Silver Bank

Plötzlich kam mir das Wasser, was uns immer noch umgab, um einiges wärmer vor und ich öffnete die Augen einfach wieder.

„Du kannst es wohl nicht mehr abwarten?", scherzte Hyunjin und ließ mich dann auch los, sodass ich mich umsehen konnte.

Um uns herum war das Wasser ungewöhnlich klar und sauber. Ich sah hinauf und versuchte abzuschätzen wie weit die Entfernung zur Wasseroberfläche diesmal war, doch ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Wir befanden uns in der Nähe eines Riffes und überall konnte man kleinere und größere Fische sehen, die zwischen den bunten Korallen und wogenden Seegräsern umherschwammen. Weiter hinten erkannte ich sogar ein oder zwei Schildkröten. Diese Unterwasserwelt unterschied sich deutlich von Pearl Harbour. Hier wirkte alles so friedlich und idyllisch. Ein Fleckchen Ozean, das vollkommen unberührt und perfekt erschien.

„Es ist wunderschön."

Von ganz allein hatte ich mich auf den Weg zu einem aufragenden Felsen gemacht, der über und über mit roten Korallen bedeckt war. Zwei kleine Anemonenfische versteckten sich hastig als sie auf mich aufmerksam wurden. Ich staunte über die Vielfalt der Unterwasserwelt und schwamm noch näher, um jedes noch so kleine Detail in mir aufzunehmen.

„Das finde ich auch." Der Dämon tauchte neben mir auf und streckte seinen Zeigefinger aus, um mit diesem einen kleinen Seestern zu streicheln, der sich am Felsen verankert hatte. Seine Mundwinkel hatten sich zu einem beinahe liebevollen Lächeln verzogen und seine Fingerspitze strich noch immer ganz behutsam über die hellgelbe Oberfläche des Meeresbewohners. „Es gibt so viele beeindruckende Geschöpfe in diesen Gewässern und ich hatte gehofft, dass sie dir gefallen." Nun drehte er seinen Kopf in meine Richtung und fasziniert sah ich zu, wie ihm seine silbergrauen Haare folgten wie ein kleiner Schweif. Sie wurden durch das Wasser sanft hin und her geschwenkt und wirkten irgendwie lebendig. „Ich habe dennoch eine kleine Überraschung. Schließlich gibt es auch hier so viel zu entdecken, dass man es nicht an einem Tag erfassen könnte."

Er streckte mir seine Hand entgegen und ich ergriff sie ohne zu zögern. Schon wieder wurde ich mit ihm gezogen und wir tauchten am Riff entlang, sodass ich mich genau umsehen konnte und all die kleinen und großen Wunder des Meeres aus nächster Nähe bestaunen durfte. 

Eine der gesehenen Schildkröten kam nun in unsere Richtung und paddelte mit ihren Flossen gemächlich durchs Wasser. Sie ließ sie nicht besonders davon beeindrucken, dass sie nun so ungewohnte Gesellschaft hatte, sondern verfolge akribisch ihren Weg.

„Eine Karettschildkröte", informierte mich Hyunjin und ich sah ihn bewundernd von der Seite an.

„Du weist aber auch alles oder?"

„Bei weitem nicht... aber sagen wir es so.... Ich kenne diese Meere und ihre Tiere. Und den Namen einer bestimmten Schildkrötengattung zu kennen ist nicht wirklich ein Wunder."

Dennoch nickte ich anerkennend und griff etwas fester nach seiner Hand. „Ich mag es. Du kannst mir so viel Neues beibringen. Es ist eine angenehme Art zu lernen", stellte ich fest und blickte neugierig geradeaus, da nun ein unförmiges Gebilde vor uns auftauchte, das über und über mit Algen und Muscheln bewachsen war. Erst bei einer genaueren Musterung erkannte ich, dass es wohl einst ein Schiff gewesen war. Doch es sah ganz anders aus, als die USS Arizona oder eines der Schiffe, die ich sonst kannte. Der hintere Teil warf wesentlich höher und unter der Bewucherung sah es aus, als hätte dieses Wasserfahrzeug nur aus Holz bestanden.

„Und was ist die Geschichte zu diesem armen Schiff?", fragte ich halb wissbegierig halb besorgt, dass er mir gleich wieder eine Tragödie auftischen würde.

