Sasha flippt aus

In meinem bisherigen Leben hatte sich noch nie jemand getraut, beleidigend mir gegenüber zu werden. Und vor allem kein Junge.
Ganz besonders kein Junge. Schon gar nicht einer wie Harrison Stanley.
Doch genau das ist mir soeben wiederfahren.

Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht wie ich darauf reagieren soll.
Was ich gerade empfinde, kann ich auch nicht unbedingt einordnen. Ich weiß nur, dass es sich so anfühlt, als hätte ich richtig scharfes Chilli gegessen.
So richtig, richtig scharfes Chilli. Die Art von Chilli die du selbst beim verdauen noch spürst, lange nachdem sich deine Atemwege beruhigt haben und du nicht länger das Gefühl hast zu hyperventilieren.

„Mach dir nichts draus, Gillian." Er klopft mir einmal auf die Schulter und verschwindet im Klassenraum, lässt mich ganz alleine draußen vor der Tür im leeren Schulflur stehen, so als wäre ich nichts weiter als irgendein X-beliebiges Mädchen.
Ich bin kein X-beliebiges Mädchen! Ich bin Gillian Hardy.

Und dieser kleine Mistkerl wird es noch bereuen, das schwöre ich.

Nachdem ich mich zusammengerissen und ebenfalls in das Klassenzimmer gefunden habe, setze ich mich zähneknirschend auf meinen Stammplatz neben Sasha.
Sie schaut mich für eine einzige Sekunde an, bevor sie sich wieder ihrem Handy zuwendet.
„Das was du da machst ist nicht wirklich gut, solltest du denke ich lassen", kommentiert sie mein zähneknirschen. Sie hat recht, wenn ich so weiter mache, dann mahle ich sie noch zu Staub und mein Zahnarzt würde dann mit mir schimpfen.
Eigentlich sollte es mich nicht kümmern, aber mein Zahnarzt ist verdammt heiß. Aber hey...wenn er mit mir schimpfen würde dann...
Meine Augen bohren sich in den Rücken von Harrison Stanley als er einen freudigen Laut von sich gibt, weil die seltsame Mrs. Cotch gerade den Klassenraum betritt.
So vollgepackt wie immer stampft sie schnaufend herein und legt ihre Taschen auf das Pult.

Dann durchläuft sie die ganze ätzende Routine, mit Jacke ausziehen Halstuch richten (sie trägt jeden Tag ein anderes) und lautloses durchzählen.
„Harrison mein lieber, wärst du so freundlich und machst wieder das Licht an? In der letzten Stunde hat es denke ich sehr viel gebracht, denn eine schüchterne Schülerin hat sich endlich getraut den Mund aufzumachen!", verkündet sie und wirft mir einen kurzen Blick zu. Oh nein...

„Ja, aber natürlich Mrs. Cotch!", antwortet der Warzenschlaberer genauso enthusiastisch und läuft mit großen gezielten Schritten zum Lichtschalter.

„Harrison sagte es werde Licht!", kichert er und eine Sekunde später wird der gesamte Raum von Licht durchflutet.

Ach du Scheiße.
Den hat er doch jetzt bitte nicht gebracht oder?

Doch als auch Mrs. Cotch anfängt zu lachen, fällt mir die Kinnlade letztlich auseinander. Mrs. Cotch lacht nie. Und mit nie meine ich nie. Sie gehört zu der Sorte Lehrer, die niemand mag, sogar ihre Arbeitskollegen können sie nicht ausstehen! Sie ist diese eine Person, die als einzige neutral bleibt, obwohl vor ihr der Witz des Jahrhunderts gerissen wurde und sich alle vor lauter Gelächter kugeln.
Nicht mal ihre Mundwinkel zucken oder so, nichts.

Aber bei diesem mehr als schlechten Scherz von Harrison lacht sie sich den allerwertesten ab oder wie soll ich das verstehen?

Am liebsten würde ich ihn treten. Hart treten.

Grummelnd starre ich die beiden Idioten an, wie sie sich inzwischen aneinander klammern und nach wie vor nicht einkriegen können.
Hallo?! Wo bin ich denn hier gelandet?

„Könnten wir wohl endlich den Unterricht starten?", meckere ich schlussendlich und beiße mir im nächsten Moment auf die Zunge. Was habe ich da eben gesagt?

Die schockierten Blicke meiner Mitschüler landen allesamt auf mir. Sogar die Kuh und ihr Kälbchen Harrison haben ihr Gegacker eingestellt und starren mich ungläubig an.
Der Idiot runzelt die Stirn und verengt seine Augen zu Schlitzen, durch die er mich genauestens mustert. Ich erwidere seinen Blick möglichst giftig und lege all meinen Hass und Verachtung ihm gegenüber hinein.

