21
Kian
In den nächsten Tagen traf ich mich oft mit Sophia um mit ihr für die bevorstehenden Klausuren zu lernen. Es waren viele Klausuren die auf uns zukamen.
Doch heute saß ich im Schneidersitz auf Ilays Sofa und studierte weiterhin die Bücher und die Lernzettel. Mein größtes Problem war tatsächlich Mathe. Ich hatte keine Ahnung davon und verstand es auch einfach nicht. Sophia ging es leider genauso und Ben war einfach nicht gut im erklären und konnte uns nicht helfen. Fiona will ich wirklich nur im äußersten Notfall fragen. Denn auch wenn ich nicht viel mit ihr zu tun hatte, weiß ich, dass sie sich darauf etwas einbildet. Dumme Streberin.
"Wie läuft es?", fragt Ilay, welcher plötzlich im Türrahmen lehnte und sich Müsli in den Mund schaufelte.
"Beschissen."
"Wieso?"
"Ich verstehe Mathe nicht. Diesen Scheiß brauch ich nie wieder."
"Was musst du da denn machen?"
Er kam näher und schaute über mein Buch rüber. "Wenn ich das wüsste, würde ich es vielleicht verstehen."
"Frag Thore mal.", meinte Ilay und schaute vom Buch wieder hoch. "Der ist echt gut in Mathe."
"Wirklich?"
"Ja, soll ich ihn rüberschicken?"
"Gerne. Aber er muss nicht heute kommen, wenn er-"
"Ist unterwegs."
"Das ging schnell."
Ilay zuckte mit den Schultern. "Auf die Idioten kann man sich immer verlassen."
"Warst du gut in der Schule?"
"Wäre ich gut gewesen, würde ich heute kein Mafiaboss sein."
Ich lachte. "Aber irgendwas konntest du bestimmt gut."
"Die Pausen."
"Ich mein es Ernst. Welches Fach konntest du gut?"
Ilay schien kurz zu überlegen. "Politik hat mich immer interessiert. Und ich glaube in Musik war ich auch nicht schlecht."
"Musik?", fragte ich. "Wie kann man darin denn schlecht sein?"
"Keine Ahnung, ich war ja gut."
"Und wie bist du darin gut geworden? Hast du dem Lehrer immer ein Solo vorgespielt?"
"Ne, aber ich kann Gitarre spielen."
Ich schaute ihn mit großen Augen an. "Gitarre?"
Ilay nickte und schaufelte sich den nächsten Löffel Müsli in den Mund.
"Spielst du noch?"
"Eigentlich schon. Aber ich hab irgendwie die Lust daran verloren. Alleine für sich zu spielen macht keinen Spaß."
"Kannst du mir was vorspielen?"
Ilay lächelte warm. "Klar."
Ich musste zugeben die Vorstellung wie Ilay mir etwas auf der Gitarre vorspielte fand ich süß. Ich seufzte leise und wusste, dass ich dieses Bild vorerst nicht mehr aus dem Kopf bekommen werde.
"Halloooo!", ertönte eine Stimme im Flur. "Meine Kompetenz ist gefragt?"
Ilay verdrehte die Augen und stöhnte kurz. "Darauf bildet er sich jetzt was ein."
Thore setzte sich neben mich und schaute mein Buch an.
"Oh Gott, Vektorrechnungen. Ich habs gehasst."
Ilay schaute mich mit einem Habs-dir-ja-gesagt-Blick an. "Viel Spaß.", fügte er hinzu und verschwand dann.
(...)
Nach eineinhalb Stunden voller Mathespaß hatte ich das Thema endlich begriffen. Ilay sollte Recht behalten. Thore war wirklich gut in Mathe und er wusste auch genau wie er es mir erklären musste.
"Und wie läuft es mit dem Schießen?", fragte er mich, als ich das Buch endlich zusammenklappen konnte.
"Frag nicht..."
Ilay und ich haben mehrmals geübt, doch ich bekam den Dreh einfach nicht raus. Bis jetzt habe ich kein einziges Mal auch nur ansatzweise das Ziel getroffen.
"Wenn wir schon beim lernen sind, können wir das doch auch gleich noch üben.", schlug Thore vor und stand auf.
Ich musste zugeben, dass ich das Schießen nicht mal schlimm fand, auf eine komische Art und Weise machte es wirklich Spaß. Das war jetzt die perfekte Ablenkung zum Lernen. Also schnappte ich mir auch meine Waffe und folgte Thore in den Garten.
