Noch mehr Dämonen
Jisungs Pov:
Die Zeit hatten wir vollkommen aus dem Blick verloren und es dämmerte bereits, als ich das Buch auf meinem Schoß mit einem unzufriedenen Brummen schloss und dann unsanft zu Boden fallen ließ. „Da ist gar nichts. Absolut nichts, was uns weiterhelfen könnte. Jeder Dämon, der in diesem Buch beschrieben wird, ist so vielschichtig, so einzigartig und immer wenn ich denke, es könnte übereinstimmen, dann entdecke ich noch eine weitere Möglichkeit. Es lässt sich irgendwie nicht eingrenzen. Das ist wie der Versuch, Rauch mit bloßen Händen einzufangen." Ich warf dem gerade so schändlich behandelten Buch noch einen erbosten Blick zu und drehte mich dann zu den anderen drei Jungen. Seungmin schien noch ziemlich vertieft in seiner Lektüre, Felix lag mittlerweile auf meinem Bett und blätterte zwischen den Seiten eines Werkes hin und her. Nur Jeongin hatte bei meinen Worten direkt aufgesehen und nickte andächtig.
„Bei mir ist es leider ähnlich. Langsam glaube ich, dass wir keinen Erfolg haben werden. Zumindest nicht so. Haben wir irgendwas übersehen? Sind wir falsch an diese Aufgabe herangegangen?"
„Ihr seid einfach viel zu ungeduldig", ließ Seungmin verlauten ohne dass er sich von seinem Buch abwandte.
„Hast du denn schon etwas gefunden?", fragte ich ihn provokant und er schüttelte nur sacht den Kopf.
„Nein, nicht wirklich. Dennoch ist diese Lektüre interessant."
„Das gibt es ja wohl nicht." Hastig lehnte ich mich zu ihm hinüber, schnappte mir sein Buch und warf es zu den anderen auf den Boden. „Du hast also genauso wenig etwas Brauchbares gefunden wie wir. Aber wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren. Deinem ausgeprägten Bücherwurmsyndrom kannst du später nachgehen. Jetzt brauchen wir erstmal eine Lösung für unser aktuell größtes Problem... die Dämonen, die wir beschworen haben."
Seungmin sah nicht besonders begeistert aus und wandte sich dann kopfschüttelnd ab, um das Buch wieder aufzuheben, was ich versuchte zu verhindern.
„Oh man... hört auf, euch zu kabbeln." Felix war aufgestanden, tapste zu uns und ließ das aufgeschlagene Notizheft in meinen Schoß fallen. „Erinnert ihr euch noch an den Vorschlag von unserem Autor, dass man bei besonders schwierigen Fällen auch einen weiteren Dämonen oder helfenden Geist heraufbeschwören kann? Ich habe das Ritual dafür gefunden. Und ehrlich gesagt... ich denke nicht, dass wir ganz ohne Hilfe klarkommen werden."
„Ist das denn überhaupt sicher?" "Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?" „Noch mehr Dämonen?"
Wir hatten alle durcheinandergerufen und waren mehr oder weniger begeistert von der Idee. Auch ich war nicht wirklich überzeugt, ob das die Lösung unserer Sorgen wäre. Doch ich war zumindest gewillt, dem Vorschlag eine Chance zu geben. Deshalb studierte ich nun die Buchseite, die aufgeschlagen vor meiner Nase lag und betrachtete das Pentagramm. Es war sehr schlicht gehalten und hatte nur einige ergänzende Runen und Linien, die sich zu einer Gestalt formten. Besser gesagt sah es aus wie der Kopf einer Ziege. Zumindest hatte das Wesen lange Hörner und ein Bärtchen.
„Mir ist klar, dass das gefährlich ist. Aber diesmal habe ich mich dazu belesen. Ich habe die Anweisungen gesehen und verinnerlicht. Außerdem hat unser geheimnisvoller Autor dazugeschrieben, dass das Baphomet-Symbol eine sehr wirkungsvolle und gleichzeitig sichere Beschwörung gewährleistet. Wenn wir uns also genau an die Regeln halten und das Pentagramm zusätzlich mit einer Dämonenfalle versehen, dann kann das erscheinende Wesen den Kreis nicht einmal verlassen und wir können ihn jederzeit bitten, zu gehen." Offenbar hatte Felix alles gut durchdacht und auch in seiner Stimme konnte ich kein Zögern und Zweifeln erkennen.
Immer noch nach vorn gebeugt, las ich die Randnotiz.
Dieses Ritual ruft einen beliebigen, meist mittelrangingen Dämon. Dieser kann nicht aus dem Kreis ausbrechen, es sei denn, man verwischt oder zerstört die Linien des Pentagramms.
„Und du willst das wirklich heute testen?" Auch unsere beiden Jüngsten protestierten mittlerweile nicht mehr so vehement dagegen. Viel eher schienen sie zu akzeptieren, dass wir auf die ein oder andere Art an Informationen kommen mussten.
„Ja, warum auch nicht... Wir brauchen nicht viel für das Ritual. Nur Weihrauch und Sandelholz. Naja, und die Kerzen natürlich."
