Eigene Entscheidungen
Triggerwarnung: psychischer Missbrauch, Beleidigungen, Selbstzweifel, Minderwertigkeitskomplex
Seungmins Pov:
Ich streckte mich und wollte gerade vom Bett aufstehen, um Berry zu füttern, doch plötzlich höre ich das Zufallen der Haustür und die entschlossenen Schritte meiner Mutter, die offenbar in die Küche ging. Zumindest hört es sich so an, als würden ihre Pfennigabsätze diese Richtung einschlagen.
Besorgt sah ich zu meiner Tür, dann zurück zu Berry, der seinen Kopf kurz hob und anschließend mit dem Schweif wedelte, als wolle er mich aufmuntern. Mit einem leisen Seufzen erhob ich mich und sprach mir selbst Mut zu. Schließlich konnte ich mich nicht ständig zurückziehen, wenn meine Eltern im Haus waren. Ich tat mein bestes, um ihre Streitereien zu vermeiden und sie nicht zu nahe an mich heranzulassen. Aber so konnte ich das nicht ewig machen. Deshalb beschloss ich, einfach mutig zu sein und meine Mutter zu begrüßen, immerhin hatte sie die letzten beiden Tage nicht hier verbracht. Vielleicht war ihre Laune nach einer kleinen Auszeit wieder besser und sie hatte entschieden, zurückzukommen.
Also tapste ich in Richtung Küche, wohlwissend dass mir Berry auf dem Fuß folgte und mir mehr Sicherheit gab als sonst jemand. Dann spähte ich um die Ecke und erkannte, wie meine Mutter an der Küchentheke stand und in ihrer Handtasche nach etwas suchte. Schließlich zog sie einen Stapel Papiere hervor.
„Guten Morgen, Mama." Sie drehte sich ruckartig um, so als hätte ich sie erschreckt, aber schnell hatte sie sich gefangen und blickte mir kühl entgegen.
„Hallo Seungmin, ich wollte deinem Vater das hier dalassen." Sie tippte mit dem Finger auf den Stapel Papiere. „Geh sicher, dass er sie unterschreibt und an meinen Anwalt zurückschickt."
Die Angst kroch mir bei ihren Worten den Rücken hinauf und mit brüchiger Stimme fragte ich nach. „Was ist das?"
Sie schnaubte und blickte auf mich herab. „Die Scheidungspapiere, was sonst? Glaubst du, ich will noch mehr Zeit hier verschwenden?"
Ich zuckte zusammen und bemühte mich krampfhaft, all die negativen Empfindungen dieses Augenblicks zu verarbeiten. Es tat so weh. Auch wenn meine Eltern nie das beste Verhältnis hatten, war diese Endgültigkeit ein Schlag ins Gesicht. Ohne dass ich mich darauf wirklich hätte vorbereiten können, stürzte auf einmal der Rest meiner heilen Welt in sich zusammen und ich konnte nur zusehen. Ungläubig starrte ich sie an.
Warum hatte ich diese Drohung nicht gleich beim ersten Mal ernst genommen? Würde es mich dann jetzt genauso im Inneren zerreißen oder wäre es erträglicher?
„Das-das meinst du nicht ernst, oder?", hauchte ich und versuchte mich zitternd an der Küchenanrichte festzuklammern.
„Tu nicht so überrascht. Dein Vater ist ein Narzisst und ich werde keinen Tag länger in diesem Haus verbringen... Ich habe etwas Besseres verdient. Und du, dir scheint es auch egal zu sein, was um dich herum passiert", giftete sie mich unvermittelt an und meine Kehle schnürte sich zu. Vergebens versuchte ich, die Tränen zurückzuhalten, aber sie liefen schon über meine Wangen.
„Hast du jemals an meine Gefühle gedacht, Mutter?", brachte ich zwischen zwei Schluchzern hervor, doch natürlich ging sie darauf nicht ein. Nein, sie wischte meine schwachen Gegenargumente wie immer mit einer knappen Handbewegung und einem kalten Blick weg. Mir war klar, dass sie auf ihrem Standpunkt beharren wollte, dass sie nur auf sich bedacht war und mich absolut nicht verstehen konnte und wollte.
Sie schnaubte nochmal abfällig und klatschte die Papiere mit mehr Nachdruck auf den Küchentisch. „Weist du was, Seungmin... Es ist an der Zeit, dass du für dich selbst einstehst. Niemand wird dich ernst nehmen, wenn du dich jedes Mal aufführst wie ein kleines Kind. Und wenn du Streit immer aus dem Weg gehst, wird es dich nicht davor bewahren. Werde endlich erwachsen."
