Gefährliche Verhandlungen

„Wir fahren ein Rennen, Jisung."

Ungläubig riss ich die Augen auf. „Was?"

Mein Puls beschleunigte sich und nun war ich plötzlich unglaublich aufgeregt. Klar, mir war bewusst, dass wir uns gerade inmitten einer kleinen Gesellschaft befanden, die offenbar Straßenrennen veranstaltete, mit ihren Autos protzte und nebenbei Party machte. Es ging hier um das Geschick des Fahrers, die Leistung des Wagens. Darum, sich einen Namen in dieser Community zu machen und mit den Rennen Geld und Ehre zu erlangen. Diese Leute akzeptierten einen nur, wenn man etwas auf der Strecke erreichte. Respekt erhielt man nicht einfach so, man musste ihn sich hart erarbeiten. Dafür waren diese Treffen und die damit verbundenen Autorennen gut.

„Ich habe doch gesagt, dass du heute ein Abendteuer erleben wirst. Heute gibt es Spaß, Action und jede Menge Nervenkitzel." Mit diesen Worten öffnete Minho bereits seine Tür und stieg aus. Schnell tat ich es ihm gleich und versuchte mein Selbstbewusstsein wiederzuerlangen.

Zwar war ich nicht gerade der Typ, der still und brav zuhause saß, aber jetzt auf einmal von Menschen umringt zu sein, die dieses Metier wahrscheinlich gänzlich beherrschten, gab mir doch ein leicht unterlegenes Gefühl. 

Doch rasch schüttelte ich meine Zweifel ab und trat entschlossen neben den Dämon. Dicht neben ihm zu stehen, ließ mein Vertrauen schlagartig zurückkehren und ich lief stolz und erhobenen Hauptes neben ihm auf die Gruppe von Männern zu. Einige sahen uns entgegen, andere unterhielten sich weiterhin, so als würden sie keine Notiz von uns nehmen. Einer von ihnen zog lachend ein Mädchen in seine Arme und küsste sie dann auf die Wange.

Es war wirklich erstaunlich, aber man erkannte allein dran, dass sie im Mittelpunkt des Geschehens waren und auch an dem respektvollen Umgang der anderen, dass diese Gruppe hier offenbar das Sagen hatte. Sie schienen die Könige dieser Straßen zu sein und dies wussten sie ganz sicher auch. 

Doch der heiße Junge an meiner Seite ließ sich davon natürlich überhaupt nicht beeindrucken. Selbstbewusst, als würde ihm dieser Platz gehören, trat er auf die versammelte Menge zu und begrüßte sie.

„Ihr könnt mir doch sicher weiterhelfen. Ich habe gehört, hier findet heute ein Rennen statt. Vielleicht könnt ihr mir ja sagen, bei wem ich mich melden soll, wenn ich daran teilnehmen möchte." Ruhig und souverän stand er da und sah zwischen den Kerlen hin und her.

„Tss... wer will das wissen? Was glaubst du denn, wie das hier abläuft Kleiner? Dass wir einfach jeden Grünschnabel ein Rennen fahren lassen."

Oh, oh... sie hatten sich gerade nicht wirklich einen Gefallen getan. Natürlich, die Männer waren technisch gesehen größer und auch älter als Minho und als sie sich nun vor uns aufbauten, hatte ich für einen Moment Angst, sie könnten uns hochkant rauswerfen. Doch ich blieb unerschrocken neben meinem persönlichen Teufel stehen und blickte den jungen Männern eher aufmerksam entgegen.

„Natürlich nicht", schnaubte Minho. „Ich weiß ja nicht, wie es bei euch abläuft, aber da wo ich herkomme, muss man sich in einem richtigen Kampf beweisen. Und der Gewinner bekommt alles." Fast schon samtig weich entmachteten Minhos Worte unseren Gegenüber. Doch ich wusste, dass sie viel ernster waren, als sie sich anhörten.

„Seid ihr überhaupt schon mal ein Rennen gefahren? Ihr seht eher aus, wie die typischen, verwöhnten Söhnchen eines Millionärs, die denken, sie könnten mit Papas Geld alles erreichen."

Minhos Blick fiel kurz auf mich, dann sah ich ein Schmunzeln um seine Mundwinkel spielen. Dann fixierte er wieder die Männer vor sich und ging nicht weiter auf die eindeutige Provokation ein.

