24

Kian

"Verfickte scheiße.", fluchte er und kam wieder zu mir ins Wohnzimmer. "Das sind meine Eltern."
Ein kurzes Lachen schlich sich auf meine Lippen. Ich hab mit allem gerechnet aber nicht damit. 
"Deine Eltern?"
"Ja... Sie-"
Es klingelte erneut. Ilay seufzte. "Okay... Spiel einfach mit, ja?"
Bevor ich ihn fragen konnte, was er damit meinte, ging er zur Tür und begrüßte seine Eltern. Ich kam nun auch in den Flur und blieb etwas abseits stehen.
"Wir dachten uns, wir besuchen unseren Sohn mal.", meinte seine Mutter.
"Ja... super... Aber wieso kommt ihr denn ohne Ankündigung?"
"Naja, wenn wir uns ankündigen, hast du ja nie Zeit. Wir waren in der Nähe und dachten wir schauen mal ob jemand Zuhause ist."
"Und anscheinend haben wir Glück, dass heute dein freies Wochenende ist.", ergänzte sein Vater. 
Dann fiel der Blick auf mich und seine Eltern schauten mich überrascht an.
"Oh, guten Tag.", begrüßte seine Mutter mich. 
"Das ist Kian.", stellte Ilay mich vor und trat neben mich. 
Ich begrüßte seine Eltern mit einem Händeschütteln.
Der Blick von seinem Vater fiel auf meine Schulbücher.
"Und du gibst jetzt auch Nachhilfe?", fragte er an Ilay gewandt. "Oder ist das einen Praktikanten dem du hilfst?"
"Nein.", meinte Ilay. "Er ist mein Freund."
Ich sah wie sich seine Mutter sichtlich anspannte.
"Oh...", brachte sie heraus. "Und... Sie studieren im Moment."
"Ähm, Nein ich..."
Toll, wie soll man denn erklären, dass ich noch zur Schule gehe und wesentlich jünger als Ilay bin.
"Er macht seinen Abschluss.", fiel Ilay mit der Tür ins Haus.
Okay, anscheinend erklärte man es so am Besten.
"Achso.", sagte seine Mutter nur.
Kann es noch unangenehmer werden?
"Kaffee?", fragte er und führte seine Eltern in die Küche. Er drehte sich kurz zu mir um und verdrehte genervt die Augen. Ich musste ein wenig darüber lachen und folgte ihm in die Küche um die Tassen aus dem Schrank zu holen.
Der Kaffee war noch heiß und so schenkte Ilay uns allen direkt etwas ein.
"Und wo habt ihr euch kennengelernt?", fragte sein Vater.
"Im Club.", meinte Ilay und zwinkerte mir zu.
Unwillkürlich musste ich an die Szenen denken, wie wir uns "kennengelernt" haben.
"Der Klassiker.", lachte seine Mutter. "Und Sie kommen damit klar, dass er soviel arbeitet, Kian?"
"Ja, das ist kein Problem."
Wussten seine Eltern, was er wirklich machte? Oder denken sie vielleicht, dass er einen ehrlichen Job hat?
"Und wie läuft es im Krankenhaus?", fragte sein Vater an Ilay.
Das klärte meine Frage dann.
"Alles wie immer."
"Kommst du mit deiner Studie voran?"
"Ja."
"Mein Sohn, ein renommierter Arzt. Und vielleicht hören wir schon bald was über ihn in den Medien mit seiner Studie."
Renommierter Arzt? Das ist so fernab von der Realität, dass ich mir ein Lachen unterdrücken muss. Ilay warf mir einen Hör-auf-dich-lustig-zu-machen Blick zu. Doch ich konnte nicht anders. Ilay als Arzt. Die Vorstellung hatte etwas an sich. Ein bisschen Vorerfahrungen hat er ja auch. Schließlich weiß er wie man Wunden versorgt.
Ilay stieß mich unterm Tisch an, weswegen ich zu seiner Hand schaute, welcher mir den Mittelfinger zeigte. Ich lachte erneut und streckte ihm die Zunge raus.
"Und was haben Sie nach der Schule vor?", fragte sein Vater mich.
Super, jetzt war ich dran mit lügen. Denn wenn ich ehrlich bin hatte ich noch keine Ahnung was ich machen will. Ich weiß, dass ich mich langsam mal entscheiden müsste, aber ich weiß wirklich nicht, was mir liegen könnte.
