Kompromisse finden
Jeongins Pov:
Nachdem mich Felix heute Morgen angerufen hatte und berichtete was in der Nacht mit Jisung geschehen war, hatte ich nicht lange gezögert und war zu Jisungs Elternhaus gelaufen. Kurz nach mir traf auch Seungmin ein, der ähnlich überrumpelt von den Vorkommnissen zu sein schien. Als er hörte, dass Jisung offenbar Minhos Blut quasi zum Vergnügen getrunken hatte, hielt er ihm mindestens zehn Minuten lang einen Vortrag wie leichtsinnig das doch war und strafte ihn mit Todesblicken.
Ich hingegen hatte nur daneben gesessen. Teilweise verstand ich Jisung und teils konnte ich die Sicht von Minnie nachvollziehen. Eingemischt hatte ich mich aber nicht. Mich plagten erneut diese lästigen Kopfschmerzen und ab und an wurde mir schwindelig, vor allem dann wenn ich zu intensiv drüber nachdachte, weshalb alles so schrecklich kompliziert war.
Nachdem Minnie unseren Ältesten also genug zusammengestaucht hatte, ließ er sich neben ihm und Felix aufs Bett sinken und umarmte beide. Ich hatte zugesehen und wusste auch nicht so recht, wie ich reagieren sollte. Doch schnell schlossen sich die Arme auch um mich und ich wurde in die beruhigende Knuddelei mit einbezogen.
Dabei fühlte ich endlich einmal wieder Geborgenheit und Nähe, was mich schließlich dazu veranlasste, mich an die anderen drei zu schmiegen und die Augen zu schließen. Meine Kopfschmerzen hatten nachgelassen und kurz musste ich wohl auch eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen aufschlug, lag nur noch Jisung neben mir und berichtete, dass Minnie und Lix uns etwas zu essen machten.
Mit dem Ältesten hatte ich dann noch eine Weile im Bett gelegen und vor mich hin gedöst. Schlussendlich fragte ich ihn auch, wie es sich angefühlt hatte Minhos Blut zu trinken. Jisung war es zunächst ein wenig unangenehm gewesen, aber als er merkte, dass ich ihn aus Neugier fragte und es wirklich seinetwegen wissen wollte, berichtete er mir von seiner Erfahrung. Und jetzt nachdem ich seine Version gehört hatte, glaubte ich auch zu wissen, was ihn maßgeblich beeinflusst hatte.
Ji würde alles für diesen Dämon tun. Und vor allem würde er alles daransetzen, diesen glücklich zu machen.
Der Rest des Vormittages und ein kleiner Teil des Nachmittages war darauf verwendet worden, bei Jisung auszuharren, seinen Zustand genauestens zu überwachen und immer wieder zu fragen, wie er sich fühlte. Irgendwann war es mir zu blöd geworden, als ich sah, dass es Ji gut ging und er nicht so wirkte, als würde er in den nächsten Stunden tot umfallen. Also entschuldigte ich mich für ein paar Minuten und ging hinaus auf die Terrasse, um die frische Luft zu genießen und vielleicht noch ein paar Sonnenstrahlen abzupassen, die sich heute zwischen den Regenwolken zeigten.
Tief sog ich die erfrischende Luft in die Lungen, schloss beruhigt die Augen und strich mir die schon etwas zu lang gewordenen Haare aus der Stirn.
Erst jetzt merkte ich, wie tief ich selbst in der Bredouille steckte. Zugunsten meiner Freunde ignorierte ich die Signale meines eigenen Körpers, dass etwas in mir ebenso nicht ganz richtig lief. Ich wusste nicht, ob es nur von dem vielen Stress und dem Nachgrübeln kam, oder ob es tatsächlich Hyunjins Einfluss zu verdanken war.
Ich dachte immer noch an ihn, wie er mich in meinem Zimmer zurückgelassen hatte. Er war so aufgebracht und gleichzeitig unsicher gewesen, oder er täuschte auch sein Empfindungen lediglich vor. Im Endeffekt hatte mich sein Verhalten nur noch argwöhnischer gemacht.
