Die Höhle der Kristalle

Felix Pov:

„Dann überrasch mich."

Mit einem kleinen Lächeln und jetzt schon mehr als beeindruckt, wartete ich auf die Aktion meines Gegenübers. Dieser ließ sich noch etwas Zeit, drehte sich dann aber zu mir und strich über meine Wange. „Gut dass du ein halber Engel bist, andererseits müsste ich mir wohl Sorgen machen, dass du durch die klimatischen Einwirkungen, denen du gleich ausgesetzt sein wirst, zu Schaden kommst."

Irritiert zog ich die Stirn kraus und fragte mit ein wenig rauer Stimme nach. „Wieso das?"

„Die nächste Höhle dieser Mine liegt noch etwa 170 Meter tiefer. Bei etwa 290 Metern." Er sah kurz auf den Boden, so als würde er die Tiefe so abschätzen können. „Dort unten herrschen bereits Temperaturen von rund 50 Grad Celsius. Außerdem ist die Luftfeuchtigkeit extrem hoch, sogar bis zu 95 Prozent. Jeder gewöhnliche Mensch kann sich dort maximal zehn Minuten ohne Schutz aufhalten, alles andere wäre gesundheitsschädigend. Doch bei dir muss ich mir ja keine Gedanken machen."

Er hob mein Kinn an und brachte sein Gesicht direkt vor meines. „Es hat definitiv Vorteile, dass du kein Mensch bist."

Es klang fast stolz, wie er es sagte und ich beschloss, dieses Thema irgendwann einmal anzusprechen.

Aber zunächst schloss ich langsam meine Augen und lehnte mich in den Kuss, der federleicht meine Lippen streifte. Willig suchte ich gleich erneut nach Changbins Lippen, trat noch näher und ließ mich von meinen Empfindungen mittreißen. Ich griff nach seiner Schulter, küsste ihn etwas energischer und fühlte das zarte Prickeln auf meiner Haut. Es war richtig ihn zu küssen und nicht einmal der Naphil in mir fand es verwerflich Lucifer persönlich zu begehren.

Bevor ich mich versah, wurde ich an der Taille gepackt und schon verschwamm alles ganz kurz. Diesmal war uns das Licht gefolgt und selbst durch die geschlossenen Lider konnte ich es wahrnehmen. 

Noch wollte ich mich nicht von dem Kuss und von Changbin lösen, auch wenn ich merkte, dass es wesentlich wärmer geworden war. Doch dank meiner himmlischen Gene störte es mich nicht. Lieber drückte ich nun meinen gesamten Körper gegen den Schwarzhaarigen, schlang meinen Arm eng um seinen Nacken und öffnete meine Lippen.

Changbin verstand meine Einladung sofort, ließ seine Zungenspitze in meine Mundhöhle gleiten und vertiefte unseren Kuss. Wir rieben unsere feuchten Zungen aneinander und ich stöhnte verhalten auf, als ich einmal mehr von der Intensität und Intimität der Berührung überwältigt wurde. Meine Zunge drängte sich gegen seine, wollte ihn genauso kosten und ihm verdeutlichen, wie sehr ich das hier wollte. 

Ich musste wirklich aufpassen nicht auch noch geil zu werden. Also löste ich mich beim nächsten Durchatmen etwas schwerfällig von ihm und ließ zu, dass seine feuchten Lippen noch einige Male zärtlich gegen meine prallten. Ebenso vorsichtig erwiderte ich sie und hielt meine Augen noch ein Weilchen geschlossen, um die Nachwirkung seiner Küsse deutlicher wahrzunehmen.

Dann schlug ich meine Augen wieder auf, blinzelte aufgrund der Helligkeit und konnte nicht anders. Ich quiekte leise auf und starrte mit offenem Mund zu dem Panorama das sich um mich herum erstreckte. Diese Höhle war außergewöhnlich. Die Kristalle hier waren so klar und beinahe noch größer als in der ersten Kammer. Hatte ich schon geglaubt, die Kristalle in der Höhle der Schwerter wären rein gewesen, so schienen sie hier aus Glas zu bestehen. Die Lichtbrechung war um einiges intensiver und von überallher schien die Reflexion des Morgensterns auf die feine, glatte Oberfläche zu treffen. 

