Düstere Erinnerungen
AN: Wir machen wieder einen kleinen Zeitsprung zurück und erfahren, was Seungmin nach all den neuen Informationen nun denkt.
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Seungmins Pov:
Ich war tatsächlich schwer getroffen von all den Erkenntnissen. Es machte mich doch irgendwie traurig, dass ich so benutzt worden war und alles, an was ich noch geglaubt hatte, all die Liebe und die Hoffnung auf eine gemeinsame, glückliche Zukunft mit einem netten Jungen schien irgendwie zu verblassen. Sie schien abwegig und völlig überbewertet.
Wahrscheinlich hatte ich einfach eine viel zu bilderbuchhafte Vorstellung von meinem weiteren Leben. Es gab nicht die eine wahre, perfekte Liebe, keine strahlende und makellose Zukunft. Das sollte mir klar sein. Und gerade war es das sogar. Mehr als klar. Denn gerade war meine Zukunft schwarz.
Ich war jetzt an einen Dämon gebunden, der mich -den Worten der anderen nach- für immer in seiner Gewalt hatte. Er mochte zwar gut aussehen und verdammt gut im Bett sein, doch das tröstete mich nicht über die Tatsache hinweg, dass auch er mich schon ausgenutzt hatte, dass er mich nur für seine Befriedigung brauchte und sicher keine tiefere Bindung zu mir aufbauen wollte. Das wäre ja auch wirklich absurd. Ein Dämon, der sich mit einem Menschen einlassen wollte. Was für eine Lachnummer.
Mit langsamen, fast zögernden Schritten ging ich auf mein Elternhaus zu und mit jedem Meter wurde meine Ablehnung gegen alles größer. Ich fühlte mich seltsam machtlos und unterlegen. Es passte mir ganz und gar nicht, dass mich jemand auf diese Art benutzte, mich noch nicht mal wirklich lang kannte und mir dennoch auf eine Art und Weise wehtun konnte, dass ich am liebsten weinen würde. Mit jedem noch so kleinen Schritt wurde mein Herz schwerer und ich hasste mich selbst für meine Verletzlichkeit.
Vielleicht lag das aber auch einfach an meiner Art. Ich nahm vieles schnell zu wörtlich und war dann noch schneller enttäuscht oder wütend. Oder rührten meine schrecklich kindlichen Vorstellungen zur Liebe und Partnerschaft daher, dass ich sie selbst nie wirklich erfahren hatte?
Meine Eltern waren dahingehend wohl das schlechteste Beispiel, was man überhaupt finden konnte. Ihre Ehe bestand wohl tatsächlich nur noch auf dem Papier und keine Paartherapie noch der Umzug hierher hatte irgendwas an ihren erloschenen Gefühlen wieder bereinigt. Doch sie hatten vor fünf Jahren ja darauf bestanden, aus Korea hierher in die Vereinigten Staaten zu ziehen. Sie hatten schon damals nur an sich selbst gedacht und mich ohne großes Mitspracherecht in einen völlig fremden Kulturkreis geschleppt und gesagt, dass wir jetzt hier unser neues Leben anfangen. Sie hatten diesen Neuanfang damit entschuldigt, dass sie hier bessere Jobs hätten und dementsprechend mehr Geld verdienen würden aber für mich war schon damals klar, dass es ihr letzter Versuch war, ihre Ehe zu retten. Und wohl oder übel war ich der Leidtragende. Ich hatte mich hier zurechtfinden müssen, mit einer Sprache, die ich noch immer nicht perfekt beherrschte, mit Gepflogenheiten, die mir teilweise ziemlich suspekt waren und mit vielen neuen Menschen, die glaubten, sie könnten mich verstehen. Aber das konnten sie nicht. Niemand konnte das. Vor allem nicht in diesem Moment.
Gefangen in meinen düsteren Gedanken und dem bitteren Gefühl, dass mich bei diesem Thema immer überkam, tapste ich die Straße entlang und näherte mich meinem Elternhaus. Nach weiteren fünfzehn oder zwanzig Metern jedoch, blieb ich abrupt stehen und schüttelte unwillig den Kopf.
Ich konnte jetzt nicht nach Hause. Es fühlte sich falsch an, in das Zimmer zurückzukehren, in dem ich vor nicht mehr als einem Tag Sex mit einem Wesen der Unterwelt hatte.
