Letzte Zweifel

Felix Pov:

„Felix. Komm zu mir." 

Das waren die einzigen Worte gewesen, die mein Vater gesprochen hatte, bevor die Verbindung schon wieder abbrach. Seine Eindringlichkeit ließ mich erschaudern, aber ich gehorchte sofort und machte mich auf den Weg zu unserem üblichen Treffpunkt.

Es war mitten am Tag und die Sonne schien warm auf meine entblößten Arme, während ich mich so sehr beeilte wie noch nie. Gleichzeitig plagte mich mein schlechtes Gewissen, da ich meinen Freunden die letzten zwei Tagen aus dem Weg gegangen war... seit ich dieses Treffen mit meinem Vater hatte und nun verstand, was genau unser Ritual mit uns und den Dämonen anrichtete. Ich wusste nicht, wie ich ihnen das schonend beibringen sollte, noch wie ich ihnen nicht zu viele Hoffnungen machen würde. Und dann war da noch die andere Sache, die mich beschäftigte...

Heute legte ich den Weg zur Lichtung wirklich in Rekordzeit zurück. Dort angekommen sah ich Micheal so würdevoll wie eh und je neben einer Birke stehen. Seine Haltung war diesmal jedoch angespannt und auch seine Augen verfolgten jede Bewegung.

„Was hast du erfahren? Bist du dir jetzt sicher?", fragte ich und die stechenden blauen Augen richteten sich auf mich.

„Felix, versprich mir, dich nicht in das einzumischen, was du gleich sehen wirst. Es gehört zu meinem Plan und am Ende werden wir alles wissen, was nötig ist." Mein Vater ignorierte meine Fragen und antwortete stattdessen mit dieser rätselhaften Aussage. Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen und mit einem leicht mulmigen Gefühl nickte ich.

„Ich verspreche es."

„Dann komm mit." Der Erzengel griff entschlossen nach meiner Hand und schon wurde ich in helles Licht gehüllt. Da ich nicht wusste, wohin wir reisten, konnte ich auch nicht von allein dorthin gelangen. So war es auch für mich eine Überraschung, als ich die Augen wieder öffnete und zu meinen Füßen eine große Fabrikhalle sah, die sehr verlassen wirkte.

Nun gut, nicht ganz verlassen. Denn im hinteren Teil der Halle erkannte ich zwei Stühle und auf diesen beiden Stühlen saßen Jeongin und Jisung. Dicht vor den beiden stand eine blonde Frau und sprach zu ihnen, wobei ich deutlich die Angst in den Gesichtern meiner Freunde lesen konnte.

Da mich mein Vater mit ihm in der Luft hielt, breitete ich jetzt meine eigenen Flügel aus und wollte schon nach unten fliegen, um den beiden zu Hilfe zu kommen. Doch Michael hielt mich fest, blickte mir ernst in die Augen und schüttelte den Kopf.

„Bitte bleib hier. Ihnen wird nichts passieren, dafür werde ich sorgen. Es ist wichtig, dass wir das Folgende nicht unterbrechen."

Skeptisch betrachtete ich ihn und hielt mich mithilfe meiner Schwingen neben ihm in der Luft. Nervös sah ich von ihm zurück zu Jisung und Jeongin, die noch immer nicht zu wissen schienen, was mit ihnen passierte. 

Aber ich hatte es verstanden. Auch wenn es mir gar nicht passte, dass mein Vater meine Freunde als Köder benutzte, hatte ich ihm mein Wort gegeben und notfalls konnte ich noch eingreifen, wenn es zu gefährlich wurde.

Was schon nach wenigen Sekunden der Fall zu sein schien, denn die Frau erzählte etwas davon, Jisung umzubringen, nur um ihn zu erlösen.

Aufgebracht drehte ich mich zu dem Engel neben mir. „Vater. Wenn Jisung oder Jeongin etwas passiert, dann bist du dafür verantwortlich. Wieso erlaubst du ihnen das überhaupt?"

Ich hatte den Schimmer um die Frau und die anderen beiden Männer bemerkt. Sie waren Engel. Warum taten sie dann sowas?

