10
Kian
Vor allem nachts wurde es fast unerträglich kalt in diesem großen Raum. Ich denke früher war das hier mal eine Lagerhalle. Unwillkürlich fing ich an zu zittern und zog meine Beine an mich ran. Ich war müde und hatte immer noch so unendlich viel Durst. Jeden Tag bekam ich zwei kleine Gläser Wasser, mehr nicht. Sie wollten, dass ich leide. Und das tat ich. Ich litt von Stunde zu Stunde mehr und konnte nur beten, dass mich hier jemand rausholte.
Ich versuchte jede Nacht zumindest ein wenig Schlaf auf diesem kalten und harten Boden zu bekommen. Doch bei jedem kleinen Geräusch schreckte ich wieder aus dem Schlaf hoch. Ich war hier nicht allein, das hatte ich schon früh erkannt. Hier und da sah ich ein paar Mäuse laufen, doch noch kamen sie mir nicht zu nahe. Trotzdem war es kein schöner Gedanke zu wissen, dass ich hier nicht alleine bin.
Die ganze Zeit über beobachtete ich den Sternenhimmel, welcher langsam von der Sonne verdrängt wurde.
"Siehst so aus, als wärst du Ilay wirklich scheiß egal.", meinte der Typ, welcher immer nach mir sehen kam und reichte mir ein Pappbecher mit Wasser.
Hastig trank ich dieses aus. Das kühle Wasser war eine Erleichterung für meine trockene Kehle.
"Er hat sich noch nicht wieder bei uns gemeldet. Vielleicht lässt Manni dich ja bald gehen."
Die Tür ging erneut auf und ein anderer Mann trat in den Raum.
"So wie es aussieht behalten wir Kian noch hier.", meinte er grinsend. "Ilay hat angebissen."
"Ohoh, meinte der andere Mann. Sieht so aus, als könntest du dich bald von deinem Leben verabschieden."
Ich schluckte schwer und versuchte gegen die Tränen anzukämpfen.
Bitte nicht. Ich will nicht sterben. Ich will hier nur weg. Wieso traf es mich? Ich hätte mich niemals mit Ilay einlassen sollen. Niemals.
Als die beiden Männer wieder verschwunden waren, schloss ich kurz die Augen, dachte an meine Eltern und schon liefen mir die Tränen ungewollt über die Wangen.
Ilay
Ich zitterte. Vor Wut. Während ich mir das Video ansah, welches Manni mir von Kian geschickt hatte. Kians Gesicht war eingefallen und bleich. Seine Lippen kaputt und aufgesprungen.
"Und?", fragte ich Falk, welcher gerade durch die Küchentür kam, ohne vom Handy aufzusehen.
"Fehlanzeige. Das Haus ist so zerfallen, da kann er nicht sein."
"Fuck!", schrie ich und warf mein Glas gegen die Wand. "Sie bringen ihn um!"
"Was schaust du da?", fragte Falk.
"Nichts. Das hat Manni mir geschickt."
Falk schaute mir über die Schultern, doch das Video endete bereits.
"Gib das mal her.", meinte Falk und nahm mir mein Handy aus der Hand.
Er startete das Video erneut, doch ich konnte da nicht hingucken. Ich ertrug es nicht Kian so leidend zu sehen.
Ohne ein Wort zu sagen rannte Falk aus der Küche und die Treppen hoch. Was zum Teufel?
Ich folgte ihm zum Büro in welchem auch noch zwei weitere von meinen Leuten saßen um herauszufinden wo Kian stecken könnte.
Falk schaltete seinen Laptop ein und schaute sich das Video ein drittes Mal an.
"Falk, was tust du da?", fragte ich ihn.
"Ich weiß wo Kian ist."
Nun wurden wir alle hellhörig und schauten Falk über die Schulter.
Er tippte eine Adresse in Google Maps ein und zoomte dann in die Karte hinein.
"Hier ist er."
"In der alten Werft?", fragte ich. "Was macht dich da so sicher?"
"Es sind die gleichen verschimmelten, großen Fenster. Da hatte ich mein erstes Mal."
"Das interessiert niemanden. Ruf die Anderen, wir fahren dahin."
"Soll ich das nicht lieber erst überprüfen?", fragte Falk.
"Uns bleibt keine Zeit für die ganzen Überprüfungen. Wir müssen uns jetzt schnellstmöglich einen Plan ausdenken und Kian da rausholen."
Kian
Ich verlor bald das Bewusstsein. Ich brauchte Schlaf und Wasser. Und Wärme. Ich brauchte so unbedingt Wärme.
Keine Ahnung wann ich das letzte Mal nicht gezittert hatte. Mittlerweile taten mir meine Muskeln vom ganzen Zittern weh.
