Wähle deine Waffe weise

Triggerwarnung: Blut (nur eine kurze Erwähnung) 

Felix Pov:

Für einen Moment fühlte es sich wie fliegen an, doch dann landete ich schon wieder auf dem Boden und griff den letzten Splitter aus der Luft.

Instinktiv drehte ihn meine Hand und schleuderte ihn dorthin zurück, woher er gekommen war.

Schon wollte ich meine Tat bereuen, da ich wohl kaum meinen eigenen Vater angreifen wollte, doch dieser hatte einfach seine Handfläche nach vorn gestreckt und ließ das Geschoss etwa einen Meter vor sich stoppen, bevor es mehrere Sekunden in der Luft hing und dann in tausend winzige Splitter zerplatzte.

„Wie hast du das gemacht?", fragte ich neugierig. „Kann ich das auch lernen?"

„Ich kontrolliere sie allein mit meinem Geist, Felix. Du kannst es gern probieren." Er drehte seine Handfläche nach oben und formte eine Kugel aus dem durchscheinenden Eis. Sie schwebte knapp über seiner Hand und plötzlich warf er sie mir mit den Worten zu.

„Fang sie."

Überfordert beobachtete ich die Kugel, die nun direkt auf mich zugeflogen kam. Ich machte einen Schritt nach vorn, formte meine beiden Handflächen zu einer kleinen Schale, streckte sie nach vorn und versuchte mir vorzustellen, die Kugel so aufzufangen. Dabei hoffte ich, sie nur aufzuhalten und nicht zu zerstören.

Und tatsächlich. Knapp über meinem Kopf wurde die eisige Kugel schlagartig langsamer und schwebte dann hinab zu meinen Händen. Sie berührte diese jedoch nicht und drehte sich lieber sanft um sich selbst, während ich noch immer leicht überrascht auf sie herabsah.

„Das hast du wirklich sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf dich, mein Sohn. Normalerweise fällt es Nephilim nicht so leicht, diese schwere Aufgabe zu meistern." Mein Vater wollte noch etwas hinzufügen, als er dann doch den Mund schloss und sanft die blonden Locken schüttelte. „Aber du bist auch nicht wie all die anderen. Offenbar kannst du dich gut auf deine Vorstellungen konzentrieren und sie mit Durchsetzungsvermögen und Geschick nach deinem Willen formen."

Stolz durchflutete mich und ich lächelte. Das Glück durchzog meinen Körper mit Wärme und ich neigte den Kopf. „Danke, Vater."

Dann kam mir eine Idee und ich fokussierte die Kugel knapp über meinen Handflächen wieder. Diesmal befahl ich ihr, sich zu teilen. Zusätzlich separierte ich meine Handflächen voneinander, führte sie voneinander weg und wie gewünscht zerfloss die große Kugel in zwei Kleinere. Dann waren beide Formen wieder stabil und glitzerten eisig im Mondschein.

Als hätte ich es schon tausendmal geübt, schleuderte ich beide Kugel nun knapp nacheinander direkt nach vorn und konzentrierte mich dabei mehr auf die Erstgeworfene. Sie sollte keine gerade Flugbahn nehmen, sondern meinen Vater vermeintlich verfehlen, sodass sie ihn dann von hinten attackieren konnte, während er sich auf die zweite konzentrierte. Woher überhaupt mein Wissen für diese Strategie kam, wusste ich auch nicht. Doch es erschien mir eine gute Taktik und deshalb probierte ich sie aus.

Wie gewünscht, lenkte mein Vater die Flugbahn der ersten Kugel nicht einmal um, da er ihr leicht ausweichen konnte. Ich nutzte die wenigen Sekunden und stellte mir vor, die Kugel nun zu wenden und so anzugreifen. Fast zeitgleich rasten nun beide Kugeln auf den Engel zu. Doch bevor auch nur eine der beiden treffen konnte, erstrahlte eine helle Lichtkuppel um den Engel vor mir und beide Geschosse schmolzen in dem Licht wie in einem heißen Feuer.

„Sehr clever... wäre dein Feind jemand anderer gewesen als ich, hätte diese Attacke Erfolg haben können. Doch ich existiere schon zu lange, um diesen Trick nicht zu durchschauen." Der Engel lächelte milde und trat nun einige Schritte zu mir. „Warum hättest du sonst zwei Kugeln erschaffen sollen. Zeige deinem Gegner nicht alles. Lass ihn so lange wie möglich im Unklaren. Er wird dich auch nicht vorwarnen."

