So sicher wie das Amen in der Kirche
Felix Pov:
Ich erwachte mit stechenden Kopfschmerzen und presste grummelnd eine Hand an meine Schläfe. Es fühlte sich so an als würde jemand von innen mit einem Vorschlaghammer gegen meinen Schädel hacken und beinahe glaubte ich einen dumpfen Nachhall zu hören, der das Pochen der Schmerzen nur noch intensivierte. Schnell ließ ich meinen Kopf zurück aufs Kissen sinken, schloss die Augen und hoffte darauf dass es mit der Zeit besser werden würde. Doch als eine Viertelstunde später mein Schädel noch immer zu explodieren drohte, stand ich schwankend auf und streifte mir schnell ein Shirt über. Nur in Unterhose und dem lockeren T-Shirt bekleidet, schlurfte ich in Richtung Küche. Als ich die Tür öffnete, strömte mir der Duft von frischen noch warmen Brötchen entgegen und meine Mama begrüßte mich sogleich mit einem fröhlichen „Guten Morgen Felix."
Ich hingegen verzog nur leidend das Gesicht und versuchte ihr wenigstens halb so enthusiastisch zu antworten. „Guten Morgen Mama." Dann trat ich eilig auf den Küchenschrank zu und zog die Packung mit den Schmerztabletten hervor, die meine Mutter dort für alle Notfälle gebunkert hatte.
„Ist alles ok bei dir?" Ertönte auch schon ihre besorgte Stimme und ich schüttelte ganz vorsichtig mit dem Kopf, um die Schmerzen nicht schlimmer zu machen.
„Kopfschmerzen", brummte ich und füllte mir ein Glas mit Wasser, um die Tablette herunterwürgen zu können.
„Oh, die müssen aber ziemlich heftig sein. Habt ihr gestern Alkohol getrunken?"
„Nein, haben wir nicht. Ich weiß auch nicht warum... ist schon das zweite Mal in dieser Woche", murmelte ich und ließ mich dann ihr gegenüber auf einen Stuhl sinken, während ich die Tablette mit der Flüssigkeit unter ihren fachkundigen Augen zu mir nahm und dann den Kopf in die Hände stützte.
„Das passt so gar nicht zu dir Felix. Du wirst doch nicht etwa krank..." Ihre Augen wanderten prüfend über meine zerzauste und schmerzgebeugte Gestalt und dann seufzte sie. „Du warst noch nie so richtig krank. Hoffentlich ist es auch diesmal nichts Ernstes. Wenn es schlimmer werden sollte, musst du mir das sagen." Wies sie mich streng an und strich mir dann sanft durchs Haar.
„Wird schon nicht so schlimm sein." Wiegelte ich ab und versuchte mir das Ganze nicht so anmerken zu lassen, um meiner Mutter nicht noch mehr Sorgen zu bereiten. Ich hoffte sehr, dass ich nicht krank werden würde. Das konnte ich wirklich nicht gebrauchen. Vorsichtig griff ich nach einem Brötchen und begann es dann mit Marmelade zu bestreichen. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass mich meine Mama mit Fragen bombardieren würde und mich nun darüber ausquetschte, was zwischen Changbin und mir lief. Doch sie schien genau zu wissen, dass ich gerade nicht in der Verfassung dazu war ihr alles zu erklären. Deshalb saß sie eher schweigend bei mir und aß ebenfalls. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und selbst die Ruhe war in gewisser Weise angenehm.
„Soll ich alleine backen? Dann kannst du dich noch ein Stück ausruhen." Bot sie mir an, doch ich schüttelte entschieden den Kopf. Schließlich hatte ich ihr gestern quasi versprochen zu helfen.
„Nein nein, schon gut. Wir machen das zusammen. Wollen wir Cheesecake backen? Ich hab letztens ein tolles Rezept gesehen und das wollte ich unbedingt testen."
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So standen wir eine gute Stunde später gemeinsam am Küchentisch. Während ich gerade die Füllung zusammenrührte und zu dem Quarkgemisch auch etwas Zitrone und Vanille gab, legte meine Mama den Teig als Boden und Umrandung in die Kuchenform und achtete penibel darauf, alles gleichmäßig zu verteilen.
„Also... dieser Junge, der gestern hier war. Woher kennst du ihn denn?", fragte sie ruhig und drückte den Teig vorsichtig in die äußeren Ecken der Form. Mittlerweile hatten meine Kopfschmerzen nachgelassen, auch wenn ich noch ab und zu ein dumpfes Pochen verspürte. Dennoch sah ich bei ihrem plötzlichen Konversationsbeginn auf und versuchte eine möglichst plausible Antwort zu finden.
„Wir sind uns zum ersten Mal in der alten Bibliothek begegnet." Ich blieb bei der Wahrheit, da ich es so schon genug hasste, meine Mama bei dem anlügen zu müssen was nun folgen würde. Aber möglicherweise konnte ich größeren Katastrophen irgendwie umschiffen.
