Von Naturgewalten und Katastrophen
Jisungs Pov:
„Felix! Kannst du mir auch ein Glas Limo mitbringen?", schrie Jeongin gefühlt durch die ganze Nachbarschaft und ich kicherte vergnügt, während ich mich in dieser Zeit an ihn heranschlich, von hinten umklammerte und dann gemeinsam mit ihm untertauchte.
Ich hatte meine Freunde für diesen ersten Ferienmontag eingeladen und natürlich war das Wetter sehr gnädig mit uns. Wir hatten strahlenden Sonnenschein, nicht mal eine klitzekleine Schäfchenwolke war am Himmel zu sehen und die Temperatur lag laut dem Thermometer bei 30 Grad.
Was wollte man da auch anderes tun, als faul im Pool dümpeln und seinen Freunden Streiche spielen?
Jeongin wand sich in meinen Armen und ich ließ ihn los, da mir auch langsam die Luft ausging. Er wirkte kurz erstaunt darüber, dass er es so leicht geschafft hatte, sich aus meinem Griff zu befreien und tauchte dann auf. Als ich ebenfalls zurück an die Oberfläche kam, schüttelte er gespielt beleidigt den Kopf.
„Hyung." Murrte er tadelnd. „Das war gemein."
Ich grinste nur und zuckte mit den Schultern, bevor ich ihm auswich, da er versuchte mich zu schnappen und Gott weiß was mit mir anzustellen. Doch er gab nicht so leicht auf. Beharrlich bemühte er sich, auf meinen Rücken zu gelangen und ich musste ihn immer wieder abschütteln, um nicht selbst unter Wasser gedrückt zu werden.
„Diese Kindsköpfe kann man aber auch nie allein lassen", hörte ich von Seungmin, der lässig auf dem Einhorn saß und sich mit langsamen Paddelbewegungen durch das Wasser bewegte. Jeongin hatte es ebenfalls gehört und wie auf Kommando sahen wir erst einander an, kamen zu einer stillen Übereinkunft und kesselten dann Seungmins aufblasbares Pooltier ein.
„Oh shit", murmelte dieser, als er die Gefahr erkannte und richtete sich auf, so als wolle er sich mit uns anlegen, wenn wir es tatsächlich wagen sollten, ihn von seiner erhöhten Position schuppen zu wollen. Er paddelte ein wenig zurück, sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um und brummte frustriert, als er keinen Ausweg aus seiner Misere fand.
„Dann kommt doch", knurrte er und versuchte uns mit Wasserfontänen von sich fernzuhalten. Jedoch musste er sich immer auf einen von uns beiden konzentrieren und so hatten wir schnell das bunte Einhorn erreicht. Jeongin packte beherzt den Hals, drehte hastig seinen Kopf weg, um nicht das Wasser ins Gesicht zu bekommen und ließ sich dann mit einem kräftigen Ruck nach hinten kippen, um Minnie wie so häufig von seinem hohen Ross herunterzuholen.
Ich kannte diesen Anblick nur zu gut und ich fand es unterhaltsam, dass Seungmin es immer noch versuchte, friedlich auf dem Einhorn zu sitzen, wenn wir drei anwesend waren. Eigentlich war doch logisch, dass wir ihn immer wieder damit ärgern würden und es viel cooler fanden, wenn er mit uns im Wasser herumtollte.
So wie jetzt gerade.
Innie hatte den Jungen mit den karamellfarbenen Haaren erfolgreich in den Pool befördert und nun nahm Seungmin seine Rache. Diese bestand darin, nun Jeongin dafür verbal zu maßregeln und zu versuchen, ihn unterzutauchen. Doch als er dem Jüngsten nicht habhaft werden konnte, kam er auf mich zu.
Ganz nebenbei lief nun der kleine braun-weiß gescheckte Hund am Poolrand auf und ab und bellte einige Male fröhlich, so als wolle er Seungmin anfeuern. Minnie hatte uns von seinen Begegnungen gestern berichtet und uns Berry vorgestellt. Das Hündchen schien uns zu mögen und verbrachte den größten Teil der Zeit damit, durch meinen Garten zu hüpfen und mit einem kleinen Ball zu spielen, den wir für ihn gefunden hatten.
