Über den Lichtern der Stadt
Jisungs Pov:
„Bereit für einen kleinen Ausflug?"
Anstatt mich wie ein Normalsterblicher mit einem Hallo zu begrüßen oder anders auf sich aufmerksam zu machen, stand Minho plötzlich einfach im Raum und sah mich neugierig an. Ich seufzte nach dem ersten Schreck leise und legte meinen Controller zur Seite.
„Habe ich noch fünf Minuten, um mich umzuziehen oder nimmst du mich gleich so mit?" Betont lässig sah ich an mir herab und deutete zeitgleich auf das legere T-Shirt und die Jogginghose, die ich trug. Auch der Dämon musterte mich und wiegte den Kopf überlegend hin und her.
„Die fünf Minuten sollte ich dir wohl geben", meinte er spitzbübisch lächelnd und ließ sich dann in meinen Schreibtischstuhl fallen. „Na los... hopp hopp... ich hab nicht den ganzen Tag Zeit." Scheuchte er mich nun auf und mit einem leisen Brummen folgte ich seiner Forderung.
„Was hast du überhaupt vor?", fragte ich während ich mir passende Kleidung aussuchte. Anstatt etwas zu sagen, zog Minho einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und klimperte einige Male damit. Sofort erhellte sich meine Miene und ich entschied mich doch für ein ziemlich schickes Outfit, das aus einer engen schwarzen Lederimitathose und einem mitternachtblauen Hemd bestand, dass meine schmale Taille deutlich betonte. Normalerweise trug ich es genau deshalb so selten, da ich nicht wollte, dass man so viel von meinen zu femininen Hüften sah.
Aber ich dachte an unseren letzten Ausflug, an das erste Rennen und was danach passiert war und deshalb zögerte ich nicht, den weichen Stoff überzuziehen. Dann streifte ich mir genau vor Minhos Augen auch die Jogginghose ab und tauschte sie gegen die hautenge Hose. Anschließend zog ich die Boots aus dem Schrank, die mir der Dämon das letzte Mal gezaubert hatte – wenn man das so nennen durfte.
Dann versuchte ich mir meine Haare zurechtzuzupfen und seufzte leise, als einige Strähnen wieder störrisch zurückfielen und sich gegen meine Glättversuche vehement wehrten.
„Lass mich mal." Mit diesen Worten stand der Dämon schon dicht hinter mir, sah mich durch den Spiegel an und streichelte vorsichtig über mein Haar. Meine Augen wurden kugelrund, als ich zusehen konnte, wie sich mein gesamter Schopf plötzlich in einem satten Dunkelblau färbte und meine Haare perfekt in meine Stirn fielen.
„Oh man, das sieht sogar noch viel heißer aus, als ich es mir vorgestellt habe." Der Dämon musterte mich mit seinen glühenden Augen und rasch betrachtete ich die Veränderung näher. Selbst ich musste zugeben, dass mir diese Farbe sehr gut stand, auch wenn ich mir nie hatte vorstellen können, meine Haare selbst so zu färben.
„Danke, es sieht wirklich gut aus." In einer schnellen Bewegung drehte ich mich zu ihm und drückte einen Kuss auf seine Wange. Natürlich schlang er sogleich seine Arme um meinen Rücken und zog mich an sich.
„Können wir los?"
Eifrig nickte ich und wollte mich schon lösen, um nach unten zu gehen, doch er entließ mich nicht aus seinen Armen. Im Gegenteil, er zog mich dichter an sich und ich fühlte ein leichtes Stechen in der Magengegend, dann verschwamm die Sicht um mich herum und im nächsten Moment fand ich mich in auf einer Art Plateau stehend wieder.
Immer noch war Minho dicht neben mir aber lockerte jetzt seine Umklammerung, sodass ich mich umsehen konnte. Es war wohl vielmehr eine kleine Haltebucht, als ein richtiges Plateau. Der Kiesboden knirschte unter meinen Schuhen und gleich neben uns befand sich eine Straße, die sich in gewundenen Kurven den Berg hinaufschlängelte. Dann drehte ich mich um, sodass ich auch den Rest der Landschaft sehen konnte.
Zunächst blickte ich auf den mattschwarzen Aston Martin, der dicht an der Straßenbegrenzung geparkt war, doch das Panorama dahinter nahm meine Aufmerksamkeit schnell in Anspruch.