„Ich denke, diesmal ist die Erzählung weitaus unterhaltsamer." Ein kleiner Fischschwarm stob vor uns auseinander, als wir nur wenige Meter vor einem schiefhängenden Balken, der höchstwahrscheinlich einmal der Hauptmast gewesen war, im Wasser verharrten. Bei meiner weiteren Observation des Wracks stellte ich fest, wie groß es doch tatsächlich war. Auch wenn es bereits auseinanderfiel und man einige Teile des Baues nur noch erahnen konnte, so war es ein Zeugnis aus längst vergangenen Zeiten und es war durchaus beeindruckend.

„Also... was hat es damit auf sich? Wie alt ist das Schiff? Es sieht so aus, als würde es schon ewig hier liegen."

„Es ist zumindest eine kleine Ewigkeit." Bestätigte der Dämon gut gelaunt und deutete auf den vorderen Teil. „Einst stand ganz vorn am Bug des Schiffes auch sein Name... Natürlich ist er längst verrottet und nicht mehr zu erkennen... doch ich kann ihn dir dennoch sagen. Nuestra Señora de la Pura y Limpia Concepción."

Hyunjin deutete mein Stirnrunzeln sogleich richtig und fügte hinzu. „Wenn man es übersetzen würde, hieße das so viel wie Unsere Mutter Gottes der reinen und unbefleckten Empfängnis. Du siehst also... man hat damals schon mit hochtrabenden und opulenten Namen um sich geworfen, um zu betonen was für ein tolles Schiff man doch hatte. Außerdem ist das hier wieder ein Kriegsschiff, besser gesagt eine spanische Galeone. Diese ist jedoch nicht durch einen Kampf gesunken."

Meine Augen schweiften über die Überreste des alten Bootes und ich versuchte herauszufinden, wieso es dennoch auf dem Meeresgrund lag.

„Die Galeone war 1641 mit ihrer schweren und wertvollen Fracht auf dem Weg zurück nach Spanien. Sie war erst eine Woche auf hoher See nachdem sie von Havanna aus gestartet war. Sie geriet in einen Sturm und wurde dabei so schwer beschädigt dass man entschied, umzukehren und die Schäden reparieren zu lassen. Jedoch kam das Schiff nie wieder an irgendeinem Hafen an, da es hier, gute hundert Kilometer vor der Dominikanischen Republik auf ein Riff auflief und dann sank."

Nun sah ich mir nochmal unsere Umgebung an und konnte gar nicht so richtig glauben, dass dieser reine und schöne Ort einem Schiff so übel mitspielen konnte. Doch offenbar verbarg sich genau hinter diesen grenzenlosen Schönheit eine unvorstellbare Tödlichkeit. Mein Blick fiel auf den Jungen neben mir, der ebenfalls aussah wie ein Gott. Wie ein vollkommenes Wesen. So hübsch und anmutig und dennoch war er wohl tödlicher als jede Waffe, die ich mir vorstellen konnte. Vielleicht war das einfach nur ein Trick. Eine wunderschöne Illusion, deren Schleier man erst anhob, wenn man dem Tod wirklich ins Auge sah.

„Du meintest vorhin, dass die Fracht wertvoll gewesen sei. Was hat das Schiff denn transportiert?" Meine Neugier konnte ich dennoch nicht zügeln und schwamm noch etwas näher zu dem Wrack.

„Wenn man den Geschichten glauben kann, waren sechzig Tonnen Silber, Edelsteinen und chinesisches Porzellan aus der Ming-Dynastie an Bord."

Entgeistert starrte ich ihn nun an. „Krass." War alles, was ich herausbrachte. „Das heißt, in diesem Wrack befinden sich immer noch Schätze in unvorstellbarem Wert?" Plötzlich war ich fast schon nervös und auf eine gute Art und Weise hibbelig.

Ein Lachen ertönte in meinem Kopf und Hyunjins Augen funkelten mir hellblau und strahlend entgegen.

„Jetzt tut es mir beinahe leid, dich zu enttäuschen Jeongin... aber dir sind schon andere Menschen zuvor gekommen. Einige der Passagiere haben überlebt und konnten später berichten, wo das Schiff gesunken ist. Es hat zwar einige Jahre gedauert, den genauen Standpunkt zu lokalisieren. Doch schließlich gelang es einem Mann, einen großen Teil des Silbers zu bergen."

