Passion conjungat duas animas in aeternum

Direkt nachdem wir bei Jisung ankamen, schickte ich die beiden nach oben, um sich auszuruhen. Ich selbst ging erstmal in die Küche und holte noch etwas Wasser und ein paar Kekse als kleine Stärkung. Schön wäre es, wenn sie auch gleich eine mentale Stärkung bewirken könnten. 

Wie auch immer, ich würde mich jetzt gleich diesem Ritual zuwenden und hoffentlich eine plausible Antwort und die passende Lösung für alles erhalten.

Mit langsamen Schritten stieg ich die Treppe nach oben, grübelte dabei immer noch, wie sowas überhaupt möglich war. Als ich dann ein Stockwerk höher gerade Jisungs Zimmertür öffnete, spürte ich plötzlich etwas Weiches an meinem Bein. Die rot getigerte Katze meines besten Freundes glitt wie eine Schlange an mir vorbei, zwängte sich schon durch den kleinen Türspalt und verschwand im Zimmer. Ein ehrliches Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich zusah, wie sie schnurstracks zum Bett lief, darauf sprang und auf ihrem Besitzer herabblickte. Soonie schnupperte an Jisung, dann schnurrte sie zufrieden und rollte sich vor seiner Brust auf der Decke zusammen. Nun lagen beide entspannt und mit geschlossenen Augen auf dem Bett und ich kam nicht umhin, diesen harmonischen Moment ein kleines bisschen zu genießen. Dieser Anblick war einfach nur niedlich, also schlüpfte ich so leise wie möglich in den Raum, schloss die Tür hinter mir und stellte die mitgebrachten Kekse und das Wasser ab.

Als ich einen Blick auf die große Couch warf, stellte ist fest, dass Jeongin sich ebenso schnell ins Land der Träume verabschiedet hatte. Zuvorkommend zog ich die dünne Decke noch etwas weiter über ihn und streichelte ihm sanft über das helle Haar.

So, dann sollte ich wohl mal mit dem wichtigen Teil meiner Arbeit anfangen. Ich suchte den Raum mit den Augen ab und fand auch recht zügig den niedrigen Stapel mit den Büchern und Heften, die wir aus der Bibliothek mitgenommen hatten. Um die beiden Schlafenden nicht zu stören, schnappte ich mir zunächst das Buch, das wir am Freitag für die Beschwörung verwendet hatten und setzte mich an den Schreibtisch.

Um das Buch ablegen zu können, musste ich erstmal einige Zeichnungen und eine große Menge an Buntstiften zur Seite schieben. Mit einem leisen Seufzen entschied ich mich, die Unordnung ein wenig zu beseitigen und sortierte die Stifte wieder in die zwei großen Mappen. Auch die Bleistifte und die anderen Malutensilien verstaute ich fein säuberlich am für sie vorgesehenen Platz. Diese Arbeit beruhigte mich, es entspannte und nach fünf Minuten war der Schreibtisch so aufgeräumt wie noch nie.
Dadurch hatte ich nun ausreichend Platz, um das in Leder gebundene Werk vor mir abzulegen und den abgegriffenen, roten Einband näher zu betrachten.

A dance with demons

Tief durchatmend schlug ich die erste Seite auf. Sie war von einer sauberen, mit schwarzer Tinte geschriebenen Handschrift bedeckt.

An den Leser dieses Buches:
 Dieses Werk ist mein ganz persönliches Vermächtnis, mein vertrautes Handbuch, mein wichtigstes Arbeitsmittel und meine Lebensversicherung. Ich habe gehofft, dass es nie jemand außer mir zu Gesicht bekommt, doch für den Fall des Schlimmsten – der eintritt, wenn du das hier liest – werde ich mein Wissen und meine Erkenntnisse mit dir teilen. Diese Zeilen schreibe ich zu deinem eigenen geistigen sowie körperlichen Wohl.

Zuallererst will ich dich warnen. Dir dringend davon abraten, zu den von mir gesammelten Beschwörungen und Ritualen in diesem Werk zu greifen. Denn das ist kein Scherz. Viele der Sprüche habe ich selbst getestet, sie kategorisiert, verändert und die mir erschienenen Wesen studiert. Die meisten meiner Versuche waren von Erfolg gekrönt und ich darf behaupten, dass man sogar Geister und Wesen der Finsternis für seine eigenen Zwecke nutzen kann und das zu seinem Vorteil.

