Die Ruhe vor dem Sturm

Eilig schlüpfte ich neben Felix unter die Decke, kuschelte mich näher an ihn und hoffte, dass ich nicht noch zusätzlich irgendwelche schlimmen Alpträume bekommen würde.

Aber meine Sorge war unbegründet. Am nächsten Morgen wurde ich ausgeruht, aus einer vollkommen traumlosen Nacht geweckt und sah in Felix fröhliches Gesicht.

„Guten Morgen Ji. Ich habe Frühstück gemacht. Weckst du die anderen beiden? Ich muss wieder zurück in die Küche damit der Speck nicht anbrennt." Schon war er aufgesprungen und eilte los.

Noch leicht schlaftrunken, setzte ich mich auf, rieb mir über die Augen und blinzelte hinüber zur Couch, wo Seungmin und Jeongin noch immer friedlich schliefen. Seufzend und mit einem herzhaften Gähnen erhob ich mich und ging zu den beiden. Sanft rüttelte ich Seungmin wach. Er erhob sich brummend, um ins Bad zu tapsen. Mit einem Schmunzeln sah ich ihm nach. Ihn sollte man vor dem Frühstück am besten einfach in Ruhe lassen und nicht zu sehr behelligen.

Felix und ich hatten vor langer Zeit ein einziges Mal den Fehler gemacht, ihn mit lauter Musik und guter Laune zu wecken. Doch Seungmin hatte uns fast vor die Tür gesetzt, obwohl wir bei Felix zu Hause gewesen waren. Unser kleiner Puppy hasste es, wenn man ihm so kurz nach dem Aufwachen auf die Nerven ging. Er brauchte erstmal ein wenig Zeit, um wach zu werden und sich an die gegebenen Umstände anzupassen.

Jetzt wandte ich mich Innie zu und strich dem Kleinen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Hey, Jeongin. Aufwachen." Ganz sanft tätschelte ich ihm die Schulter und zwickte ihm liebevoll in die Wange, als er noch immer keine Miene verzog.

„Tss... Hyung ich bin so müde", nuschelte mein Kumpel und packte die Decke fester, um sich in dieser einzuwickeln. „Ich hab wirklich komische Sachen geträumt", murmelte er in die Bettdecke, schlug dann blitzartig die Augen auf und drehte seinen Kopf zu mir. „Da-da war so ein Junge... Ich konnte ihn irgendwie nicht richtig erkennen aber er hat mit mir gesprochen. Er hat mir immer wieder gesagt, dass ich ihm gehöre. Dass ich sein bin. Und dann hat es sich so angefühlt, als würde er mich anfassen. Also nur ganz kurz, er hat nur über meinen Hals gestrichen und es war, als würde ich gerade kalt duschen oder so... und-und dann war er weg."

Mit schief gelegtem Kopf hörte ich mir die Ausführungen des Kleinen an und sah dann leicht verstört auf ihn herab. „Ich glaube, diese Beschwörung gestern war doch nicht so das Richtige. Ich war heute Morgen schon einmal wach, hab mir in der Küche Wasser geholt und ich dachte, es wäre noch jemand im Raum gewesen. Ich glaubte, eine Gestalt an der Wand lehnen zu sehen."

Jeongins Augen wurden kugelrund und er sah sich fast panisch um.

„Meinst du, wir haben doch etwas heraufbeschworen? Will sich der Dämon jetzt an uns rächen und uns umbringen?"

Ich musste tatsächlich kurz lachen und strich dem Jüngsten mehrmals beruhigend durch die Haare. „Nein Innie, das denke ich nicht. Wahrscheinlich geht nur unsere Phantasie mit uns durch, weil wir gestern versucht haben etwas oder jemanden zu beschwören. Unser Gehirn will damit nur verarbeiten, dass gar nichts passiert ist, als wir gestern Abend auf ein Zeichen aus dem Jenseits gewartet haben."

„Bestimmt hast du recht Hyung."

Schnell schälte er sich aus der Decke und wir gingen gemeinsam zu Felix und Seungmin, die bereits den Tisch gedeckt hatten.

„Mhmm~ das sieht wirklich verdammt lecker aus Felix." Ich stellte mich hinter meinen besten Freund und umarmte ihn, platzierte mein Kinn auf seiner Schulter und schmiegte mich für einen Moment an ihn, um meine Dankbarkeit zu beweisen. Und da Felix Umarmungen liebte, machte ich ja nichts falsch.

