Nektar für den Naphil
Felix Pov:
Die nächsten Tage wichen wir Jisung kaum von der Seite. Immer war mindestens einer von uns bei ihm und versuchte ihn abzulenken und es nie zu einem Überkochen des leicht reizbaren Gemüts kommen zu lassen. Dabei wurde deutlich, dass Jisung das Feuer meistens nur kurz nicht kontrollieren konnte. Sobald er jedoch sah, was seine neuen Kräfte anrichteten, schaffte er es meist, seine Emotionen schnell wieder zu beherrschen.
Dennoch wollte ich es lieber nicht so weit kommen lassen, dass es zu einem richtigen Fauxpas mit seinen Eltern kam. Vor allem da ich wusste, dass am Ende dieser Woche ein Familientreffen für ihn anstand. Ich konnte nur hoffen, dass Minho in begleitete, sodass dieser sein Gemüt zügeln konnte. Oder er würde ihn haltloser denn je machen. So oder so hatte ich angeboten Jisung zu begleiten, sollte Minho nicht auftauchen.
Das war ein weiterer Punkt, der mir Sorgen bereitete. Mein bester Freund versuchte es zwar nicht allzu deutlich zu zeigen, doch er hatte große Angst davor, dass Minho nicht zurückkam, weil ihm die Hölle seine Verfehlung nicht verzieh. Diese Angst vor seinem Verlust waren auch die häufigsten Ursachen für die kleinen Feuereskapaden.
Ich war immer noch der Meinung, es wäre am sinnvollsten Jisung sofort durch mein Blut von diesem Leiden zu befreien, aber ich hatte Jungkook versprochen noch etwas abzuwarten. Es war ja nicht so, dass ich dem Dämonenexperten nicht vertraute, doch langsam hinterfragte ich schon, ob uns seine Anweisungen je richtig geholfen hatten oder ob wir besser allein klarkamen. Jedenfalls hatte ich mir vorgenommen zu handeln, falls ich merkte, dass es notwendig war.
Mit einem leisen Seufzen drehte ich mich etwas auf der Sonnenliege und dachte daran, dass ich diese Methode des Handelns wohl auch bei meinen restlichen Sorgen anwandte – ganz unbeabsichtigt. Denn ich hatte meinen Freunden immer noch nicht davon berichtet, was ich über meinen Vater und meinen Dämon herausgefunden hatte.
Der passende Moment war einfach noch nicht gekommen und ich wusste, ich sollte es am besten gleich erzählen, bevor ich es auf die lange Bank schob. Vermutlich wollte ich nicht noch mehr Unruhe verbreiten.
Abgelenkt durch einen Schatten, der nun auf mein Gesicht fiel, hob ich den Kopf und blickte hinauf zu Jisung, der vor mir stand und mir ein Glas Limo entgegenstreckte. Er lächelte sanft und setzte sich dicht neben mich.
„An was denkst du gerade, Lix?", fragte er und hielt sich dann eine Hand vor den Mund, um zu gähnen. Wir hatten letzte Nacht beide nicht viel geschlafen, weil wir mit Jeongin und Seungmin gezockt hatten und heute waren wir dementsprechend etwas übernächtigt. Dennoch hatte es gestern so viel Spaß gemacht und der Abend hatte uns erneut deutlich gezeigt, warum wir so eng befreundet waren.
„Ach, ich hab mich nur gefragt, was wir zum Mittagessen bestellen sollen", log ich rasch und sah hinüber zu Seungmin, der sich jetzt ebenfalls zu uns in den Garten gesellte. Er war frisch geduscht und trug ein lockeres Shirt, eine kurze Hose und natürlich das hübsche Halsband um seinen Nacken. Ich musste lächeln, als ich die müden Augen des Jüngeren betrachtete.
„Guten Morgen, Minnie", meinte ich, als er uns nahe genug war, woraufhin Seungmin sich mit einem leisen Schnaufen neben uns auf den Liegestuhl fallenließ. „Es ist schon halb zwölf, Felix."
„Was haltet ihr davon, wenn wir Pizza bestellen? Ich hätte richtig Lust auf eine Pizza mit Garnelen und Muscheln", sagte Jisung und streckte sich ausgiebig. Seine Augen funkelten munter und es erleichterte mich, dass es ihm besser ging.
„Oh ja, das klingt wundervoll", stimmte ich zu und bekam plötzlich ziemlichen Hunger. Logisch, immerhin waren wir sehr spät aufgestanden und hatten deshalb kein Frühstück. „Ich nehme eine mit Salami und extra Käse." Mein Magen knurrte zustimmend und Jisung kicherte. Anschließend sah er Seungmin an und notierte sich mental auch dessen bevorzugten Pizzabelag.