Doch sei versichert, nicht alle Wesen dienen dir ohne Vorbehalt. Niedere und mittelrangige Dämonen folgen deinen Befehlen und können auch von Anfängern beschworen werden, doch wisse, dass sie nur die Wünsche erfüllen, die sie für sinnvoll oder gewinnbringend erachten. Wenn du also Erfolg bei einer Bitte haben willst, brauchst du eine Gegenleistung.
Siehe Kapitel 4: Geister und Gestaltwandler.

Auch wenn meine Experimente und die langjährigen Studien zeigen, dass Beschwörungen funktionieren, so sind sie nicht alle harmlos und hilfreich, wie gewünscht. Ich habe in diesem Buch immer vermerkt, ob ich dieses Ritual bereits getestet habe oder nicht. (Steht immer hinter der Durchführungsbeschreibung.) Halte dich bitte an die Regel, keine der Rituale durchzuführen, die nicht einmal ich erprobt habe. Denn die Folgen sind möglicherweise unabänderlich und bringen im schlimmsten Fall dein Leben in Gefahr.

Leider muss auch ich gestehen, dass ich mich nicht an alle Anrufungen getraut habe und einige auch gewaltig schief gegangen sind. Deshalb möchte ich jedem davon abraten sich diesem Risiko auszusetzen und möglicherweise Kräfte zu entfesseln, die man nicht selbst wieder bändigen kann.
Siehe Kapitel 6: Prinzen der Hölle, Kapitel 7: die sieben Todsünden, Kapitel 9: die apokalyptischen Reiter und Satan persönlich.

Sollten all meine Warnungen und eindringlichen Worte dich nicht abschrecken, so wünsche ich dir ein gutes Gelingen für deine Beschwörung. Lass dir dieses Werk ein guter Ratgeber sein. Nutze es weise und bedacht. Oder verbrenne es und lasse diese Geheimnisse für immer mit mir ruhen. Sollte wirklich jemand außer mir diese Zeilen jemals lesen, dann gebe ich dir noch zwei letzte Hinweise.

1. Ein starker Geist und eine unerschütterliche Haltung schützen sehr wirksam vor bösen Mächten. Solange du nicht in Panik verfällst, gibt es eine geringe Chance, auch ein missglücktes Ritual unter Kontrolle zu bringen. Mentale Stärke ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Umgang mit den Wesen der Finsternis.
2. In besonders verzwickten Fällen kann man einen zweiten Geist oder Dämon herbeirufen oder um Hilfe bitten. Wie bereits erwähnt gibt es auch Wesen, die einfacher zu lenken sind. Diese können dir unter Vorbehalt auch helfen, missglückte Beschwörungen zu bereinigen.
Siehe Kapitel 4: Untertitel helfende Geister.

Nun bleibt mir nur noch eines zu sagen. Ich wünsche dir viel Glück und einen starken Willen.

J.J.

Ich atmete tief durch und schüttelte den Kopf.
Na, das klang ja richtig aufmunternd. Jedes einzelne Wort hatte mich noch mehr glauben lassen, dass diese übernatürlichen Wesen real waren. Dass es wirklich passiert war und sich Jisung und Jeongin nicht getäuscht hatten. 

Sollte es tatsächlich möglich sein, dass es in dieser Welt eine weitere Kraft gab, die weit über das Sichtbare und Normale hinausging? Und falls ja, was konnten wir dagegen tun? Konnten wir überhaupt noch etwas tun oder hatte unsere Beschwörung unser Schicksal bereits festgelegt?

Erneut holte ich tief Luft und beruhigte meine Nerven. Ich sollte jetzt dringend herausfinden, mit welchen Dämonen wir es zu tun hatten. Dann konnte ich den Schaden möglicherweise eingrenzen und eine Lösung evaluieren. Ich blätterte flüchtig im Buch umher. Immer auf der Suche nach der Zeichnung, die für so viel Verwirrung und so viele Unannehmlichkeiten verantwortlich war. Letztendlich fand ich sie, sehr weit hinten im Buch und fast hätte ich sie überblättert.

Sie sah noch immer sehr kunstvoll aus, doch gerade wirkte es auf mich so, als würden mich die einzelnen Linien, jeder Buchstabe verhöhnen. Ich fragte mich ernsthaft, warum wir so dumm gewesen waren. So blauäugig und unvorsichtig. Es war unverantwortlich gewesen, einfach eine Zauberformel aus einem ominösen Buch aufzusagen.
Naja, aber wer würde schon mit so einem Chaos rechnen? Stimmt, niemand!
Aber jetzt war es sowieso zu spät und ich brauchte dringend Antworten.

