Verbündete gegen die Hölle
Jeongins Pov:
„Ich glaube, Hyunjin ist der Leviathan."
Meine Finger lösten sich von Seungmins Schulter und meine Hand fiel kraftlos herab. Ich starrte ihn an und gleichzeitig beschlich mich eine Art der nagenden Gewissheit. Denn auch in mir kamen die Erinnerungen an unsere Ethikstunde wieder hoch und wie ich schon damals über den Satz gestolpert war, dass der Leviathan eine der sieben Todsünden verkörperte und dass seine ursprüngliche Gestalt der eines Drachen glich.
In dem Moment war es mir so komisch erschienen, da wir nur wenige Tage zuvor über die Todsünden recherchiert hatten und jetzt verknüpfte sich plötzlich alles zu einem riesigen Netz, dass sich langsam über uns legte. Die Fäden waren bis jetzt kaum sichtbar gewesen. Doch mit jeder weiteren Information, jedem passenden Puzzleteil, zog sich das Netz allmählich zu.
„Scheiße. Verflucht nochmal... konntet ihr euch nicht einmal normale Dämonen suchen, an die ihr euch bindet? Müssen es wirklich auch noch die Schlimmsten der Schlimmen sein?" Jungkook raufte sich die Haare und massierte sich gleich danach die Schläfen, so als würde er allein von dieser Information Kopfschmerzen bekommen. „Ich würde Seungmin ja gern widersprechen. Aber ich kann nicht. Er hat recht. Die Fakten passen. So wie du den Dämon beschrieben hast, hat er eine starke Prägung auf das Wasser, was Sinn ergibt, da der Leviathan ursprünglich dazu geschaffen wurde um über die Meere zu herrschen."
„In einem Quelltext stand, dass Gott ihn geschaffen hat." Warf nun Seungmin ein und auf einmal schien es so, als würden sich die beiden auf eine bizarre Art und Weise in ihren Wissensbeständen ergänzen.
„Das habe ich immer für abwegig gehalten, aber jetzt wo ich weiß, dass es Engel gibt, würde ich diese Möglichkeit nicht ausschließen. Also nehmen wir an, wir folgen der christlichen Schöpfungsgeschichte... dann hat Gott den Leviathan noch vor allen anderen von ihm erdachten Wesen erschaffen."
„Genau, er wollte an ihm seine Macht demonstrieren. Aber irgendwie war ihm dieses Wesen dann doch zu launisch-" „Viel eher war er eine Bedrohung für die anderen erschaffenen Spezies. Deshalb hat er das Fegefeuer erschaffen, um ihn dort einzusperren."
Mein Kopf schwirrte und meine Augen sprangen förmlich von Jungkook zu Seungmin und wieder zurück. Als ich flüchtig zu meinen beiden anderen Freunden sah, merkte ich, dass sie ähnlich agierten. Jisung hob die Hand und mischte sich dann ein.
„Kurze Zwischenfrage... heißt das dann, dass Jeongin den Leviathan aus dem Fegefeuer befreit hat?"
Ein kalter Schauer lief über meinen Rücken und ich betete, dass ich das nicht zu verantworten hatte.
„Also rein theoretisch könnte es so gewesen sein, doch es gibt noch einige Erzählungen, die davon sprechen, dass der Leviathan vom Herrscher der Hölle befreit wurde und dieser seine Dienste für sich nutzt... Ohne zu subjektiv bewerten zu wollen, aber für mich ergibt es Sinn, da auch in einigen Texten davon gesprochen wird, dass er von Satan als eine Art Vollstrecker des Rechts genutzt wird."
„Die Sache mit dem Höllenschlund, der am Tag des Jüngsten Gerichtes die Seelen verschlingt?", fragte Felix nach und schien sich an die betreffende Passage zu erinnern.
„Genau. Das ist natürlich alles etwas hypothetisch... aber ich bezweifle einfach, dass ein menschliches Wesen dazu in der Lage ist, sogar noch ohne sein aktives Wissen, eines der vorzeitlichsten Monster aus dem Fegefeuer zu entfesseln."
Diese Aussage beruhigte mich nur minimal, doch ich beschloss es als einen Erfolg zu verbuchen, dass ich die Welt dieser Zerstörung nicht selbst und unwissentlich preisgegeben hatte.
„Jedoch hat ihm Jeongin durch das Ritual eine Möglichkeit gegeben in unsere Welt zu gelangen und auch immer wieder herzukommen, wenn er es möchte."
Und da folgte die Ernüchterung wieder auf dem Fuße. Mir war bewusst, dass das mindestens genauso schlimm war, wie den Dämon aus dem Fegefeuer zu befreien, oder zumindest vergleichbar ungünstig.
