In royaler Gesellschaft

Mit einem flauen Gefühl im Magen folgte ich Hyunjin. Dieser lief aber nicht wie erwartet direkt zum Ausgang, sondern steuerte auf eine kleine Hintertür zu, auf der in roter Aufschrift Personal stand. Wie selbstverständlich betätigte der hochgewachsene Dämon die Klinke und hielt uns dann die Tür auf. 

Wider Erwarten trat man nicht in einen weiteren Raum, sondern befand sich jetzt in einem Treppenhaus. Viel eher handelte es sich um eine schmale Wendeltreppe, die hinab in die Tiefe führte. Von hier oben konnte man nicht einmal erkennen, wohin sie führte. 

Doch ich hatte schon längst aufgehört mich zu fragen, wieso wir nicht einfach nach draußen gingen und von dort zurück zu mir nach Hause geschickt wurden. Oder wo Wooyoung und San abgeblieben waren. 

Viel zu sehr war ich damit beschäftigt, mich plötzlich in Begleitung von zwei fast gänzlich fremden Dämonen zu befinden. Jedoch hatte einer von beiden bereits deutlich mehr von mir gesehen als mir lieb war. In einem Anflug von Verlegenheit beobachtete ich also den anderen Dämon, der mir bis heute nicht bekannt gewesen war. Das musste Seungmins Höllenprinz sein. Asmodeus. Oder Chan, wie Minnie ihn eigentlich immer nannte.

„Na los. Folgt mir." Hyunjin trommelte mit den Fingern ungeduldig auf das Geländer. Seungmin, Jeongin und ich beeilten uns, nach ihm die Treppen nach unten zu steigen. 

Chan lief hinter uns und ich beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Er wirkte ruhig und gelassen. Hin und wieder blieben seine braunen Augen an Seungmin hängen, ansonsten kam es mir so vor als würde er dem ganzen Geschehen keine große Aufmerksamkeit schenken. Sein Äußeres war ungemein attraktiv, das konnte ich neidlos zugeben. Vor allem die muskulösen Oberarme und die breiten Schultern, die durch sein weißes Hemd gut zu erkennen waren, hatten sicher eine betörende Wirkung auf unseren kleinen Puppy.

Nach scheinbar unzähligen Windungen und Stufen, die wir hinabgestiegen waren, standen wir vor einer Tür. Allerdings war diese nicht so schlicht und einfach, wie man sie in einem solchen Treppenhaus erwartet hätte. Sie war aus dunklem Holz gefertigt und bildete verschlungene Muster, deren Bedeutung und Zweck mir verborgen blieb. Zusätzlich wurde sie von einem bärtigen alten Mann bewacht, der uns eingehend musterte und dann den Kopf schüttelte.

„Ich sag es euch Dämonen immer wieder. Ihr sollt keine Menschen mit hierherbringen. Ihr wisst, dass das für zu viel Aufsehen sorgt. Kein Eintritt mit den Dreien da."

Er deutete auf uns und baute sich vor der Tür auf, sodass niemand an ihm vorbeikam. 

Hyunjin schnaubte verächtlich und drehte sich zu Chan um. „Würdest du bitte?", fragte er den Braunhaarigen gelangweilt und trat noch einen Schritt zur Seite, sodass sich Chan an uns und ihm vorbeischieben konnte und nun direkt vor dem Wächter stand. 

Noch immer wusste ich nicht ganz genau, was sich hinter dieser Tür befand und was die Dämonen jetzt mit uns vorhatten, aber ich wartete einfach ab.

Neugierig beobachtete ich, wie sich Chans Augen schlagartig gelb färbten und seine Iris hell und bedrohlich leuchtete. Er sagte nichts weiter und tat auch nichts, um dem Mann vor sich zu schaden oder ihn zurechtzuweisen und dennoch wirkte der Wächter nun plötzlich beinahe unterwürfig und kleinlaut.

„Oh, entschuldigen sie bitte. Bei ihnen ist eine Ausnahme natürlich gestattet. Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten." Der dunkel gekleidete Aufpasser verbeugte sich tief und legte dann seine Hand auf die Tür, sodass diese nach innen aufschwang und den Raum dahinter sichtbar werden ließ. 