Der Dämon befand sich nun dicht vor mir und strich mir eine Haarsträhne zurück. „Sehr viel später, ich glaube es war 1993 wurde eine weitere Bergungsexpedition unternommen, die weitere Silbermünzen, die Edelsteine und das wertvolle Porzellan bargen." Er sah hinab auf das Schiff. „Schlussendlich ist also nur noch der Name des Riffs ein Zeugnis von all den Schätzen, die hier lagen. Man nannte es Silver Bank."

Ein wenig bedauernd wanderte mein Blick über die bewachsenen Holzblanken und das eingebrochene Oberdeck.

„Schade... Das wäre es doch mal... einen verlorenen Schatz zu finden", murmelte ich und spürte dann schon zwei Arme, die sich um meine Taille legten.

„Du bist ja richtig abenteuerlustig." Ich wurde in seinen Armen umgedreht und jetzt sah ich frech grinsend zu ihm auf und zuckte mit den Schultern.

„Ich dachte, das wüsstest du schon", entgegnete ich selbstbewusst und schlang die Arme um ihn. Immer noch fühlte ich mich so leicht und frei unter Wasser und meinem Gegenüber schien es ganz genauso zu gehen. Er bewegte sich so sicher und geschmeidig. Und als sich seine Lippen dann endlich auf meine drückten, konnte ich nicht anders als die Augen zu schließen und seinen Kuss ebenso überwältigt zu erwidern und mich an ihn zu schmiegen. Alle Berührungen waren hier unter Wasser so samtig und es fühlte sich ein wenig so an, als wäre man selbst in Watte gepackt. Aber selbst das war mir in diesem Augenblick vollkommen egal, da Hyunjins Lippen bereits mein ganzes Denken einnahmen.

Erst nach einigen Minuten löste er sich langsam von mir, drückte seine Lippen für einen letzten beinahe unschuldigen Kuss gegen meine und blickte dann triumphierend auf mich herab. „Und? Was denkst du? Habe ich deinen Nachmittag ein wenig interessanter gemacht?", fragte er schelmisch grinsend und rasch nickte ich.

„Das hast du. Danke." Zur Unterstreichung meiner Worte lehnte ich meinen Kopf gegen seine Brust und schloss die Augen.

„Hyunjin?"

„Was ist Kleiner?"

„Wie kommen wir eigentlich wieder zurück? Ich meine... meine Sachen sind tropfnass."

Ein leises Summen ertönte und dann spürte ich wieder dieses Ziehen in meinem Körper. Plötzlich fand ich mich in meiner Dusche stehend wieder, der Dämon immer noch dicht an mich gepresst und ich quietschte leise. „Meine Güte... hättest du mich nicht warnen können?" Beschwerte ich mich und wollte gerade noch etwas hinzufügen, als mir Hyunjin seinen Zeigefinger gegen die Lippen tippte.

„Pssst~ du willst doch deine Eltern nicht aufschrecken. Oder sollen sie dich für verrückt halten wenn du mit dir selbst sprichst?" Ein unheimliches Lächeln und ein kurzes Aufblitzen zog durch seine Augen. „Oder willst du, dass sie uns hier erwischen?"

Als hätten seine eigenen Worte ihn auf eine noch viel bessere Idee gebracht, drehte er nun das warme Wasser auf und ließ es über unsere so schon nasse Kleidung fließen.

„Hyunjin-"

Doch erneut wurde ich unterbrochen. Diesmal wieder durch seine Lippen, die sich zu einem besitzergreifenden Kuss auf meine Lippen legten und dann spürte ich seine kühlen Fingerspitzen, die sich unter mein Shirt schoben und viel zu eifrig die Knöpfe meiner Jeans lösten. Bevor ich es hinterfragen konnte, schloss ich meine Augen, griff eilig nach einigen silbergrauen Strähnen und öffnete meinen Mund, um meine Zunge dann spielerisch gegen seine zu drücken. 

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Heute kommt leider nur ein Kapitel. Dafür bekommt ihr endlich noch euer Special Chapter. 

Ich werde euch gleich einmal vorwarnen. Ich bin nicht sicher, ob ich es nächste Woche schaffe etwas hochzuladen. Also bitte seid nicht zu enttäuscht wenn nichts kommt. 💖

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