„Jeongin."
Mein Kopf schnellte hoch und ich sah in Seungmins Augen, die mich aufmerksam beobachtet hatten. Dann legte sich wieder ein Arm schützend um mich und der Ältere zog mich näher zu sich. „Jetzt lass den Kopf nicht so hängen. Wir haben eben beide kein besonders gutes Händchen wenn es um Dämonen geht."
Er versuchte mich bestmöglich aufzumuntern und seltsamerweise musste ich tatsächlich grinsen. Vorsichtig schlang ich meine Arme um ihn und lehnte meine Stirn gegen seine Schulter.
"Gibt es irgendeinen Weg um ihn unter Kontrolle zu halten? Irgendein Wundermittel um ihn zu besiegen?"
Warum ich diese Frage stellte, wusste ich auch nicht. Es war wohl bloßer Selbstschutz, obwohl die Chancen schlecht standen. Ich wusste ja noch nicht einmal, ob ich es bei der einschüchternden Persönlichkeit Hyunjins überhaupt fertigbringen würde, ihm die Stirn zu bieten.
Auch die Antwort, die ich bekam, war ernüchternd. Jungkook schüttelte mit viel Nachdruck den Kopf.
"Nein." Er schien sich noch einen Moment Zeit zu nehmen und machte es dann nochmals klar. "Nein. Ich kenne nicht ein einziges Mittel, dass gegen den Leviathan schützt oder hilft diesem auch nur zu schaden."
Ich drückte meine Schneidezähne fest in meine Unterlippe, bis ich den Schmerz spürte und versuchte dadurch, das Chaos in mir niederzukämpfen. Ich hatte ja schon gemerkt, wie schwer es war, gegen Hyunjin anzukämpfen. Seine mentale Beeinflussung wirkte auch bei mir und ich dachte auch, dass ich mich daran gewöhnen würde. Vielleicht war ich das auch schon... Doch jetzt nicht einmal mehr eine Wahl zu haben sondern vor vollendete und scheinbar unbrechbare Tatsachen gestellt zu werden war hart. Mein Kopf sträubte sich, es zu akzeptieren. Aber was blieb mir weiter übrig?
"Wir müssen schleunigst einen Weg finden, diese Verbindung aufzuheben."
Diesmal war es Felix gewesen, der sprach. Dabei sah er mich besorgt an und ich wusste, dass er das vor allem meinetwegen sagte. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass er dafür wirklich alles tun würde. Er war bereit mich zu beschützen.
"Das sollten wir."
Bestätigte Jungkook und lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück.
"Die Frage ist nur wie? Bis jetzt sind alle Spuren erfolglos gewesen und langsam weiß ich nicht mehr, wo ich suchen soll. Und einfach einen Bannspruch zu entwickeln ist zu gefährlich, weil wir eben die genaue Wirkung der Beschwörung nicht kennen. Er ist zu ungenau." Er strich sich die Haare zurück und sah uns der Reihe nach an.
"Aber ich bin für alle Vorschläge und Anmerkungen offen."
Keiner von uns regte sich. Alle suchten angestrengt einen Lösungsansatz oder hingen ihren eigenen Gedanken nach. Jedenfalls war es erneut verdächtig ruhig. Zumindest so lange, bis vom Eingang her eine Stimme ertönte, die wir bis jetzt nicht kannten.
"Hängst du wieder mit deinen Kids ab? Wenn du sie weiter so verhätschelst, muss ich mir am Ende Sorgen um eine Adoption machen?"
Ein junger Mann trat aus dem Schatten des Durchgangs und somit ins matte Licht des Raumes. Er war groß und hatte wache, kluge Augen, die kurz über die Anwesenden schweiften, bevor sie wieder an Jungkook hafteten. Die Haut des Jungen war sanft gebräunt, so als wäre er gerade im Urlaub gewesen. Seine dunkelbraunen Haare kräuselten sich wild um seinen Kopf und verdeckten einen großen Teil seiner Stirn.
Jungkook drehte sich zu ihm und man konnte allein aus seiner Haltung lesen, wen wir hier vor uns hatten. Doch da kam schon der nächste freche Spruch und die Lippen des Dämons verzogen sich zu einem Lächeln.
"Ich wollte zwar noch warten mit den Kindern... Aber sie sind ja doch schon recht groß. Da haben wir nicht mehr so viel Arbeit." Er lehnte sich leicht über Jungkooks Stuhl und massierte dessen Schultern. Dieser sah zu dem Dämon auf und grinste.
"Keine so dumme Idee, Tae. Aber diese vier würde ich nicht adoptieren... Die bereiten mir mehr Sorgen als jeder Dämon."