„Cool, dann gehe ich rein und frage Innie noch nach seinem Wunsch und anschließend bestelle ich."
Er stand auf und lief zielstrebig zurück zur Terrasse und verschwand im Haus.
„Ich glaube, ihm geht es schon etwas besser. Dank eurem Training ist er auch wesentlich entspannter. Er hat nicht mehr so schreckliche Angst davor, dass wir ihm nahekommen oder ihm in einem unbedachten Moment etwas passiert", ließ Seungmin verlauten und ich wandte mich ihm zu, bevor ich ihm antwortete.
„Ich hoffe es sehr. Eigentlich versuche ich ja nur, ihn aufmerksamer darauf zu machen, wann solche Problemsituationen auftreten können. Es ist, wie auf seine innere Stimme zu hören. Du musst genau lauschen, was dein Körper dir sagt und dann entsprechend reagieren."
Minnie strich sich das karamellbraune Haar zurück. „Ich habe es miterlebt. Du machst das wirklich gut und du hattest schon immer eine beruhigende Wirkung auf Jisung. Ihr haltet so schon zusammen wie Pech und Schwefel." Nun grinste er kurz und es war interessant, diesen Ausdruck der fast schon diebischen Freude auf seinen Gesichtszügen zu sehen. „Und da es euch nicht gereicht hat, euch gegenseitig zu vernaschen, habt ihr zusätzlich noch zwei wilde Dämonen, die euch jeglichen Rest Vernunft verlieren lassen."
Belustigt schnaubte ich und ließ mir nicht anmerken, dass es mich doch ein wenig verlegen machte, dass Seungmin irgendwie mitten ins Schwarze traf. Aber er hatte recht. Ich brauchte Jisung, ebenso wie ich Changbin brauchte. Und selbst wenn es eine andere Art von Beziehung war, so wollte ich keinen von beiden aufgeben. Ich war mir nur nicht sicher, wie unsere Dämonen das sahen oder ob die jüngsten Ereignisse Ji und mich entfremden würde. Entschlossen ballte ich meine Faust.
„Tia, wer schon mit dem Feuer spielt, der sollte es auch richtig machen. Außerdem solltest du ganz leise sein... Babyboy eines echten Prinzen zu sein, ist auch kein Aushängeschild für Sittsamkeit und Tugend." Ich deutete auf seinen Hals und Minnie tastete wie aus Gewohnheit nach dem samtigen Band. Daraufhin schlich sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen und er hob die Schultern an, so als wolle er sein Verhalten rechtfertigen.
„Sagen wir einfach, dass wir endlich einsehen, dass wir keine Chance gegen diese Anziehungskraft haben... Ist das nicht komisch? Ich meine liegt das jetzt an den Dämonen selbst oder gibt uns ausschließlich das Ritual diese Gefühle vor?" Er lehnte sich etwas zurück. „Es hat sich so natürlich angefühlt. Also nicht das überstürzte Kennenlernen und die Erleuchtung, dass es übersinnliche Wesen gibt, aber der Rest. Es ist so, als würde man sich in einen Menschen verlieben, ein bisschen wie eine Überraschung und doch irgendwie angenehm und unumgänglich."
Aufmerksam horchte ich auf die Worte und versuchte es mit meinen eigenen Erfahrungen zu vereinen. Ich wusste, dass ich mich etwas mehr gegen die Bindung gewehrt hatte, dass ich Changbin zu Beginn misstraute und wie ungewöhnlich stark ich dennoch das Band zwischen uns spürte. Selbst wenn meine himmlische Kraft mich von Dämonen fernhalten sollte, so war sie bei Changbin gescheitert. Ob es daran lag, dass er selbst ehemals ein Engel war und deshalb noch immer eine gewisse Vertrautheit in mir auslöste?
„Ich denke, im Großen und Ganzen ist es sehr ähnlich zu normalem Verliebtsein." Ich wählte meine Worte mit Bedacht, da ich weder zu viel verraten wollte, noch wirklich wusste, ob es tatsächlich so war, wie ich vermutete. „Aber die Worte, die wir sprechen mussten, haben diese Wirkung vermutlich um ein Vielfaches verstärkt. Vielleicht vermischen sich jetzt beide Komponenten, also die Emotionen, die durch unser Ritual hervorgerufen werden und die, die wir selbst durch den Umgang mit den Dämonen erleben. Möglicherweise ist genau das der Schlüssel."