Die nächste Frage war, wo sollte ich sonst hin? Es war ja nicht so, als hätte ich viele Auswahlmöglichkeiten. Aber ich entschied mich für die einfachste Variante. Eine nahegelegene Wiese kam mir in den Sinn, die direkt hinter der Siedlung vor dem Wald lag. Jetzt im Sommer weideten zwar sicher ein paar Schafe oder auch Kühe dort, aber vielleicht fand ich ja noch einen Fleck, auf dem ich einfach sitzen und nachgrübeln konnte.
Mir war bewusst, dass ich damit das Risiko einging, nachher wahnsinnigen Ärger von meinen Eltern zu bekommen. Deshalb schrieb ich eine kurze Nachricht und sagte, dass ich noch eine Weile bei Jisung sein würde. Ich hoffte, das würden sie als Ausrede gelten lassen und dann fackelte ich nicht lange und machte mich auf den Weg zur großen Wiese.
Es wurde schon langsam kühler und die Dämmerung brach herein. Dennoch zirpten die Grillen und der milde Wind bot einen angenehmen Kontrast zu dem sonst so warmen Sommertag. Das wogende Grün der Wiese und der süße Duft der Blumen hätte mich an jedem anderen Tag zumindest beruhigt oder mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Doch heute geschah nichts von alledem. Ich lief geradewegs auf einen kleinen Hügel zu und ließ mich an dessen Hang nieder. Wie um mich zu schützen, winkelte ich meine Beine an und schlang meine Arme darum. Schwerfällig ließ ich meine Stirn auf die Knie sinken und seufzte.
Das war wirklich zu viel auf einmal. Mein Kopf sprang von einem Gedanken zum nächsten.
War das eine einmalige Sache gewesen? Würde er sich jetzt von mir fernhalten? Wäre das nicht sogar besser für mich? Aber nein. Er war an mich gebunden... Sicher hatte er nur testen wollen, wie gut ich bin. Er wollte nur wissen, ob ich etwas tauge und jetzt wird er sicherlich festgestellt haben, dass ich nicht gut genug bin.
Ein paar Tränen stahlen sich aus meinen Augen und ganz langsam tropfen sie auf meine Arme, die immer noch um meine Beine geschlungen waren. Sie kamen so plötzlich und ich versuchte sie mit dem Handrücken wegzuwischen. Doch es half nicht viel. Immer wieder kamen neue Tränen und schließlich saß ich zitternd und weinend im Gras. Der Wind war stärker geworden und allmählich fror ich. Allerdings nahm ich es kaum wahr während ich immer noch in meinem Selbstmitleid versank.
Wie sollte ich jemals ein normales Leben führen? Würde ich wirklich für immer dazu verdammt sein, jemanden an meiner Seite zu haben, der mich noch nicht einmal liebte? Würde ich es aushalten, diesem Dämon immer wieder zu begegnen? Warum musste ausgerechnet er mich hintergehen? Ich hatte ihm mein erstes Mal geschenkt. Ihn selbst in dieser kurzen Zeit irgendwie bewundert und für den Richtigen gehalten. Wie dumm war ich eigentlich? Ich kannte ihn nur ein paar Minuten und schon war ich mit ihm ins Bett gestiegen und hatte auch noch all meine naiven Hoffnungen daran geklammert, dass aus uns beiden vielleicht mehr werden könnte.
Irgendwann versiegten meine Tränen und ich saß stumm und zusammengekauert da. In mir herrschte nichts als Leere. Als hätte ich vergessen, wie man fühlt. Vielleicht war es auch so. Meine Gefühle waren verletzt... oder eher zerschmettert.
Eine erneute Windböe streifte meinen Körper und ich erzitterte. Mein gesunder Menschenverstand riet mir, endlich nach Hause zu gehen und nicht länger hier zu sitzen, da ich mich wahrscheinlich erkälten würde oder sonst etwas. Doch der Rest meines Körpers gehorchte nicht. Eine kleine aufmüpfige Stimme in mir sagte, dass es sowieso egal wäre, dass es nichts an meiner Situation ändern würde. Gebrochen schluchzte ich auf und zitterte noch stärker vor Kälte.
