Liebevolle Gesten

Felix Pov:

„Hey, geht es dir gut?", fragte Jeongin leise, als wir vier gemeinsam mit den zwei Neuen auf dem Weg zu unserer letzten Unterrichtsstunde für den heutigen Tag waren.

Seine Frage brachte mich kurz dazu, innezuhalten und ich ließ auch die Hand wieder sinken, die bis vor wenigen Sekunden meine linke Schläfe massiert hatte, um den stechenden Schmerz in meinem Kopf zu minimieren.

„Ehrlich gesagt nicht so wirklich", murmelte ich und setzte mich dann wieder in Bewegung, um zu den anderen aufzuschließen. Diese waren ebenfalls langsamer geworden, nachdem sie das Fehlen von mir und Jeongin bemerkt hatten.

„Was ist denn los mit dir? Hast du Schmerzen?" Wollte Jeongin jetzt wissen und sah mich mitleidig an. „Ich hab sicher noch irgendwo eine Tablette dabei", meinte er hilfsbereit und wollte schon seinen Rucksack von der Schulter ziehen, als sich auch der Rest einmischte.

„Was ist denn los Felix?" Ji sah zu mir und ließ seinen Blick prüfend über meine Erscheinung wandern. Dann trat er einen Schritt näher und flüsterte mir beinahe verschwörerisch zu. „Er hat dich gestern flachgelegt oder? Du läufst ein wenig komisch." Ein kurzes Lächeln blitzte in seinen Augen auf, doch dann verschwand es wieder und plötzlich stand auch noch Woong neben uns und grinste dreckig.

„Wer hat hier wen flachgelegt? Hast du einen Freund?" Sein Blick durchbohrte mich und ich wurde leicht rot um die Nasenspitze, als ich an gestern zurückdachte. An Changbin, der mich auf den Tisch drückte und mich so gut fickte, dass ich schrie.

Klar, ich war heute Morgen aufgewacht und bereute meine Entscheidung für die ersten zehn Minuten bitterlich. Denn mein Rücken und mein Hintern hatten sich vehement dagegen gesträubt, ohne Schmerzen mit meinem restlichen Körper zu interagieren. Doch schließlich gewöhnte ich mich auch an das leicht unangenehme Ziehen und ich war sogar ohne größere Schmerzattacken in der Schule angekommen. Ich hatte zwar gemerkt, dass ich nicht ganz so still sitzen konnte wie sonst und mich entsprechend häufig auf dem Stuhl hin und her schob, aber das war noch ertragbar gewesen.

Jetzt wandte ich doch den Blick von Hwanwoong und Jisung ab und starrte auf den grauen Linoleumboden, der mir auf einem mehr als interessant vorkam.

„Ähm... naja, also... ja", murmelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart und hörte ein leises Quietschen von Woong und ein Lufteinziehen von Jisung.

„Oh, erzähl mal. Geht er auch in unsere Klasse? Naja, wahrscheinlich nicht. Das wäre schon aufgefallen. Ist er zumindest auf unserer Schule? Woher kennt ihr euch?" Der Pinkhaarige bombardierte mich vollkommen ohne Bedenken mit Fragen und ließ dabei gänzlich außer Acht, dass er uns gerade mal ein paar Stunden kannte. Er war wirklich quirlig und irgendwie konnte man ihm seine direkte Art und die überschäumende Energie nicht übelnehmen. Auch dann nicht, wenn man eigentlich tierische Kopfschmerzen hatte und sowieso nicht genau wusste, in welcher Beziehung man zu einem Dämon stand.

„Ähm, nein, er geht nicht auf unsere Schule. Ich habe ihn in... in der Bibliothek kennengelernt." Fast war ich stolz, dass mir irgendwas halbwegs Glaubhaftes eigefallen war, was hoffentlich weitere Fragen vorerst unterband.

„Aww~ wie romantisch." Woong sah mit glitzernden Augen zu mir auf und stupste mich dann an. „Der muss es dir ja schwer angetan haben, du bist immer noch so rot wie eine Tomate."

„Hier Hyung." Kam mir Jeongin dann doch zu Hilfe und zog eine kleine türkise Verpackung aus seiner Schultasche. Es war eine Aspirin, die mir hoffentlich helfen würde, diesen lästigen Schmerz in meinem Kopf zu beseitigen.

„Wir sollten jetzt auch langsam mal weiter. Wenn wir noch länger hier rumstehen, dann fängt der Unterricht ohne uns an", sprach Gunhak das aus, was mir gerade noch gefehlt hatte.