„Warum müssen diese Rituale auch so leicht sein? Ich meine, es wäre doch viel sicherer, wenn man diese ganzen Zutaten nicht einfach schon zuhause hätte", murrte Seungmin.
„Wie auch immer. Lasst uns nicht noch mehr Zeit vertrödeln. Wir müssen das Pentagramm plus Schutzkreis noch auf den Boden zeichnen. Ji? Hast du noch dieses riesige Stück Stoff, das wir eigentlich für unser nächstes Streetartprojekt verwenden wollten? Wenn wir es mit Edding auftragen und auf den Boden legen, dann müsste das doch reichen oder?"
Kurz überlegte ich und stand dann von der Couch auf, während ich das Buch weiterreichte. „Ja, das müsste sich noch irgendwo finden lassen. Ich suche es und ihr tragt in den Zwischenzeit alles andere zusammen."
Gesagt, getan. Gute fünfzehn Minuten später hatten Felix und ich tatsächlich eine ansehnliche Replikation des im Buch abgebildeten Pentagramms auf das riesige Stoffstück gezeichnet und es in die Mitte des Raumes gelegt, sodass wir die Kerzen an den fünf Ecken aufstellen und anzünden konnten. Auch das Sandelholz und der Weihrauch lagen in einer kleinen Schale und warteten auf ihren großen Einsatz. Jedoch würden sie sich noch einen Moment gedulden müssen.
„Und wir sind uns auch wirklich sicher, dass wir alles so gemacht haben, wie es beschreiben wurde? Wir haben nichts vergessen?", fragte Seungmin skeptisch und sah selbst nochmal ins Buch.
„Ich bin mir sicher. Jetzt müssen wir nur noch die Kräuter anzünden und dann die Formel aufsagen." Der rothaarige Junge neben mir klang zuversichtlich und sah uns der Reihe nach an. „Bereit?"
Eilig nickten wir. Jeongin entzündete das Streichholz und ließ es dann in die kleine Schale fallen. Während ich fachmännisch die Worte sprach, die das Büchlein uns vorgab.
„Attenrobendum eos, ad constringendum, ad ligandum eos pariter eos coram me."
Diesmal ließ der gewünschte Effekt nicht lange auf sich warten. Denn schon nach wenigen Sekunden stand ein Junge in dem gezeichneten Kreis und sah sich neugierig in meinem Zimmer um. Dann erst fokussierte sein Blick uns und ein strahlendes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Ich hingegen stand wie angewurzelt da und war immer noch überrascht, wie schnell die Beschwörung funktioniert hatte. Jedoch rief ich mich schnell zur Ordnung. Schließlich sollte man diesen teuflischen Wesen mit genügend Vorsicht aber auch mit Selbstsicherheit gegenübertreten. Deshalb straffte ich meine Haltung und sah kurz zu meinen Freunden. Diese musterten den erschienenen Dämon ebenso argwöhnisch.
„Ihr habt mich also beschworen. Schön euch kennenzulernen." Der Junge deutete eine Verbeugung an und seine Augen funkelten begeistert. „Eure erste Beschwörung?", fragte er neugierig und trat einen Schritt nach vorn. Jetzt stand er am Rand des Pentagramms aber seine Schuhspitzen berührten die Linien noch nicht. Er schien offenbar genau zu wissen, dass er sie nicht übertreten konnte. „Mhm... nein, nicht eure erste." Jetzt legte er den Kopf schief und musterte uns genau. So als würde er bereits ergründen, weshalb wir ihn gerufen hatten.
„Nein, du bist nicht der erste Dämon, dem wir begegnen." Mein bester Freund trat einen Schritt nach vorn. „Aber genau deshalb haben wir dich gerufen. Wir brauchen deine Hilfe für eine missglückte Beschwörung."
„Aha." War alles, was von dem Dämon kam. Man könnte ihn wie unsere anderen Dämonen eigentlich fast für einen Menschen halten. Seine Haare waren schwarz, doch als er den Kopf leicht drehte, sah ich, dass die unteren Schichten blond gefärbt waren, was ihn irgendwie düster aussehen ließ. Dennoch bildete sein freundliches Lächeln und der neugierige Ausdruck in seinen Augen einen angenehmen Kontrast zur dunklen Kleidung und seiner höllischen Herkunft.
„Dürften wir zunächst deinen Namen erfahren?" Seungmin wollte offenbar keine Zeit verschwenden. Und er hatte recht. Mit dem Namen des Dämons hätten wir zumindest eine kleine Absicherung. Einen Vorteil.
Die dunklen braunen Augen richteten sich auf Minnie. „Mein richtiger Name ist Wooyoung. Und mit wem habe ich das Vergnügen?" Als er unsere misstrauischen Mienen sah, lachte er leise und hob abwehrend die Hände. „Schon gut, schon gut. Ich sehe, ihr seid skeptisch und das ist durchaus berechtigt aber ich bin hier, um euch zu helfen. Und gegenseitiges Vertrauen stärkt die Zusammenarbeit doch nachhaltig, meint ihr nicht?"