"Wie hast du das Hacken eigentlich gelernt?", fragte ich ihn.
"Ich hab mich schon früh für Softwares und alles rund um PCs interessiert. Das Hacken kam dann irgendwann mit 16 dazu. Ich wollte das nur zum Spaß mal ausprobieren und hab Gefallen daran gefunden."
"Was hast du so gehackt?"
"Am Anfang nur irgendwelche Instagramm Accounts von Mitschülern um mir einen kleinen Spaß zu erlauben. Aber irgendwann kam dann mein erster Auftrag."
Thore stellte sich breitbeinig vor die Trainigspuppe und zielte auf ihren Kopf. Ein Schuss und der Treffer saß perfekt. Er erklärte es mir schnell und dann versuchte ich es auch. Und wie nicht anders erwartet, traf ich natürlich nichts.
"Was für ein Auftrag war das?", fragte ich Thore, während er sich wieder für seinen Schuss bereit machte.
"Ach, nur was Kleines. Ein damaliger Schulfreund von mir wollte den Laptop seiner Freundin hacken, weil er dachte, dass sie ihm fremdgeht. Ich wollte das nicht machen, doch dann hat er mir hundert Euro dafür angeboten und ich hab eingewilligt. Die hundert Euro waren wie geschenkt. Naja und dann kamen weitere Aufträge. Unter der Hand sprach sich das natürlich rum."
Thore schoss und traf sein Ziel erneut.
"Und hat sich das gelohnt?"
Ich machte mich bereits und zielte auf die Brust.
"Geht so.", meinte Thore und beobachtete mich genau.
Er bewegte meine Hand und meine Schultern etwas. Dann löste ich in den Schuss und er ging nicht in die Brust der Puppe. Aber in den Arm. Immerhin etwas.
"Das war ein nettes Taschengeld.", fuhr er fort. "Aber mehr auch nicht. Ich hab eine Ausbildung in der IT Branche angefangen, aber dann wurde ich in diesen Mist reingezogen."
Er löste dieses Mal zwei Schüsse. Einer ging in die linke, der andere in die rechte Brust.
"Hat dir die Ausbildung gefallen?"
"Nicht wirklich. Außerdem verdiene ich jetzt viel mehr Geld."
"Ilay zählt ganz schön auf dich."
"Ja, wir arbeiten gut zusammen. Wir alle. Ich glaube das macht uns aus. Das und dass wir hier alle irgendwie reingerutscht sind."
"Darf ich fragen, wie du hier reingekommen bist?"
"Über mehrere Ecken. Durch Bekannte wurde Ilay auf mich Aufmerksam. Als er mich kontaktierte war er schon ein paar Monate der Boss. Erst war es nur ein kleiner Auftrag, dann noch einer und dann noch einer. Er hielt damals schon viel von mir. Und irgendwann hat er mir angeboten direkt für ihn zu arbeiten. Wir haben uns gut verstanden, auch freundschaftlich. Und soviel Geld wie er mir zahlt, lehnt man nicht einfach so ab."
Mich würde es brennend interessieren was Ilay ihm zahlt, aber über Geld spricht man nicht. Und vorallem nicht in dieser Szene.
"Ich wollte das nicht für ewig machen.", fuhr er fort. "Aber bis du einmal drin, kommst du nicht so schnell wieder raus. Und ich spiele gerne den Bösen. Das ist ein Adrenalinrausch den man sonst nirgendwo bekommt."
"Denkst du denn nicht manchmal darüber nach wie es ist einen... ehrlichen Job zu haben?"
"Doch klar. Aber in einem ehrlichen Job hast du niemals diesen Zusammenhalt. Diese Familie, die man sich aufgebaut hat. Dieses blinde Vertrauen."
Ich nickte wissend und auch wenn ich keine Ahnung hatte wie das ist, so in der Mafia drin zu sein wusste ich was er meinte. Man sieht es ihnen alle an. Sie vertrauen sich blind und sind zu einer Familie geworden.
Erneut löste ich einen Schuss und wieder ging er daneben. Frustriert seufzte ich und ließ die Waffe sinken. "Ich glaube ich schaffe das nie."
"Naja, nicht jeder ist dafür geboren. Hoffen wir einfach, dass du nie schießen musst."
"Toll, danke für die Aufmunterung."
Thore lachte und schwang einen Arm um mich.
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