20. Letzte Minuten

Gif: Soohyuk
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Ich erwachte ganz gemächlich, ohne jegliche Sorge auf der Welt und blinzelte an die Decke von meinem Zimmer auf dem Schiff, der Raum vibrierte nicht, was bedeutete, dass wir still standen.

Mein Körper fühlte sich zerschlagen an, aber gut zerschlagen, die gelöste Variante, mit der man nur den ganzen Tag rumliegen und Pudding sein wollte.

Ich wandte neugierig den Kopf zu Woobin hin, dessen nackter Körper stellenweise unter der Decke hervor lugte, im Licht des Morgens bronze schimmerte.

Er schlief noch, sein schwarzes Haar lag chaotisch um seinen Kopf rum und ich beließ es dabei, stand stattdessen auf, um duschen zu gehen.

Es fühlte sich so zeitlos an. Nichts berührte uns, keine Sorgen, keine Ängste. Es war, als sei der gesamte Raum in eine Schwerelosigkeit geraten, ein neutrales Schweben.

Ich schüttelte lächelnd den Kopf, bemerkte mein wildes Haar und die neuen Bisse quer über meinen Oberkörper, als ich den Spiegel passierte.

Er hatte gemalt, verschlungene Muster und komplexe Male auf meiner Haut hinterlassen, ich wusste nicht, wie beabsichtigt sie genau waren, oder was sie für ihn bedeuteten.

Dennoch tastete ich die kaum schmerzenden Stellen neugierig ab, wusste bei allen genau wann und unter welchen Umständen sie entstanden waren und ich fand eine Art Trost in ihnen, sie zeigten mir auf, wie immer wieder neues erblühen würde, ganz egal wie altes verging.

Soohyuns Biss war so gut wie verheilt, blieb nurnoch als eine kaum sichtbare Rötung zurück und ging vollends unter zwischen Woobins Hinterlassenschaften.

Der Wolf schlief noch immer tief und fest, als ich aus dem Bad trat und mich anzog.

Ich fragte mich, was seine Mission sein würde. Ob sie sicher war oder an Selbstmord grenzen würde.

Letzten Endes wollte ich natürlich, dass niemand verletzt wurde und erst recht keiner starb, aber unser Vorhaben war kein einfaches.

Aber wie Jichul sagte, solange wir nicht füreinander starben würde es auch weniger Opfer geben.

Es war wie damals mit Junhong. Wir hatten versucht ihn zu retten, statt ihn zurück zu lassen und somit wären beinahe fünf Leute gestorben, statt nur ihm.

Natürlich hatten wir extremes Glück gehabt, dass Yongguk uns damals alle hatten retten können, aber wir konnten einfach nicht leichtgläubig davon ausgehen, dass dieses Karma zur Tagesordnung werden würde.

Als ich das Zimmer verließ, fand ich Soohyuk im angrenzenden Raum vor. Der Nachtwandler hatte die Augen geschlossen und ruhte in Dongwooks Chefstuhl, doch er setzte sich wach auf, als ich leise durch das Zimmer schlich.

"Sind wir schon da?", fragte ich ihn leise, als unsere Augen sich trafen und Soohyuk nickte langsam, sah dann suchend auf die Karten vor sich.

"Yongguk und seine Truppe sind auch schon los gezogen. Wir warten nur auf Jichuls Signal. Ich sollte euch schlafen lassen, aber wecken, sobald es so weit ist."

Ich nickte in Verstehen.

"Dann wecke ich Woobin gleich schon, damit er sich vorbereiten kann, könntest du uns etwas zu essen auftreiben?" Soohyuk nickte und verließ den Raum, ich wiederum kehrte zu Woobin zurück.

Mir fiel auf, wie wild auch das Bett war, wie unsere Klamotten und Kissen überall achtlos im Raum verstreut waren.

"Hey Woobin, wach auf, es geht bald los.", rief ich dem schlafenden Fenris zu und begann die Kissen aufzusammeln, wir sollten das Zimmer immerhin präsentabel zurücklassen, wenn wir vielleicht nicht mehr wiederkamen.

Ich brauchte ein paar Anläufe, aber dann stolperte der Mann verpeilt ins Bad, ich bezog das Bett frisch und sortierte alle dreckige Wäsche in einen Korb ein.

Als es klopfte, ging ich zur Tür, um Soohyuk das Essen abzunehmen.

Kaum war die Tür weit genug offen, flitzte auch Mochi bellend ins Zimmer, rannte begeistert um meine Füße herum.

"Ich gehe zu den anderen raus in den Hafen, kommt einfach nach.", sagte der Vampir ungewohnt sanft, ihm hing eine gewisse Trauer und Melancholie an, die mich grübeln ließ, was er wusste oder befürchtete.