Eifrig nickte ich und verstand recht schnell, dass es wohl doch sehr offensichtlich war, was ich vorgehabt hatte.

„Gut, dann lass uns nun einmal sehen wie du dich mit echten Waffen schlägst, die nicht aus reiner Magie bestehen."

Auch ich machte einige Schritte in die Mitte der Lichtung und kam meinem Vater damit näher.

„Also kämpft ihr auch mit richtigen Waffen und nicht nur mit euren Kräften?"

Mein Vater drehte sich zu mir und immer noch konnte ich ein leichtes Schmunzeln um seine Lippen erkennen.

„Natürlich, wir verlassen uns nicht auf nur eine Technik. Außerdem ist es nicht ganz so, dass diese Waffen keine Magie beinhalten. Der Engel der sie führt, kann seine Kräfte in die Klinge einfließen lassen, sie verstärken und ihr einen Zweck geben. Deshalb sind unsere Werkzeuge auch aus Adamant geschmiedet. Aus dem härtesten und widerstandsfähigsten Material, das selbst unserer Magie standhalten und diese kanalisieren kann.

„Hat dann jeder Engel seine eigene Waffe? Also eine Art personalisiertes Kampfwerkzeug?", fragte ich interessiert. Ich wollte es wissen, um zu verstehen, wie das Ganze funktionierte. Schließlich hatte mein Vater davon gesprochen, dass sie die Krieger Gottes waren. Und ich gehörte auf eine schräge Art und Weise ja auch zu diesen Kriegern.

„Es ist tatsächlich so, dass unsere Waffen auf uns abgestimmt sind. Jeder Engel hat sein eigenes Schwert. Diese sind teilweise sehr individuell im Aussehen und der Nutzbarkeit, doch das hängt auch sehr von dem Engel selbst ab. Naja, und es gibt noch einige Waffen, die nur für bestimmte Zwecke gefertigt sind und dem Träger mit starker Magie beistehen."

Dies ließ mich nun doch aufhorchen und ich erinnerte mich an Jungkooks Worte.

„So wie die Lanze des Michael?"

Mein Vater stoppte in der Bewegung und drehte sich dann ganz zu mir. Erneut schien er nachzudenken und seine Stirn legte sich in Falten.

„Woher weißt du von dieser Waffe?"

„Ein Experte für das Übernatürliche speziell für Dämonen meinte, dass sie in der Lage ist, jeden Dämonen zu töten."

Ein leicht ungehaltener Ausdruck huschte über das Gesicht meines Vaters. Es schien eines Mischung aus Empörung und Skepsis zu sein. Doch er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle.

„Diese Waffe ist kein Spielzeug." Seine Stimme war ungewohnt streng und seine blauen Augen leuchteten hell. „Ein leichtfertiger Einsatz kann verheerende Folgen haben."

Mir behagte die Stimmung des Engels ganz und gar nicht und deshalb versuchte ich ihn etwas zu beschwichtigen, indem ich zustimmend nickte und dann hinzufügte. „Deshalb ist sie im Himmel und bei einem Erzengel sicher bestens aufgehoben."

Entgegen meiner Erwartungen entspannte sich die Miene meines Vaters kaum und ich war mir nicht sicher, wie ich das zu deuten hatte. Deshalb startete ich einen neuen Versuch. „Du wolltest mir beibringen, wie ich mich mit echten Waffen verteidige."

Diese Worte schien zu wirken. Der Engel reckte eine Hand in die Luft und Sekunden später schimmerte ein blankes, silbernes Schwert in seiner Rechten. Es war ungewöhnlich lang und dennoch schmal und elegant. Erstaunlicherweise reichte er es nun mir und ließ für sich selbst ein Abbild erscheinen.

„Mal sehen, ob du damit zurechtkommst."

--------------

Die nächste halbe Stunde war gefüllt von Anweisungen, Übungsabläufen, dem Einprägen bestimmter Schlagfolgen und mehreren kleinen Trainingskämpfen.

Mir schwirrte schon manchmal der Kopf, von allem was ich mir in dieser kurzen Zeit einprägen wollte. Doch es zahlte sich aus. Denn immer häufiger konnte ich zumindest die Angriffe parieren und sie von mir ablenken. Es gab mir Sicherheit, dass ich mich auch hier nicht vollkommen unfähig anstellte und schließlich ließ mein Vater das Schwert sinken und nickte anerkennend.

