Sternennacht

Triggerwarnung: Akrophobie (Höhenangst)

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Felix Pov: 

„Du willst also spielen. Wie schön."

Im nächsten Moment breiteten sich dunkle Schwingen über den Rücken des Dämonen aus und dann schnellte er zu mir empor. Ich hatte Mühe die blitzschnelle Bewegung überhaupt richtig einzuschätzen, doch mit einem hastigen Flattern meiner Flügel brachte ich mich außer Reichweite und sah nun zu, wie Changbin ebenso rasant und präzise wie es mein Vater vermochte, in den Nachthimmel aufstieg. Wenige Meter über mir spannte er seine Flügel ruckartig auf, stoppte seinen raschen Start und blickte nun auf mich herab. 

Jetzt waren die Fronten wieder geklärt und ich war sowieso viel zu überrascht von dem, was ich da vor mir sah.

Dann entschied ich mich, zu ihm aufzusteigen und als ich wieder auf Augenhöhe mit ihm war, fragte ich etwas verwirrt. „Du hast auch Flügel?" 

Nun betrachtete ich selbige näher und konnte feststellen, dass sie sich kaum von meinen eigenen unterschieden. Nur der Kontrast der Farbe war ein wesentlicher Unterschied. Während meine Federn strahlend weiß im Mondlicht badeten, waren seine pechschwarz und glänzten wie poliertes Metall. Seine Flügel waren auch um einiges größer und länger als meine. Als ich die Schwungfedern außen betrachtete, kamen sie mir fast noch größer vor als die meines Vaters. Sie waren gigantisch und sie trugen den Dämon sicher.

„Das siehst du doch. Und jetzt hast du einfach so aufgegeben? Dabei wollte ich dich gerade fangen... Vorher haben ja eher ungleiche Bedingungen geherrscht. Findest du nicht auch?"

Ich wusste, dass er mich dafür aufzog, dass ich auf ihn herabgesehen hatte. Doch ich ging nicht darauf ein und umkreiste ihn einmal. 

Es war faszinierend, ihn so zu sehen und etwas in mir war äußerst zufrieden mit diesem Anblick. Es machte mich glücklich, dass er mir auf dieser Ebene so ähnlich war und nun gemeinsam mit mir fliegen konnte. Auf der anderen Seite wurde mir klar, woher sein Wissen über die Nephilim, über das Fliegen und über mich kam. Ohne auf seine Fragen einzugehen, sprach ich.

„Also hättest du mich tatsächlich retten können... hättest du es wirklich geschafft, vor mir unten anzukommen?"

Changbin ließ seine Mundwinkel nach oben zucken und griff dann nach meiner Hand, die gerade noch über seine dunklen Federn gestrichen hatte.

„Testen wir es doch, wenn du dich traust."

Verwirrt blinzelte ich und wollte mich eigentlich wieder von ihm lösen, um zu signalisieren, dass ich immer noch verstimmt war. Doch seine nächsten Worte ließen mich innerhalten.

„Lass dich fallen und dann sehen wir, ob ich schneller bin. Aber dazu musst du mir vertrauen, sonst werden deine Schwingen den Sturz abfangen, bevor ich die Chance habe es zu versuchen."

Ich schnaubte ungläubig und sank dann aber mit ihm zurück auf den Grund des Plateaus. Sobald meine Füße wieder den Stein berührten, faltete ich meine Flügel und beobachtete, wie es mein Gegenüber genauso tat. Das leise Rascheln hallte durch die Stille und ich biss mir unwohl auf die Lippe.

„Was ist wenn du es nicht schaffst?"

„Dann werden dich deine Kräfte wohl trotzdem schützen."

Immer noch nicht ganz überzeugt, sah ich über den Rand hinab und versuchte mich dann auf meine Flügel zu konzentrieren. Erstaunlicherweise funktionierte es jetzt genauso wie mit meinen Kräften. Ich konnte sie wieder verschwinden lassen, so wie ich die Kugel aus Eis in der Luft stoppen konnte. Als ich mich nach hinten drehte, waren die weißen Federn verschwunden und Changbin tat es mir gleich.

„Du bist ziemlich geschickt mit deinen mentalen Fertigkeiten, vor allem sehr schnell", kommentierte mein Dämon und betrachtete mich eingehend.