Eine riesige Stadt erstreckte sich am Fuß des Berges. In der langsam heraufziehenden Dämmerung konnte man die abertausenden Lichter besonders gut bewundern und wenn man ganz genau hinsah, dann konnte man auch das tiefschwarze Meer zu unserer Rechten betrachten.
Ich brauchte nicht mal besonders lang, um die Stadt zu erkennen, die sich zu meinen Füßen erstreckte. Allein die vorgelagerte Bucht, der Berg, dessen Ausläufer wir teilweise noch vor uns hatten und die zwei hohen Türme, die die Skyline der Stadt prägten, waren mir wohlbekannt.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wirklich ganz genau weist, wie man einen glorreichen Auftritt inszeniert?", fragte ich staunend und konnte mich nicht einmal von dem Anblick losreißen, als der Dämon neben mich trat und leise lachte.
„Nein, aber danke für das Kompliment... wenn es denn eins sein sollte."
„Machst du Witze? Natürlich war das eins. Ich wollte schon immer mal nach Tokyo. Hier soll es fantastisches Sushi geben und die Kirschblüte ist bestimmt auch voll schön." Sprudelten die Worte nur so aus mir heraus und schlussendlich sah ich doch zu meinem Begleiter und lächelte ihn an.
„Danke Minho." Ich war kurz davor noch sowas Schnulziges wie „Du lässt wirklich meine Träume in Erfüllung gehen" hinterherzuschicken, doch ich verkniff es mir hastig. Mein Herz schlug trotzdem ein wenig schneller und ich spürte den kleinen Stich bei dem Gedanken, dass das für ihn wohl nichts Besonderes war. Deshalb wechselte ich rasch das Thema.
„Wo müssen wir eigentlich hin? Du meintest, wir fahren wieder ein Rennen. Darf ich fahren?"
Nun sah mich mein Dämon wieder mit diesem unternehmungslustigen Funkeln in den Augen an. „Zuerst müssen wir da runter." Er deutete auf die Stadt und fügte dann hinzu. „Klar kannst du fahren." Kurz kramte er in seiner Tasche, zog anschließend den Schlüssel hervor, reichte ihn mir und zwinkerte mir dann zu. „Du kannst ja auf dem Weg nach unten schon mal zeigen, was du gelernt hast."
Wenn er nur wüsste, was er gerade in meinem Inneren anstellte mit seinem Zwinkern und dem feinen Lächeln, das sich auf seinen Lippen bildete.
Hastig griff ich nach dem Schlüssel und lief hinüber zum Wagen. Dennoch musste ich mich erstmal wieder daran gewöhnen, auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen und ein Fahrzeug zu steuern. Deshalb fuhr ich die ersten Meter auch eher langsam und gewöhnte mich wieder an das Auto.
Durch Minhos Anwesenheit fühlte ich mich zusätzlich bestärkt und sicher. Weshalb ich allmählich Gas gab und jetzt auch die erste Biegung vor mir auftauchte. Wieder handelte ich von selbst. Da die Kurve nicht besonders steil war, drehte ich das Lenkrad nicht ganz so schwungvoll nach links, sondern ließ es beinahe sanft durch meine Finger gleiten. Ein Lächeln trat auf meine Lippen, als das vertraute Gefühl von Abenteuer und Freiheit in mir aufkam.
„Woher weißt du eigentlich, dass genau hier und heute ein Rennen stattfindet?", fragte ich Minho und beschleunigte auf der Geraden erneut.
„Ich habe einfach gute Verbindungen", meinte der Dämon geheimnisvoll und lehnte sich im Beifahrersitz zurück.
„Oh wow, noch präziser konnten Sie wohl nicht werden, fiesester aller Kreuzungsdämonen", stichelte ich zurück und erntete ein belustigtes Schnauben und einen kleinen Knuff in die Seite. Woraufhin ich aufquiekte und ihn böse ansah. „Ich wollte eigentlich lebendig ans Ziel kommen", tadelte ich und mit einem knappen Nicken signalisierte er mir, dass er derselben Meinung war.
Die verbleibende Strecke zur Stadt verbrachten wir beinahe schweigend und als wir die Metropole erreichten, navigierte mich Minho zielsicher zum Ort unseres Rennens. Dabei hielt er mich von den großen Verkehrsadern Tokyos fern, sodass wir nicht Gefahr liefen, in den allabendlichen Stau zu geraten. Wir schlängelten uns durch die Seitenstraßen und blieben in den äußeren Bezirken.