Verdammt, ich würde zu gern wissen, ob er mir wahrhaftig etwas antun wollte, oder ob er nur so hart tat. Meine Finger krampften sich leicht zusammen, doch dann atmete ich ein weiteres Mal die befreiende Luft ein.
Nur weil ich nicht so gut mit ihm klarkam, wie die anderen mit ihren Dämonen musste das nichts heißen. Möglicherweise konnte er seine Vorlieben einfach nicht so gut verstecken und das wäre immerhin insofern aufrichtig, dass er mich nicht belog was unserer Bindung anging.
Wahrscheinlich stand ich schon seit einigen Minuten an demselben Fleck und vorsichtig verlagerte ich mein Gewicht, betrachtete nochmal das spiegelnde Wasser des Pools und hinterfragte selbst, wie ich bis jetzt mit Hyunjin umgegangen war. Ich verstand mich teilweise selbst nicht.
Warum passierte es, dass ich diese schlechten Erinnerungen hatte? Was genau war es, dass mich so von ihm distanzierte, obwohl ich mich im gleichen Augenblick zu ihm hingezogen fühlte. Als würde ich auf einem schmalen Seil balancieren und nicht wissen, wo oben und unten ist. Stand ich nun auf der richtigen Seite, wenn ich ihm die Nähe zu mir gewährte oder tat ich gut daran, ihn auf Abstand zu halten?
Die Sonne sendete auf einmal mit aller Kraft ihre Strahlen aus und rasch kniff ich die Augen zusammen, da das Wasser das Licht natürlich sofort zurückwarf. Dennoch kam ein leichter Wind auf und kräuselte die Wasseroberfläche. Dieser Anblick beruhigte mich zusätzlich und deshalb hörte ich kaum, wie die Tür zur Terrasse geöffnet wurde und Seungmin nach draußen trat.
„Innie? Willst du mit uns-" Verwirrt warum Seungmin mitten im Satz abbrach, drehte ich mich zu ihm und erkannte Hyunjin, der lässig gegen einen der großen Korbstühle gelehnt war und mich aufmerksam beobachtete.
„Ich wollte euch nicht unterbrechen", meinte er ruhig und nickte Minnie zu, so als wolle er ihn auffordern weiterzusprechen. Dieser schien sich schnell von dem spontanen Auftauchen des Dämons erholt zu haben und sah fragend zwischen Hyunjin und mir hin und her.
„Ach- nicht so wichtig. Ich- ich geh wieder rein zu Ji und Felix. Wenn du etwas brauchst, ruf einfach." Seungmin wusste offenbar, dass ich das hier allein klären wollte oder musste. Ihm gegenüber hatte ich zumindest angedeutet, dass es zwischen dem Dämon und mir diese seltsamen Spannungen gab.
„Ja, danke Minnie", murmelte ich. „Ich komm schon klar."
Durch diese Aussage wohl weitgehend beschwichtigt, trat Seungmin zurück ins Haus und zog die Tür hinter sich zu, sodass ich nun allein mit dem hochgewachsenen Silberhaarigen auf der Terrasse stand und mir ein kurzes Blickduell lieferte. Da ich stumm blieb, war es nur logisch, dass ich Hyunjin die Möglichkeit ließ, das Gespräch zu beginnen und es in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Statt aber zu sprechen, trat er zunächst näher und betrachtete mich genau. Seine blauen Augen schimmerten im hellen Sonnenlicht und machten Saphiren starke Konkurrenz. Als er noch etwa einen Meter von mir entfernt war, blieb er stehen und neigte seinen Kopf.
„Jeongin, es war nicht richtig von mir, dich bei meinem letzten Besuch mit diesen Worten zurückzulassen. Ich will es wiedergutmachen, wenn du das denn auch willst." Er schien auf eine Antwort zu hoffen und da seine Aussage einer Entschuldigung und Entschädigung sehr nahe kam, schlug mein Herz doch schneller. Etwas von dieser schrecklich nagenden Unsicherheit fiel von mir ab und ich entschied mich dazu, diese Gelegenheit zu nutzen.