Ich wusste schon gar nicht mehr, wie oft ich heute einen Überraschungsmoment erlebt hatte, aber jetzt konnte ich tatsächlich sagen dass ich diesen Anblick nicht erwartet hatte.

Auch hier drang mir laute Musik entgegen und überall standen Personen herum, die sich unterhielten, tranken oder tanzten. Dies schien ebenfalls ein Club zu sein, nur mit dem Unterschied, dass ich hier auch Wesen sah, die ganz sicher nicht menschlich waren. 

Und dann kam die Erkenntnis:

Wahrscheinlich war hier niemand menschlich außer wir.

Chan hatte nach Seungmins Hand gegriffen und auch Hyunjin zog Jeongin näher zu sich als er dem Höllenprinzen ins Innere des Clubs folgte. Ich selbst blieb den anderen dicht auf den Fersen aber ließ es mir nicht nehmen, mich gründlich umzusehen. 

Wir liefen zielsicher durch die Menge und egal wohin ich meinen Kopf drehte, blickten mir glühende Augen entgegen, spitze Fangzähne blitzten auf oder andere bizarre Körpermerkmale überraschten meine sonst so rationalen Vorstellungen. Zwischen den ganzen Wesen herrschte eine ausgelassene Stimmung, ähnlich zu der, die oben im Club dominierte. Hier jedoch war sie noch mit etwas anderem gemischt. Die Atmosphäre fühlte sich wilder an, leidenschaftlicher und ungezügelt. Als müsse sich an diesem Ort keiner verstecken und jeder könnte einfach er selbst sein.

Ein junger Mann mit einer schicken nachtblauen Uniform trat zu uns, als wir gerade den hohen Raum durchquert hatten und wie selbstverständlich auf eine breite Treppe zusteuerten, die ganz eindeutig zum exklusiven Teil des Clubs führte.

„Haben sie eine Reservierung für den VIP Bereich?", fragte er höflich und fast wie aufs Stichwort sah er offenbar in Chans Augen, denn er verbeugte sich tief und antwortete deutlich respektvoller. „Oh Sie sind es. Darf ich Sie zu ihrem Tisch geleiten?"

„Gern." Chans Stimme war angenehm, leicht rauchig und er schien es vollkommen gewohnt zu sein, alles zu bekommen was er wollte. Er griff fester nach Seungmins Hand ehe er mit ihm die Treppe hinaufstieg. Nun hatte auch ich aus meiner Bewunderung der Szenerie und der Wesen zurückgefunden und schloss zu dem silberhaarigen Dämon auf.

„Hyunjin? Was meinte Minho vorhin damit, dass Kkami viel zu tun hat? Wer ist das und auf welcher Liste stehen diese Jungen jetzt?"

Oben am Treppenabsatz drehte sich der Angesprochene zu mir und grinste verschlagen. „Um dir diese Fragen alle zu beantworten, brauche ich erstmal einen Drink." Anzüglich lehnte er sich zu seiner Begleitung und raunte in Jeongins Ohr. „Und was willst du trinken Innie?"

Chan hatte sich mittlerweile auf einer luxuriösen weißen Ledercouch niedergelassen und Seungmin halb auf seinen Schoß gezogen. „Wir nehmen zwei Cuba Libre." Entschied er einfach für sich und Minnie und sah dann zu Hyunjin.

Dieser grinste immer noch dreckig, da Jeongin tatsächlich rot geworden war. „Also ich hätte gern einen Caipirinha und meine schnuckelige Begleitung nimmt einen Sex on the Beach." Er kicherte und bohrte seinen Zeigefinger in Innies Wange. 

Die Augen des Kellners lagen nun auf mir und ich überlegte kurz. „Einen Mojito bitte." Der junge Mann verbeugte sich in Chans Richtung und ging dann.

„Also... zu deinen Fragen. Kkami ist mein Hund. Aber er ist kein gewöhnlicher Hund, sondern ein Höllenhund." 