Ich las die Worte, die sich aus der Zeichnung ergaben erneut und sah, wie sie beinahe hämisch auf dem Papier glänzten und mich für meine unbesonnene Art verspotteten.


Passion conjungat duas animas in aeternum.

Ok, das war Latein... Soweit war ich auch schon. Schnell zückte ich mein Handy und tippte die Beschwörungsformel in den Übersetzer. Natürlich war das ein recht armseliger Versuch, doch es war ein Ansatz. Wenig begeistert runzelte ich die Stirn und musste mir eingestehen, dass die angezeigte Übersetzung keinen rechten Sinn ergab und mich noch mehr verwirrte als aufklärte.

Na großartig. Dann halt Wort für Wort. Hoffentlich würde das zu einem eindeutigeren Ergebnis führen.
Passion Das hätte ich wohl auch mit meinen eingeschränkten Lateinkenntnissen noch übersetzen können. Dieses Wort hieß so viel wie Leidenschaft oder starkes Verlangen. Das fing ja schon mal gut an.
Das zweite Wort war ein Verb und wurde laut Google mit vereinen oder zusammenbringen gleichgesetzt. Auch das beruhigte mich keinesfalls.

Dann kam eine Zahl und das dazugehörende Substantiv. Zwei Lebende? Nein, nicht ganz... Zwei Seelen? Das war sinngemäß vielleicht passender.
Dann folgte eine Präposition und wieder ein Substantiv. Für und Ewigkeit. Fuck... Das klang jetzt nach einem ernstzunehmenden Problem.
Für die Ewigkeit?
Hieß das, wir hatten uns diesen höllischen Wesen für immer verschrieben? Das durfte nicht wahr sein.

Ich versuchte jetzt nochmal einen vollständigen Satz aus meinen hingekritzelten Worten zu bilden.

Die Leidenschaft vereint zwei Seelen für die Ewigkeit.

Verdammt. Das schien ein Ritual zu sein, dass man nicht einfach so austesten sollte. Es war offensichtlich kein schlechter Scherz, wahrscheinlich auch gefährlich und fast schon ängstlich las ich nun die wenigen Worte, die auf der gleichen Seite am Rand notiert worden waren. Sie waren mit dunkelblauer Tinte geschrieben und wiesen die selben Merkmale auf, wie die Handschrift zu Beginn des Werkes.

Dieses Ritual, werde ich als Letztes testen. Soweit ich weiß, ist die Bindung an einen Dämon so mächtig, dass sie nicht aufgehoben werden kann. Laut meiner Quellen, kann man nicht wählen, welchen Dämon man an sich bindet. Vielmehr wird vermutet, dass der Dämon oder eine andere höhere Macht dies entscheidet. Zu diesem Ritual, werde ich eine längere Forschung betreiben und erst nach der Prüfung der Ergebnisse mich auch selbst in diese Gefahr begeben.

Bei allem, was heilig ist. Das durfte doch nicht wahr sein. War unsere Situation wirklich ausweglos? Hatten wir unser Schicksal wirklich schon besiegelt und waren nun ewig an diese Monster gebunden?

Unter dem Fließtext standen noch einige mit Bleistift gekritzelte Worte, die aber so schlampig geschrieben waren, dass man sie kaum entziffern konnte. So als hätte man sie in größter Eile verfasst.

Habe es probiert
Dämon ist erschienen
weitere Notizen zum Experiment siehe Heft 2
Ritual nicht umkehrbar

Meine aufgewühlten Gedanken ließen mich langsam aber sicher durchdrehen und ich sprang auf. Noch einen Moment starrte ich auf die wenigen letzten Worte. Mir wurde es auf einmal viel zu eng in diesem Zimmer und ich hatte das Gefühl, die Wände würden mir gleich entgegenstürzen. Also hastete ich zur Tür, riss sie auf und stürmte den Gang entlang, die Treppe hinunter. Und bevor ich mich versah, rannte ich die Straße entlang.

Weg. Einfach weg!


„Wenn Du durch die Hölle gehst, höre nicht auf zu laufen." — Walt Disney

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So ihr Lieben. Das war das letzte Kapitel für heute. 😄💖 Bitte verzeiht mir die kleine Verspätung, aber das reale Leben läuft anders, als eine gut vorgeschriebene Geschichte.

Habt ihr Vermutungen, wie es weitergeht? 

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