Na danke auch. Doch ich konnte es irgendwo verstehen und beobachte nur neugierig, wie die beiden vor mir agierten.
Allein von der witzigen Art Taehyungs und der ungezwungenen Konversation hätte man meinen können, sie wären ein normales Pärchen. Zwei junge Erwachsene, die in einer vollkommen gewöhnlichen Beziehung lebten.
"Mhm, dann lieber keine Adoption", meinte der Dämon und stützte sich sanft auf Jungkooks Schultern, bevor er uns erneut musterte. Diesmal zeigte sein Gesicht deutliches Interesse, so als würde er uns analysieren. Bei Felix Anblick verzog er jedoch das Gesicht. Etwa so, als würde er sich lieber nicht mit ihm beschäftigen wollen. Wahrscheinlich rief ein Naphil schlechte Erinnerungen an seine eigenen Begegnungen mit dem Himmel hervor. Aber auch bei uns anderen schien sich seine gute Laune in Grenzen zu halten.
"Ich sehe schon... Meine geschätzten höllischen Kameraden haben sich auf das Frischfleisch gestürzt."
Jungkook nickte zaghaft. "Ja, es gibt übrigens noch ein paar interessante Neuigkeiten..." Er deutete auf mich und sagte dann schlicht.
"Jeongin hier ist an den Leviathan gebunden." Dann sah er zu Felix. "Und unser lieber Felix ist ein Naphil."
"Das hätte ich gerade noch selbst erkannt", spottete Taehyung und sein Blick wechselte wieder zu mir.
"Der Leviathan also... Wie überaus reizend."
Jungkook räusperte sich geräuschvoll und sagte dann mit mildem Vorwurf.
"Du hättest mir ruhig mal sagen können, dass der Himmel tatsächlich existiert, Tae. Wäre in 42 Jahren Partnerschaft schon ganz hilfreich gewesen."
Würden wir jetzt Zeugen eines Ehestreits werden? Ich hoffte es nicht.
Der Dämon verengte seine Augen und zuckte die Schultern.
"Wolltest du denn unbedingt mit den Engelchen reden? Die sind sowieso eingebildet und so überzeugt von sich selbst, dass du kein vernünftiges Wort mit ihnen wechseln kannst."
Jungkook drehte sich halb auf dem Stuhl um und beobachtete Taehyung genau. "Wir reden später darüber", entschied er und fügte dann hinzu. "Jedenfalls verändert es die Lage drastisch."
"Ach ja? Glaubst du das wirklich?" Nun war die leichte Belustigung aus der Stimme des Dämons gewichen. "Denkst du tatsächlich es ändert etwas? Denkst du, dass eine gute Macht vom Himmel herabsteigt und sich dieses Problems annimmt? Denkst du Gott würde sich einmischen und alles wieder geradebiegen? Ich sage es euch... Das wird nicht passieren. Er wird nichts tun. Niemand wird euch retten. Die einzigen die das können seid ihr selbst. Oder ihr akzeptiert einfach euer Schicksal." Am Ende klang er bitter und aufgebracht.
Kurz strich er sich das Haar zurück und wir erhaschten einen wohl ungewollten und sehr flüchtigen Blick auf helle, blasse Linien, die ein Symbol auf der Stirn des Dämons bildeten.
Nun stand Jungkook auf und legte seinerseits die Handflächen auf Taehyungs Schultern, vermutlich um ihn zu beruhigen.
"Ich werde dir keine Vorwürfe machen. Das weißt du. Ich habe dir versprochen nicht weiter nachzufragen, aber hier geht es wie du schon gesagt hast um vier Jungen... Sie wissen nicht so viel wie wir. Sie schaffen das nicht allein, Tae. Also hilf mir."
Die Iris des Dämonen hatte sich pechschwarz gefärbt. Doch allmählich verlor dieses Schwarz an Glanz und wirkte weniger bedrohlich. Einmal blinzelte der Teufel und dann stimmte er seinem Partner zu.
"Na gut, Kookie. Du weißt, ich unterstütze dich....genauso wie du es tust." Ein fast schon gruseliges, grimmiges Lächeln schlich sich auf seine Züge. "Das wird ein Spaß. Immerhin werden wir uns damit klar positionieren." Das infernale Wesen strich dem Mann vor sich durchs Haar und drückte dann seine Lippen auf dessen Mund.
"Ich habe mich schon lange nicht mehr auf eine Seite geschlagen... Aber dann gibt es demnächst eben drei Lager in der Hölle. Dagegen werden sie nichts tun können." Das fiese Glitzern erreichte die schwarzen Augen. "Aber was sind schon ein paar mächtige Feinde mehr..."