„Oh oh... hab Gnade Minnie", kicherte ich und versuchte noch zu fliehen, als der Braunhaarige nun mich ins Visier nahm. Aber er war schon so gut wie bei mir und sprang mich dann förmlich an. Ich kippte mit ihm nah hinten, besaß immerhin noch die Weitsicht ihn mit mir zu ziehen und tauchte dann schon unter. Als diesmal ich mich versuchte zu befreien und wieder aufzutauchen, zuckte ich zusammen als der Jüngere unabsichtlich meine Taille streifte und mich daran erinnerte, warum ich selbst im Pool ein lockeres Shirt trug.
Wäre ich mit meinen Freunden allein gewesen, hätte es mich wohl weniger gekümmert, die bläulich verfärbten Blutergüsse und die zahlreichen Liebesmale, die auf meiner Haut prangten, zu zeigen. Aber da meine Eltern nun wieder da waren, hätte ich ja schlecht sagen können, dass der Junge, den ich ihnen so halb als meinen zukünftigen Freund vorgestellt hatte, mir bereits so nahe kam, dass er mich halb entstellte.
Gott, wahrscheinlich wäre meine Mama ausgerastet und hätte mir einen Vortrag darüber gehalten, wie unmännlich es sei, sowas mit sich anstellen zu lassen. Deshalb war das Shirt reiner Selbstschutz. Außerdem wollte ich auch nicht, dass meine Eltern nun schlecht von Minho dachten. Es reichte schon, dass ich wusste was er war.
Endlich zurück an der Wasseroberfläche beäugte mich Minnie schon besorgt und entschuldigte sich. „Sorry, ich wollte nicht zu fest zugreifen. Ich-" Doch meine Mutter unterbrach unser Gespräch je, indem sie mit eiligen Schritten auf den Pool zukam. Felix folgte ihr mit einer teils schockierten, teils nachdenklichen Miene.
„Das müsst ihr euch ansehen... Es ist kaum zu fassen." Sie hielt ihr Tablet in die Höhe, das die aktuellen Nachrichten zeigte. Rasch wischte ich mir die nassen Strähnen aus dem Gesicht und watete zum Rand. Auch Seungmin und Jeongin traten dicht hinter mich, als meine Mom uns das Tablet entgegenstreckte und ich nun auch die Stimme des Pressesprechers hörte.
„Soweit die Experten beurteilen können, werden die Eruptionen des Vulkans weiterhin anhalten. Die gewaltigen Mengen an austretender Lava und die Aschebildung behindern die Rettungsaktionen stark. Die bisherigen Opferzahlen sind unklar, werden aber auf rund 3000 Menschen geschätzt."
Meine Augen weiteten sich und ich versuchte das Bild im Hintergrund genauer zu erkennen. Dort sah man einen Flammen speienden Berg, der von dunstigen Nebeln umzogen wurde. Einige Hubschrauber kreisten in gebührendem Abstand um den Vulkan, der weitere glühend heiße Gesteinsbrocken und Magma ausstieß.
„Das ist der Ätna." Sagte meine Mutter ernst. In ihrer Stimme schwang aber auch ein leichtes Beben mit, das beinahe nach Angst klang und ich sah zu ihr auf, um festzustellen was sie verängstigte. Aber es war nicht sie, die mir antwortete, sondern Felix.
„Außer dem Ätna sind auch der Kilauea und der Anak Krakatau ausgebrochen."
Meine Mutter war wenn möglich noch blasser geworden und ich verstand endlich. Der letztgenannte Vulkan war nicht weit von Jakarta entfernt. Der Hauptstadt Indonesiens, in der meine Eltern bis vorgestern selbst gewesen waren.
„Shit. Aber wie? Also ich meine, sind sie alle gleichzeitig ausgebrochen?"
Kurz blickte ich wieder auf das Display, das nun auch die anderen Unglücksorte zeigte und über den bereits entstandenen Schaden berichtete.
„Soweit ich weiß, ist der Kilauea auf Hawaii zuerst ausgebrochen. Dann kurz darauf der Ätna und dann der Anak Krakatau." Auch mein Vater war aus dem Haus getreten und hatte sich zu uns gestellt.
„Aber das ergibt keinen Sinn. Die Tektonik der Platten, sowie die leichten Erdbeben vor einem Ausbruch hätten den Experten auffallen müssen. Drei so weit von einander entfernte Vulkane können sich auch nicht gegenseitig bedingen... es hätte vorher Anzeichen geben müssen." Seungmin war mal wieder vollkommen rational, während er sich nun aus dem Wasser zog und sich an den Rand des Pools setzte, um auf das Tablet zu sehen.
