Fliegen lernen
Triggerwarnung: Akrophobie (Höhenangst)
----------
Felix Pov:
Ich verlor den Halt, tastete noch panisch nach Changbins Händen, aber sie waren schon unerreichbar und gemeinsam mit dem kalten Wasser stürzte ich in die Tiefe.
Schon spürte ich die ersten Tropfen des Wassers. Noch immer blickte ich zu Changbins Gesicht empor. Der Dämon stand leicht nach vorn gebeugt auf dem Plateau und sah mir emotionslos nach. Seine Augen schienen mich zu verhöhnen so hell glommen sie in der sternenklaren Nacht.
Er hatte mich hinabgestoßen. Kurz wurde meine Brust eng und nicht nur die Panik griff nach mir, sondern auch die ernüchternde Erkenntnis, dass er mich mutwillig und ohne Skrupel opferte.
Keine Rücksicht. Keine Zuneigung. Nichts. Ich war ihm gleichgültig... mein Tod war ihm gleichgültig.
Das Gefühl der Leere wurde nur von den eisigen Wassertropfen verdrängt, die auf mich niederprasselten und mich gefühlt noch schneller in die Tiefe drückten. Sie bedeckten meine Haut, durchnässten meine dünne Kleidung. Und immer noch fiel ich. Ich fühlte mich schwerelos und dennoch ebenso hoffnungslos.
Ich würde sterben. Changbin hatte mich geopfert. Ich würde in wenigen Sekunden auf einem Felsen oder dem Boden auftreffen und den Aufprall schlicht und einfach nicht überleben. Ich konnte nichts dagegen tun.
Meine Augen schlossen sich wie von selbst und mein letzter Gedanke galt Changbin. Dem Dämon, dem ich all mein Vertrauen geschenkt hatte. Den ich gelernt hatte zu lieben.
So hatte es wohl kommen müssen. Mein himmlisches Wesen hatte mich vor ihm gewarnt und dennoch war ich bei ihm geblieben. Ich hatte es nicht anders verdient. Nun sollte ich nur noch darauf hoffen, dass es schnell vorbei sein würde.
Plötzlich riss ich meine Augen auf und dann flutete das vertraute Gefühl von Wärme und unbändiger Kraft meinen Körper. Alles um mich herum schien stillzustehen. Ein Ruck ging durch meinen Körper und ich fiel nicht länger ins Bodenlose. Viel eher schien ich in der Luft zu hängen, während die Wassertropfen nur noch sanft wie ein Sommerregen auf meine Haut prallten.
Doch da war noch mehr. Sie trafen auch auf einen Teil meines Körpers, der sich seltsam neu anfühlte. Beinahe ungläubig drehte ich meinen Kopf nach links und sog die Luft ein, als ich strahlend weiße Federn sah, die sich majestätisch aufspannten und mich trugen. Die Federn wurden zu meinem Rumpf hin immer dichter.
Ich hatte tatsächlich Flügel.
Unsicher was ich nun tun sollte, knickte ich die linke Schwinge ein, wollte sie schon berühren, doch merkte in dem Moment, dass ich mich nun auch in diese Richtung neigte und langsam tiefer sank. Eilig spreizte ich das herrlich weiße Gefieder wieder und sogleich hielt es mich gerade in der Luft.
Fasziniert und auch sehr vorsichtig wiederholte ich das gerade Erprobte mit dem rechten Flügel und sank nun in die andere Richtung ab. Nachdem ich prüfend zu Boden geblickt hatte, zog ich beide Flügel näher an den Körper und neigte mich nach vorn. Sogleich ging ich in einen zügigen Sinkflug über und ich spannte meine Schwingen wieder auf, um mich jetzt fast schon sicher gleiten zu lassen.
Nun stieß ich auch endlich die angehaltene Luft aus und war erleichtert, dass mich meine himmlische Seite nicht im Stich gelassen hatte. Sie hatte mich gerettet und genau im richtigen Augenblick für mich gehandelt.
Schließlich reckte ich meine Fittiche wieder empor und versuchte sie so zu bewegen, dass ich mit ihnen in den Himmel aufsteigen konnte. Zunächst flatterte ich ein wenig unbeholfen nach oben, aber schnell verstand ich in welchem Winkel ich sie halten musste.
