Starke Schwingen
Felix Pov:
Mein Vater stand wie so häufig bereits an unserem Treffpunkt, als ich ankam und lächelte mir entgegen. Auch seine himmlisch glühende Aura begrüßte mich und schien die ganze Lichtung zu umschließen. Sie war diesmal stärker und hatte einen einnehmenden und beruhigenden Effekt.
„Felix. Du scheinst heute besonders zu strahlen", stellte der Engel erfreut fest und seine blauen Augen musterten mich gründlich, so als wolle er erkennen woran diese Veränderung lag. Doch ich kam ihm zuvor und lächelte glücklich. Ich war stolz darauf, ihm heute zeigen zu können, zu was ich nun imstande war. Also schloss ich die Augen, konzentrierte mich, ließ die Kraft mich durchströmen und breitete meine Flügel aus. Ich hörte ihr Rascheln und spürte den sanften Luftzug, als sie sich aufspannten.
Ich öffnete meine Augen wieder und blickte erwartungsvoll zu meinem Vater, der äußerst zufrieden aussah. Sein Engelsglanz glomm um ihn noch heller und dann schritt er würdevoll auf mich zu. Behutsam streckte er seine Hand aus.
„Darf ich?", fragte er mit seiner glockenhellen Stimme und ich neigte bestätigend den Kopf.
Behutsam strichen die Finger über meine Federn, schienen sie genau zu betasten und schließlich griff mein Vater fester nach dem Flügel, streckte ihn soweit es ging und knickte ihn anschließend vorsichtig. Es fühlte sich ähnlich an, wie die Prozedur von Changbin an. Er hatte ebenso gründlich geprüft, wie meine Flügel beschaffen waren. Und auch wenn ich nicht wusste, wozu das gut sein sollte, ließ ich ihn machen.
„Sie sind sehr stark und keine einzige Feder hat auch nur einen Makel. Deine Schwingen werden dir gute Dienste leisten. Ich bin sehr stolz auf dich." Mein Vater stand nun wieder vor mir, strich mir sanft durchs Haar und nickte anerkennend. Dann jedoch zeigte sich Neugier in seinem Blick.
„Wie hast du es schlussendlich doch geschafft, deine Flügel hervorzurufen?"
Nun war ich es, der unruhig wurde. Aber ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen. Ich bemühte mich, eine möglichst einfache Erklärung zu finden. Ich konnte meinem Vater schließlich schlecht sagen, dass mich mein Dämon eine Klippe hinabgestürzt hatte. Das würde ihn mehr als verärgern. Also musste ich eine mildere Version erfinden.
„Ich hatte Hilfe von dem Dämon, von dem ich dir berichtet habe. Er hat mich weiter üben lassen und irgendwann konnte ich sie kontrollieren."
Die Augen des Engels wurden kurz zu schmalen Schlitzen und er schien tatsächlich nicht besonders begeistert. Seine Haltung straffte sich, bevor er fragte. „Was hat er getan?"
Jetzt musste ich diplomatisch vorgehen. „Naja, eigentlich habe ich die Übungen, die ich mit dir gemacht habe mit ihm wiederholt."
Nun schien der Engel meine Worte nur noch mehr in Frage zu stellen.
„Wie genau hat er das angestellt? Habt ihr gekämpft?" Ich merkte deutlich, wie wenig ihm diese Vorstellung behagte und rasch schüttelte ich den Kopf. Immerhin hatte ich nicht wirklich mit Changbin gestritten.
„Er ist mit mir geflogen und hat mir mit seinen Flügeln einige Tricks gezeigt."
Erst als ich es ausgesprochen hatte, bemerkte ich, dass diese Worte die Situation nicht entspannten. Vielmehr hatte mein Vater seine Augen geweitet und dann wurden diese immer heller, bis das Blau fast schon durchsichtig bis gläsern erschien.
„Seine Flügel?", wiederholte er und ich merkte jetzt, dass ich diese Tatsache selbst bis gerade eben nicht hinterfragt hatte.
„Ähm, ja", nuschelte ich und sah betreten auf meine Füße, so als würde ich mich schämen, erst jetzt darüber nachzudenken. „Schwarze Flügel", präzisierte ich meine Aussage.
Es blieb einige Sekunden sehr still, dann traute ich mich wieder aufzusehen.
„Was bedeutet das, Vater? Ist das schlecht?" Meine Gedanken sprangen hin und her. Ich wusste nicht, ob es üblich war, dass Dämonen Flügel besaßen. Oder welchen Status sie in diesem Fall hatten. Aber wenn Engel Flügel besaßen, warum dann nicht auch Dämonen?