Dann betrachtete sie ihre langen manikürten Fingernägel, so als hätte sie nicht gerade ihr eigenes Kind in den Boden gestampft, während sich in mir das vertraute und gleichzeitig so verhasste Gefühl von Machtlosigkeit und Unterlegenheit ausbreitete. Meine Empfindungen wollten mich momentan zu Boden zwingen und es frustrierte mich, dass ich es nicht einmal schaffte, ihr zu widersprechen. Ich schluchzte laut und hoffte, dass sie es bei dieser Demütigung belassen würde. Aber natürlich verschonte sie mich nicht und bei ihrem nächsten Satz wimmerte ich verzweifelt und presste mir die Hände auf die Ohren.
„Du wirst bei deinem Vater bleiben, ich will das Sorgerecht für dich ganz sicher nicht. Du warst der Grund, warum ich überhaupt so lange geblieben bin und jetzt stelle ich fest, dass du diese Mühe nie wert warst."
„Nein, nein, hör auf", brachte ich undeutlich hervor und schüttelte kräftig den Kopf, so als würde das die schrecklichen Worte ungesagt machen. „Bitte nicht." Selbst Berry schien nicht zu wissen, was er tun sollte, er winselte leise und drückte sich beruhigend gegen mein Bein.
„Was ist hier los?" Mein Vater betrat die Küche, während ich mich kraftlos an der Anrichte hinabsinken ließ und zitternd und weinend auf dem Boden hockte.
„Was soll das alles?" Der herrische Tonfall machte deutlich, wie wütend nun auch mein Vater war und schon befand ich mich mitten in einem Streit, den ich nie hatte erleben wollen.
Meine Mutter erhob ebenfalls die Stimme. „Du wirst mir die Scheidungspapiere unterschreiben und dann musst du mich nie wiedersehen. Seungmin wird bei dir bleiben. Ich will absolut nichts mehr mit euch zu tun haben."
Wieder erzitterte ich unter der Kälte ihrer Worte und schlang die Arme schützend um meine Knie. Berry sprang an mir hoch, versuchte mein Gesicht abzulecken, doch ich war wie gelähmt und ließ den Kopf hängen.
Ich hatte es schon immer gewusst, sie waren nicht fähig mit einem Kind umzugehen. Sie konnten mich gar nicht gernhaben.
„Die Scheidungspapiere unterschreibe ich dir, aber warum soll ich ihn nehmen? Allerdings passt es zu dir... du warst schon immer eine geldgierige Hure. Du wolltest mein Geld und dir damit einen entspannten Lebensabend machen, weil du selbst nichts auf die Reihe bekommst."
Ich ertrug es nicht. Erneut presste ich meine Hände auf die Ohren.
„Hört auf. Hört endlich auf", flehte ich die beiden an und drückte Berry schutzsuchend an mich.
Meine Mutter schien nicht mal im Traum daran zu denken. „Siehst du, er ist genauso ein Versager wie du. Zu dir passt er viel besser. Und es ist mir scheißegal, ob es dir recht ist oder nicht. Ich will ihn nicht."
„Du bist eine undankbare boshafte Schlampe. Ich kann mir ja nicht einmal sicher sein, dass er mein Sohn ist, bei den ganzen Männern, die du hinter meinem Rücken gevögelt hast. Glaubst du ernsthaft, ich würde mich um ihn kümmern?"
Mein ganzer Körper brannte vor Scham und Demütigung. Ich hatte in einem Augenblick alles verloren. Meine Eltern, mein Zuhause... den Rest Normalität. Momentan fühlte sich dieser Verlust sogar schlimmer an als die Verletzungen durch Christian. Es war wahrhaft unerträglich.
Ich wollte nicht hier sein. Ich wollte weg, alles hinter mir lassen und diesen Menschen entkommen, die mich weder akzeptierten noch mochten. Sogar die Straße wäre besser als das hier. Doch ich konnte einfach nichts tun. Ich war wie versteinert. Ich schaffte es nicht einmal mich aufzurichten, um die Küche zu verlassen. Alles fühlte sich taub an – sinnlos und unnötig. Meine Kraft war aufgezehrt. Sie schwand mit jedem bösen Wort weiter, minderte sich mit jedem abfälligen Blick.
„Seungmin."