Da es mir nun doch etwas zu blöd wurde, dass er mir jetzt auch noch Komplimente machte nachdem er mich so erschreckt hatte, verdrehte ich die Augen. Dann jedoch zog ich ihn ruckartig an mich, presste meine Lippen gegen seine und küsste ihn aggressiv, ließ ihm keine Zeit die Oberhand zu gewinnen und schob ihn anschließend zurück.

„Dann hoffe ich, dass du nicht nur angeben kannst."

Ich trat selbst einen Schritt zurück, vertraute dabei auf meinen Instinkt und ließ mich dann mit einem grimmigen Lächeln nach hinten kippen. 

Für einen Moment las ich die Überraschung in den weißen Augen, dann blitzten sie auf und sahen mir nach, als ich erneut an der Kippe hinabstürzte.

Auch diesmal peitschte mir der kalte, nasse Wind die Wassertropfen ins Gesicht und durchtränkte meine Kleidung. Vorwitzig schloss ich die Augen, atmete tief durch und versuchte zu verdrängen, dass mein Körper mich dazu zwingen wollte, meine Schwingen den schrecklich schnellen und hohen Fall abfangen zu lassen. Aber noch ließ ich es nicht zu. Stattdessen versuchte ich mein Gehör zu nutzen, doch ich spürte nur die enorme Geschwindigkeit und wusste, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte. 

Ich schaffte es nicht mehr meine Augen geschlossen zu halten, als die Wassertropfen kaum noch meine Haut trafen. Ich musste gefährlich nahe über dem Boden sein.

Dann hörte ich es. Ein Rauschen und dann ein lautes Rascheln. 

Und plötzlich stoppte mein Fall. Etwas verlangsamte ihn so abrupt, dass es sich anfühlte als würden wir doch noch einige Meter in die Tiefe sacken. Doch dann lagen die beiden Arme sicher um meinen Körper und hielten mich fast still in der Luft. Zuerst erkannte ich schwarze Federn, dann hörte ich Changbins belustigte Stimme.

„Das war knapp, Engelchen. Aber gut zu wissen, dass man doch seinen Spaß mit dir haben kann."

Ich drehte mich in seinen Armen und sah hinab zum Boden, der höchstens zehn Meter unter uns lag, vielleicht auch weniger.

„Du hast es doch darauf ankommen lassen", hielt ich dagegen, während ein leichter Schauder über meinen Rücken lief. Dann legte ich meine Arme um seinen Rücken, streifte die starken Flügel und schmiegte mich an ihn, um den kleinen Schrecken zu verarbeiten. 

„Und bringst du uns jetzt wieder nach oben oder muss ich mich dafür selbst anstrengen?" Doch noch vor seiner Antwort wollte ich es selbst noch einmal versuchen, meine Schwingen zu benutzen. Also krallte ich mich für einen Moment fester in seine Schulter und konzentrierte mich auf die Kräfte, die ich vorhin gespürt hatte. Und tatsächlich wuchsen die schneeweißen Schwingen aus meinem Rücken, streiften die schwarzen Federn kurz, als ich sie ausbreitete.

„Komm, ich zeig dir etwas. Du musst deine Flügelchen so halten wie ich." Der Dämon hatte einen seiner dunklen Fittiche näher an den Körper gezogen, sodass er einen Teil seines Torsos ummantelte aber dennoch die Luft hindurchließ. Den anderen hatte er ebenso gebogen, jedoch weiter angehoben. 

Ich versuchte seine Haltung zu spiegeln und bemerkte, dass die Luftsäule uns nun nach oben tragen würde. Doch dazu brauchte es noch den nötigen Schub. 

Bevor ich allerdings fragen konnte, wurde ich ruckartig in die Höhe katapultiert, als Changbin kurz die Schwingen ausbreitete und einen kräftigen Flügelschlag tat. Gemeinsam rauschten wir nun in einer spiralförmigen Drehung dem Himmel entgegen und mir stockte bei der enormen Geschwindigkeit der Atem.

„Und jetzt flieg, Engelchen."

Mit diesen Worten ließ mich Binnie los, fing seinen eigenen Aufstieg leicht ab, während ich immer noch ungebremst nach oben schoss.

Nun schraubte ich mich ganz von selbst höher und fühlte die Freiheit und den Wind, der meine Federn zerzauste. Schließlich öffnete ich meine Flügel und schlug selbst kräftig mit ihnen, um sie dann wieder an den Körper zu ziehen und emporzuschießen. Schneller als jeder Pfeil oder jedes Geschoss fliegen konnte.