Mit einem zunächst zurückhaltenden Nicken, dann aber mit einem beherzten „Ja, gern" gab ich ihm die Erlaubnis, die Wogen zwischen uns zu glätten.
Auch in seinen Augen blitzte sekundenlang sowas wie Erleichterung auf und seine Mundwinkel hoben sich sanft an, bevor er die weichen, vollen Lippen teilte, um zu sprechen.
„Wenn du mir vertraust, dann würde ich dich gern an einen schönen Ort bringen. Ich verspreche dir, diesmal wird es keine Gewalt und auch keine Toten geben." Er strich sich das silbrige Haar zurück, das sich widerspenstig und ebenso wunderschön wie die schäumende Gicht um seine makellosen Gesichtszüge legte.
Es machte mich fast schon verlegen, wie rücksichtsvoll und sanft seine Worte klangen und dass sie in mir noch viel mehr weckten. In den letzten Tagen hatte ich versucht, meine Empfindungen für Hyunjin einzuordnen, sie zu ergründen und vielleicht sogar wieder zurückzudrängen. Ich wollte mir nicht mehr Schaden zufügen als notwendig und ich hatte nicht den Eindruck, dass meine Freunde noch ganz bei Verstand waren. Zumindest nicht Jisung und Seungmin. Sie waren definitiv schon viel zu tief in dieser Scheiße drin. Ihre Gefühle trübten ihr Urteilsvermögen und bei Felix war klar, dass er zwischen den Fronten stand. Er war ein Naphil und kein Mensch, womöglich würde er sich schon allein deshalb für eine dauerhafte Verbindung mit Lucifer entscheiden.
Also blieb nur noch ich, der sich unsicher war, ob er weitergehen sollte und die Bindung zuließ, oder ob er sich dem Ganzen verweigerte und nach einem Ausweg suchte.
Aber mit der gerade erlebten Rücksicht von Hyunjin schwankte mein Entschluss erneut.
„Das klingt nach einem schönen Ort", erwiderte ich etwas zurückhaltend und erntete schon ein verspieltes Lächeln, was diese verdammten blauen Augen vor mir nur noch schöner funkeln ließ.
„Du wirst es lieben", prophezeite der Dämon und streckte mir seine Hand entgegen. Er bot sie mir ganz einfach an. Ich musste hingegen entscheiden, ob ich ihm ein weiteres Mal folgte oder ob das Risiko erneut mit ihm uneins zu sein, zu hoch war.
„Ich sollte den anderen noch Bescheid geben", murmelte ich und griff dennoch schon einmal nach seiner Hand. Seine Finger waren angenehm kühl, schlossen sich locker um meine und kurz glitt sein Daumen über meinen Handrücken.
„Kein Problem."
Gleich darauf standen wir mitten in Jisungs Zimmer, wo uns drei Augenpaare entweder neugierig oder offen besorgt musterten.
„Ich- ähm- Hyunjin und ich machen einen kleinen Ausflug."
Jisung nickte, winkte mir zu und gerade als Felix noch etwas sagen wollte, verschwamm schon alles vor meinen Augen und ich wurde durch den blauen Strudel gezogen, der mich umherwirbelte und mich dann sicher im Wasser landen ließ.
Besser gesagt unter Wasser, aber immerhin so, dass ich nach ein oder zwei Schwimmzügen die Wasseroberfläche durchbrach und mich umsah. Hyunjin schwamm direkt neben mir, seine silbrigen Strähnen klebten nun nass an seiner Haut, dafür blitzten seine Augen in einem satten Dunkelblau und seine Bewegungen waren ruhig und ausgeglichen.
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Wie sieht es eigentlich aus ihr Lieben... Wollen wir demnächst mal wieder ein kleines Treffen über Discord starten? 🥰
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