Das bescheuerte Grinsen taucht urplötzlich auf seinem Gesicht auf bevor er mir zuzwinkert.
Er fährt sich durch seine braunen Haare, um sich anschließend den Nacken zu reiben. Ich erkenne wie sich ein Hauch von Rot über seinen Hals in Richtung seines Gesichts ausbreitet und er deswegen eilig den Blick abwendet.

So ein Idiot. Was hat der denn jetzt?

Irritiert starre ich ihn weiterhin an, als mich Mrs. Cotchs lautes Räuspern aus meinen Gedanken reißt.

“Ja natürlich können wir das", sagt sie und stolziert zu ihrem Tisch zurück, den sie kurzzeitig verlassen hat, um mit ihrem Lieblingsschüler zu lachen.
„Dann kann ich mir ja wohl auch sofort mal ihre Exzerpte ansehen", fährt sie fort, als sie neben dem Pult zum stehen kommt und ihren roten Schnellhefter aus ihrem Schultunister rauszieht. Wie ich diesen Schnellhefter hasse!
Er stellt mich wirklich in jeder Geschichtsstunde bloß, weil sie in ihm meine fehlende Arbeitsbereitschaft markiert.

Mit gespitzten Lippen fängt sie in der ersten Reihe an sich die Hausaufgaben anzusehen und zieht dabei bei jedem "Hab ich nicht" eingebildet ihre Brauen in die Höhe, etwa wie in: Und mit so was muss ich mich hier abgeben?

Ich starre auf meine Aufgaben, die ich gestern gemacht habe und seufze.

Noch länger kann ich es nicht geheim halten, dass ich sie eigentlich immer mache, denn Calvo hat recht. Ob ich den Gedanken nun gutheiße oder nicht.

Kurz zögere ich, bevor ich die Seite aus meinem Heft reiße und sie zu einer Kugel zusammenknülle, um sie anschließend in meine Handtasche fallen zu lassen.

„Ms. Hardy."
Ich schiebe ihr die restliche Seite hin, die sie genauestens inspiziert und sie anschließend noch mal mit den Hausaufgaben von Evelina, die auf der anderen Seite des Raumes sitzt, vergleicht. Evelina ist sowas wie Harrison in weiblich und die hasse ich wenn möglich um einiges mehr als ihn.

„Wie ich sehe haben sie ihre Hausaufgaben bearbeitet, sie sind jedoch noch nicht vollständig. Das ist schade, meine Liebe", sie spitzt ein weiteres Mal ihre Lippen und wendet sich dann an Sasha, die den Anstand hatte, ihr Handy wegzupacken.

Sie schiebt Mrs. Cotch zwei vollbeschriebene Zettel hin, die diese kritisch mustert.
„Ms. Jenson...Ich weiß ja nicht, ob Sie mich für so dumm halten, aber einfach nur die Überschrift der letzten Hausaufgabe durchzustreichen und einen neuen Titel sowie das heutige Datum drüber zu kritzeln, verstehe ich nicht als erledigte Aufgabe! Sie hätten sich wenigstens die Mühe machen können Tipex zu benutzen, ich meine, wenn schon denn schon."

Kopfschüttelnd geht sie weiter durch die Reihen.

Lachend schnappe ich mir Sashas Aufgaben und schaue mir ihren Fehler an.
Das Imperialismus hatte sie durch Demokratie Staaten ersetzt. Und das Datum yist von vor einem Monat.

„Was auch immer. Ich hatte viel wichtigeres zu erledigen", sagt sie unbeeindruckt und beugt sich über den Tisch um ihr Kaugummi an den Stuhl ihres Vordermanns zu kleben.
Die Fläche unter ihrem Tisch ist bereits vollständig mit Kaugummis aller Geschmacksrichtungen beklebt worden. Hätte ich ihr nicht gedroht, wäre meine Seite ihr schon lange zum Opfer gefallen.

„Ach hattest du das?", ich hebe eine Braue und warte auf ihre Antwort.
Für gewöhnlich hängt Sasha nur gelangweilt Zuhause rum und zieht sich irgendwelche Comercials rein, die gelangweilten Menschen seltsame Dinge andrehen wollen.
Als ich sie mal gefragt habe, wieso sie sich so einen Scheiß überhaupt reinzieht, meinte sie, es sei lustig. Die schwarz weiß Szenen gefallen ihr angeblich am meisten, da wo die Leute wie die letzten Trottel alles fallen lassen und am Ende ihr gesamtes Haus in Flammen steht.