„Ok, ok." Rasch löste ich die Tablette aus ihrer Verpackung, griff nach meiner Wasserflasche und spülte sie mit einem großen Schluck hinab. Jetzt konnte ich nur noch hoffen, dass ihre Wirkung schnell einsetzte und sie meinem Leiden ein Ende bereitete.

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Glücklicherweise endete die letzte Stunde pünktlich und ohne weitere Anstrengungen. Leider hatte nicht einmal die Schmerztablette die von mir erhoffte Wirkung gezeigt. Besser gesagt, hatte sie nicht einmal im Ansatz irgendwas bewirkt. Demnach war das Stechen in meinem Kopf also immer noch präsent und hielt mich davon ab, mich auf den Unterrichtsstoff zu konzentrieren.

Jetzt nach dem Läuten der Glocke, räumte ich meine Sachen träge zusammen und folgte meinen Freunden, die mir teils mitleidige, teils besorgte Blicke zuwarfen. Sie achteten darauf, mich von den Schülermassen abzuschirmen und mich sicher und auf dem schnellsten Weg hinauszulotsen.

„Ok, da es Felix heute nicht so gut geht, verschieben wir unsere Recherche einfach ein bisschen." Jisung warf einen kurzen Blick in die Runde und ich war wirklich dankbar, dass ich heute nicht noch irgendwelche Bücher nach übernatürlichen Ritualen und dämonischen Wesen durchforsten musste. Diese Arbeit würde unsere volle Konzentration fordern und diese konnte ich heute nicht aufbringen.

„Alles klar, dann begleite ich Felix jetzt nach Hause", bot mir Jeongin an und ich willigte ohne große Proteste ein.

Auch von den beiden Neuen verabschiedeten wir uns schon vor dem Schultor, da sie noch einmal in die Innenstadt wollten und diese nicht auf unserem Nachhauseweg lag. Als wir auch Minnie und Sungie verabschiedet hatten und nun eher stumm die Straße zu meinem Haus entlangschlenderten, brach Jeongin schließlich das Schweigen.

„Also ist das wahr, was du heute zu Woong und Ji gesagt hast? Du hast wirklich mit Changbin geschlafen?"

Müde nickte ich und warf einen flüchtigen Blick auf meine Begleitung, die sich gerade das weißblonde Haar aus der Stirn strich und ein wenig nachdenklich aussah.

„Ja, das habe ich." Stellte ich unumwunden fest und nahm meinen Rucksack ab, um nach dem Schlüssel für die Haustür zu suchen.

„Und? Wie war er? War es gut?"

Ein kleines Lächeln huschte über mein Gesicht und ich nickte. „War es. Aber auch etwas schmerzhaft." Gab ich zu und blieb schließlich vor dem kleinen Einfamilienhaus stehen, dass von einem weiß gestrichenen Zaun umgeben war. Jedoch blätterte an einigen Stellen schon die Farbe ab und ich sah verdrossen auf eine Latte, die leicht schief hing.

„Also hat er dir wehgetan?"

„Schon gut Jeongin. Ich wusste ja, auf was ich mich einlasse und ich wollte es am Ende auch so. Also alles gut."

Der Jüngere nickte nachdenklich, trat dann plötzlich einen Schritt auf mich zu und umarmte mich fest. „Na dann... bis morgen Felix." Er ließ mich wieder los, trat wieder zurück. „Bitte ruf an oder schreib uns, wenn es dir nicht besser geht."

Nun musste ich doch etwas breiter lächeln und neigte verstehend den Kopf. „Das mache ich. Bis morgen Innie." Dann öffnete ich das kleine Gartentor, winkte nochmal über die Schulter und stand auch schon vor der Haustür, die ich nun aufschloss und in den langen schmalen Flur trat.

„Mama? Bist du zu Hause?", rief ich, da ich ihre Schuhe neben dem Regal stehen sah und hoffte, dass sie tatsächlich einmal hier wäre. Es war ganz sicher nicht so, dass sie mich vernachlässigen wollte oder mich gern allein zuhause ließ. Eher im Gegenteil. Sie wollte mir ein gutes Leben ermöglichen und dafür arbeitete sie hart und viel. Sie war Krankenschwester und deshalb hatte sie die wohl schlimmsten Arbeitszeiten, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Doch jetzt streckte sie ihren Kopf aus der Küche und lächelte mich strahlend an.

„Hallo Felix. Da bist du ja. Wie war die Schule?"

Sogleich besserte sich meine Laune und auch meine Schmerzen waren für einen Moment vollkommen vergessen. Stattdessen ging ich auf sie zu und umarmte sie. „Hey Mama. Die Schule war ok. Ist bei dir alles in Ordnung?"