„Immer gern doch. So los! Setzt euch und esst. Nicht, dass das Ei kalt wird." Der Rothaarige klatschte fröhlich in die Hände und streichelte noch kurz über meinen Arm, bevor ich mich von ihm löste und mich neben ihn an den Tisch setzte.

Während des gesamten Frühstücks herrschte eine recht entspannte, fröhliche Stimmung. Doch schließlich fragte Jeongin ein bisschen verlegen in die Runde:

„Hey, Leute... habt ihr gut geschlafen, oder habt ihr etwas Komisches geträumt oder so ähnlich?"

„Ähm... nein, ich hab echt gut geschlafen", merkte Felix an und sah dann in Innies Richtung. „Wieso fragst du? War etwas nicht in Ordnung?"

„Nein, nein, es war nur ein komischer Traum. Ich habe schon mit Ji darüber gesprochen. Ich glaube, ich habe nur das mit dem Ritual noch nicht ganz verarbeitet", nuschelte der Jüngere und nahm sich dann noch ein zweites Brötchen.

„Oh, also ich habe auch sehr gut geschlafen", beteuerte Seungmin. „Ja, es war schon eine sehr seltsame Stimmung im Raum. Ich kann verstehen, dass du noch darüber nachdenkst. Schließlich war es auch nicht alltäglich, eine Dämonenbeschwörung zu versuchen." Der Jüngere kicherte und schüttelte dann den Kopf. „Aber mal ernsthaft. Wie konntet ihr auch nur ein Wort in diesem Buch für bare Münze nehmen?" Er sah leicht vorwurfsvoll zu Felix und mir und dann wieder zu seinem Rührei. „Naja, wie auch immer. Was wollen wir heute noch so machen? Ich muss erst am Abend gegen um neun zu Hause sein."

„Wir machen uns heute einfach einen ganz entspannten Tag am Pool", legte ich fest und lächelte in die Runde. „Es gibt noch eine Menge Eis in der Tiefkühltruhe und wenn ich mich nicht irre, haben wir auch noch Alkohol da, dank unserem übereifrigen Mr. Sunshine hier." Ich deutete auf Felix und warf ihm eine Kusshand zu, als er mich niedlich anfunkelte.

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„Eyyy.... Jetzt will ich aber auf das Einhorn!", quengelte Jeongin und schubste Seungmin so halb von dem großen Schwimmreifen mit Einhornkopf und bunter Mähne. „Maan Innie! Ich war gerade wieder trocken und dann wirfst du mich einfach ins Wasser!" Noch während der Jüngste versuchte, sich auf den Reifen zu retten, zog ihn Seungmin bestimmt zurück und drückte ihn mit einem sadistischen, genugtuenden Lächeln einfach unter Wasser.

Ich betrachtete das ganze Duell von meinem erhöhten Platz aus und schnaubte amüsiert, als die beiden sich gegenseitig bekämpften.

„Tsss.... Diese kleinen Streithähne", murmelte ich unbeeindruckt und machte es mir auf meinem Flamingoschwimmreifen bequem. Meine Füße hingen ins Wasser und ich ließ sie immer wieder auf die wellige Oberfläche platschen. Felix, der neben mir im Wasser trieb, kicherte und lehnte sich dann zu mir herüber, legte seine nassen, kalten Arme um meinen Bauch und ich zuckte zusammen. „Wag es dir ja nicht Lee Felix", knurrte ich leise. Mein bester Freund lächelte unschuldig.

„Keine Sorge, ich will dich nur ein bisschen anfassen. Du siehst einfach verdammt sexy aus", schnurrte er und ließ seinen Zeigefinger über meinen Bauch gleiten, bis dieser hinab zum Bund meiner Badehose kam und sich bedächtig darunter schob. Leider konnte ich einen kleinen, zufriedenen Laut nicht unterdrücken und schloss meine Augen, als seine Hand sich verführerisch an meinem Hosenbund entlangbewegte.

Doch ich hätte dem Frieden nicht trauen sollen. Denn sobald ich mich wieder entspannt zurückgelehnt hatte und mein Körper sogar auf die sanften Berührungen reagierte, wurde ich plötzlich mitsamt meines Schwimmreifens zur Seite gekippt und tauchte vollkommen unerwartet in das kalte Wasser ein.