„Ihr wollt doch sicherlich ein spannendes Rennen. Und wenn ihr euch doch sowieso sicher seid, dass ihr gegen uns gewinnt, wo ist dann euer Problem?" Er trat einige Schritte zur Seite und deutete auf seinen Wagen und dann auf die drei Autos, an denen die jungen Kerle lehnten. „Wenn ihr das Rennen gewinnt, dann überlassen wir euch dieses Prachtstück da drüben. Wenn wir gewinnen, dann nehmen wir uns den Respekt, das Preisgeld und diesen Wagen da." Dann deutete er auf einen weinroten Koenigsegg der wundervoll in der untergehenden Sonne glänzte.

Einer der jungen Männer, offenbar der Besitzer, lachte und strich sich dann überlegend übers Kinn. „Mein Baby wurde auf diesen Straßen noch nie geschlagen. Aber ich nehme dein Angebot an. Schließlich würde ich mir da gerade einen perfekt ausgestatteten Sonntagswagen entgehen lassen." Seine Augen sahen beinahe gierig zu unserem glänzend schwarzen Wagen, bevor er sich wieder direkt an Minho wandte und es einfach nicht lassen konnte, ihn weiter anzustacheln. 

„Sag mir Kleiner... hast du dieses Prachtstück schon jemals richtig auf Touren gebracht? Kannst du mit so viel Power überhaupt umgehen?" 

Seine Freunde kicherten und machten leise, zustimmende Kommentare. Ich hingegen war nun deutlich eingeschüchtert. Nicht von den Worten, sondern deren Wirkung und was Minho möglicherweise tun würde, sollten sie ihn doch beleidigt haben. Doch als ich das freche Grinsen meines Dämonen bemerkte und seine anschließenden Worte vernahm, stieg meine Zuversicht wieder.

„Oh, glaub mir... Ich kann dieses Schmuckstück händeln... ob du es könntest, darüber bin ich mir nicht sicher, aber Spaß beiseite. Haben wir einen Deal? Wenn ihr gewinnt, bekommt ihr meinen Wagen und wenn wir gewinnen, dann gehört diese Karosse und das Preisgeld uns?" Beinahe glaubte ich, seine Augen aufglimmen zu sehen, doch als ich genauer hinsah, waren sie wieder dunkelbraun und in Spiellaune geweitet.

„Deal. Wir fahren heute zu viert." Teilte der Sprecher der Gruppe uns nun fast seriös mit und spielte mit einem der Ringe an seinem Finger. „Normalerweise fahren wir allein, aber da ihr schon mal zu zweit hier seid, werden wir heute ausnahmsweise eine Runde mit Beifahrer machen. Dann haben wir alle unser spannendes Rennen. Macht es mir nur nicht zu einfach", witzelte der Typ und blickte kurz in die Runde. Einer seiner Kumpel stieß sich vom Wagen ab und murmelte: „Dann werde ich mal die Strecke vorbereiten und alle zusammentrommeln."

Während sein Kumpel also in der Menge verschwand, trat der Anführer der Gruppe direkt vor Minho und mich und hielt ihm dann die Hand hin, sodass sie einschlagen konnten und sich nochmal fest in die Augen sahen. Auch ich erkannte den Kampfgeist in dem Blick unseres Gegenübers und dennoch musste ich grinsen, da ich mir ziemlich sicher war, dass er gegen ein Wesen der Hölle verlieren würde. Mein unartiger Dämon würde ihm zeigen, dass niemand eine Chance gegen ihn hatte.

„Wir nehmen die Küstenstraße in Richtung Moss Beach. Wir starten ein wenig weiter oben, ihr könnt uns einfach folgen", meinte unser Gegner dann und drehte sich um, schnappte sich eines der Mädchen und ließ sie neben sich in den weinroten Sportwagen steigen.

Jetzt wurde es also ernst. Ich würde mein erstes Autorennen miterleben. Hautnahe und neben dem heißesten Jungen, den man sich vorstellen konnte. Mein Bauch kribbelte wieder angenehm, doch dann spürte ich eine sanfte Berührung an meinem Handrücken.