Doch plötzlich legte sich eine angenehme Wärme über meinen Rücken und meine Oberarme. Eine schwarze Lederjacke tauchte in meinem Sichtfeld auf und hielt den Wind fern.
„Solltest du nicht lieber nach Hause?" fragte eine angenehme Stimme, die ich leider sofort erkannte, da sie mir einen kurzen Schauer über den Rücken jagte. Doch dann erstarrte ich nur noch weiter und meine eben getrockneten Tränen flossen wieder zahlreicher über meine Wangen. Ansonsten saß ich regungslos da und sagte keinen Mucks. Keinen Muskel regte ich und traute mich auch nicht, den Dämon hinter mir anzusehen.
Ob ihm bereits klar war, dass ich wusste, dass er ein Dämon war?
„Seungmin."
Das war das einzige Wort, was er sagte und es löste so viele Gefühle in mir aus, dass ich nicht wusste, wie ich all das ausdrücken sollte, was ich gerade empfand. Also liefen die Tränen nur weiter über mein Gesicht und ich schluchzte leise auf, als die Erkenntnis nun mit noch mehr Nachdruck auf mich einstürzte.
„Ach Puppy... Du musst nicht weinen."
Ich nahm eine Bewegung im Augenwinkel wahr und sah, wie sich der Braunhaarige neben mir niederließ. Seine Schulter streifte dabei meine und ich war kurz davor zurückzuweichen. Doch ich kam gar nicht dazu, denn seine Arme legten sich um meinen Rücken und er zog mich näher zu sich.
„Du fühlst dich von mir hintergangen... Du hast Zweifel daran, was ich mit dir getan habe. Ob ich das nur für mich getan habe."
Verwundert blinzelte ich und sah ihn dann mit tränenverschleierten Augen fragend an. Konnte er hellsehen?
„Nein, kann ich nicht Seungmin. Zumindest nicht so wie du es dir vorstellst. Aber dafür kann ich deine Gedanken lesen."
Ich riss die Augen auf und starrte ihn ungläubig an. Er konnte was? Oh Gott... Was hatte ich schon alles gedacht, was er ebenfalls gehört hatte? Konnte er auch das jetzt hören? Fuck...
Chan kicherte belustigt und nickte.
„Wirklich süß, was in deinem kleinen Köpfchen so alles vorgeht Puppy. Aber ja, ich kann das immer und ja, es ist mitunter sehr amüsant deinen Gedanken zu lauschen." Doch dann wechselte sein Gesichtsausdruck von fröhlich zu ernst und als er weitersprach, erkannte ich die Dringlichkeit und Aufrichtigkeit in seinen Worten.
„Aber dass du solche Angst davor hast, ich würde dich nur benutzen, ist tatsächlich erschreckend. Natürlich, ich bin kein menschliches Wesen und habe Eigenschaften, die jedem Menschen Angst machen... aber warum zweifelst du an meiner Aufrichtigkeit? Habe ich dich zu etwas gezwungen? Habe ich dir wehgetan? Du könntest mir vorwerfen, dass ich dich verführt habe, deine Vorlieben genutzt habe, aber dir hat es gefallen... Und mir genauso." Fast schien er noch etwas anfügen zu wollen, ließ es aber und sah mich interessiert an.
Ich sah ebenso konfus zurück und blinzelte mehrmals.
So gesehen hatte er ja recht. Er hatte mich nicht gezwungen... Aber vielleicht war gerade dieser Zwang durch unsere Bindung bereits vorhanden.
„Unsere Bindung zwingt weder dich noch mich dazu. Sie mag stark sein und unsere Situation begünstigen, aber sie beeinflusst nicht, wie ich dich behandle. Das ist allein meine Entscheidung und auch deine. Du fühlst dich zu mir hingezogen. Das ist klar.... dennoch könnte ich diese Situation auch nutzen, um dich gefügig zu machen..." Seine Augen wurden heller und ich glaubte, einen gelblichen Schein darin zu erkennen. Aber er blinzelte schnell und schon verschwand er wieder. „Die Macht dazu hätte ich und mir könnte es auch egal sein wie es dir damit geht. Aber das ist es nicht. Ich will, dass du dich bei mir wohlfühlst, dass du mich nicht fürchtest. Deshalb habe ich es dir nicht gleich gesagt."
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