11

Kian

Sie brachten mich nicht nach Hause. Aber das war mir egal. Ich war einfach nur froh, dass ich etwas zu Essen und Trinken bekam. Und ein warmes, weiches Bett in welchem ich lange schlief.
Die Tür zu dem Zimmer in welchem ich lag, öffnete sich langsam. Ilay kam herein und setzte sich zu mir aufs Bett.
"Alles okay, bei dir?"
Ich nickte und setzte mich aufrichtig hin. Mein Rücken schmerzte immer noch von dem tagelangen sitzen auf dem harten Steinboden.
Ilay streckte die Hand nach mir aus. Sofort wich ich zurück und brachte Abstand zwischen uns. Erschrocken sah er mich an und zog seine Hand wieder weg.
Wenn er jetzt glaubt, dass er mich einfach so berühren kann, dann hat er sich geschnitten. Ich will erst Antworten und wissen wer er wirklich ist.
"Wer waren diese Leute?", stellte ich meine erste Frage.
"Kian, das ist alles nicht so einfach zu erklären..."
"Ich hab Zeit."
"Nein, ich meine, wenn ich dir das alles erzähle kann ich dich nicht mehr gehen lassen."
"Ich wurde entführt! Wegen dir! Ich will wissen, was du für ein krankes Spiel spielst?"
Er lachte kurz. "Ich wünschte das hier wäre ein Spiel."
"Wenn du es mir nicht sagen willst, dann gehe ich jetzt."
"Nein.", sagte er streng.
Ich wusste es. Ich wusste, dass ich nicht gehen durfte. Was hatte er mit mir vor?
"Ich meine... Scheiße... Okay, ich erzähl es dir."
Abwartend schaute ich ihn an.
"Diese Leute die dich entführt haben, waren alles Freunde von Manni. Manni und ich hatten bereits einige Auseinandersetzungen miteinander. Die Polizei ist wegen mir hinter ihm her. Wenn sie ihn kriegen kommt er für Jahre in den Knast. Er will, dass ich ich mich stelle, damit man ihn nicht weiter verdächtigt. Und weil ich das nicht mache, hat er dich entführt. Er hat uns wahrscheinlich öfters zusammen gesehen."
"Weswegen ist die Polizei hinter ihm her?"
"Drogen."
"Wieviel?"
"Hast du den Fund von dem Koks mitbekommen?"
"Ja... Das waren seine Drogen?"
"Nein, meine."
Ich schaute ihn mit großen Augen an. Seine? Er war ein Drogendealer?
Doch bevor ich fragen konnte, erklärte er weiter: "Uns ist ein Fehler unterlaufen und deswegen haben sie die Drogen gefunden. Damit das Koks nicht auf uns zurückverfolgt wird, habe ich alles daran gesetzt, dass die Spuren auf Manni fallen. Er hatte sowieso noch Schulden bei mir offen, weil er die Drogen nie bezahlt hat, welche wir ihm verkauft haben. Und somit musste er mit den Konsequenzen leben."
"Hätte er mich wirklich umgebracht?"
Ich hatte Angst vor der Antwort, aber ich musste es wissen. Ich musste wissen, womit ich es zu tun hatte. Ob meine Todesangst berechtigt war.
Er schaute mich ernst an und nickte langsam.
Scheiße, diese Antwort wollte ich nicht hören.
"Du redest die ganze Zeit von 'wir'. Wer ist 'wir'?"
"Die ganzen Leute die du gestern gesehen hast. In den Bullis. Die Leute in der Bar. Sie alle gehören zu mir."
"Ist Manni tot?"
"Ja."
Ein Mörder. Ilay ist ein Mörder. Oder?
"Hast du Angst?", fragte er mich.
Doch ich antwortete ihm nicht. Ich stellte ihm die letzte Frage. Die Frage die mich am meisten interessierte.
"Wer bist du?"
Er seufzte. "Ist das wichtig?"
"Antworte mir."
"Ich bin der Boss. Die Leute stehen unter meiner Aufsicht."
"Was für ein Boss?"
