Höfisches Zeremoniell
Jisungs Pov:
Es war gewöhnungsbedürftig, nicht in meinem eigenen Bett aufzuwachen. Selbst wenn es um mich herum viel wärmer als gewöhnlich war und auch die Decke trotz ihres dünnen Stoffes erstaunlich gut isolierte, war da etwas, das fehlte. Der Raum und auch die andere Betthälfte waren leer.
Nicht dass ich wirklich erwartet hatte, dass Minho neben mir liegen würde. Er meinte ja, er müsse nicht schlafen und habe etwas Wichtiges zu erledigen. Ich setzte mich immer noch leicht verschlafen auf und sah hinab auf die schlicht schwarze Bettdecke.
Ob er überhaupt noch einmal hier gewesen war, nachdem er mich gestern Abend in diesen Raum gebracht hatte?
Ich schmollte ein wenig, weil es weder ein Zeichen dafür noch dagegen gab. Irgendwie machte sich eine ungewohnte Wärme in mir breit, aber ich schob es auf die höllische Umgebung und nach einigen Sekunden verging das Gefühl schon wieder. Nach zwei weiteren Minuten, die ich einfach vor mich hingestarrt hatte, klopfte es an der Tür.
„Ja?", fragte ich und schon spähte Felix zu Tür herein, gefolgt von Changbin trat er ein und musterte mich.
„Hey Ji, Changbin meinte, wir holen dich ab und gehen anschließend zum Thronsaal, dort findet heute eine Audienz statt und es werden alle da sein."
Ich runzelte flüchtig die Stirn, aber streckte dann meine Arme nach Felix aus und machte Grapschehändchen, sodass er wusste, dass ich eine Umarmung wollte.
„Dürfen wir überhaupt an sowas teilnehmen?", fragte ich, als mein bester Freund schon aufs Bett kletterte und sich förmlich auf mich warf, um zu knuddeln.
„Hyunjin und ich haben beschlossen, dass wir euch mitnehmen wollen, Chan hat auch nichts dagegen und Minho ist somit überstimmt." Changbin grinste frech und seine weißen Augen strahlten, als er sich lässig gegen die Wand lehnte und noch hinzufügte: „Außerdem wissen sowieso schon einige über eure Existenz Bescheid. Irgendwann müssen wir uns positionieren und dabei ist es besser, wie wir es auch sonst tun, als Einheit aufzutreten. Würden wir uns jetzt gegenseitig widersprechen, wäre das nicht authentisch."
Das leuchtete mir durchaus ein, aber ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Felix durch die blonden Haare zu wuscheln und platzierte dann auch frech einen Kuss auf seiner Wange.
Lixie kicherte nur und erwiderte den Gefallen, er presste seine Lippen gegen meine Wange, anschließend gegen die Stirn und gegen meine Nasenspitze.
„Gut, ich glaube jeder weiß, dass ihr euch gern habt... Können wir uns jetzt endlich bereit machen? Ich würde ungern zu spät kommen. Das würde keinen guten Start darstellen."
Lucifer stieß sich von der Wand ab und mit einem raschen Schnippen seiner Finger veränderte er sein eigenes Outfit, wenn auch nur minimal. Jetzt war wieder alles an seiner Kleidung schwarz und schlicht. Was zuvor ein dunkelrotes Hemd gewesen war, schluckte nun wieder das Licht und ich erkannte kurzzeitig den leichten Unbill in den Augen des Dämonen, als er an sich herabblickte.
Bevor er jedoch auch mir und Felix ein neues Outfit verpasste, winkte Felix ab.
„Lass mich das versuchen." Ich bemerkte schon allein an der Intonation, dass er etwas Gewagtes vorhatte. Doch ich war bereit, seinem guten Geschmack zu vertrauen. Also stand ich auf und wartete darauf, dass er uns beiden ein kleines Makeover verpassen würde.
Felix richtete seine strahlend blauen Augen auf mich, schmunzelte und berührte mich dann an der Schulter. Sofort spürte ich die sanfte Kälte, die durch die Kraft des Naphils erzeugt wurde. Als ich nun an mir herabsah, hielt ich kurz den Atem an. Der Jüngere hatte sich nicht zurückgehalten.
Meine Beine steckten in einer hautengen schwarzen Jeans und ein breiter Gürtel betonte gleichzeitig meine schmale Taille. Mein Oberteil dagegen war fluffig und einige Risse im Stoff zeigten selbstbewusst und vielleicht auch ein wenig provokant die helle Haut darunter. Der Pulli endete auch recht knapp unterhalb dem Hosenbund, sodass wohl bei jeder Bewegung meiner Arme auch ein Teil meines Bauches zu sehen sein würde. Aber ich war so fasziniert von dem Outfit, dass ich das beinahe dankbar in Kauf nahm. Als ich endlich zu Felix blickte, hatte er sein eigenes Erscheinungsbild bereits angepasst. Allerdings hatte er wohl entschieden, wirklich aufs Ganze zu gehen.