„Sie können uns nicht sehen und nicht hören. Ich habe starke Schutzschilde um uns aufgebaut, um unentdeckt zu bleiben. Ich bitte dich, sie nicht zu zerstören, außer es ist unbedingt notwendig. Ich habe eine falsche Spur gelegt und habe Ituriel in dem Glauben gelassen, dein Freund Jisung wäre an Lucifer gebunden. Außerdem habe ich ihr von unserer Vermutung berichtet, dass Lucifer der neue König wäre. Darüber hinaus weiß sie jedoch nichts Wichtiges. Ich brauchte ein Bauernopfer und dafür ist sie gerade richtig." So gefühllos und kalt hatte ich meinen Vater noch nicht einmal über Changbin sprechen hören und nun lief mir ein Schauer den Rücken hinab.

Selbst meine Federn kribbelten unangenehm, doch schnell merkte ich, dass dies nicht nur durch die Worte des Engels kam, sondern durch die teuflische und bedrohliche Aura, die auf einmal die Halle flutete. Selten hatte ich den Wunsch verspürt wegzulaufen, aber momentan hatte ich ihn. Wenn auch nur kurz, dann sah ich irgendwie erleichtert auf das Geschehen herab und erkannte Minho und Hyunjin, die bereit waren, meinen Freunden aus ihrer misslichen Lage zu helfen, wo ich es selbst nicht durfte. Und endlich verstand ich gänzlich, was hier gespielt wurde.

„Es geht hier auch um Minho, habe ich recht? Du willst so erfahren, wer er wirklich ist."

„Exakt. Er wird mit diesen drei Engeln lange genug beschäftigt sein und ohne es ihm zu verraten, erfahren wir wer oder was er tatsächlich ist."

Unwohl biss ich mir auf die Unterlippe, nickte abwesend und verfolgte mit wachsender Besorgnis, wie Minho Ituriel drohte. Selbst ich musste gestehen, dass seine Flammen und die starke, unerbittliche Stimme ihre Wirkung nicht verfehlten. Man erkannte sofort, dass die Engel sich nicht mehr sicher waren, diesen Kampf unbeschadet zu überstehen. Und offenbar gehörte das auch gar nicht zum Plan meines Vaters. Das er bereitwillig jemanden aus seinen Reihen opferte, hatte ich nicht kommen sehen.

Doch was als nächstes geschah, ließ mich einen Schrei ausstoßen, der ungehört verhallte und selbst mein Vater musste mich zurückhalten, bevor ich etwas Unüberlegtes tat. Die Worte von Ituriel schnitten durch die Luft und als ich die Klinge aufblitzen sah, wollte ich nur noch meine Kraft herauslassen und meinen besten Freund retten. Aber Minho war viel schneller als ich und in den nächsten Sekunden geschah so viel gleichzeitig, dass ich nur wie erstarrt in der Luft schwebte und beobachtete, wie der Dämon sein Aussehen änderte, die Engelsfrau verbrannte und anschließend fast zu schnell für meine Augen durch die Halle lief und dem Leviathan zu Hilfe kam. Selbst wenn dieser sie nicht nötig gehabt hätte.

Dann endlich schreckte ich aus meiner Starre auf. Die Bilder, die sich gerade vor mir abspielten, kamen mir seltsam vertraut vor und ich betrachtete die beiden Dämonen, die nun direkt voreinander standen und erneut ihre menschliche Gestalt annahmen. Gerade noch hatten wilde Flammen um Minhos Kopf getanzt und diese blanken schwarzen Hörner seinen Kopf gekrönt. Und jetzt sah er wieder normal aus – soweit das für einen Dämon möglich war. Nur seine Augen blieben noch einige Sekunden in dem Glutrot.

„Du denkst das Gleiche wie ich, habe ich recht?" Die Worte von Michael rissen mich aus meiner Betrachtung und der Ergründung des Gesehenen.


//Flashback//

„Und er kann Flammen kontrollieren, er erschafft sie aus dem Nichts und seine Augen sind ebenso rot wie das Feuer. Aber Jisung sagt, dass sie manchmal auch golden werden."

Ich wollte meinem Vater gern helfen, diesen gordischen Knoten endlich zu lösen. Denn ich hatte das Gefühl, je mehr Wissen ich sammelte, desto sicherer fühlte ich mich. Meine Handlungen waren dann nicht mehr unkoordiniert und ziellos. Stattdessen konnte ich meine nächsten Schritte planen und mir ein besseres Urteil darüber bilden, was notwendig war und wie ich Unannehmlichkeiten umging.