„Du meinst, hätten wir abgewartet und uns von den Teufeln ferngehalten, dann hätte diese Bindung nicht auf die Art entstehen können? Dann haben sie aber dazu beigetragen sie zu festigen, denn sie sind schließlich zu uns gekommen." Nun schienen die Zahnrädchen in Seungmins Kopf mächtig zu arbeiten. „Sie waren ja in dem Fall die treibende Feder. Sie haben unsere Nähe gesucht." Plötzlich verstummte er wieder, schien nachzudenken und schüttelte den Kopf. „Das ist alles ziemlich verwirrend... Ob es tatsächlich anders gekommen wäre, wenn wir uns unter allen Umständen ferngehalten hätten?"
„Changbin hat bereits beim ersten Treffen gesagt, dass es schier unmöglich ist, sich einem bindenden Ritual zu entziehen. Im schlimmsten Fall würde es für einige Zeit sicher funktionieren und möglicherweise könnten wir auch so weit klarkommen, aber dann wären unsere Begegnungen mit ihnen womöglich vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Im Augenblick eines Aufeinandertreffens wären alle Emotionen hochgekocht und wer weiß, ob wir das überlebt hätten."
Minnie kicherte leise, wurde aber gleich wieder ernst. „Du meinst, sie wären nicht nur über uns hergefallen wie die wilden Tiere, sondern sie hätten uns gleich so in die Hölle befördert?"
Ich schmunzelte, hob die Schultern leicht an und drehte mich anschließend zu Jisung um, der gerade mit Jeongin im Schlepptau aus dem Haus trat.
„Pizza ist in zehn Minuten da", rief er uns entgegen und mein Magen knurrte als Antwort, so als könne er es kaum noch abwarten, endlich etwas vorgesetzt zu bekommen. Außerdem musste ich zugeben, dass der Gedanke an eine leckere Pizza mit extra Käse sehr verlockend war.
Doch jetzt sah ich zu meinem besten Freund auf, griff nach seiner Hand und zog ihn neben mich auf den Liegestuhl.
„Wie geht es dir Jisungie?", fragte ich und betrachtete ihn aufmerksam von der Seite. Jisung blickte mich an, schien dabei genau zu überlegen was er sagen sollte, denn seine Augen zuckten kurz von links nach rechts, bevor sie mich ansahen und erst dann schaffte er es, mir mitzuteilen wie es ihm ging.
„I-ich denke ganz ok. Ich hatte vorhin nach dem Aufwachen einen kleinen Rückfall, aber diesmal konnte ich mich selbst stoppen." Er betrachtete schuldbewusst seine Hände und rasch verflocht ich unsere Finger miteinander und drückte sie zärtlich.
„Hast du dabei etwas angebrannt oder verbrannt?", fragte ich einfühlsam und Jisung schüttelte den Kopf. „Diesmal war ich schnell genug. Ich hab mein Handy fallen lassen, bevor es Schaden nehmen konnte." Ich runzelte die Stirn.
„Hatte dein Gefühlsausbruch etwas mit dem Handy zu tun, Ji?", wollte ich neugierig wissen, da mir klar war, dass es meist einen Auslöser für die Ausbrüche gab. Und da ich gern wüsste, was Jisung so nachhaltig beeinflusste, dass es seine inneren Ruhe störte, musste ich nachfragen.
Der Ältere seufzte und nickte ergeben. „Mama hat mir einen Reminder geschickt, dass ich mir Sachen aussuchen soll, die ich am Samstag auf der Familienfeier trage... und dann habe ich mich daran erinnert, dass meine ganz Familie da sein wird." Er seufzte abgrundtief und blickte mir dann fest in die Augen. „Du weist wie meine Großmutter ist und das könnte die erste Familienfeier sein, die so richtig komisch wird. Ich habe keine Ahnung, wie alle reagieren, wenn ich Minho mitbringe und gleich noch dazu stehe, dass ich einen Mann liebe. Verdammt, ich weiß ja noch nicht einmal, ob er auftaucht, obwohl er zugesagt hat." Ich erkannte das verunsicherte Glitzern in seinen Augen und drückte seine Hand fester.
„Beruhige dich Ji. Du weißt, dass du die Kontrolle hast. Du musst sie nicht alle mit der Wahrheit konfrontieren. Sie können auch selbst nachfragen und sich um dich bemühen."
„Genau, lass es auf dich zukommen und mach dir nicht jetzt schon Sorgen. Vielleicht reagieren sie auch anders als du es erwartest", bemühte sich Innie etwas zur Aufmunterung beizutragen. „Es gibt sicher auch einige unter deinen Verwandten, die es schön finden und dir nur das Beste wünschen."
Ji atmete tief durch, sein Puls beruhigte sich wieder und ich lächelte ermutigend als er mir entgegensah.