Sie lachte und erwiderte meine Umarmung. „Klar doch Liebling. Es ist alles gut." Dann schob sie mich ein Stück von sich und sah mich bedauernd an. „Es tut mir wirklich leid, ich habe heute nur eine Suppe gemacht. Ich habe wieder eine Spätschicht und muss in einer Viertelstunde los."

Ich seufzte hörbar und nickte dann ergeben. „Suppe ist vollkommen in Ordnung Mama. Mach dir keinen Aufwand. Das nächste Mal koche ich dir etwas", meinte ich überzeugt und sofort zeigte sie wieder ihr sonniges Lächeln. Das war eine ihrer bewundernswertesten Eigenschaften. Sie konnte sogar in den schlimmsten und ausweglosesten Situationen ihr Lächeln und ihre Positivität behalten. Auch nach einigen schrecklichen Schicksalsschlägen hatte sie es nie verloren. Nichts brachte sie so leicht aus dem Gleichgewicht und sie konnte einem ganz wunderbare Ratschläge geben, wenn man selbst in Schwierigkeiten steckte.

„Ich habe wirklich großes Glück mit dir Felix." Sie wuschelte durch mein Haar und lief dann hinüber zum Küchenschrank, um einen Teller und eine Schöpfkelle hervorzuholen und mir dann etwas von der dampfenden Suppe auf den Teller zu geben. Diesen stellte sie vorsichtig auf dem Tisch ab. „Hier, iss. Ich ziehe mich noch um und dann können wir uns noch ein bisschen unterhalten."

Hastig nickte ich, setzte mich an den Tisch und tauchte den Löffel in die heiße Brühe. Ich war ebenfalls ein begeisterter Koch und versuchte zunächst herauszufinden, was sich alles in der zubereiteten Mahlzeit befand. In kleinen Happen nahm ich das leckere Essen zu mir, musste aber schnell feststellen, dass die vielen Aromen und Gewürze meine Kopfschmerzen nur noch verstärkten. Ein wenig leidend verzog ich das Gesicht und massierte mir die Schläfen, genau wie heute in der Schule.

„Was ist denn los Liebling? Geht es dir nicht gut?", fragte meine Mutter besorgt, die still und leise in die Küche getreten war und nun in ihrem blassblauen Arbeitskittel dastand. „Hast du Kopfschmerzen?"

Sie sah tatsächlich besorgt aus und schnell bemühte ich mich, meine Haltung aufzurichten und nicht mehr so geschwächt zu wirken. „Nur ein bisschen. Mach dir keine Sorgen. Ich gehe heute einfach früh schlafen und dann ist es morgen sicher wieder gut."

Kurz hielt meine Mutter inne, doch dann seufzte sie. „Ok, ich werde nochmal nach dir sehen, wenn ich wieder da bin."

„Mum... du kommst nicht vor drei Uhr morgens nach Hause. Du solltest dich schlafen legen und nicht auch noch nach mir sehen", fiel ich ihr ins Wort und schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Deine Arbeitszeiten sind beschissen genug."

„Ach Felix... du weißt doch, dafür verdiene ich bei den Nachtschichten mehr und auch der Betreuungsschlüssel ist besser. Außerdem können wir froh sein, dass wir hier in den USA leben. In anderen Ländern ist die Bezahlung von Krankenschwestern weitaus schlechter." Sie warf mir einen beruhigenden Blick zu.

„Mhm...", murrte ich und zuckte dann die Schultern. „Du hast ja aber auch lange genug dafür geschuftet Mama."

Schon wieder erhellte sich ihre Miene und sie winkte mir nochmal zu. „Das habe ich. Und es hat sich schon allein deshalb gelohnt, weil ich einen tollen Sohn habe." Mit diesen Worten verschwand sie auch schon und ich schüttelte den Kopf. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass sie später dennoch nach mir sehen würde.

Nachdem ich dann mein Mittagessen doch irgendwie vollständig gegessen hatte, beschloss ich mich einfach hinzulegen und eine Runde zu schlafen.

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Fun Fact: Tatsächlich werden Krankenschwestern in den USA besser bezahlt, als hier in Deutschland oder anderen Staaten. Dafür müssen sie jedoch sowas wie einen Bachelorabschluss an der Uni machen und haben eine hohe Verantwortung. Außerdem ist es je nach Bundesstaat sehr unterschiedlich, wie viele Patienten sie betreuen müssen.

Wenn ihr wüsstet, was ich für diese Story schon alles recherchiert habe, dann würdet ihr mich wirklich für verrückt halten. 🌚

Nächste Woche Freitag ist der 24ste... ihr wisst, was das bedeutet, oder? 💖 



































Richtig, eine Lesenacht für euch. 🎁

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