„Dafür, dass du nie eine richtige Ausbildung erhalten hast, bist du erstaunlich geschickt und stärker als erwartet. Es zeigt sich also, dass nicht nur Talent dazugehört, sondern auch die richtige Grundeinstellung. Ich wünschte, man hätte den anderen Nephilim vor dir ebensolche Möglichkeiten eingeräumt. Einige hätten ihr Potenzial wesentlich besser entfaltet, wenn sie sich nicht nur engstirnig auf den Krieg und ihre Perfektion konzentriert hätten."

„Ist das denn häufig vorgekommen?", fragte ich neugierig und fand es ebenfalls traurig, dass ihnen meine Freiheit nie vergönnt war. Sie hatten so viel verpasst und dafür umso mehr Zeit investiert, die besten Krieger zu werden.

„Häufig nicht unbedingt... aber ab und an gab es Naphil, die sich zu viel auf ihre Abstammung und ihre Fähigkeiten eingebildet haben. Natürlich gibt es auch überhebliche Engel... sogar mehr als genug. Doch gerade bei euch Naphil ist es ein gefährliches Spiel. Einige glaubten schon, sie könnten die Hölle selbst reinigen oder andere haben sich ihr angeschlossen."

Verstehend nickte ich und hob das Schwert dann erneut an, um mich in eine kampfbereite Position zu bringen. „Ich will es nochmal versuchen. Darf ich diesmal angreifen?"

Ich wollte testen, ob auch meine Kenntnisse für den ersten Zug gut genug waren. Viel zu oft hatte ich heute abgewartet und nur reagiert. Zumindest einmal wollte ich selbst beginnen. Ich wollte bestimmen wie dieses Duell begann. Wie es endete, wusste ich sowieso. Doch das war gerade nicht so wichtig. Denn alles was zählte war, dass ich nicht nur meine Fähigkeiten schulte, sondern auch meinen Vater besser kennenlernte.

Unsere Übungskämpfe waren wie eine Art zwischen den Zeilen zu lesen. Ich hatte herausgefunden, dass der blonde Engel vor mir ein sehr bedachter aber dann umso entschlossenerer Gegner war. Er plante seine Taktik gut und wusste somit, dass er sich auf jeden Schlag verlassen konnte, den er immer mit Präzision und Kraft ausführte. Doch er konnte ebenso schnell reagieren und mit seinem Wissen das Geschehen wieder zu seinem Vorteil nutzen. Er behielt gern die Kontrolle.

Zwar sagte er, dass er mich nicht schonen würde, doch nun wusste ich es besser. Jeden zu heftigen Schlag hatte er von meinem Körper abgelenkt oder die Wucht des Aufpralls abgefangen. So trug ich kaum Blessuren davon. Und wenn doch, dann spürte ich zwar den Schmerz, aber mein Körper war ebenfalls gewappnet. Er heilte rasch oder behielt kaum Prellungen zurück.

Trotz dessen, dass er mich nicht mit voller Härte zur Rechenschaft zog, konnte ich kaum einen Schlag landen, der ihm hätte gefährlich werden können. Er hatte während der gesamten Zeit keinen einzigen Kratzer bekommen. Sogar sein schneeweißes Gewand saß noch tadellos und etwas ärgerte mich diese Tatsache dann doch. Immerhin gab ich mir alle Mühe, nicht vollkommen nutzlose Angriffe zu initiieren.

Deshalb hatte ich mir fest vorgenommen nun etwas zu probieren, dass Herausfordernder, möglicherweise auch Gefährlicher war, aber ich wollte es testen. Ich führte den ersten Schlag aus, sobald mein Vater das Okay gab und legte so viel Kraft und Schnelligkeit in den Hieb wie ich nur konnte. Wie erwartet parierte der Engel mit spielender Leichtigkeit. Doch schon ging ich zum zweiten Teil meines Plans über und ließ mich von meinem ersten Misserfolg nicht aus der Ruhe bringen. Immer wieder griff ich an, sprang dann geschickt zurück und wehrte mich kaum gegen die Gegenangriffe. Viel einfacher war es, ihnen zu entgehen indem ich meinen Körper verbog wie einen Haselzweig. Nun duckte ich mich unter dem Schwert meines Vaters weg und griff dann blitzschnell nach dessen Klinge.