Allein der Anblick überwältigte mich und ich klammerte mich an Changbin wie ein kleines Äffchen. Ich fühlte mich momentan wie ein kleiner Junge, der gerade zum ersten Mal vor einem Wolkenkratzer stand oder sich in einer gigantischen Menschenmenge wiederfand. 

Es war eindrucksvoll und ich fühlte mich klein, nicht klein im Sinne von unbedeutend, obwohl es vielleicht dennoch Respekt war, der in meinem Inneren mitschwang. Aber vielmehr fühlte ich mich umgeben von etwas wirklich Reinem und Gutem. Diese von der Natur hervorgebrachten und gestalteten Gesteinsformationen unterstrichen deutlich, dass wir ihre Kraft der Schöpfung zu würdigen wissen sollten. Und an diesem Ort konnte man dies auch tun. Niemand war hier, der einen daran hinderte oder dabei störte.

Die Ehrfurcht ließ mich erschaudern.

Sanft strich eine Hand über meinen Oberarm und ich drehte meinen Kopf, sodass ich Changbin ansehen konnte.

„Wie bist du auf diese Idee gekommen?", fragte ich leise und hoffte so nachvollziehen zu können, was er mit diesem Ort verband und ob er für ihn besonders war.

Kurz überlegte Changbin, dann blickten seine strahlend weißen Augen in meine blauen. „Ich war schon einmal mit deinem Vater hier. Es ist schon sehr lange her, damals waren die meisten Kristalle noch kleiner und nicht voll entfaltet. Wir haben es uns immer zur Aufgabe gemacht, durch die Höhle zu fliegen und nirgendwo anzuecken."

Ein wenig skeptisch sah ich erst ihn an und anschließend die vielen steil aufragenden Steine.

„Das dürfte ziemlich schwierig sein." Ich dachte darüber nach, dass selbst ich Probleme haben würde mit meiner Flügelspannweite. Aber irgendwie erwärmte es auch mein Herz, dass Changbin über ein Erlebnis gemeinsam mit meinem Vater sprach. Ich hätte zu gern weiter nachgefragt, wusste allerdings nicht, ob es die Stimmung kippen lassen würde. Schließlich hatten wir in letzter Zeit recht viele ernste und unangenehme Gespräche.

„Jetzt auf jeden Fall", stimmte der Dämon zu. „Damals hat es recht gut funktioniert, obwohl wir bestimmt ein paar Federn an unserem letzten Looping gelassen haben." Seine Gesichtszüge erhellten sich und er deutete auf eine Formation von mehreren sehr nahe nebeneinander aufragenden Kristallen. Zwei davon überkreuzten sich im oberen Drittel und bildeten darunter eine Art Tor. „Wir sind immer wieder hindurchgeflogen, solange bis wir die perfekte Flug- und Rolltechnik heraushatten. Mit Flügeln kommt man da nur durch, wenn man sie dicht an den Körper zieht und sich um seine eigene Achse dreht."

Es war interessant und irgendwie auch schön, ihm zuzuhören, weil man merkte, dass es für ihn tatsächlich eine glückliche Erinnerung war. Ich lächelte ihn an, ermutigte ihn dazu, mir alles zu erzählen, doch nun verstummte er und schien zu merken, wie viel er mir preisgegeben hatte. Aber ich wollte den nostalgischen Moment noch nicht verblassen lassen.

„Meinst du, ich könnte es mal versuchen? Meine Flügel sind nicht ganz so groß wie deine, vielleicht passe ich noch hindurch."

Changbin maß mit den Augen das Tor aus Kristall, sah dann zu mir und wiegte nachdenklich den Kopf.

„Es könnte funktionieren... aber man braucht die richtige Technik und die musst du am besten lernen, wenn du Platz hast."

Ich legte den Kopf schief und lehnte mich gegen ihn. „Also besser nicht jetzt?", erkundigte ich mich sanft und Changbin nickte zustimmend. Dafür war ich nun derjenige, der seine Lippen auf die seines Gegenüber drückte. Mir war einfach danach, ihn zu küssen und auch diesmal blieben unsere Berührungen eher zurückhaltend.