Jungkook schien zu verstehen, denn er lächelte und schmiegte sich an seinen persönlichen Teufel.
"Stimmt, und zusammen werden wir sie ganz schön aufmischen. Es hat doch Vorteile, einen unantastbaren Dämon an seiner Seite zu haben."
Tae knurrte leise. "Du meintest wohl eher in deinem Bett." Jungkooks folgendes Kichern sagte wohl alles.
"Ähm.... Ich wollte nur daran erinnern, dass wir auch noch da sind. Bitte, wenn es geht keinen Liveporno solange wir nicht gegangen sind." Seungmin wedelte abwehrend mit der Hand und Jisung schnaubte belustigt.
"Ach lass sie doch. Es war echt unterhaltsam." Minnie warf unserem Hyung einen angewiderten Blick zu aber da mischte sich auch schon Felix in das Gespräch ein.
"Was genau meinst du damit, dass sich dann in der Hölle noch ein drittes Lager bildet?"
Taehyung brummte leise gegen die Lippen seines Partners, so als würde er diese Worte lieber ungesagt machen. Doch dann löste er sich widerwillig von Jungkook und drehte er sich zu Felix.
"Weißt du... Nicht alle Dämonen sind mit der jetzigen Herrschaftssituation einverstanden. Du verstehst schon. Da wird sehr auf Stärke und Durchsetzungsvermögen gebaut. Und einige sind dem Fürsten treu... Naja, und wir werden die sein, die sich auf die Seite der Menschen schlagen. Meiner Meinung nach kein besonders sicherer Weg, aber wen kümmert das schon."
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Viel war nach diesem Gespräch nicht mehr passiert. Schlussendlich hatten wir uns von Taehyung und Jungkook verabschiedet und waren gegangen. Wahrscheinlich waren uns die beiden dankbar. Es schien als hätten sie selbst noch viel zu klären und das mussten wir nun wirklich nicht belauschen. Außerdem war es spät geworden und morgen war Schule. Zwar würden wir in den zwei letzten Tagen vor den Sommerferien nicht mehr viel machen aber Anwesenheitspflicht bestand dennoch.
So gingen wir gemeinsam den Weg zurück zur Stadt, trennten uns nacheinander und so liefen irgendwann nur noch Jisung und ich die Straße entlang.
"Hyung? Was denkst du? Sollte ich Hyunjin verbannen, wenn ich es könnte? Wenn wir wirklich eine Lösung finden meine ich."
Jisung drehte sich zu mir.
"Ich glaube nicht, dass ich gerade eine gute Beratung bin, Jeongin. Ich weiß nicht mal, was ich mit meinem eigenen Dämon anfangen soll, wie könnte ich dir dann einen Rat geben." Er zuckte die Schultern. "Ich würde wohl auf mein Bauchgefühl hören." Er hatte leise gesprochen und ich musterte ihn kritisch.
"Denkst du nicht, dass es eher dein Herz ist, dass da für dich entscheidet, Hyung?"
Er senkte den Kopf und zog erneut die Schultern hoch.
"Keine Ahnung", flüsterte er.
Ich ging einen Schritt schneller, überbrückte so den Abstand zu ihm und legt einen Arm um ihn.
"Wirst du es ihm sagen?"
Ich zuckte leicht zusammen als er seinen Kopf nach oben riss und dann freudlos schnaubte.
"Bist du wahnsinnig? Ich hab schon genug an ihn verloren. Nicht auch noch meinen Stolz", zeterte er und wand sich dann aus meinem Griff, um mit zielstrebigen Schritten voranzugehen.
"Dieser Dämon kann mich mal", verkündete er und ich kicherte.
"Ja, Ji... Das wissen wir, dass dich dieser Dämon mal wieder vögeln könnte. Vielleicht bist du danach entspannter."
Im nächsten Moment stieß ich einen hohen Schrei aus und rannte dann los, als Jisung sich schon auf mich stürzen wollte.
"Na warte! Wenn ich dich erwische, Yang Jeongin!"
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Entschuldigt bitte die Verzögerung... bei mir herrscht gerade Chaos. Die nächste Woche wird für mich einfach nur anstrengend und eigentlich habe ich noch genug zu tun... Aber das Kapitel hat mich zumindest für ein paar Minuten abgelenkt und durchatmen lassen. Kommenden Freitag werde ich wohl auch nicht updaten können. Aber am 19.07 schreibe ich meine letzte Klausur und dann habe ich wieder etwas mehr Zeit... bis ich die Hausarbeiten schreiben muss. 🙃
I love you Stay. 💕
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