„Oh wirklich? Ihr geht da immer noch hin?" Sie schmunzelte. „Dann ist er offensichtlich auch ein kleiner Gesetzesbrecher. Immerhin ist es nicht ganz legal was ihr da tut." Sie sagte das so beiläufig, als würde es sie nicht einmal stören und ich wusste selbst, dass sie nicht unbedingt ein Problem mit den Erkundungsgängen und Streifzügen hatte, die ich mit meinen Freunden unternahm. Ich konnte mich an ihre Worte noch zu deutlich erinnern, nachdem ich einmal mit zerrissenen Jeans und dreckigem Pulli nach Hause gekommen war.
„Ich werde es dir nicht verbieten. Es würde sowieso nichts nützen. Jeder hat doch schon mal etwas Verbotenes getan. Das ist ja der Reiz daran. Aber bitte pass auf dich auf Felix."
Allein diese Aussage hatte mir erneut gezeigt, wie cool meine Mama eigentlich war und ich empfand tiefe Dankbarkeit dass sie mich in allem so unterstützte und mir beistand. Deshalb antwortete ich ihr nun mit einem kurzen verlegenen Lachen.
„Haha~ ja tatsächlich machen wir das manchmal noch." Dann wandte ich mich erneut mit großer Sorgfalt meinem Quarkgemisch zu und hoffte, dass ihre nächste Frage ebenfalls so simpel zu beantworten war. Denn dass sie weitere Informationen erhoffte, war für mich so klar wie Quellwasser.
„Und wie heißt er? Ist er so alt wie du?"
Die zweite Frage ließ auch mich kurz stutzen, da ich mich noch nie erkundigt hatte, wie alt Changbin in Wirklichkeit ist. Aber hier sollte ich wohl eher vermuten wie alt er aussieht. Oh man, ich konnte das Alter bei Personen schon schlecht schätzen aber bei Dämonen...
„Er-er heißt Changbin. Und er ist neunzehn... glaube ich." Die circa zwei Jahre Altersunterschied sollten meine Mama nicht stören und außerdem könnte man Binnies Alter ungefähr so einschätzen.
„Changbin. Klingt nett." Eine kleine Pause entstand, als meine Mama mir nun die ausgelegte Form zuschob und dabei zusah, wie ich die Füllung hineingoss und alles glattstrich. „Ist das was Ernstes zwischen euch oder testet ihr ein bisschen eure Libido aus?"
Fast wäre mir der Löffel aus der Hand gefallen und im Quark versunken aber ich konnte ihn gerade noch so festhalten. „Mama!", jammerte ich leise und sah sie ein wenig verstört an. „Ernsthaft?"
Ein beinahe schon spitzbübisches Lächeln erschien auf ihren Lippen und sie kicherte über meine entrüstete Miene. „Was denn? Hab ja nur gefragt."
Jetzt wurde ich dezent rot um die Nasenspitze und senkte den Kopf. „Ich- also ich weiß nicht so richtig...", stammelte ich und wurde mir einmal mehr bewusst, dass diese Beziehung, die zwischen mir und Changbin bestand alles andere als normal war. Geschweige denn konnte man sie in eine bestimmte Kategorie einordnen. Dennoch war mir bewusst, dass ich ihn wohl nicht so einfach loswerden würde und es vielleicht auch gar nicht wollte. Zumindest solange er sich mir gegenüber freundlich verhielt und mir wie gestern zuhörte und mich beruhigte. Bei dem nächsten Satz war meine Stimme leiser und auch leicht unsicher. „Ich denke es ist was Ernstes Mama."
„Oh wie schön. Dann muss er dich wirklich beeindruckt haben. Wenn du schon so hingerissen von ihm bist, dass du selbst mir gegenüber nicht richtig mit der Sprache rausrückst." Sie summte leise und deckte den unfertigen Kuchen ab, um ihn zum Zwischenkühlen in den Kühlschrank zu verfrachten.
Wenn sie nur wüsste. Aber es war besser so, dass sie die Details nicht kannte und nicht ahnte, in welchen Schlammassel ich mich selbst manövriert hatte.
„Wenn du willst, kannst du ihn mal einladen. Ich würde ihn gern kennenlernen."
Nun wuchs meine Sorge doch und ich riss meine Augen auf, um sie anzustarren als hätte sie mir gerade verkündet dass sie den Teufel selbst ins Haus lassen wollte.
„Ähm... also-" „Es muss ja nicht sofort sein." Sie schien zu bemerken wie unangenehm mir dieses Thema war und hastig nickte ich. Zu mehr war ich einfach nicht fähig, da sich in meinem Geist nur eine sehr bizarre Szene abspielte, wie Changbin meiner Mama gegenüberstand und ihr die Hand schüttelte. Allerdings waren seine Finger dabei von Blut besudelt und seine hellen Augen stachen wie Dolche hervor.
„Und wie ist er so im Bett?"
Wenn überhaupt möglich weiteten sich meine Augen noch etwas mehr und dann wurde ich wirklich rot. „Mama! Wieso fragst du sowas?" Perplex und gleichzeitig peinlich berührt verdeckte ich mein Gesicht mit den Händen und hinterfragte mein Leben. Allerdings erhielt ich nur ein mädchenhaftes Kichern als Antwort und wurde dann liebevoll in die Seite geknufft.