Bemerkt die Übertreibung.

„Ja, hatte ich", sie zuckt mit den Schultern und wühlt in ihrem Rucksack nach einem neuen Kaugummi.

Mein Gott, der muss man auch alles aus der Nase ziehen!

„Und was genau? Hast du heute noch vor es mir zu sagen?", stöhne ich genervt auf und verschränke meine Amre.
„Ach so ja... der dumme Kötter meines Bruders ist gestern aus dem Haus gerannt, als niemand anderes da war. Ich musste aufstehen und ihn suchen."
Sie zuckt nur wieder unbeeindruckt mit den Schultern und verzieht das Gesicht.

„Alter...wo sind meine Kaugummis?", sagt sie mit monotoner Stimme und sieht sich suchend in der Klasse um, so als hätten die Kaugummis von ihrem erhöhten Kaugummikonsum erfahren und würden nun versuchen ihr Aspartam vor ihr in Sicherheit zu bringen.

„Und hast du das Vieh gefunden?", komme ich wieder auf ihre Erzählung zu sprechen.
„Wen interessiert dieses Ding? Wo sind meine Kaugummis?!", jault sie auf.
Geschockt reiße ich meine Augen weit auf und starre sie an, einige andere haben die Unruhe an unserem Tisch bemerkt und drehen sich neugierig nach uns um.

„Psst Sasha, chill!", beruhige ich sie und werfe ihr ein Bonbon zu, das sich in meiner Federmappe befunden hat. Ich habe immer ein Notfallbonbon dabei, wenn der Unterricht mich zu Tode langweilt. Zum Glück.

Sie starrt das Bonbon unschlüssig an, bevor sie es nimmt und weiterhin einfach nur eine Zeitlang anstarrt.

„Das kann ich nicht essen."

Sie schiebt es zu mir zurück und dreht sich anschließend nach hinten um.
„Ich brauche ein Kaugummi, wie viel?", sagt sie zu Ryan.

Wow...die ist ja mal richtig verzweifelt. Freiwillig mit dem Nikotinmann zu sprechen, ist echt mutig.

Ryan raucht wie ein Schlot, ungelogen.
Selten sieht man ihn ohne Zigarette im Mundwinkel und das, obwohl er Sportler ist.
Um den widerlichen Zigarettengestank zu unterdrücken, kaut er immer Minzkaugummis, wodurch ihn ein konstanter Geruch von Zigaretten mit einem Hauch von Minze umgibt. Die Weiber stehen sowas von auf ihn, obwohl er ein riesen Idiot ist, denn für jede Bitte die man an ihn richtet, verlangt er das doppelte zurück.

Ryans Mundwinkel zucken amüsiert, bevor er sich nach vorne lehnt und uns somit mit einer Welle von Tabak gemischt mit Zahnpasta attackiert.
„Oh Sasha, mit dir habe ich ja schon lange keine Deals mehr abgeschlossen...", sagt er mit rauer Stimme und leckt sich lassiv über die trockenen Lippen. Um genau zu sein, sind so verdammt rau.

„Ja, und du weißt wieso. Also was willst du?", sagt sie und schüttelt genervt ihren Kopf, sodass ihre dunklen Locken durch die Gegend fliegen.
,,Das übliche, nicht mehr und nicht weniger", haut er raus, als ihm bewusst wird das sie nicht auf seine Sprüche eingeht.

„Vergiss es! Dafür ist meine Bitte zu klein und unbedeutend", sie rollt mit den Augen.
„Dann gibt es keinen Deal. Entweder, oder. Es sei denn deine Freundin hat Lust dir ein wenig auszuhelfen?", seine Augen huschen zu mir, als er bemerkt, dass ich zuhöre.

„Leck mich", antworte ich schlicht.

„Ach komm schon Gillian...es ist nicht so, als würdest du mich dann zum ersten Mal küssen. Dir hat es doch gefallen, ich weiß das", selbstgefällig lehnt er sich in seinem Stuhl zurück, nimmt seinen Blick für keine Sekunde von mir.

Ich will ihm gerade mein Lieblingshandzeichen zeigen, als eine große Person neben uns tritt und ihren Schatten auf uns wirft.








Kapitel done!

Und das pünktlich am Geburtstag meiner Souli 😁🎈💕🎁🎂🎉VeronikaColada alles gute zum Geburtstag, Baby♡

Es gibt heute mal nicht viel zu quatschen, aber ihr dürft gerne eure Gedanken mit mir teilen oder auch einfach auf ☆ drücken. Über beides würde ich mich sehr freuen.

Adios amigas♡
xo Dina

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