Schon während des Auftauchens plante ich meine Rache und hechtete dann auf Felix zu, der niedlich lachend versuchte, sich hinter dem Flamingo zu verstecken. Aber das half ihm jetzt auch nicht. Ich warf mich förmlich auf ihn und drückte ihn mit mir unter Wasser. Daraus entstand schon fast eine kleine Rauferei, die schließlich von Felix beendet wurde, indem er mich, als ich ihn mal wieder untertauchte, einfach an sich zog und seine Lippen versöhnlich gegen meine schmiegte.

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„Ok. Ich glaube, ich muss jetzt langsam los", murmelte Seungmin schläfrig, machte aber nur halbherzige Versuche, sich von der Sonnenliege zu erheben.

„Alles klar, dann kommen wir gleich mit. Oder Innie?" Felix setzte sich ebenfalls auf und griff nach seinem Tank-Top um es sich überzustreifen und dann nach drinnen zu gehen, um seine Sachen zu holen.

Jeongin kam in dieser Zeit nochmal zu mir und zog mich in eine Umarmung. „Danke Ji. Es war mal wieder so schön bei dir. Ich würde gern noch länger bleiben aber irgendwann müssen wir auch mal wieder nach Hause." Er kicherte niedlich und ich grinste.

„Klar, wir sehen uns ja auch am Montag in der Schule wieder. Kein Problem."

Letztendlich begleitete ich die drei noch bis zum Gartentor und verabschiedete mich dort. Ich sah ihnen noch kurz hinterher und versuchte mich nicht allzu allein zu fühlen, nachdem sie hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden waren.

Mit einem traurigen Seufzen drehte ich mich um und schlurfte zurück ins Haus. Wie jeden Abend, den ich allein hier verbrachte, verschloss ich sorgfältig die beiden Eingangstüren und checkte, ob die Alarmanlage auch an war.

Meine Eltern waren noch für mindestens zwei Wochen unterwegs. Sie drehten gerade einen Actionfilm im Dschungel, irgendwo in Malaysia. Wie so häufig war ich hin und her gerissen zwischen der Freude, dass ich hier zu Hause machen konnte, was ich wollte, dass ich einladen konnte, wen ich wollte und ins Bett gehen konnte, wann es mir passte und der Niedergeschlagenheit, dass niemand da war, wenn ich von der Schule kam oder mit jemandem reden wollte. Teilweise vermisste ich sie sehr, denn nur über das Handy mit ihnen zu sprechen machte auf Dauer auch keinen Spaß und führte mir nur wieder vor Augen, dass ich in einer riesigen Villa vollkommen einsam dasaß. Was nützte mir mein Geld und mein Luxus, wenn ich viel lieber mit meinen Eltern einen Abend lang Monopoly spielen wollte?

Nachdenklich stieg ich die Treppe hinauf und warf mich auf meine Couch, griff nach dem Controller, um einfach beim Zocken einfach die Zeit zu vergessen und mich nicht mehr so mutterseelenallein zu fühlen. Eine Weile lang half das tatsächlich, doch irgendwann wurde ich müde und beschloss, mich zu duschen und dann ins Bett zu gehen.

Als ich schlussendlich mit noch tropfnassen Haaren und einem Handtuch über den Schultern aus dem Bad zurück in mein Zimmer trat, fiel mein Blick auf das Buch, das wir gestern für unsere versuchte Beschwörung verwendet hatten. Ich bückte mich, hob es auf und warf es neben mir aufs Bett, bevor ich meine Haare trockenrubbelte und mich dann selbst unter meiner weichen Decke verkroch.

Diesmal schlug ich es wahllos in der Mitte auf und überflog immer wieder ein paar Zeilen. Las aber nicht wirklich die Texte, sondern konnte nur anhand von Titeln oder Darstellungen erkennen, dass es um die verschiedenen Arten von Dämonen ging. Besonders die eingeklebten Zeichnungen hatten es mir angetan. Ich blätterte noch kurz zwischen den Seiten hin und her und stieß dann wieder auf die Beschwörung, die wir gestern ausgetestet hatten. Behutsam strich ich mit dem Finger über die schwarz glänzenden Linien und bewunderte erneut, wie verführerisch das aussah.

Hatten wir gestern etwas falsch gemacht?

Was für eine dumme Frage.

Es war einfach ein unbestreitbarer Fakt, dass es keine Dämonen und Kreaturen der Dunkelheit gab und damit war diese Problematik vollkommen irrelevant. Also klappte ich das Buch wieder zu und kuschelte mich in die gemütliche Decke.

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So, jetzt werden Gebote angenommen, wer seinen Dämon eigentlich zuerst trifft. 😏

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