"Okay, sicher."

Ich nahm Mochi mit dem anderen Arm ebenfalls hoch und ließ mich dann wieder auf das Bett fallen, breitete das viele Essen aus und spielte mit Mochi, bis Woobin wieder kam, die nassen Haare teilweise in der Stirn hängend und sein Outfit in einem einheitlichen Schwarz.

Es stand ihm.

"Ich habe Essen und Mochi. Die anderen sind am Kai und warten auf Jichuls Los."

"Das bedeutet, wenn unser Idiot von Captain jetzt schon scheitert, wird einfach alles abgeblasen? Gute Idee."

Woobin kam grinsend zu mir herüber und fiel an meiner Seite auf das Bett.

Ich reichte ihm Mochi herüber und kümmerte mich dann darum alles an Essen vorzubereiten, ihm seinen Anteil zu reichen.

"Ich denke wenn Jichul es nicht schafft, sagt Yongguk uns Bescheid.", sinnierte ich zwischen Bissen und beobachtete dann amüsiert, wie Mochi wiederholt versuchte Woobins Brot wegzuschnappen.

Die beiden rangelten etwas miteinander, während ich nur aß, bereits wieder aus unserer Abgeschiedenheit gerissen war und mich um meine Freunde sorgte.

Yongguk hatte ich nicht mehr gesehen, seit die Mission begonnen hatte, dieses Picknick vorgestern auf dem Schiff war alles, was mir als letzte Momente bleiben würde, sollte der Mann doch noch sterben.

"Du wirst mir deine Mission nicht verraten, oder?", fragte ich leise, nachdem wir unser Mahl beendet hatten und sah forschend zu Woobin herüber, der das Gesicht zu Mochi auf seinem Schoß gewandt hatte, sanft lächelte und dabei ein Grübchen entblößte.

Ich piekte es.

"Joohyuk und ich vermutlich am Allerwenigsten. Du sorgst dich zu viel. Ich bin schon einmal lebend da raus gekommen und damals lag ich in Ketten und stand unter Drogen. Alles Sachen, die sich heute relativ gut verhindern lassen."

Das stimmte, aber das machte ihn nicht unsterblich.

"Du solltest trotzdem auf dich aufpassen.", murmelte ich nur, wandte mich ab, als er nun den Blick zu mir hob.

"Das mache ich ohnehin. Ich habe noch ein paar Rechnungen offen, die mein Überleben voraussetzen."

Ich musste lächeln und erhob mich dann, um mir meine Pistolenholster um die Oberschenkel schnallen zu gehen, meine Betäubungswaffen auszurüsten.

"Die Vorschrift nicht in deiner Nähe zu töten wurde übrigens aufgehoben. Eltern haften für alle Traumata, die du heute erleben wirst."

Wow, die Sprüche würden auch nie aufhören.

"Wir haben eine Gruppe an Verbündeten dabei, die bekannt dafür ist besonders brutal und gnadenlos zu töten. Sie sind zu siebt und werden von einem Mann mit pinkem Haar begleitet, am besten du gehst ihnen aus dem Weg."

Ich nickte nur, ging bestenfalls jedem außer Joohyuk da drinnen aus dem Weg und warf dann einen Blick auf Jichuls weiterhin unberührten Schreibtisch, auf die Bilder an der Wand. Ich musste feststellen, dass sich irgendwann eines von mir mit kurzem, roten Haar und Joohyuk mit langem Haar dazu gesellt hatte.

"Hilf mir meine Haare abzuschneiden.", bat ich unvermittelt Woobin und der schwieg kurz überrascht, dann hob er nur die Schultern und griff sich ein Messer von einem Regal, bevor er milde bedrohlich zu mir herüber kam.

Ich fasste meine langen Haare in einem Zopf zusammen und deutete ihm dann diesen abzuschneiden, er gehorchte ohne Worte.

"Gut. Wollen wir gehen?"

Woobin fasste mich zögernd an der Schulter, drehte mich nochmals zu sich um, um mich ein weiteres Mal zu küssen, breit zu grinsen, als er mich gehen ließ.

"Sollte ich doch sterben, schlag Lim Jaebeom von mir, wenn du ihn je wiedersiehst."

Ich schüttelte nur schnaubend den Kopf.

"Mach es selbst, ich schlage solche Typen nicht."

Woobin gab mir ein hochgezogene Augenbraue, sah mich so missbilligend wie möglich an.

"Klar, ich erinnere dich gerne daran wie du lebensmüde zwischen einen blutrünstigen Vampir und einen tollwütigen Werwolf gesprungen bist, leg dich bloß mit niemandem an."

Damit ging er mir voraus, leitete mit sicheren Schritten den Weg zu unserer wartenden Gruppe.



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