"Ich werde studieren.", gab ich als Antwort.
"Sehr gut. Und was?"
"Medienwissenschaften."
Absolut keine Ahnung was man da macht, aber es war das Einzige was mir einfiel.
Ilay bedachte mich mit einem erstaunten Blick der soviel heißen sollte, wie dass das eine gute Ausrede war.
Dabei wusste er ja nicht mal ob das eine Ausrede war, schließlich haben wir noch nie darüber geredet was ich machen will nach der Schule.
Andererseits kannte er mich und er wusste mindestens genauso gut wie ich, dass studieren nichts für mich ist.
"Eine sehr gute Wahl.", gab sein Vater wider.
"Weißt du Ilay, dein Bruder ist nun mit seiner Firma umgezogen. Er brauchte ein größeres Gebäude für seine ganzen Mitarbeiter.", erzählte seine Mutter.
"Aha.", gab Ilay als Antwort und ich sah wie er sich leicht verspannte.
War er nicht gut auf seinen Bruder sprechen?
"Und der Aktienwert steigt weiterhin. Im Moment machen sie sehr viel Plus.", ergänzte sein Vater. "Er will mit seiner Frau und den Kindern in ein größeres Haus ziehen."
"Und die Familienplanung ist wohl auch noch nicht abgeschlossen."
"Schön..."
"Ich würde mich immer auf weitere Enkel freuen.", meinte seine Mutter.
Ich hatte das Gefühl, dass dies ein Wink mit dem Zaunpfahl für ihn sein sollte.
"Die beiden Kleinen sind schon so groß geworden. Du wirst sie ja an meinem Geburtstag wieder sehen."
"Du kommst doch oder?", fragte sein Vater mit einem strengen Unterton.
"Denke schon."
"Es würde mich wirklich freuen Ilay.", sagte seine Mutter. "Du kannst doch bestimmt einen Tag frei im Krankenhaus dafür bekommen."
"Ja, bestimmt."
Ich spürte wie Ilay sich nicht wohlfühlte bei seinen Eltern und ich beschloss ihn später danach zu fragen. Ich legte meine Hand auf sein Knie und strich über dieses um ihm zu zeigen, dass ich da bin.
Die nächsten paar Minuten zogen sich sehr hin und Ilay war mindestens genauso froh wie ich als seine Eltern sich verabschiedeten.
"Dann sehen wir uns an meinem Geburtstag.", sagte seine Mutter, gab ihm einen Kuss auf die Wange und winkte mir nochmal kurz zu.
Ilay schloss die Tür hinter ihnen und lehnte sich dann seufzend dagegen.
"Ich habe wirklich gehofft, dass du sie niemals kennenlernen musst."
"Warum sind sie...so?"
"Gute Frage.", meinte Ilay. "Ich entspreche einfach überhaupt nicht ihren Vorstellungen."
"Sie sind deine Eltern. Sollten sie überhaupt Vorstellungen für dich haben?"
"Sag ihnen das. Das geht schon mein ganzes Leben so. Mein Bruder ist jünger als ich und von Anfang an war er der Sonnenschein in der Familie. Hat er gute Noten mit nach Hause gebracht wurde es mir vorgehalten. Als er dann seine eigene Firma gegründet hat wurde ich gefragt was ich bisher erreicht habe. Mir hat der Scheiß irgendwann gereicht und seitdem lüge ich ihnen vor, dass ich Arzt bin. Bescheuert ich weiß. Aber ich kann ihnen ja schlecht sagen, dass ich mit einer Mafia einen Haufen Kohle verdiene."
"Da hast du Recht.", lachte ich.
"Aber auf der anderen Seite bin ich froh, dass sie dich kennengelernt haben.", sagte er grinsend.
"Warum?"
"Das passt überhaupt nicht in ihre Vorstellung. Sie wollen, dass ich eine Familie gründe, eine Frau heirate. Und keinen jüngeren Typen habe, der noch zur Schule geht."
"Wenn du das so sagst, klingt es als wärst du ein Pedo."
"Man, Kian. Du weißt doch was ich meine.", lachte er. "Sie sollen ruhig sehen, dass ich auf ihre Vorstellungen scheiße. Und weißt du was? Wir gehen zusammen zu dem Geburtstag."
"Muss das sein?"
"Hey, wenn ich dahin muss dann du auch."
"Super... Ich freu mich total..."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top