Vielleicht sollte ich einfach ein bisschen Schlafen und hoffen, dass ich nicht mehr aufwache. Wieso töten sie mich nicht einfach? Das werden sie doch sowieso tun. Warum taten sie es dann nicht einfach. Wieso quälen sie mich so?
Ich lehnte mich an die kalte Wand und schloss die Augen. Wenn ich mir einfach vorstelle wie ich in einem gemütlichen Bett liege, fällt mir das Einschlafen vielleicht leichter.
Doch gerade als ich die Augen geschlossen hatte, hörte ich wie die Tür aufgeschlossen wurde.
Werden sie mich jetzt erlösen?
Die schwere Metalltür ging auf. Doch vor mir stand nicht der große Typ den ich erwartet habe, sondern Ilay.
"Scheiße, was haben sie mit dir gemacht?", fragte er und kniete sich vor mich hin.
Ich antwortete ihm nicht. Ich konnte es nicht. Meine Kehle war zu trocken.
"Keine Sorge du bist jetzt in Sicherheit."
Sicherheit? Bei ihm? Er hat mich doch erst in diese Situation gebracht. Er zückte ein Stück Draht und konnte mich mit geschickten Bewegungen aus den Handschellen und von den Fußfesseln befreien.
"Kannst du laufen?", fragte er.
Ich nickte nur und ließ mich von ihm hochhelfen. Meine Beine waren wackeliger als gedacht, doch ich schaffte es trotzdem langsam einen Schritt vor den Anderen zu setzen.
"Wir haben es gleich geschafft.", sagte er und führte mich aus dem Raum raus, während er die ganze Zeit eine Waffe in der Hand hielt.
Wir gingen auf eine große offene Tür zu, vor dieser standen mehrere Autos. Waren sie alle wegen mir hier? Um mir zu helfen? Oder war das Teil irgendeines kranken Spiels?
Plötzlich packte mich jemand von hinten und zog mich aus Ilays Armen.
"Das wird leider nichts.", meinte der Mann, welcher mich festhielt und hielt mir eine Waffe an den Kopf.
"Wage es nicht.", sagte Ilay wütend und hob seine Waffe.
"Waffe runter, Ilay.", sagte eine Stimme hinter ihm.
Ilay drehte sich um. "Hallo, Manni."
Wie kann er so ruhig sein? Diese Typen töten mich gleich. Steckte er mit ihnen unter einer Decke? Oder warum hatte er keine Angst.
"Wir töten ihn nicht, wenn du das tust, was ich von dir verlange."
Ich sah im Augenwinkel wie zwei Leute auf einer Brüstung einen Stockwerk über uns liefen. Sie beobachteten uns und ich beobachtete sie heimlich. Anscheinend merkte keiner außer ich sie.
Sie verschwanden aus meinem Sichtfeld und waren nun direkt hinter uns. Sie werden Ilay erschießen oder? Sie steckten mit diesem Manni unter einer Decke. Oder gehörten sie zu Ilay?
Scheiße, in was bin ich hier eigentlich geraten?
"Einen Scheiß werde ich tun. Hat dir deine Frau eigentlich erzählt wie geil sie auf mich war?", meinte Ilay.
"Halt die Fresse!", schrie er Ilay an.
"Sie war so feucht. Fuck, Manni wie lange hast du sie nicht mehr richtig gefickt, Mann?"
Was zum Teufel tat Ilay da? Wieso provozierte er ihn so?
Mein Herz schlug immer schneller. Das konnte nicht gut ausgehen. Nicht, wenn Ilay ihn weiterhin so provozierte.
"Sie hat geschrien, vor Lust. Ich hab sie in allen möglichen Positionen genommen."
"HALT DEIN VERDAMMTES MAUL!"
"Drei Mal, Manni. Drei Mal ist sie gekommen. Und ich auch. In Ihr."
Manni atmete tief durch und wandte sich an den Mann hinter mich. "Erschießt ihn."
Ich kniff die Augen zusammen und wartete auf den Schuss.
"Jetzt!", rief Ilay.
Jemand packte mich am Arm und zog mich von dem Mann weg. Alles ging total schnell. Dieser Mann war in einen Kampf mit den zwei Leuten verwickelt, welche gerade noch auf der Brüstung standen. Manni stand vor uns und zog eine Waffe. Ilay war jedoch schneller und gab einen Schuss ab. Manni fiel röchelnd zu Boden. Dann zog Ilay mich mit nach draußen. Ich riskierte einen kurzen Blick zurück und sah Manni blutüberströmt auf dem Boden liegen. Ilay öffnete mir die Autotür und ließ mich einsteigen. Ich schaute aus dem Fenster uns sah wie nun immer mehr Leute aus dieser Halle kamen. Sie grinsten und klatschten ein. Dann stiegen auch sie in die verschiedenen Autos.
Ilay setzte sich neben mich und strich mir über den Oberschenkel.
"Es tut mir leid.", flüsterte er.
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