Mit einem kraftvollen Flügelschlag wollte ich mich höher tragen lassen und merkte jetzt erst, wie schnell ich wirklich war. Der Wind trocknete das Wasser und ich schoss wie ein Pfeil an den Felswänden empor. Ich achtete dabei darauf, nicht mitten in den Wasserstrahl zu fliegen, da ich nicht wusste wie viel meine Federn aushielten. Doch nach einem letzten heftigen Schlag meiner neu erworbenen Schwingen schoss ich über den Rand des Plateaus hinaus und legte die Flügel an, um dicht vor Changbin auf dem Boden aufzusetzen. Dieser stand immer noch nahe an der Kante und hatte meinen Weg zurück zu ihm mit einem genugtuenden Lächeln verfolgt.
Etwas wackelig kam ich vor ihm zum Stehen und versuchte meine Fittiche rasch auf dem Rücken zu falten, sodass der Wind sie nicht wieder auseinanderziehen konnte.
„Was sollte das? Wolltest du mich umbringen?!" Schrie ich ihn diesmal empört an und sah bebend vor Zorn in seine weißen Augen.
Doch er lachte nur leise und schritt auf mich zu.
„Würde ich dich umbringen wollen, hätte ich es sicher geschickter angestellt. Aber du kannst dich auch später bedanken. Immerhin kannst du jetzt deine Flügelchen benutzten."
Nun blieb er direkt vor mir stehen und ich wusste nicht, ob ich ihm eine verpassen sollte oder doch lieber nichts sagte. Doch der Schmerz des Verrats steckte noch tief in meinen Knochen und ich funkelte ihn wütend an.
„Du willst mir also erzählen, du hast das nur getan, damit meine Flügel erscheinen?! Was hättest du getan, wenn sie nicht aufgetaucht wären?! Mich sterben lassen?" Selbst in meiner Stimme konnte man die Bitterkeit hören.
„Jetzt beruhige dich doch mal. Erstens hätte ich dich immer noch retten können und zweitens muss man eben manchmal ein Risiko eingehen, um an Ziel zu gelangen. Wenn du nicht bereit bis, auch Schmerz und Leid zu erdulden wirst du nicht weit kommen Felix."
Ich schnaubte unwillig und wollte mich gerade ein Stück von ihm wegdrehen, als er seine Hand ausstreckte und dann über die schneeweißen Federn strich.
Es war eine vollkommen neue Empfindung, doch ich spürte sie so intensiv, dass es mich fast schon zum Erschaudern brachte. Geschickt streichelte der Dämon meine Federn und trat mit zwei schnellen Schritten hinter mich. Dort packte er Schwingen sanft und zog sie leicht auseinander, er betrachtete sie genau und was er da tat, fühlte sich auf eine seltsame Art intim an.
Kurz versuchte ich meine Schwingen zurückzuziehen, doch kam nicht weit, da er sie bestimmt packte und dann eine Stelle knapp vor dem Übergang zu meinen Schulterblättern sanft krauelte.
Ungewollt spreizte sich jede Feder in Zufriedenheit und Genuss. Ohne etwas dagegen zu tun, öffnete ich meine Flügel vollständig und versuchte mich auf dem Boden zu halten. Der Wind wollte an ihnen ziehen, mich in die Höhe tragen, doch ich winkelte sie anders an und brummte dann leicht verstimmt.
„Was genau tust du da?" Es verwirrte mich und ich wollte ihm sagen, dass er aufhören sollte. Andererseits wollte ich, dass er weitermachte. So eine blöde Situation.
Und als er es nicht für nötig empfand mir zu antworten, entschied ich mich, es nicht länger zu akzeptieren. Ich legte die Flügel an und wirbelte herum, bevor ich instinktiv eine Schwinge hob und ihm diese mit einem kräftigen Seitenhieb überziehen wollte. Aber Changbin lehnte sich geschickt zur Seite und wich zurück.
„Ich wollte nur sehen wie stark sie sind." Ein vergnügtes Glitzern trat in seine Augen, bevor er plötzlich nach vorn schnellte und mich tatsächlich angriff. Gut, es war viel mehr ein spielerischer Angriff, denn er versuchte nur meine Flügel zu packen und sie festzuhalten. Ich jedoch stellte sie drohend auf und schlug kräftig mit ihnen, um eine Druckwelle zu erzeugen, ähnlich wie ich es bei meinem Vater einmal bei unseren Kämpfen gesehen hatte. Jedoch konnte Changbin mit einer geschickten Drehung ausweichen und frech wie er war, zog er kurz an einer der Federn, was unangenehm ziepte.