„Komm Jisung. Wir haben ein Rennen zu gewinnen." Der Ältere drehte sich bereits um und lief in Richtung unseres schwarzen Luxuswagens. Allein wenn man diesen näher betrachtete, konnte man erkennen, dass er Gewinnerpotential hatte und sich nicht so leicht schlagen ließ. Eilig folgte ich dem Braunhaarigen und war vollkommen verwundert, als er plötzlich vor dem Wagen stoppte, sich umdrehte und mir den Schlüssel zuwarf.

Geistesgegenwärtig fing ich diesen auf und blieb wie angewurzelt stehen. 

Wenn ich schon einige Überraschungsmomente am heutigen Tag hatte, aber dieser übertraf alles. Sein amüsiertes Zwinkern und sein lässiger Gang zur Beifahrerseite verwirrten mich nur noch mehr. Doch dann begriff ich endlich und ein gewisses Maß an Angst bemächtigte sich meines Verstandes.

Ich sollte fahren? Wollte er tatsächlich, dass ich dieses Rennen gegen die anderen antrat? Was dachte er sich nur dabei? Konnte ich das überhaupt? Verdammt. Das war gefährlich. Aber wollte ich mir diese Gelegenheit entgehen lassen?

Ganz sicher nicht.

Eisern schloss ich meine Finger um den Schlüssel in meiner Hand. Eine unglaubliche Aufregung flutete meinen Körper. Doch sie fühlte sich nicht unangenehm an. Sie ließ mich hibbelig werden und die Anspannung schien meine Entscheidung nur noch sicherer zu machen.

Ich wollte all das. Ich wollte den Nervenkitzel und die Geschwindigkeit.

Endlich gab ich mir einen Ruck und ging zur Fahrerseite, öffnete die Tür und stieg dann hinter das Lenkrad. Während ich meine Tür schloss, sah ich hinüber zu Minho, der vollkommen abgeklärt in seinem Sitz lehnte, sich nicht mal anschnallte und zu mir hinübergrinste.

„Du weißt schon, dass das vollkommen verrückt ist oder? Ich habe nicht so viel Übung, ich bin noch nie ein Rennen gefahren. Du wirst diesen Wagen wahrscheinlich verlieren." Meine Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden und plötzlich war ich wieder etwas unsicher. Ich konnte zwar ein Auto lenken, aber meine Erfahrung mit solchen harten Gegnern ging gegen null. Sie hatten bereits so viel Rennen bestritten und kannten sich hier aus. Und ich, ein blutiger Anfänger, wurde von einem Dämon auserkoren gegen sie anzutreten. Mit einem krassen Wetteinsatz, der wirklich auf Messers Schneide stand.

Auf einmal wurde ich ruckartig zur Seite gezogen und warme Lippen trafen hart auf meine. Ich keuchte überrascht auf und schon drängte sich Minhos Zunge zwischen meine Lippen. Der Kuss war herrisch und so heiß, dass ich beinahe in seinen Armen geschmolzen wäre. Doch so abrupt wie er begonnen hatte, so schnell löste er seine Lippen wieder von meinen. Nur um dann einen fast zärtlichen Kuss auf diese zu drücken.

„Das ist ein Aston Martin Victor, Jisung. Dieser Wagen beschleunigt von 0 auf 100 in gerade einmal 3,2 Sekunden. Der Topspeed liegt bei 356 Kilometer pro Stunde. Er wird dich quasi spielend zum Sieg fahren." Seine Augen glommen rötlich und voller Begierde. „Außerdem bin ich gleich neben dir. Es wird nichts passieren. Du schaffst das."

Sein Vertrauen in mich und diese knappe aber sehr ermutigende Ansage ließ mich nicken und mit einem Anflug von Stolz und Ehrfurcht wandte ich meinen Blick zum Armaturenbrett und dem Lenkrad. Meine Füße fanden wie von selbst das Gas und die Kupplung. Meine Hand schloss sich probehalber um den Schaltknüppel und ich atmete tief durch.

„Alles klar, wenn du es so willst, dann werde ich fahren." Voller Vorfreude legte ich mir den Gurt an und warf einen Blick zu ihm.

„Du bist ein braver Junge", schnurrte der dunkelhaarige Dämon und legte eine Hand auf meinem Oberschenkel ab. „Ich werde mich nicht anschnallen."