Der stechende Schmerz fuhr durch meine Handfläche, als die beidseitige Schneide die Haut aufriss und ins Fleisch drang. Als ich aufsah, erkannte ich die Überraschung im Blick meines Gegenüber und mit einer raschen Drehung stand ich auf, ließ die Klinge los und schlug sie mit meinem eigenen Schwert zur Seite. Das folgende Manöver kostete mich viel Kraft, denn ich stoppte meine abrutschende Klinge und ließ sie wieder nach oben schwingen.

Selbst der Engel schien kurz verblüfft, reagierte aber zügig und blockierte mit seinem eigenen Arm. Dennoch sah ich zufrieden zu, wie meine Klinge sauber einen Teil seines Gewandes direkt unter der linken Schulter aufriss und erst dann gestoppt wurde.

Doch dieser Moment des Triumphs wurde mir sofort wieder genommen. Denn der Erfolg hatte mich unaufmerksam werden lassen und ich erkannte nur noch das Aufblitzen der silbernen Klinge. Sie sauste auf mich herab und in meiner Not sammelte ich all meine Kraft und riss die Arme nach oben, überkreuzte sie in der Luft und hoffte, den Aufschlag so abfangen zu können.

Unbändige Kraft rauschte durch meinen Körper und ich keuchte erstaunt, als das Schwert meines Vaters auf eine Mauer aus gleißendem Licht traf, dass mich zu ummanteln schien. Ich fühlte mich in diesem Augenblick unantastbar und mit einem lauten Schrei riss ich die Arme auseinander und breitete sie aus.

In dem folgenden Windstoß zauste es dem hübschen Mann vor mir sogar die perfekt liegenden Locken. Einen Augenblick lang zog es auch das zerrissene Gewand auseinander und ich konnte auf helle Linien einer Tätowierung sehen, bevor der Wind sich legte und der Engel die Schritte, die er hatte zurückweichen müssen damit stoppte, dass er seine Flügel ausbreitete und sich stabilisierte.

Als er sich sicher war, dass kein weiterer Angriff meinerseits folgte, ließ er sein Schwert verschwinden und zog sein Gewand zurecht. Der Riss im Stoff verschwand wie von Zauberhand und der Engel faltete seine Flügel wieder auf dem Rücken. Erst jetzt war mir aufgefallen, dass er sie im Kampf kein einziges Mal gegen mich eingesetzt hatte.

Ich ließ mein Schwert ebenfalls sinken, lief hinüber zu ihm und reichte ihm die Waffe. Dabei bemerkte ich erst, dass der Knauf von meinem Blut befleckt war und ich wollte es schon irgendwie abwischen, als mein Vater meine Hand ergriff und seine Finger über die Wunde streifen ließ.

„Du hast mich wirklich durchschaut. Das war sehr gut. Du hast meine Schwäche für dich erkannt und sie dazu verwendet, um mich unvermittelt zu treffen. Das Kämpfen scheint dir in den Genen zu liegen."

Fasziniert sah ich zu, wie sich meine Wunde gänzlich schloss und die Waffe nun verschwand.

„Für heute ist es genug. Du hast viel gelernt." 

-----------

Hey meine Lieben, ich denke heute schaffe ich nur dieses eine Kapitel. Ich gebe mir Mühe, das zweite morgen nachzuliefern. Aber Familienzusammenkünfte sind für mich immer der Endboss... Ich musste mir die letzten zwei Tage schon so viel Müll anhören, das glaubt mir kein Mensch. Deshalb bitte ich euch... bleibt einfach wie ihr seid, lasst euch von niemandem sagen, wie ihr euer Leben zu gestalten habt und was richtig und falsch ist. Ihr seid toll und ich habe euch lieb. 💕

Übrigens habe ich diese Szene, als Felix mit seinem Vater versucht die Kugel aus Eis zu kontrollieren, an einer Art kindlichen Prägung orientiert. Immerhin konnte Felix als kleiner Junge nie mit seinem Vater spielen und das war jetzt quasi eine Art Ersatz oder Aufarbeitung. Und da Kinderspielzeuge immer mit einem Lern- oder Trainingseffekt verbunden sind, hat das hier sehr gut gepasst, da Felix lernt zu kämpfen. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top