Als sich der Körper meines Vaters schlagartig anspannte und auch seine Federn sich spreizten, als stände er gerade einem Feind gegenüber, wurde ich misstrauisch. Seine folgenden Worte kamen scharf über seine Lippen.

„Meintest du das gerade ernst? Hat dieser Dämon tatsächlich goldene Augen?" Es wirkte so, als würde er darauf hoffen, dass ich meine Aussage widerrief, doch ich nickte nur. Noch immer verstand ich nicht, weshalb ihn diese Tatsache so aus der Ruhe brachte.

„Ja, ich habe sie selbst zwar nie gesehen, aber Jisung hat mir gesagt, dass sie aussehen wie flüssiges Gold."

„Das sollte unmöglich sein, Felix."

//Flashback Ende//


„Ich denke schon. Aber er hat uns seine wahre Stärke bisher nicht gezeigt. Vielleicht täuscht sich Jisung auch und es ist alles anders."

„Du hast es ebenso gesehen. Ich will, dass du jetzt Changbin hierher rufst. Ich werde heute jeden Zweifel an meinen Beobachtungen auslöschen." Unnachgiebig blickte er auf die Szene hinab und auch ich erhaschte einen Blick auf meine Freunde, die nun mehr oder weniger erleichtert in den Armen der Dämonen lagen. Erneut tat ich, was mir aufgetragen wurde und rief Changbin durch unsere Verbindung.

Er tauchte auch fast augenblicklich unter uns auf und sah sich prüfend um. Ebenso wie Minho schien er sofort zu merken, dass an der Situation etwas nicht stimmte und inzwischen tat es mir ein wenig leid, dass ich ihn täuschen musste, um endlich das letzte Rätsel zu lösen. Und im Moment durfte ich erst recht nicht aufgeben. Ich musste genau wie mein Vater wissen, mit wem wir es zu tun hatten. Es diente dem Schutz meiner Freunde und um diesen zu gewährleisten, war ich beinahe zu allem bereit.

„Das war eine Ablenkung... alles Tarnung."

Minho hatte es durchschaut und das so schnell, dass ich nun sogar daran zweifelte, dass wir noch lange unentdeckt bleiben würden. Mein Dämon hatte sich jetzt dicht neben den Rotäugigen gestellt und wirkte kampfbereit. Seine Augen wurden heller und gerade als Hyunjin das Wort an die beiden richtete, sprach mein Vater.

„Dann werden wir sie mal gebührend willkommen heißen." Er schnippte mit den Fingern und schon lösten sich alle Schutzkreise, die er offenbar um uns gezogen hatte in Wohlgefallen auf. Sie explodierten in einem gleißend hellen Licht. Mich störte es nicht, doch ich erkannte, dass zumindest Jisung und Jeongin ihre Augen bedeckten und erst nach einem Blinzeln mehr sehen konnten.

Changbin blickte mir starr in die Augen und schließlich trat er einen Schritt nach vorn, während Minho und Hyunjin meine beiden Freunde noch immer vor dem hellen Licht des Engels abschirmten. Nun erkannte ich in Lucifers Blick die Wut über den Verrat und seine Stimme tönte laut und für jeden klar verständlich durch die Halle.

„Michael... ich hätte wissen müssen, dass du meinen Engel dazu anstiftest, mich zu hintergehen. Immerhin ist er dein Sohn. Was soll man auch anderes erwarten." Die Worte schmerzten und ich wollte bereits sprechen und mich erklären, als Michael antwortete und seine glasklare Stimme die unangenehmen Sekunden der Stille zerriss.

„Das alles hier wäre nicht nötig gewesen, wenn du mir nicht verschwiegen hättest, was du so akribisch vor dem Blick des Himmels verbirgst. Du musstest ja Geheimnisse vor mir haben. Vor mir und allen anderen. Du hast meinen Sohn in deine Machenschaften hineingezogen und jetzt willst du mir noch immer verheimlichen, dass du den Herrscher der Hölle selbst beschützt?"



Bist mit dem Teufel du und du, und willst dich vor der Flamme scheuen? – Johann Wolfgang von Goethe

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So, jetzt haben wir auch Felix Sicht der Dinge gesehen... Was denkt ihr? Kommt es zum Kampf zwischen Michael und den Dämonen? 

Und vergesst bitte nicht, zu kommentieren, welches Datum euch für die kleine Party auf Discord passt. (Unter dem Kapitel Eigene Entscheidungen)

Love you.  💕

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