Kurz seufzte ich aber startete dann den Motor und konnte nicht glauben, dass ich dieses Monster gerade wirklich selbst bändigen sollte. Auf dem Fahrersitz zu sein, war ein vollkommen anderes Gefühl. Es war, als könnte ich nun den Wagen unter mir fühlen und würde eine Verbindung zu ihm herstellen. Langsam ließ ich die Kupplung kommen und gab behutsam Gas. Zu meiner unbändigen Freude regierte der Wagen sofort und rollte langsam an. Er war so feinfühlig, dass man das Gaspedal nur äußerst behutsam anstupsen musste und er wurde bereits schneller.

Also lenkte ich den Wagen vom Parkplatz und folgte dem roten Koenigsegg und einem silbergrauen Maserati. Als ich kurz in den Rückspiegel sah, erkannte ich einen weiteren, teuren Sportwagen, der wahrscheinlich ebenfalls am Rennen teilnahm und dann folgten noch einige andere Autos, die sicher das Spektakel nicht verpassen wollten.

Die Nervosität erreichte ein neues Level, als mir plötzlich noch etwas einfiel, während wie die Straße mit den vielen Kurven eher gemächlich entlangfuhren.

„Minho... ich habe doch keine Ahnung, wie man driftet oder wie ich lenken muss, um bei einer solchen Geschwindigkeit nicht in die nächste Leitplanke zu krachen. Vielleicht solltest doch lieber du fahren." Unsicher sah ich vor mir auf die Straße und kaute auf meiner Unterlippe.

„Dafür habe ich auch schon die perfekte Lösung mein Kätzchen." Minho klang äußerst zufrieden mit sich selbst und dann tippte er mir sanft gegen die Schläfe. „Ich habe dir das nötige Wissen bei unserem Kuss gerade übermittelt. Du wirst es im passenden Moment genauso einfach abrufen können, wie dein Wissen zum Schnürsenkel binden oder dem Bedienen einer Spielekonsole."

Ungläubig runzelte ich die Stirn und schnaubte. „Das... das ist doch unmöglich."

Unwirsch schnalzte Minho mit der Zunge und drückte meinen Oberschenkel etwas fester. „Zweifle nicht an meinen Fähigkeiten. Überzeuge dich lieber selbst davon."

Zögerlich stoppte ich unseren Wagen, als ein Mädchen in knappem Rock vor mir auftauchte und mir mit der Hand zu verstehen gab, dass dies die Startlinie sein würde. Die vier Fahrzeuge standen nun ein wenig versetzt. Ich war in der zweiten Reihe, genau neben dem vierten, dunkelblauen Ferrari und direkt hinter unserem stärksten Gegner, dem roten Koenigsegg.

Dann lehnte sich Minho erneut zu mir, drehte meinen Kopf zu sich und drückte seinen Mund gegen meinen. Für einige Sekunden bewegten sich unsere Lippen heiß und innig gegeneinander, bevor wir uns wieder lösten und ich mich gerade hinsetzte, die Hände fester um das Lenkrad schloss, meine Augen auf das Mädchen richtete, dass gerade die Startbahn betrat und eine Fahne schwenkte.

„Ich glaube an dich, Jisung."

Ein breites Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. Mein linker Fuß hob sich leicht von der Kupplung und hielt den richtigen Punkt. Eine Hand umschloss das Lenkrad fest, die andere lag an der Gangschaltung und mein rechter Fuß spielte mit dem Gas, sodass der Motor brüllte wie eine Raubkatze, die unbedingt einen Kampf bestreiten wollte.

Seine Worte ließen ein angenehmes Kribbeln neben dem schnellen Rauschen meines Blutes entstehen. Also summte ich leise und sah dann auch schon, wie das Mädchen die Fahne anhob.

Die Zeit schien stillzustehen. Die Luft vibrierte vom Dröhnen der Motoren und dann senkte sich die Flagge. 

Straight roads are for fast cars, turns are for fast drivers. - Colin McRae 

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Nur für die, die es interessiert wie das beschriebene Auto tatsächlich aussieht. Dieser Aston Martin ist tatsächlich ein Unikat, also es gibt ihn nur ein einziges Mal auf der Welt.

Ich bin zwar nicht sehr bewandert, was Autos angeht, aber dieses finde ich wirklich ziemlich heiß. 👀

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