„Das kann ich dir nicht genau sagen." Mein Vater klang erstaunlich kühl und man erkannte in seinen Augen immer noch die Verwunderung. Er dachte offenbar über etwas nach, bevor er plötzlich den Kopf schüttelte und unverständlich murmelte. „Das wäre zu viel Zufall."
Er wandte sich um und trat einige Schritte zurück zur Mitte der Lichtung. Dort sah er hinauf in den Himmel, schien nach etwas zu suchen und schließlich blieb sein Blick an einem besonders hellen Stern hängen.
„Gut, lass uns jetzt mit deinem Training beginnen. Nur weil du jetzt deine Flügel hast, heißt das nicht, dass du schon alles über sie weißt. Du musst sie gut schützen und sie müssen ein Teil von dir werden. Sie müssen mit deinem Willen und deinem Handeln verschmelzen."
Aufmerksam lauschte ich und entschied mich, meine restlichen Fragen für den Augenblick zurückzudrängen.
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„Und gleich nochmal", rief mein Vater mir zu, als ich mit meinem Schwert seinen Angriff blockierte. Erneut riss ich es also nach oben, fing den Hieb ab und kippte die Klinge, sodass die zweite daran abrutschte und mir nicht zu nahe kam.
Diesmal kämpften wir nicht wie üblich auf dem Boden, sondern befanden uns in der Luft. Wir schlugen nicht nur mit den Schwertern zu, sondern hatten auch unsere Flügel, um den anderen mit der Schwinge aus dem Gleichgewicht zu bringen ober schnell zurückzuweichen. Diese Art des Kampfes fühlte sich schon viel mehr nach himmlischem Krieger an und ich genoss diese Duelle beinahe. Das musste der Naphil in mir sein, der sich nach dem gerechten Kampf sehnte, der sich beweisen wollte. Immer wieder dachte ich dabei auch an meine Freunde, die es zu schützen galt.
„Und ein letztes Mal", kommentierte mein Vater, während er mit der Klinge auf Brusthöhe um seine eigene Achse wirbelte und ich den Hieb gerade noch so abfangen konnte. Jedoch gab ich noch nicht auf, ließ meine Waffe zurückfedern und drückte sie dann ruckartig hinab, sodass der breitere Knauf das Schwert meines Vaters mit hinab zog.
Schließlich schlug ich jedoch kräftig mit den Flügeln und brachte mich außer Reichweite des geübten Engels, der seine Adamantklinge mit beiden Händen umfasste und der Stahl sich mit dünnem Eis überzog. Es schien die Waffe noch tödlicher und schöner zu machen und ich wusste, dass es auch gefährlicher war ihn jetzt anzugreifen. Deshalb hielt ich mein Schwert lediglich in einer Abwehrhaltung und wartete auf die nächste Attacke.
Diese kam heftig und so schnell, dass ich mich augenblicklich in einem Wirbel aus Federn und Weiß wiederfand und erneut prallten unsere Klingen aufeinander. Immer wieder erklang das metallisch helle Klirren und das Rascheln unserer Flügel. Irgendwie geriet die Klinge meines Vaters zu nahe an meine Wade und schlitzte die oberen Hautschichten auf.
Ich knurrte in einer Mischung aus Schmerz und Wut und schwang mein eigenes Schwert gegen seine Schulter, traf aber nur mit der flachen Seite und krallte mich deshalb in das blütenweiße Gewand des Engels, als dieser zurückweichen wollte, um uns beiden eine Verschnaufpasse zu ermöglichen.
Ich ließ das nicht zu, riss an dem Stoff und stieß meine Klinge nach vorn. Alles, was sie traf, war ein Schild aus Eis. Angestrengt und leicht frustriert atmete ich durch, ließ mein Schwert sinken und atmete tief ein.
Das einzige, was ich erreicht hatte war, dass ich wieder einmal das Gewand meines Vaters ruiniert hatte. Erneut hing der Stoff lose um seine Schultern und zeigte einen Teil seiner trainierten Brust. Diesmal stand ich näher und als ich die weißen Linien auf seiner Brust erkannte, handelte ich instinktiv. Mit einem Ruck riss ich den Stofffetzen weiter herab und entblößte das Tattoo. Oder besser gesagt die Rune.
Im selben Moment erstarrte ich und betrachtete die sich doppelnden Linien. Sie kamen mir seltsam vertraut vor. Die weißen Linien zogen sich wie Bänder vor meinem inneren Augen entlang, schlangen sich fester um meinen Verstand und zogen sich zusammen.