Zunächst glaubte ich, mich verhört zu haben. Die Stimme kam mir wie ein fernes Echo vor, aber als meine Eltern in ihrem Streit plötzlich verstummten, sah ich auf. Ich blinzelte gegen die Tränen an und schluchzte erneut. Hilfesuchend streckte ich nun meine Arme demjenigen entgegen, der meinen Namen so ruhig gesprochen hatte. Sogleich wurde ich vorsichtig auf die Beine gezogen und im nächsten Augenblick konnte ich mich in vertraute schützende Arme sinken lassen, die sich fest um meinen Rücken schlangen und mich sicher hielten.
„Entschuldigen Sie, wie sind Sie hier hereingekommen?", fragte meine Mutter hochnäsig.
„Durch die Haustür."
Zittrig krallte ich meine Finger in das schwarze Hemd vor mir, spürte die starke Wärme des Körpers, an den ich mich so verzweifelt presste. Ich wusste, dass ich mich eigentlich vor der Situation fürchten müsste, doch stattdessen schmiegte ich mich erschöpft und irgendwie erleichtert an die Schulter meines Retters.
„Und was genau haben Sie mit Seungmin zu tun? Es ist schon unverschämt genug, dass Sie einfach so ungebeten dieses Haus betreten. Wir kennen Sie nicht einmal und-"
„Was Sie von mir halten, ist mir vollkommen gleichgültig. Und ich weiß genug über Sie, um zu sagen, dass es mir keine Freude ist Sie kennenzulernen."
Eine Hand legte sich besitzergreifend um meine Schultern und dann wurde ich zur Seite gedreht, als die High Heels meiner Mutter auf dem Boden widerhallten und man am Klang hörte, dass sie näherkam. Doch als auch noch ein leises Knurren ertönte, verstummten die Schritte. Zusätzlich zu den starken Armen, die mich aufrecht hielten, spürte ich jetzt auch noch Berry's weiches Fell an meinem Bein kitzeln.
„Ist das etwa Ihr Köter, den Seungmin da aufgenommen hat? Ich sage es Ihnen nur einmal. Nehmen Sie dieses Vieh mit und lassen Sie sich hier nie wieder blicken, das ist nicht Ihre Angelegenheit."
Selbst ich versteifte mich leicht und umarmte Chan nur noch fester. Ich wusste nicht, wie er darauf reagieren würde, wenn man sein Haustier beleidigte. Immerhin hatte ja schon Christian festgestellt, wie wichtig ihm seine Hunde waren... oder in diesem Fall ein echter Wolf.
„Berry, das nächste Mal wenn sie dich einen Köter nennen oder dich beleidigen, erlaube ich dir, sie zu fressen."
Ein tiefes Knurren ertönte, bevor Berry zustimmend bellte und sich schon einmal vor mir in Sprungposition brachte. Bei diesem kleinen Hund sah es für Nichtwissende wohl kaum bedrohlich aus, aber ich wusste gleich, dass es keine leeren Worte waren.
„So spricht man Drohungen aus." Chan hatte sich wieder an meine Eltern gewandt, deren Mimik ich leider nicht verfolgen konnte, da ich mich nicht stark genug fühlte, um ihnen ins Gesicht zu sehen. „Ich hoffe, Sie erkennen den Unterschied und lassen es nicht darauf ankommen. Ich würde ungern die biologischen Erzeuger meines Menschen richten wollen, doch wenn Sie weiterhin so schrecklich arrogant über ihn herziehen, wird es für mich kein Zögern geben."
Mein Herz zog sich zusammen und ich hob den Kopf, um Chan anzusehen.
„Channie- nicht... Ich-Ich will einfach nur hier weg." Ich holte tief Luft und starrte in seine braunen Augen. Fast überraschte es mich, dass sie nicht grellgelb glänzten und seinen Worten die nötige Kraft verliehen. Aber selbst ohne seine dämonische Aura hatte ich nicht an seiner Aussage gezweifelt.
Nun strich er mir kurz durchs Haar, musterte mich eindringlich und lehnte sich über mich. Seine Hand verharrte an meiner Wange und stellte sicher, dass ich ihn ansah, während er sprach.
„Du solltest für jedes Wort, für jede Demütigung deines Lebens Vergeltung üben. Fang an zu leben, Seungmin. Wenn du gehört werden willst und Gerechtigkeit möchtest, dann fordere sie ein."
„Was zum Teufel reden Sie da?" Die schrille Stimme meiner Mutter unterbrach Chan und dieser blickte verstimmt zu ihr. „Sie wollen uns drohen? Wie können Sie es wagen!"
Ein beängstigendes Lächeln legte sich um Chans Mundwinkel und er hob eine Augenbraue.