Er trug zwar ebenso eine schwarze Jeans, doch sein Oberteil war blütenweiß und einige Kordeln hielten es an den Schultern und am Rücken zusammen.
„Und wie findest du es?" fragte Lix und drehte sich einmal um sich selbst.
„Ihr seht beide so aus, als wolltet ihr geradezu neue Probleme schaffen", kommentierte Changbin aber dann zuckte er die Schultern. „Ich liebe es. Also können wir los?"
Auch ich zeigte Felix einen Daumen nach oben und trat neben ihn, um Lucifer zu folgen. Er führte uns einige Gänge entlang, wo wir schon bald auf Hyunjin und Jeongin trafen.
Offenbar war der Leviathan ebenso in Spiellaune, denn er hatte unserem Jüngsten ein hübsches dunkelblaues Oberteil und eine passende Hose gezaubert. Beides war mit Steinchen besetzt, die die Kleidung aussehen ließen, als sei sie nass und die Wassertropfen würden von ihr abperlen.
Endlich kamen wir zu dem Raum, in dem wir uns auch gestern unterhalten hatten. Dort warteten Chan und Seungmin auf uns.
Chan wandte sich sogleich zu den beiden anderen Dämonen. „Wir sollten uns beeilen. Eigentlich hätten wir schon vor zwei Minuten da sein sollen." Mit diesen Worten winkte er mich zu sich.
„Du gehst mit Seungmin und mir."
Lucifer hatte sich mit Felix hinter mir aufgestellt.
Hyunjin griff sogar nach Jeongins Hand. „Das wird eine lustige Audienz. Ich hoffe, es gibt heute noch etwas zu tun für mich."
Asmodeus warf ihm einen mahnenden Blick zu aber öffnete schließlich eine unscheinbare Tür mit dem Wedeln seiner Hand und rasch straffte ich meine Haltung, als ich erkannte, dass in der anschließenden Halle bereits viele Dämonen warteten und uns nun förmlich anstarrten. Der Höllenprinz an unserer Spitze schien vollkommen unbeeindruckt von den Blicken. Er schritt erhobenen Hauptes voran und sah hochmütig nur geradeaus. Ich spähte an ihm vorbei und versuchte zu ergründen, wie groß diese Halle war.
Sie ließ sich kaum in ihrer Länge und Breite definieren, da sich die Wände irgendwann im Nichts verloren. Die Decke war ebenfalls sehr hoch und ich fragte mich schon, wer so viel Platz brauchte. Dann erkannte ich noch etwas in einiger Entfernung. Ein schwarzer Steinsockel erhob sich majestätisch in dem wohl hinteren Drittel der gigantischen Halle. Der Stein war kunstvoll behauen, und eine breite Treppe führte nach oben und mündete in einer nahezu ovalen Plattform, auf der ein einziger hoher Stuhl stand. Wobei Stuhl wahrscheinlich ein sehr einfaches Wort für diesen prunkvollen Thron war, denn um nichts anderes konnte es sich hier handeln.
Und auf diesem Thron saß Satan. Aufrecht und voller Würde verharrte er auf dem erhabenen Platz und beobachtete unsere Ankunft. Seine Augen brannten feurig und kurz fing ich seinen Blick auf. Sobald wir die Reihen der Dämonen entlangschritten, hörte ich auch das Gemurmel und die geflüsterten und gezischten Worte. Einige schienen offen abzulehnen, dass Menschen hier waren, andere sahen nur neugierig oder teilnahmslos auf unsere kleine Prozession.
Je näher ich selbst dem Thron kam und dem Felsen auf dem er stand, desto mehr fragte ich mich, wo mein Platz sein würde. Man musste wohl zwangsläufig die vielen Stufen erklimmen, wenn man hinauf zu Minho wollte, aber ich würde es ja gleich erfahren. Als wir am unteren Ende der Treppe standen, stoppte Chan und rasch taten wir es ihm gleich. Er neigte knapp den Kopf und wieder kopierten wir dieses Verhalten. Dann stieg der Prinz die Stufen hinauf und näherte sich Satan, der sich von seinem Platz erhoben hatte und uns entgegenblickte.
