es und schlug gegen das Fenster.
Nichts passierte.
Ich schlug erneut dagegen aber wieder passierte nichts.
Ein drittes Mal.
Immer noch nichts.
Scheiße, das muss einfach klappen.
Beim vierten Mal, bekam das Fenster einen Riss. Hoffnung durchfuhr meinen Körper wodurch ich es schaffte, dass der fünfte Schlag noch kraftvoller wurde. Das Fenster zersprang. Jedoch nicht weit genug, als das ich da durch könnte.
Das dauerte alles viel zu lange. Bestimmt haben diese Leute schon Verdacht geschöpft und sind auf dem Weg zu mir.
Ich schlug nochmal und nochmal.
Das Glas zersprang weiter, sodass ich es mit der Metallstange nur noch herausdrücken musste.
Jetzt war das Fenster endgültig zerstört. Ich musste nur ein wenig mit den Glassplittern aufpassen, wenn ich raus klettere.
Langsam stieg ich auf das Regal und merkte, dass es unter mir wackelte. Doch davon ließ ich mich nicht abhalten. Ich ging noch einen Schritt und noch einen.
Plötzlich wackelte das Regal so heftig, dass ich fast das Gleichgewicht verlor. Ich hielt mich am Rahmen des Fensters fest, während ich noch einen Schritt vorwärts ging.
Und dann passierte es. Das Regal wackelte, ich konnte mich nicht mehr halten und es fiel krachend auf den Boden. Ich klammerte mich so gut es ging an dem Fensterrahmen fest, wusste aber, dass ich jetzt ganz viel Kraft aufwenden muss um nicht runterzufallen.
Ich stemmte mich mit den Armen hoch. Meine Muskeln schrien und zitterten. Ich sah Sterne vor meinen Augen, aber ich konnte nicht aufgeben. Diese Leute sind bestimmt jeden Moment hier, weil sie das Krachen gehört haben. Ich bin soweit gekommen, ich kann jetzt nicht aufgeben. Ich stemmte mich weiter hoch, spürte die Glasscherben in meinen Händen und konnte erst erleichtert aufatmen als mein Oberkörper das Gras erreichte. Ich krabbelte weiter nach vorne bis auch meine Beine raus waren. Erschöpft lag ich auf dem weichen Boden und wollte einfach nur noch einschlafen. Aber das konnte ich nicht. Ich musste hier sofort weg, bevor jemand mein Verschwinden bemerkt.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top