"Mafiaboss."
Heilige Scheiße. Wenn ich nicht sitzen würde, würde ich jetzt umfallen.
"Ich will nach Hause.", sagte ich leise.
"Das geht nicht."
"Warum?"
"Wenn Manni tot ist, wollen seine Leute Rache. Sie wollen sich an dich rechen um mir eins Auszuwischen."
"Warum ich? Warum nicht einen von deinen Leuten?"
"Ich hab dich befreit und jetzt wissen sie, dass du mir nicht egal bist."
Ilay rückte ein Stück näher an mich ran, dieses mal rückte ich nicht weg.
"Ich weiß wie beängstigend das alles ist.", meinte Ilay. "Meine Leute und ich werden dir niemals etwas tun. Wir wenden keine Gewalt an, wenn es nicht nötig ist. Hätte ich nicht auf Manni geschossen, hätte er auf uns geschossen. Glaub mir, solche Leute sind skrupellos. Wenn du hierbleibst, bist du sicher. Nur solange bis wir wissen, was Mannis Leute planen."
"Was ist, wenn ich gehe?"
"Im besten Fall wirst du wieder entführt."
"Und im schlimmsten Fall?"
"Bringen sie dich sofort um. Also, bleibst du?"
"Mir bleibt wohl nichts anderes übrig."
"Es tut mir so leid, Kian."
"Was tut dir leid?"
"Ohne mich, wärst du nie in diese Situation geraten."
"Ohne dich hätte ich nicht so guten Sex gehabt."
Er lachte kurz und schüttelte den Kopf. 
"Ilay, also?", fragte ich.
"Ja.", sagte er lächelnd. 
"Wieso hast du es mir nicht gesagt?"
"Um dich zu schützen. Und um mich zu schützen."
"Hat gut geklappt."
Er nahm sich ein Kissen und schmiss es mir zu. "Halt die Fresse."
"Du siehst müde aus."
"Wir haben ja auch alle fast zwei Tage nicht geschlafen um dir zu helfen. Hast du Hunger?"
Ich schüttelte mit dem Kopf.
"Komm wenigstens mit runter und trink etwas. Du hast die letzten Tage viel zu wenig getrunken."
Ich stand vom Bett auf und folgte ihm die Treppen runter. Als er mich ins Haus geführt hatte, war ich so dehydriert, dass ich das Haus nicht wirklich wahrgenommen habe.
"Wer wohnt hier alles?", fragte ich und schaute mich in dem großen Haus um.
"Ich."
"Alleine?"
"Ja."
Er führte mich in die Küche und ich setzte mich auf die Barhocker an der Kücheninsel. Ilay kochte das Wasser und suchte zwei Tassen aus dem Schrank.
"Wie viel verdient man als Mafiaboss?"
"Zuviel, als dass ich es verdiene."
"Wieso machst du den Job dann?"
"Weil aussteigen keine Option ist."
"Hast du auch was mit der Leiche zu tun, die neben der Schule gefunden wurde."
Er lächelte mich an und stützte sich auf die Ellenbogen. "Du bist ganz schön neugierig."
"Hast du?", fragte ich weiter.
"Ja."
Ich schaute ihn abwartend an, damit er weiter erklärt.
"Er schuldete mir 1.000€. Irgendwann stand er vor meiner Tür, war high und wollte die Polizei rufen."
"Und dann hast du ihn einfach umgebracht?"
"Nein, Jake hat ihn umgebracht. Er macht keine halben Sachen mit solchen Leuten. Niemand weiß wo ich wohne. Er hat es irgendwie herausgefunden und das wäre eine Gefahr für mich gewesen. Jake hat ihn in der Haustür erschossen."
"Es hätte bestimmt auch eine andere Lösung gegeben."
"Das hab ich Jake auch gesagt. Schließlich bin ich immer noch um 1.000€ ärmer."
Er machte mir den Tee fertig und stellte ihn mir mit einem Grinsen vor die Nase. So als hätte er mir nicht gerade erzählt, dass er durch Drogen reich geworden ist.

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