Jedoch gingen wir entgegen meiner Erwartungen nicht bis ganz nach oben, sondern traten ungefähr auf einem dreiviertel der Treppe auf einen kleinen Felsvorsprung, wo tatsächlich mehrere in den Stein gehauene Sitzgelegenheiten waren. Dort saß bereits ein Dämon, der Chan und zu meinem Erstaunen auch Seungmin ein Nicken und ein rasches Grinsen schenkte. Auch Changbin und die anderen folgten uns, doch bevor ich mir einen Sitzplatz zwischen meinen Freunden suchen konnte, hörte ich Minhos Stimme.
„Jisung, komm her." Seine Stimme klang befehlsgewohnt und einmal in meinem Leben zögerte ich nicht, ihm zu gehorchen. Keinesfalls wollte ich einen schlechten Eindruck hinterlassen oder ihm Unannehmlichkeiten bereiten.
Also drehte ich mich um und stieg mit schneller schlagendem Herzen die Treppe weiter hinauf, bis ich knapp neben meinem persönlichen Teufel stand, der mich aus seinen flammenden Augen musterte und nun auf einen Sitzplatz zu seiner Rechten deutete.
„Normalerweise sitzt dort Lucifer. Aber heute ist sowieso alles etwas durcheinander", raunte Minho, sodass nur ich ihn verstehen konnte. Ein wenig unsicher und gleichzeitig ehrfürchtig nahm ich auf dem angebotenen Sitz meinen Platz ein, sah neugierig und auch leicht stolz auf die vielen Dämonen unter uns. Sie schienen die Geste ihres Herrschers ebenfalls gemischt anzunehmen und ich bemerkte die finsteren Blicke ebenso wie die Überraschung und Gleichgültigkeit.
Nun schien die Audienz erst richtig zu beginnen, denn es strömten noch viele weitere Dämonen in die riesige Halle, um an der Versammlung teilzunehmen. Ich fragte mich bereits für was dieser Aufwand nötig war, doch alsbald erhob sich Hyunjin von seinem Platz und sprach dann zu den Anwesenden.
„Wir haben euch heute hierher gerufen, um unserem einzig wahren Herrscher erneut und ganz offiziell die Treue zu schwören. Außerdem werden wir einige Änderungen an den bestehenden Methoden eurer Wirkungsweise verkünden. Gemeinsam werden wir die Hölle wieder zu einem starken und unabhängigen Reich vereinen." Anschließend nickte der Silberhaarige Satan zu, der sich würdevoll erhob und einige Schritte nach vorn trat.
„Viele von euch haben in den letzten Wochen gemeinsam mit mir gekämpft, da ihr ebenso wie ich für eine Veränderung seid. Mir ist bewusst, dass auch ich mir erst erneut euren Respekt verdienen muss. Immerhin habe ich euch Jahrhunderte lang nicht so unterstützen können, wie es meine Pflicht gewesen wäre. Ich habe selbst eingesehen, dass Macht nicht für immer sein kann und das man sie sich verdienen muss. Durch meinen Weg zurück zu euch und auf diesen Thron habe ich erkannt, dass es wichtig ist, zu wissen wofür man kämpft und dass das Ziel klar vor Augen sein sollte. Ich weiß, dass nicht alle diese Entscheidungen billigen und das einige von den heute Abwesenden meine erneute Herrschaft nicht anerkennen. Doch ich werde nicht dulden, dass ihr mich hintergeht. Wer sich mir oder meinen Gefolgsleuten in den Weg stellt, wird dafür brennen." Zur Unterstreichung seiner letzten Worte loderten plötzlich Stichflammen in der ganzen Halle auf, sie schienen sich über die gesamte Decke auszubreiten und umschlossen die versammelten Dämonen. Einige wichen sogar zurück oder drückten sich weiter in die Mitte. Ich vermutete, dass dies einige der Dämonen waren, die sich nicht zu Minhos Seite bekannt hatten.
Nun erhob sich Asmodeus geschmeidig und trat selbstsicher vor den Thron. Er kniete tatsächlich nieder und senkte ehrerbietig sein Haupt.
„Ich, der Prinz Asmodeus, erneuere meinen Schwur und gelobe, wie ich es von Anbeginn meiner Erschaffung getan habe, dir treu zu dienen und mit der nötigen Stärke und Entschlossenheit deine Gesetze und deinen Willen durchzusetzen."
Satan neigte dankbar den Kopf, wechselte noch einige Worte mit dem Höllenprinzen und sah zu, wie auch der Dämon, der Chan und Seungmin vorhin begrüßt hatte, vor den Thron trat.
„Ich, der Prinz Azael, erneuere ebenfalls meinen Schwur und gelobe, wie ich es von Anbeginn meiner Erschaffung getan habe, dir treu zu dienen und mit der nötigen Stärke und Entschlossenheit deine Gesetze und deinen Willen durchzusetzen."