„Das stimmt allerdings. Dennoch ist es passiert und selbst die Wissenschaftler sind offenbar überfordert." Papa zuckte mit den Achseln und zog meine Mutter näher zu sich, als diese nun Felix das Tablet überließ. Felix wiederum setzte sich zu Minnie.
Meine Mutter nahm die ganze Situation offenbar ziemlich mit und ich verstand es. In Anbetracht der Tatsache, dass ihnen etwas hätte passieren können, wären sie länger in Jakarta geblieben, lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken.
„Und noch etwas gefällt mir ganz und gar nicht. Was ist, wenn es zu weiteren Ausbrüchen kommt? Wenn noch mehr Vulkane anfangen verrückt zu spielen?"
Seungmin schüttelte sanft den Kopf, aber starrte weiterhin gebannt auf das Tablet. „Der nächste, richtig große Vulkan ist der Mount St. Helens. Bis hierhin reicht seine Lava nicht. Höchstens die Aschewolken könnten ein Problem werden."
Jeongin trat näher zu mir und zupfte kurz an meinem Ärmel, bevor er noch näher rutschte und in mein Ohr flüsterte. „Hyung? Denkst du auch, dass es etwas mit den Dämonen zu tun hat? Sie haben doch davon gesprochen, dass sie in den nächsten Tagen nicht mehr zu uns kommen?" Seine Augen waren vor Schreck geweitet. „O-ob sie uns hier zurückgelassen haben, während die Welt untergeht?"
Ich griff sanft nach seiner Hand und schüttelte den Kopf, bevor ich ebenso leise zurück raunte: „Das denke ich nicht. Ja, es hat vielleicht mit ihnen zu tun, aber ich denke nicht, dass dies das Ende der Welt ist." Kurz fing ich Felix Blick auf, bevor ich nochmal sicherstellte, dass meine Eltern uns nicht zuhörten.
„Weißt du noch, wie Taehyung von einem Konflikt erzählt hat? Vielleicht gibt es sowas wie Kämpfe in der Unterwelt."
Jeongin sah noch nicht hundertprozentig überzeugt aus, doch bevor er meine Worte entkräften konnte, drehte Seungmin den Ton lauter und ließ uns alle an den neuesten Meldungen teilhaben, die der Nachrichtensprecher gerade verlauten ließ.
„Wie uns soeben mitgeteilt wurde, haben vermutlich die Plattenbewegungen und Eruptionen auch Auswirkungen auf das Meer gehabt. Es wurde uns vor der Küste Japans ein Seebeben gemeldet, dass zu einem Tsunami zu werden droht. Auch die Unwetterfronten, die mittlerweile über Europa aufziehen, scheinen weitaus bedrohlicher als zuerst angenommen."
„Oh mein Gott."
Ich warf einen prüfenden Blick zu meiner Mama, die all diese Hiobsbotschaften wohl weniger gut vertrug.
Während der Meldung zu den Seebeben hatte Seungmin vielsagend zu Jeongin herübergesehen, der nun die Lippen zusammenpresste und ebenfalls zu dem Schluss zu kommen schien, dass es sich hierbei genauso gut um die Kräfte des Leviathans handeln könnte.
„Jisung, wir gehen schon mal ins Haus. Ich werde meinen Manager anrufen und fragen, wie es der Crew geht und ob wir irgendwie helfen können."
Mit einem Nicken stimmte ich meinem Vater zu und war im Stillen sehr dankbar darüber, dass sie uns alleine ließen. So konnten wir uns ungestört unterhalten und unsere Vermutungen aussprechen, ohne unwissende Mithörer zu verstören. Also wartete ich ab, bis die Tür zum Balkon geschlossen wurde und sah dann fragend in die Runde. Gerade als ich meine Frage beginnen wollte, formulierte Felix schon seine Gedanken.
„Wenn ich an Vieles glaube, aber nicht daran, dass das ein Zufall ist. Ich wette mit euch, die Unterwelt hat damit zu tun. Es war doch schon verdächtig genug, dass sie alle gleichzeitig dort zu tun haben und nicht vorbeikommen können."