„Du musst es nur sagen. Ich begleite dich, wenn du das möchtest", bot ich ihm nochmal an und er schenkte mir ein dankbares Blinzeln, bevor er über meinen Handrücken strich.
„Danke. Aber ihr habt Recht. Ich muss das auch selbst schaffen." Nun wirkte er eher entschlossen und erinnerte mich vielmehr an den Jisung, den ich kannte. Dieser Jisung würde sich nicht so leicht einschüchtern lassen.
Als ich zufällig Seungmins Blick auffing, schien er genau das Gleiche zu denken, denn auch über seine Gesichtszüge legte sich eine gewisse Beruhigung.
Dann hörten wir das Klingeln an der Haustür und Jisung eilte los, um unsere Pizzen zu holen.
„Er wird das schaffen", stellte Jeongin fest. „Ich habe sogar irgendwie das Gefühl, dass er seit unserem Gespräch mit Jungkook und Taehyung zum ersten Mal wieder etwas mehr wagt."
Verblüfft sahen Seungmin und ich ihn an, woraufhin er ebenso zurückstarrte. „Was ist?"
„Nichts, ich- wir haben nur exakt dasselbe gedacht", kicherte ich und Seungmin nickte.
„Jop, jetzt wo ich es so durchdenke, hat diese ganze Unsicherheit angefangen, als er gemerkt hat, dass er ernsthafte Gefühle für Minho entwickelt und nun, wo er sein Blut intus hat, scheint es erneut besser zu werden. Ist das etwas Gutes?"
Rasch versuchte ich mir eine Antwort zu überlegen, da Jisung bereits zurückkam und die Pizzakartons unter dem Arm trug. Doch da war er schon zu nahe und ich beschloss, dieses Gespräch später weiterzuführen.
„Soo~ hier haben wir eine mit Hühnchen und Barbecuesauce." Ji reichte Jeongin seine Pizza. „Die mit Schinken und Pilzen ist für Minnie." Und dann studierte er kurz die zwei letzten Verpackungen und reichte mir meine mit einem Lächeln. „Guten Appetit."
„Danke", murmelten wir alle zeitgleich und ich setzte mich auf, um den Karton zu öffnen. Dabei strömte mir schon der Geruch nach gebackenem Käse und fettigen Salamistücken entgegen. Aber ganz anders als erwartet, rümpfte ich plötzlich die Nase und auch als ich den Deckel anhob, stellte sich nicht unbedingt eine Vorfreude auf das Essen ein. Eher im Gegenteil, der Geruch meines Essens löste vielmehr Abneigung in mir aus und ich schob den Karton mit einem ablehnenden Blick von mir.
„Ist alles in Ordnung? Stimmt was mit dem Essen nicht?", fragte Jeongin und sah ratlos auf die verbannte Pizza mit Salami. „Ist es nicht das, was du wolltest, Hyung?"
„Ich- ähm doch... aber ich habe irgendwie keinen Hunger darauf."
„Sag jetzt bloß nicht, dass du keine Pizza mehr magst", lachte Seungmin mich aus und schob mir aber freundlich seinen Karton näher. „Willst du ein Stück von mir? Vielleicht riecht die Salami wirklich etwas fettig."
Auch Jisung blickte auf und legte den Kopf schief, während ich Minnie antwortete. „Ich mag Pizza immer noch. Ich weiß auch nicht, was los ist. Es könnte auch an der der Hitze liegen oder ich habe zu lange nichts gegessen."
Jeongin musterte mich aufmerksam. „Oder es ist so ein Engelsding? Was essen Engel eigentlich?", fragte er und biss dann aber herzhaft in sein Pizzastück.
„Sicherlich brauchen sie keine Nahrung, so ähnlich wie Dämonen... aber bisher musste ich doch immer etwas essen."
Verunsichert sah ich zwischen meinen Freunden hin und her. Veränderte ich mich gerade auch irgendwie? Hatte das etwas mit dem Naphildasein zu tun?
Da streckte mir Jisung seinen Karton entgegen. „Hier, versuch es mal mit Meeresfrüchten, die sind nicht so fettig." Zögernd griff ich nach einem Stück und als weder mein Kopf noch mein Geruchssinn protestierte, biss ich in das Stück und begann zu essen. Es schmeckte tatsächlich gut und als Jisung erkannte, dass ich seine Pizza mochte, tauschte er freigiebig mit mir.
„Ich esse beides gern." Er kicherte. „Vielleicht hat der Engel in dir nur soeben bemerkt, dass er keine Salamipizza mit extra Käse mag."
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Und habt ihr auch manchmal so komische Anwandlungen beim Essen? 🤣 Ich kann zu fettige Sachen auch nicht wirklich ab. Aber Käse ist dafür umso geiler.
I love you. 💕
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