Auch ich dachte einen Moment darüber nach, ob wir es uns erlauben durften und kam zu dem Schluss, dass uns kein allzu großer Nachteil daraus entstehen konnte.
„Ich bin Jisung." Mit neu erwachtem Interesse musterte mich Wooyoung und nickte. Rasch folgten auch die anderen meinem Beispiel und stellten sich vor. „Ich bin Felix." „Seungmin." Ich heiße Jeongin."
Die Augen des Dämons wanderten zum Nächsten und schienen alles genau zu erfassen. Schließlich war er offenbar mit seiner Betrachtung fertig und er trat einen kleinen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wie genau kann ich euch jetzt behilflich sein? Was ist das Problem?"
Diesmal ergriff zu meiner Überraschung Jeongin das Wort. „Wir haben mehrere Dämonen beschworen. Dabei haben wir aber nicht darauf geachtet, sie vorher an einen Ort oder etwas ähnliches zu binden. Wir haben sie mit ziemlicher Sicherheit einfach freigelassen und müssen jetzt mehr über sie wissen, um sie wieder unter Kontrolle zu bringen."
Unser Gegenüber hatte stumm zugehört und ließ sogar eine dramatische kleine Pause, bevor er antwortete. „Das klingt in der Tat nach einem schwierigeren Fall." Er tippte sich gegen das Kinn und lächelte dann wieder fröhlich. „Ich denke, ich habe eine passende Lösung für euch. Doch bevor ich sie euch verrate, sollten wir wohl noch über meine Bezahlung sprechen."
Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. Es gab also tatsächlich eine Möglichkeit uns der Dämonen zu entledigen? Und das auch noch so schnell und einfach. Dennoch wurde ich bei dem Wort Bezahlung ein wenig stutzig. Es wäre ja auch zu schön gewesen, hätten wir die Antwort für umsonst bekommen.
„Wie meinst du das?" Auch meine Freunde schienen diesen Teil der Beschwörung außer Acht gelassen zu haben.
„Nun ja, ich helfe euch. Dann kann ich doch auch einen Gefallen zurückfordern oder?" Wooyoungs Augen flackerten kurz und wurden dann vollständig schwarz. „Aber ich würde es auch akzeptieren wenn ihr einwilligt, mir einen Gefallen zu schulden."
„Und was sollte dieser Gefallen sein?", fragte ich kritisch.
„Das muss euch nicht interessieren. Ihr wollt doch eure Antwort... also?"
„Vergiss es. Du wirst uns schon sagen müssen, was du für einen Gegenleistung forderst und erst dann werden wir zustimmen oder ablehnen." Die Stimme von Seungmin hatte selbst für mich bestimmend geklungen und ich nickte bestätigend. „Wir lassen uns nicht von dir hinters Licht führen."
Für einen Moment schien der Dämon zu überlegen. Doch schlussendlich entspannte sich seine Haltung und er zuckte kurz mit den Schultern. „Na gut, dann will ich als Gegenleistung für meine Antwort, dass ihr mich noch einmal beschwört. Und zwar nächsten Freitag. Ihr werdet mich rufen und zulassen, dass ich aus dem Bannkreis herauskann. Und ich werde noch jemanden mitbringen."
„Wieso sollten wir das für dich tun?", zischte Felix und verschränkte nun ebenfalls die Arme vor der Brust. „Wir wollen unser Chaos beseitigen...nicht noch mehr herbeirufen. Das~" „Wir werden uns an Regeln halten. Wir sind dazu bereit, in eurer Nähe zu bleiben und niemanden umzubringen, noch zu verletzten. Das einzige was wir möchten ist ein bisschen Freiheit. Also lasst uns diesen einen Abend lang frei und danach verschwinden wir zurück in die Hölle. Das ist der Deal und wenn ihr ihn annehmt, dann sind wir dazu verpflichtet, ihn zu befolgen."
Wooyoung sah nun beinahe bittend zwischen uns hin und her. Prinzipiell war ich natürlich vorsichtig, was diese Abmachung anging. Andererseits mussten wir auch an unser Problem denken und daran, dass wir es mit seiner Hilfe würden lösen können. Allein der Gedanken daran, dass wir uns doch von dem Einfluss der gerufenen Dämonen befreien konnten, ließ mich hibbelig werden. Aber ein kleiner Teil in mir fragte sich auch, ob ich Minho wirklich loswerden wollte. Klar, er war fies und rücksichtslos. Dennoch hatte ich ihm mein erstes Mal geschenkt und konnte nicht leugnen, dass er ziemlich heiß war. Würde ich ihn nie wieder sehen, wenn wir erstmal einen Gegenzauber hatten?
Ich ballte meine Hand zur Faust und bemühte mich, die Gedanken an den Dämon mit den glühend roten Augen zu vertreiben. Dann sah ich hinüber zu den anderen und vergewisserte mich, dass sie mir zustimmten, bevor ich den Satz aussprach.
„Wir nehmen dein Angebot an."
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Unser hilfsbereiter Dämon aka Wooyoung:
Jaa, an Ateez konnte ich auch nicht vorbei. 🌟
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