Auch hier war Minho offenbar zufrieden und entbot dem Mann seine Dankbarkeit.
Es folgte eine kurze Stille, dann löste sich eine Frau aus der vorderen Reihe am Fuße der Treppe. Sie strich ihr langes Haar zurück und machte sich daran, die vielen Stufen hinaufzusteigen. Sie wirkte weniger sicher, als ihre beiden Vorgänger aber ich erkannte ihre gelb strahlenden Augen und wusste, dass sie somit der weibliche Höllenprinz oder in diesem Fall Prinzessin war. Sie schritt dennoch zielstrebig zum Thron hinauf und als sie vor Minho ankam, warf sie auch mir einen knappen Blick zu. Dann aber begab sie sich vor Satan auf die Knie und tat das, was ihre beiden Brüder ebenfalls getan hatten.
„Ich, Dagon, erneuere meinen Schwur und gelobe unserem Herrscher Satan meine Treue, die vom heutigen Tag an bis in alle Ewigkeit andauern soll. Ich werde dir ergeben dienen, deine Gesetze achten und dich als den rechtmäßigen Beschützer des Reiches anerkennen."
Diesmal blieb es länger still und auch Minhos Reaktion fiel wesentlich weniger herzlich aus, als bei den beiden Prinzen.
„Ich akzeptiere deinen Gesuch und werde dir deine Stellung deshalb nicht aberkennen. Solange du dich als würdig erweist und mir dienst, bleibst du eine Prinzessin meines Reiches."
Die Angesprochene erhob sich erleichtert und senkte dankbar das Haupt.
„Aber Dagon, es wird keine weitere Chance geben, deine Loyalität zu beweisen", mahnte Satan mit eisiger Stimme, bevor er die Frau entließ.
Ich fragte mich sekundenlang, was geschehen war, dass sie so sehr in Ungnade gefallen war und vermutete, dass sie bei dem Kampf um den Thron nicht an seiner Seite gestanden hatte.
Ein Kribbeln lief durch meinen Körper, als nun auch die Menge der Dämonen still blieb und sich erstmal gar nichts rührte. Dann wurde das Haupttor aufgestoßen und ein weiterer Mann trat ein.
Er sah ziemlich lädiert aus. Seine Wange zierte eine tiefe Brandwunde, er hinkte leicht und seine gelben Augen glühten voller Abscheu. Dennoch stieg er jetzt die Treppenstufen hinauf und kam Minho und mir immer näher.
Mein ungutes Gefühl in der Brust verstärkte sich und das Kribbeln war so seltsam, dass ich glaubte, die ehemals fast vertrauten Flammen würden zurückkehren. Kurz hielt der verwundete Dämon an, genau auf dem Treppenabsatz wo Asmodeus und Azael saßen und starrte die beiden durchdringend an.
Schlussendlich stieg er die Stufen aber weiter hinauf und blieb vor Minho stehen. Während Satan ihn nur ansah und auf irgendetwas zu warten schien, spannte ich meinen Körper an. Etwas drängte mich förmlich dazu. Dann blickte mich der Dämon mit den gelben Augen an, das gehässige Lächeln nicht zu übersehen.
„Die Gerüchte stimmen also. Der große, unzähmbare Satan ist an einen schwachen, unwürdigen Menschen gebunden." Seine Augen wanderten zurück zu Minho. „Wie kannst du denken, dass die Hölle hinter dir steht, wenn sie sieht, dass du dir einen zerbrechlichen Sterblichen als Bettwärmer hältst?"
Nun bleckte Minho die Zähne und sein Gegenüber senkte das Haupt, als würde er seine Worte damit ungesagt machen. Im nächsten Moment brach allerding wortwörtlich die Hölle über mich herein und ich hatte es bereits geahnt.
Der Dämon griff Satan mit allem was er noch hatte an. Gelber Rauch waberte nach vorn, wollte mit giftigen Klauen zuschlagen und tiefe Wunden reißen, doch ich war aufgesprungen.
„Nein!"
„Man möchte freundschaftliche Beziehungen mit dem Himmel, vertiefte Partnerschaft mit der Erde, aber auch fruchtbare Zusammenarbeit mit der Hölle." — Timothy Garton Ash
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Meine Lieben, ich bin heute so fertig von meiner Woche (habe heute eine Doppelstunde Deutsch unterrichtet) und würde euch deshalb das zweite Kapitel morgen nachliefern.
Aber ihr bekommt heute schon das versprochene Cover:
I love you all. 💕
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