Frustriert schlug ich mit den Flügeln, stieg einige Meter in die Luft und blickte nun auf den Schwarzhaarigen hinab, der mich nicht aus den Augen ließ.
Nun glaube ich immerhin außerhalb seiner Reichweite zu sein und schwebte über ihm in der Luft. Ich verschränkte die Arme und fragte dann verbissen.
„Sag mir Dämon... hast du auch nur für eine Sekunde darüber nachgedacht, dass ich hätte sterben können? Oder wäre das für dich sogar ein netter Nebeneffekt gewesen?"
Changbin legte den Kopf in den Nacken und lachte. Dann breitete er die Arme aus, als wolle er mich auffangen, doch dann zuckte er nur kurz mit ihnen.
„Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich wusste, dass du fliegen kannst? Wenn nicht, dann ist diese Diskussion mehr als sinnbefreit."
„Woher hättest du das denn wissen sollen?", fauchte ich ihn an, bevor er noch mehr sagen konnte. Meine Federn spreizten sich wieder und die aufkeimende Wut ließ sie fast schon bitzeln. „Du bist ein Dämon, woher solltest du wissen, ob ich, ein Naphil, bereit dazu bin?"
Changbins Lippen kräuselten sich noch immer, seine Augen wurden heller und sahen beinahe spottend zu mir auf. Er fand es wohl amüsant, wie ich mich benahm, während seine Reaktion nur noch weiter den Frust in mir schürte.
„Wenn du wüsstest, kleiner Engel", sprach er ernst und selbstsicher. Dann trat er einige Schritte zurück, schien die Entfernung zu mir abzuschätzen und mit einem nun wieder gewinnenden Lächeln fragte er. „Willst du wieder runterkommen oder muss ich dich erst fangen."
Ich schnaubte belustigt, stieg noch etwas höher und verhöhnte ihn mit einem Blick. Wenn er sich schon dachte, dass er mich so leicht zum Einlenken brachte und meine Fähigkeiten unterschätzte, sollte ich ihn wohl eines Besseren belehren. Ich war nun gute fünf Meter über dem Boden und fühlte mich mehr als sicher. Auch mit meinen Flügeln kam ich erstaunlich schnell klar, es war wirklich so, als wären sie schon immer da gewesen.
„Vergiss es. Ich werde dich nicht so schnell wieder nahe an mich heranlassen", prophezeite ich ihm und beobachtete voller Zufriedenheit, wie Changbin nun scheinbar resigniert den Kopf senkte.
Doch es war die nächste Bewegung, die mich erstaunte. Der Dämon ließ sich mit einem Knie auf den Boden nieder, stütze eine Hand leicht auf und schien auf den passenden Moment zu warten. Ich stellte neugierig meine Flügel weiter auf, schraubte mich noch höher und versuchte schlau daraus zu werden, was der Dunkelhaarige da genau vorhatte.
Dann begegneten mir die zwei schimmernden, weißen Augen. Sie bohrten sich in meine, während der Dämon sprach. „Du willst also spielen. Wie schön."
„Du wirst nicht sterben. Du bist ein Engel, und Engel sterben nicht." — Anna Gavalda
-------------
Diese Szene als Changbin Felix von der Klippe schupst, die habe ich als eine der ersten Szenen zu diesem Pärchen geschrieben und wisst ihr wie krass der Moment für mich war, als dann der Main Trailer zu Oddinary herauskam und Hyunjin dort Felix aus dem Auszug stößt? Genau so hat sich diese Szene für mich hier angefühlt und ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich den Trailer sehe.
Seid mir bitte nicht böse aber ich schaffe es heute nur dieses eine Kapitel hochzuladen. Ich habe gestern meine letzten beiden Hausarbeiten abgegeben und muss jetzt erstmal wieder runterkommen. Die letzten Wochen liefen nur so geregelt, weil ich viel vorher korrigiert hatte... aber jetzt ist mein Puffer langsam erschöpft. Außerdem fängt für mich ab nächster Woche die Uni wieder an, also weiß ich noch nicht, inwieweit ich es dann noch schaffe, Montags und Freitags zu updaten. Auch für unsere Party habe ich noch nichts weiter tun können, aber ich werde mich in den nächsten Tagen damit befassen.
I love you Stay. 💖
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top