„Du hast recht. Es muss ernst genug sein, um nicht die Zeit zu finden, in die Oberwelt zu gelangen. Außerdem wirkte Chan auf mich so, als wäre all das nicht ganz ungefährlich. Außerdem hat Taehyung letztens doch davon gesprochen, dass sich in der Hölle nun verschiedene Lager bilden... wenn ich raten müsste, würde ich darauf tippen, dass es nun zum Kampf gekommen ist. Dass er jedoch so heftig ist, dass selbst wir Menschen die Auswirkungen zu spüren bekommen, lässt nichts Gutes vermuten."
Nun blickte ich zwischen den Anwesenden hin und her. „Das hätte ich auch vermutet." Ich sah hinüber zu Jeongin, der nun noch mehr erschüttert schien, als zunächst vermutet. Vorsichtig umarmte ich ihn und sagte dann beruhigend. „Innie, das heißt nicht, dass uns etwas passieren wird. Wir sind bestimmt sicher hier. Sonst hätten sie etwas gesagt oder uns einen Hinweis gegeben."
Jetzt richteten sich die tiefbraunen Augen auf mich und Jeongin schüttelte langsam den Kopf, bevor er sprach. „I-ich habe keine Angst um mich, Hyung. Ich will nicht, dass Hyunjin verletzt wird."
Verblüfft sah ich auf ihn herab und auch Seungmin und Felix wirkten erstaunt. So offen hatte Jeongin bis jetzt noch nie darüber gesprochen, dass er doch eine Bindung zu dem Dämon spürte. Auch wenn man es ihm anmerkte, wenn er über ihn redete oder seine Fähigkeiten beschrieb, so hatte er nie gesagt, was er tatsächlich empfand.
„Ich-ich mag ihn. Ihm darf nichts passieren, wenn er gegen die anderen kämpfen muss."
Felix seufzte leise und stellte nun sein Glas mit Limo ab, bevor er sich nach vorn beugte und dem Jüngsten durch die Haare strich. „Ich bin mir sicher, Hyunjin wird nichts passieren. Ehrlich gesagt würde ich mir eher um seine Gegner Sorgen machen." Er versuchte es mit einem schiefen Lächeln und ich stellte erleichtert fest, dass sich Jeongins Anspannung langsam löste.
„Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt noch gemeinsam ein paar Filme ansehen und dabei immer mal wieder die neuesten Meldungen checken? Ich meine, wirklich viel tun können wir auch nicht."
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Mittlerweile war es mitten in der Nacht und der Abspann irgendeines Actionfilms flimmerte über den Bildschirm. Ich streckte mich behutsam und brachte damit auch Felix dazu, sich zu bewegen. Dann blickte ich hinüber zu Jeongin und Seungmin und konnte ein Geräusch der Verzückung nicht ganz unterdrücken. Beide schliefen aneinander gekuschelt und mit einem friedlichen Gesichtsausdruck.
„Das ist echt putzig." Ließ nun auch Felix verlauten, bevor er sein Handy zückte. Er machte ein Bild und zeigte es mir. Ich schnappte mir sein Handy und schickte mir das Bild weiter, bevor ich mich entspannt zurücklehnte, meinen Kopf gegen seine Schulter sinken ließ und leicht nach rechts aus dem Fenster in die Dunkelheit sah.
„Meinst du wir merken es, wenn ihnen etwas passiert?"
Ich wollte es zwar nicht zugeben, aber diese Frage beschäftigte mich schon seit heute Vormittag und es war zwecklos. Es war vergebens zu leugnen, dass ich mir keine Sorgen um Minho machte.
„Ich weiß es nicht. Aber möglich ist es. Ich meine die Verbindung könnte sowas bewirken. Es würde mich beruhigen zu wissen, dass es so ist. Dann kann ich dir nämlich sagen, dass es Changbin gut geht."
Zustimmend summte ich und umarmte meinen besten Freund von der Seite. „Ich sehe, wir denken dasselbe."
Es kam ein ähnlich sanftes Summen zurück und dann schmiegte er sich an mich, krabbelte halb auf meinen Schoß und vergrub sein Gesicht an meinem Hals. So blieben wir einfach liegen und ich lauschte seinem leisen Atem und dem Ticken der Uhr. Irgendwann wurden Felix Atemzüge ruhiger und als ich sanft über seinen Rücken strich und seinen Namen flüsterte, reagierte er nicht. Er war tatsächlich so eingeschlafen.
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