„Wie ich es wagen kann? Ich kann alles wagen. Im Gegensatz zu Ihnen zögere ich keine Sekunde, meine wahren Absichten zu zeigen. Ich habe Ihnen gesagt, was Sie von mir erwarten können. Sie hingegen können nichts als stumpfsinnige Halbwahrheiten hervorbringen."
Ich stand noch immer etwas verloren neben dem Dämon. Ich war ihm unglaublich dankbar, denn ich fühlte die Stärke hinter seinen Worten und auch den Willen, seiner Anweisung zu folgen und mich endlich für mich selbst zu entscheiden. Und auch wenn ich dafür Opfer bringen musste, sollte es so sein. Einmal in meinem Leben wollte ich wirklich mutig sein.
Mit einem zart wärmenden Gefühl im Herzen löste ich meine verkrampften Hände von Chans Oberarm und seiner Schulter, dafür drehte ich mich um und erkannte die immer noch schockierten und verwirrten Gesichtszüge meiner Eltern. Bevor ich jedoch zu ihnen sprach, wandte ich mich zu meinem Dämon, streckte mich und küsste seine Lippen. Mir war es vollkommen gleichgültig, ob mich diese beiden Menschen dafür verurteilen würden. Alles was ich im Moment brauchte war Chan. Seine Lippen empfingen meine mit einer Intensität, die den letzten Zweifel beseitigte. Das hier war richtig.
Dann wandte ich mich an meine Eltern – wenn ich sie überhaupt noch so nennen sollte.
„Eigentlich habe ich nicht mehr viel zu sagen. Ich habe mir so häufig überlegt, wie ich euch erklären soll, wie schlecht es mir mit euren Streitereien geht und welchen seelischen Schaden sie in mir verursacht haben. Ich wollte mir so viel Mühe geben, dass ihr versteht; dass ihr erkennt, was eure unbedachten Aussagen in einem Kind anrichten. Häufig dachte ich, ich bin das Problem... Und vielleicht bin ich ein Teil des Problems, allerdings bin ich mir heute sicher, dass es nicht meine Aufgabe ist, euch zu sagen, was ihr falsch macht oder wie sehr ihr euch selbst zerstört. Mir tut es leid, dass ich nichts dagegen tun konnte, aber ich bin auch froh, dass ihr mir gezeigt habt, wie wenig ich mich auf euch verlassen kann. Dank euch kann ich jetzt endlich gehen und muss mich nicht schlecht fühlen." Ich atmete tief durch und dennoch stiegen ein paar Tränen in meine Augen und eine einzige kullerte meine Wange hinab.
„Ich werde keinen Tag länger hierbleiben. Es ist genug... Ihr hättet nie ein Kind bekommen sollen und betrachtet es ab heute so, als hättet ihr keins." Mein letzter Satz war eher zittrig über meine Lippen gekommen, doch endlich konnte ich mich abwenden. Eilig verließ ich die Küche und konnte gar nicht schnell genug in mein Zimmer gelangen. Dort schnappte ich mir die wichtigsten Kleidungsstücke, stopfte sie in meinen Rucksack und versuchte zu entscheiden, was ich noch alles dringend brauchte.
„Wo genau willst du mit den Sachen hin?", fragte Chan vollkommen ruhig und ich drehte mich um, nur um ihn im Türrahmen stehend vorzufinden.
Zunächst zuckte ich nur mit den Schultern, überlegte einige Sekunden und seufzte anschließend. „Vielleicht zu Jisung. Er wird mich sicher für einige Tage aufnehmen. Er-"
Plötzlich stand Chan direkt vor mir und drückte seinen Zeigefinger sanft gegen meine Lippen. „Ich hätte da eine bessere Idee."
Fragend sah ich zu ihm auf und wartete auf seine Antwort. Etwas in mir kribbelte vor Nervosität und als er es dann wirklich aussprach, setzte mein Herz kurz aus.
„Was hältst du von einem Aufenthalt in der Hölle?"
„Die beste Waffe des Teufels ist der Glaube der Menschen, es gebe keine Möglichkeit, ihn loszuwerden, außer indem sie ihm nachgeben." — Clive Staples Lewis
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So ihr musstet lang genug darauf warten, aber ich habe endlich ein bisschen mehr Zeit und würde mich unglaublich freuen, wenn wir mal wieder eine Discordparty starten. Zur Auswahl stehen folgende Termine, immer gegen Abend ca. ab 19 Uhr:
29.04.
30.04.
06.05.
oder 07.05.
Ihr könnt ja gern mal sagen, welches Datum euch passen würde und dann kann ich entscheiden, wann die meisten von euch Zeit haben.
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