„Du hast so abwesend ausgesehen. Ich dachte eine solche Frage sei dir weniger peinlich. Immerhin hast du ja gestern mit ihm Gott weiß was getan." Ihre Augenbrauen wackelten anzüglich und sie brach in schallendes Gelächter aus, als ich sie durch meine Finger hindurch gespielt empört anfunkelte. „Okay okay, ich frage nichts mehr", witzelte sie und ging hinüber zum Ofen, um diesen vorzuheizen und sich dann wieder zu mir umzudrehen.
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„Würdest du mir ein Stück von dem Kuchen geben Felix?" Meine Oma streckte mir ihren Teller entgegen und lächelte mich an. Dabei vertieften sich die Falten um ihren Mund und auf ihrer Stirn noch weiter und eilig nickte ich und führte ihren Wunsch aus.
„Hier bitte."
„Dankeschön mein Sonnenschein."
Vor etwa einer halben Stunde waren meine Großeltern bei uns angekommen und meine Mama und ich hatten alle Hände voll zu tun, um noch den Tisch im Wohnzimmer zu decken, den Kuchen zu schneiden und unsere Gäste willkommen zu heißen. Hinzu kam, dass ich mit dem ganzen Herumlaufen nun auch deutlicher spürte wie viel mir die letzte Nacht doch abverlangt hatte. Einmal als ich neben meiner Mama in der Küche verschnaufte und mir missmutig den Rücken massierte, hatte sie mir einen Blick zugeworfen, der eindeutig sagen sollte, dass ich es mir ja selbst so ausgesucht hatte. Ihr wissendes Grinsen hatte alles nur noch peinlicher gemacht und ich war froh, nun am Tisch zu sitzen und eine gemütliche Position gefunden zu haben.
„Wie läuft denn die Arbeit? Übernimmst du immer noch so viele Nachtschichten?" Schaltete sich jetzt auch mein Opa in das Gespräch ein und ließ sich ebenfalls ein Stück des selbstgemachten Cheesecake reichen. Meine Mutter seufzte kurz und ich wusste nur zu gut dass sie ihre Arbeit im Krankenhaus sehr mochte und es ihr meistens nichts ausmachte, bis spät in die Nacht zu arbeiten.
„Ja, mache ich Papa. Und ich tue es freiwillig. Zur Zeit gibt es häufiger Brandverletzungen und Schnittwunden die wir behandeln müssen, weil viele Menschen bei Grillfesten und Waldwanderungen nicht gut genug aufpassen aber sonst ist alles normal." Sie stach sich ein Stück Kuchen ab und wollte es schon zum Mund führen als meine Oma ein Räuspern hören ließ und ihre Tochter leicht konsterniert ansah. Ich wusste was nun folgen würde und es war für mich ebenso überflüssig wie für meine Mama. Doch diese tat meinen Großeltern schon den Gefallen und legte die Gabel zurück auf den Teller, um dann nach meiner Hand zu greifen und auch meinem Opa eine Hand zu reichen. Ich tat es ihr nach und hielt Oma die Hand hin, die mir wohlwollend entgegenlächelte. Für mich war es zwar ungewohnt vor dem Essen zu beten aber anders kannte ich meine Großeltern nicht. Im Gegensatz zu Mama und mir waren sie gläubig und setzten ihre Gepflogenheiten auch bei uns unbeirrt fort. Mir war es manchmal immer noch ein Rätsel, warum meine Mama so normal und unberührt von diesen Dingen war. Sie legte nie Wert auf irgendeinen Glauben. Zumindest nicht solange ich sie kannte. Aber bei passender Gelegenheit würde ich wohl danach fragen.
„Felix, willst du nicht das Tischgebet sprechen?", treuherzig lächelte mich Oma an.
Ach du heiliges Kanonenrohr...
Hastig versuchte ich mich an die Worte zu erinnern, die Sie sonst immer sprach.
„Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Amen."
Es fühlte sich fast schon falsch an zu beten, wo ich doch etwas so Unmoralisches und Böses wie einen Dämon in mein Leben gelassen hatte. Wenn meine Großeltern davon wüssten... Aus irgendeinem Grund verstärkten diese trüben Gedanken meine Kopfschmerzen wieder und ich löste meine Hand aus der meiner Oma, um mir dann über die Schläfe zu reiben.
„Amen" Folgte unisono aus drei weiteren Mündern und endlich begannen alle zu essen.
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Offenbar hat euch das letzte Kapitel ziemlich gut gefallen... Jedenfalls hat es bei euch ziemlich viele Fragen aufgeworfen. Aber hey, jetzt habt ihr einen Vorgeschmack auf die dunkle Seite dieser Geschichte bekommen. 😈
Außerdem wollte ich mich noch entschuldigen, weil das Special immer noch nicht da ist. 😪Wie schon erwähnt bin ich mal wieder in der Klausuren/Hausarbeitsphase und meine Zeit ist knapper als erwartet. Habt bitte noch ein wenig Geduld mit mir.
I love you Stay. 💖
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