Die Rune war nicht identisch mit der von Changbin. Doch sie kam dieser auf eine bizarre Weise nahe, anstatt der M-Form hätte man diese Linien für ein L oder einfach ein Unendlichkeitssymbol halten mögen. Doch die doppelte Schleife sah ich deutlich. Und dann war da noch ein kleiner Kreis in einem der Bögen eingeschlossen.
Meine Betrachtung wurde von dem Engel unterbrochen, der einen Flügelschlag Platz zwischen uns brachte, sein Gewand wieder reparierte und mich kurz konsterniert musterte. Seine Miene verriet, dass er mein Verhalten nicht ganz nachvollziehen konnte. Dann hob er jedoch das Schwert wieder und sprach:
„Lass nicht zu, dass eine Niederlage dein Urteilsvermögen trübt. Ein Duell zu verlieren heißt nicht, die Schlacht zu verlieren."
Ich jedoch war nicht mehr wirklich bei der Sache. Die nächsten Angriffe wehrte ich vielmehr ab und schließlich fragte ich leicht außer Atem.
„Woher hast du diese Rune? Warum hast du sie?"
Der Engel schwebte in der Luft, schien seine Antwort abzuwägen und sagte schließlich leise. „Sie ist eine Erinnerung an alte Zeiten."
Mit gerunzelter Stirn hob ich mein Schwert wieder an. „Was für eine Art Erinnerung?" Es beunruhigte mich mehr, als ich es zugeben wollte, dass mein Vater unbewusst ähnliche Worte verwendet hatte wie Changbin, als ich ihn nach seiner Rune gefragt hatte.
„Das tut nichts zur Sache. Wieso fragst du überhaupt nach der Rune?" Schon schoss er wieder auf mich zu, lieferte sich einen heftigen Schlagabtausch und entfernte sich wieder von mir, als ich etwas weiter nach oben stieg und gerade zum Gegenschlag ausholte. So rief ich ihm meine Antwort entgegen.
„Ich bin nur neugierig."
Wenn er es mir nicht erzählen wollte, musste ich ihm auch nicht alles berichten. Es ärgerte mich bereits genug, dass beide Wesen meinen Fragen auswichen.
Doch statt mich erneut zu bekämpfen, senkte nun mein Vater die Waffe. Sein Blick zeigte eine so tiefreichende Besorgnis, wie ich sie noch nie zuvor an ihm erlebt hatte. Noch nicht einmal, als er mich bei unserem Training verletzt hatte.
„Felix, du musst mir genau sagen, welches Ritual dich mit diesem Dämon verbindet." Seine Stimme war eindringlich und als ich sah, dass er höher stieg, um mit mir auf Augenhöhe zu sein, wusste ich wie ernst er es meinte. Mir war sofort klar, dass es mir nichts nutzen würde, ihn anzulügen oder auszuweichen.
„Das Ritual hat keinen richtigen Namen, soweit ich weiß. Es ist eine Formel, die wir gesprochen haben und sie hat uns an die Dämonen gebunden." Ich wollte es so einfach wie möglich erklären und meinem Vater nicht noch mehr Sorgen bereiten.
„Welche Worte hast du gesprochen?", fragte er nun eindringlich.
Die aufsteigende Panik schluckte ich gekonnt hinab. Es war nicht schwer, mich der Worte zu entsinnen. Seitdem ich sie für uns alle übersetzt hatte, spukten sie durch meinen Kopf, hatten sich darin eingebrannt und ließen mich nicht mehr los.
„Passion conjungat duas animas in aeternum."
Ich hatte einen Engel noch nie erblassen sehen und im Nachhinein hätte ich mir den Anblick gern erspart. Es war, als würde jegliche Zuversicht aus meinem Umfeld entzogen werden. Die Magie, die meinen Vater sonst umgab, flackerte erschüttert und das schöne Gesicht wurde noch weißer.
„Was hast du getan?", hauchte der blonde Mann ungläubig und wich einen Flügelschlag weit zurück. Dann schüttelte er seinen Kopf, so als wolle er es nicht wahrhaben. Doch die folgende Reaktion verwirrte mich nur noch mehr. Seine Miene verschloss sich.
„Ich muss jetzt gehen."
Hastig breitete er seine Schwingen aus und mit einem heftigen Flügelschlag, der sogar die Bäume um uns herum zauste, schoss er in die Luft und verschwand zwischen den leuchtenden Sternen.
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Es tut mir so leid ihr Lieben. Ich schaffe heute nur ein Kapitel. Wie gesagt, mein Oktober wird stressig und ich kann nicht mal versprechen, dass ich das nächste Kapitel morgen hochlade.... Ich habe euch trotzdem unglaublich lieb. 💖
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