Verwirrt legte ich die Stirn in Falten, „Das bedeutet er ist ein ebenso dämonisches Wesen und speziell dafür gezüchtet, um die Seelen der Menschen in die Hölle zu bringen." Als sich in meinem Gesicht wahrscheinlich immer noch Unverständnis abzeichnete, fuhr er fort. „Wer einen Vertrag mit einem Dämon abschließt, der tauscht seine Seele ein und nach der vereinbarten Frist wird diese Seele vom Dämon eingefordert. Und die Höllenhunde sind unsere Helfer. Sie sind gut darin, die Unglückseligen zu finden und sie zu töten."

„Aber wieso meinte Minho dann, dass diese Typen, die mich und Felix angemacht haben, auf irgendeiner Liste stehen? Sie haben doch keinen Deal mit euch oder?"

„Minho kann eine solche Exekution auch ohne bindenden Vertrag anordnen." Der Dämon mit den silbergrauen Haaren lehnte sich elegant zurück, legte einen Arm um Jeongin und schein überaus zufrieden mit der Welt. Doch ich war viel eher schockiert und fragte deshalb nach.

„Wieso darf er sowas?"

Diesmal antwortete Chan. Sein Blick ruhte dabei zunächst ermahnend auf Hyunjin, dann drehte er sich zu mir. „Weil er einer der mächtigen Kreuzungsdämonen ist. Natürlich sollte er dieses Privileg nicht ausreizen, aber in diesem Fall ist es durchaus nachvollziehbar."

Dann kehrte kurz Ruhe ein und wir verfolgten gespannt, wie der Kellner unsere Getränkt vor uns platzierte. Sobald alle ihre Cocktails hatten, hob Hyunjin sein Glas auf Augenhöhe an, prostete uns zu und nippte an der eiskalten Flüssigkeit.

„Ich denke, wir sollten euch mal zeigen, wie man sich mit den Wesen der Unterwelt tatsächlich amüsiert. Und da ihr mit uns hier seid und nicht in die Gefahr lauft, von irgendjemandem angebaggert zu werden, könnt ihr euch voll austoben."

Bei diesen Worten hatte Chan Seungmin eindringlich angesehen und strich ihm über den Nacken. „Es war ziemlich leichtsinnig von euch, so allein in einen Club zu spazieren", gab der Braunhaarige nun seine Gedanken preis und blickte zwischen meinen Freunden und mir hin und her. „Es hätte wesentlich schlimmer enden können."

Mein Kumpel seufzte leise und lehnte sich an den hübschen Dämon. „Ich konnte sie nicht aufhalten... da bin ich lieber mitgegangen." Seine Stimme war sanft und schien den Prinzen um Verzeihung zu bitten. Bevor ich mich versah, hatte Chan dem auf ihm Sitzenden seine Lippen aufgedrückt und wirkte auch nicht so, als würde er gleich wieder damit aufhören wollen. Ich konnte sogar zusehen, wie sich ihre Zungen fanden und mein Kumpel förmlich in den Armen des höllischen Wesens schmolz. Er reagierte ähnlich, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Seine Haltung war demütig und gleichzeitig so bittend.

Irgendwie schaffte ich es doch, mich von dem Anblick zu lösen. Stattdessen stand ich mit meinem Getränkt in der Hand auf und trat an die Glasbrüstung der VIP Lounge, die eine gute Sicht auf das Geschehen unter mir freigab. Man konnte all die infernalen Wesen beobachten und es war tatsächlich ein bewundernswertes Schauspiel, wie ausgelassen und frei sie wirkten. Ich merkte, dass sich die Tür, durch die wir in den Club gekommen waren, jetzt erneut öffnete und dann sah ich Minho.

Seine Augen glühten rot und er schritt selbstsicher durch die Menge. Dabei wirkte er vollkommen ruhig und ausgeglichen, so als hätte er vor einigen Minuten nicht gerade einen Menschen zum Tode verurteilt.

„Süß", kommentierte Hyunjin, der lautlos neben mich getreten war und nun meinem Blick folgte.

„Was meinst du?", fragte ich zurück, ohne ihn anzusehen.

„Wie du ihn anschmachtest. Du vergisst ja glatt, mit wem du es hier zu tun hast."