Schließlich jedoch vermisste ich die Gesellschaft des Dämons schon fast, deshalb stoppte ich meinen Aufstieg, blieb in der Luft stehen und sah mich gründlich um.

„Im Zweifelsfall immer hinter dir", raunte seine Stimme plötzlich knapp hinter mir, bevor er frech an meinen Federn zog und ich mich kurz schüttelte, weil es leicht ziepte.

„Hör auf damit. Sonst mach ich das auch mal", meckerte ich und drehte mich so, dass ich nach seinen Federn haschen konnte. Er jedoch wich mir aus und lachte leise.

„Du bist ja sensibel. Willst du jetzt etwa Fangen spielen?"

Wieder ein wenig erbost, weil er mich nicht ernst nahm, schlug ich mit den Flügeln und versuchte ihn auf Abstand zu halten. 

Er jedoch stieg etwas höher und machte sich einen Spaß daraus, mich zu umkreisen und im passenden Augenblick auf mich herabzustoßen wie ein Raubvogel. 

Ich allerdings wich ebenso geschickt aus und schlug mit der Schwinge nach ihm, als er sich durch meine Deckung gemogelt hatte. Dabei streifte ich sein Oberteil etwas harsch, in das ich mich gleich danach krallte, als er mich an sich drückte und mich so fest umarmte, dass ich ihm nicht entkommen konnte.

„Ich hab dich."

Bereitwillig ließ ich zu, dass er unsere Lippen vereinte und mich leidenschaftlich küsste. Dabei strich er mein Haar zurück, verhakte seine Finger in meinen blonden Locken und brummte leise, als ich meine Hand unter sein Hemd gleiten ließ und seine muskulöse Brust streichelte.

Kurz erinnerte ich mich an sein Tattoo, oder doch viel mehr die Rune und sah hinab auf seinen Torso. 

Und tatsächlich erkannte ich einige der Linien, die sich verschlungen über seine linke Brust zogen. Gedankenversunken zeichnete ich sie nach, schob sein Hemd weiter zur Seite und drückte ihm dann einen gierigen Kuss auf, bevor ich mich zu der Rune beugte und wie bei unserem ersten Mal einen Kuss auf diese hauchte. Diesmal jedoch musste ich ihn fragen.

„Was genau ist das?"

„Eine Rune." Kam es schlicht und erstaunlich kühl von Changbin. Auch als ich in seine Augen aufsah, konnte ich kaum eine Regung erkennen. Von der ausgelassenen Stimmung, die gerade noch zwischen uns geherrscht hatte, war nicht mehr zu spüren. Jetzt betrachtete er mich abwartend.

„Warum hast du sie und woher?"

„Ich wüsste nicht, was es dich angeht... Aber sie hat keinen Nutzen. Sie ist eine Erinnerung. Ein Makel, den ich nicht auslöschen kann, egal wie sehr ich es versuchen würde."

So berechnet und bitter hatte ich ihn noch nie sprechen hören und ich entschied mich, etwas sanfter vorzugehen. Meine Fingerspitzen berührten erneut die filigranen weißen Linien. Ich wollte ihm so gern die schlechte Erinnerung daran erträglicher machen und offenbar nutzte ich unterbewusst meine himmlischen Kräfte, denn kurz glühte die Tätowierung auf.

„Felix", knurrte Changbin und löste meine Finger, zog sie bestimmt zurück und hielt sie noch kurz fest, um zu signalisieren, dass er nicht wünschte, dass ich weiter Einfluss auf ihn nahm.

„Wer hat sie dir auferlegt, Changbin? Wurdest du verflucht?"

Er lachte verächtlich und breitete seine Schwingen bedrohlich aus.

„Manchmal fühlt es sich so an, als sei es ein Fluch... aber nein, sie ist nur eine Erinnerung an vergangene Zeiten." Dann plötzlich blitzten seine Augen weiß und er lehnte sich zu mir, küsste mich herrisch und drängte seine Zunge in meinen Mund. Er lenkte mich von jedem weiteren Wort ab, das ich hätte sprechen wollen und hielt mich fest an sich gedrückt. 

Und so schwebten wir zwischen Himmel und Erde, küssten uns und gaben dem anderen für einen Moment das Gefühl alles zu sein, was es gerade gab. Wir waren schwerelos, endlos und miteinander verbunden. 

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Heute habe ich euch mal wieder ein bisschen Musik verlinkt. Two steps from hell macht einfach fantastische Filmmusik. ✨

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