„Da vorn ist es schon", meinte der Dämon nach einer Weile und deutete auf ein riesiges Parkhaus, das hell erleuchtet war und einem Hochhaus starke Konkurrenz machte. Andächtig lenkte ich den Wagen zu dem genannten Ort und bog um die letzte Ecke, als mir auch schon klar wurde, dass wir mal wieder mitten in der Szene steckten. Zwei schicke Sportwagen fuhren gerade aus dem Parkhaus und im Rückspiegel erkannte ich bereits den nächsten Wagen, der so aussah als wolle er mit seinen glänzenden Felgen und dem aufpolierten Lack angeben.
„Fahr einfach nach oben", wies mich Minho an und nickte dem Mann zu, der unten neben den Schranken stand und diese nun für uns öffnete.
„Ganz wie sie wünschen, Sir." Ich bemühte mich, die Worte so seriös wie möglich klingen zu lassen, konnte ein Grinsen aber nicht unterdrücken. Ich ließ unsere Fenster herunter, um die Atmosphäre dieses Milieus zu uns vordringen zu lassen . Schon hier hörte man den Bass der Musik und das Grollen der Motoren. Ich reduzierte die Geschwindigkeit noch etwas weiter, um auf das nächste Parkdeck zu gelangen.
Dort standen bereits einige Menschen an ihre Autos gelehnt oder sie liefen umher, begutachteten die totschicken Karossen und sahen den hübschen Frauen nach. Es war eine ähnliche Stimmung wie damals bei meinem ersten Rennen und irgendwie fühlte ich mich sofort wohl. Diese Menschen hatten einfach ihren Spaß daran, schnelle Autos zu fahren, sich dem Kick des Adrenalins auszusetzen und die Freiheit zu genießen. Ich verstand sie bestens und wollte genau dasselbe.
Deshalb lenkte ich den Aston vorsichtig weiter und sah mich nach einem Platz um, an dem ich ihn parken konnte. Aber bereits jetzt war es hier recht voll und ich musste immer wieder kurz anhalten, damit mir niemand vor die Kühlerhaube sprang.
„Fahr noch eine Etage weiter hoch, dort finden wir sicher etwas." Minho wirkte ähnlich entspannt und ließ seine Augen umherwandern, um die Menschen zu beobachten.
„Und ich dachte, es geht nicht noch freizügiger", kicherte er als zwei junge Frauen an unserem Wagen vorbeiliefen, die ungelogen nur den kurzen Rock einer Schuluniform und eine Art BH trugen.
„Ich denke, es geht immer und überall noch eine Nuance mehr. Außerdem steht es ihnen, wenn sie sich darin wohl fühlen, sollen sie es auch zeigen." Minho summte nur zustimmend und ich selbst beachtete sie daraufhin nicht weiter. Für mich war mein Beifahrer viel interessanter und reizvoller.
Schlussendlich gelangte ich auf die nächsthöhere Ebene und seufzte leise, da hier die Party erst richtig loszugehen schien. Entsprechend voll war es auch hier. Dennoch manövrierte ich den Aston Martin geschickt durch die feiernde Menschenmenge und parkte ihn schließlich direkt hinter einem knallgelben Bugatti.
„Dann lass uns mal denjenigen finden gegen den wir fahren wollen." Für einen Moment blitzten mir rote Augen entgegen. Ich schluckte, nickte wie paralysiert und starrte in seine wunderschönen Augen. „Klar", brachte ich hervor und machte mich dann daran, aus dem Wagen zu steigen.
Wie selbstverständlich trat Minho dicht neben mich und gab gut darauf acht, dass ich ihm zwischen all den Menschen nicht verlorenging. Er schlängelte sich zielsicher durch die Menge und beäugte Mensch und Wagen ganz genau, schlenderte dann weiter oder sah sich um.
„Hey, ihr seid neu hier, oder? Das erste Mal?" Ein sehr jung aussehender Japaner trat auf uns zu, sprach uns in perfektem Englisch an und automatisch nickte ich. „Ja, woher weißt du das?"
Unser Gegenüber lächelte charmant. „Das sieht man sofort. Ihr fallt auf wie die bunten Hunde. Aber nicht im negativen Sinne." Dann verbeugte er sich leicht und stellte sich vor. „Ich bin Nishimura Riki aber ihr dürft mich auch Niki nennen, das tun alle."
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