Ich wusste sofort, was der verführerische Dämon neben mir versuchte. Deshalb schwieg ich stoisch und verfolgte Minhos Weg zu uns. Er war gerade im Begriff die Menge kurz vor der Bar zu durchqueren, als plötzlich eine junge Frau auf ihn zuging und ihn ansprach. 

Durch die gedimmten Lichter und das ständige Flackern der bunten Laser konnte ich nicht viel erkennen, doch ich kniff meine Augen zusammen und beugte mich nach vorn. Auf mich wirkte es beinahe so, als sei die Haut der Frau mit hellgrünen Rankentatoos überzogen. Zudem hatte sie unglaublich anmutige und markante Gesichtszüge. Ihre Haare waren lang und gelockt und schimmerten in einem Kupferrot, das dem von Felix ähnelte. Sie verneigte sich anmutig und auch Minho senkte kurz den Kopf, bevor er offenbar etwas erwiderte.

„Das verspricht interessant zu werden", nuschelte Hyunjin neben mir und stützte sein Kinn auf der Handfläche ab.

„Was wird interessant?", fragte Jeongin neugierig und stellte sich auf meine andere Seite, bevor er versuchte, meinem Blick zu folgen. „Oh... das ist doch Minho." Der Jüngste hatte ihn entdeckt und sah ebenfalls zu, wie die Frau noch näher an den Rotäugigen herantrat und ihre Finger anmutig über dessen Oberteil gleiten ließ.

Etwas an dieser Geste erzeugte eine Art unangenehme Hitze in mir und ich entschied spontan, dass ich sie nicht leiden konnte. Sie war viel zu hübsch, viel zu nahe an Minho und wollte offensichtlich mehr von ihm. Aber er war doch an mich gebunden...

„Sieh einer an... ist da jemand eifersüchtig?", neckte mich der silberhaarige Dämon neben mir mit einem Kichern, so als hätte er gerade einen besonders guten Witz gerissen. „Hmm~ bei ihr würde ich auch aufpassen", fügte er im Plauderton an und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. Nun ruckte mein Kopf doch nach oben und ich musterte ihn aufmerksam.

„Was meinst du damit? Kennst du sie?" In meinem Kopf arbeitete es und ich versuchte an der Mimik meines Gesprächspartners abzulesen ob er tatsächlich mehr wusste.

Ein zustimmendes Summen ertönte und nun starrte ich direkt in die blauen Augen von Hyunjin. „Ja, ich kenne sie und ich würde sie nicht mal mit der kleinen Fingerspitze berühren. Diese Frau ist gefährlich... so schön wie sie auch ist." Er rümpfte kurz die Nase und schüttelte missbilligend den Kopf. „Aber Minho stand ja schon immer auf die bösen Jungen und Mädchen."

„Ja ja, jetzt tu nicht so, als wäre dir das noch nie passiert", gab nun auch noch Chan seinen Senf dazu und Hyunjins Mundwinkel zuckten vergnügt.

„Du willst mir also immer noch mein Date mit Jack the Ripper vorhalten?"

„Date?", schnaubte Chan. „Du hast ihn einfach besucht und als du ihm die Morde auf den Kopf zugesagt hast, hat er dich ausweiden wollen wie den Rest seiner Opfer. Ich erinnere mich noch lebendig an deinen Bericht und wie du meintest, das er gesagt hat, du seist so schön, dass du sogar glatt als Frau durchgehen könntest."

Unwillig schnalzte Hyunjin mit der Zunge und winkte ab. „Ja und dafür habe ich ihn ausgeweidet... aber das ist jetzt nicht so wichtig. Viel interessanter ist die Situation, die sich da unten gerade abspielt." Auch ich drehte meinen Kopf wieder und sah zu, wie Minho nun höflich den Kopf neigte und dann gehen wollte, während die Dame ihn an der Hand festhielt und noch etwas sagte.

„Diese sündige Schönheit könnte man wirklich als die Femme fatale der Unterwelt bezeichnen... neben Lilith natürlich." Ich knurrte leise.

„Wer ist sie denn nun?"











„Die Elbenkönigin." 

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