Es war erstaunlich beruhigend, dem Dämon so nahe zu sein. Auch wenn ich nun wusste, wer oder was er war, wollte ich ihn nicht verurteilen und schon gar nicht Angst oder Misstrauen ihm gegenüber entwickeln. Klar, er war Lucifer, der gefallene Engel... und gleichzeitig der Teufel, dem man die Herrschaft über die Hölle zuschrieb.

Entschieden drückte ich ihn mit der Hand von mir. Ich öffnete die Augen, presste meine Hand etwas bestimmter gegen seine definierte Brust und starrte ihn leicht konsterniert an.

„Bist du der Herrscher über die Hölle?" 

Als ich merkte, was ich da gerade ausgesprochen hatte, versuchte ich meine eigenen Gedanken unter Kontrolle zu halten. Plötzlich fühlte ich mich doch dezent unsicher und vor allem nicht bereit für die Antwort.

Was war, wenn er die Hölle regierte? Was bedeutete das für mich? Würde er mich dann auf seine Seite bringen wollen oder war ich für ihn eher hinderlich? Immerhin waren wir uns auf eine gewisse Weise ähnlich aber dann auch wieder nicht.

Die weißen Augen vor mir leuchteten auf, wurden so strahlend hell, dass selbst ich kaum noch hinsehen konnte. Jetzt lehnte sich der Dämon nach vorn und hauchte dicht vor meinen Lippen.

„Wenn ich dir diese Frage beantworten würde Felix, müsste ich dich wohl gleich danach umbringen." Hauchzart streiften seine warmen Lippen die meinen. Seltsamerweise atmete ich nur etwas heftig aus und riss dann den Kopf zurück, brachte einen kleinen Abstand zwischen uns und verengte die Augen.

„Ach... könntest du das? Könntest du mich umbringen?"

Ein kurzes Schmunzeln huschte über sein Gesicht und er neigte den Kopf. „Ich glaube, es versteht sich von selbst, dass das Verschweigen dieser Information mit einer Antwort auf diese Frage gleichgesetzt werden kann", verkündete er etwas umständlich, doch ich hatte es verstanden.

Er wollte mich also nicht umbringen und deshalb sagte er mir auch nicht, ob er der jetzige König war.

„Warum willst du das verschweigen? Gibt es überhaupt einen Grund dazu? Ich meine bist du nicht ohnehin der Herrscher? Aber warum hat dann Taehyung davon gesprochen, dass Baal euch regiert hat?" Die Fragen sprudelten nur so aus meinem Mund und selbst ich war am Ende nicht sicher, ob ich mich überhaupt an meine erste Frage erinnerte.

„Ist das nicht offensichtlich?" Changbin trat erneut einen Schritt zu mir. „Wenn du es wüsstest, könntest du es deinem Vater verraten. Was wiederum heißt, der Himmel wüsste es in kürzester Zeit... und das möchte ich gern vermeiden." Ein grimmiges Lächeln legte sich auf seine Züge. „Ich lasse den alten Mann da oben gern noch länger auf eine Antwort warten."

Etwas eingeschnappt, weil er tatsächlich glaubte ich würde ihn verraten, verschränkte ich die Arme. „Wer sagt denn, dass ich es weitererzähle? Ich bin gut darin, Geheimnisse für mich zu behalten", verteidigte ich mich und sah ihn herausfordernd an. Jedoch winkte Changbin ab.

„Es benötigt nur ein unbedachtes Wort zur falschen Zeit und man richtet unwiderruflichen Schaden an, Felix. Ich weiß das."

Ich verstand bestens, was er damit sagen wollte. Außerdem war ich mir selbst nicht sicher, ob ich es nicht zumindest meinen drei Freunden erzählen würde. Zwar war ich immer noch sehr neugierig, beschloss aber es für den Moment dabei zu belassen.

„Wenn du das für das beste hältst", lenkte ich ein, entknotete meine Arme und beschloss, einige Schritte zu gehen. Noch immer ummantelte mich die Wärme und ich hatte das Gefühl, mir würde das Atmen hier unten leichter fallen, so als sei die Luft hier besonders sauber und eben mit viel Wasser angereichert. Man konnte sogar kleine Wassertröpfchen erkennen, die sich auf der Haut ansammelten.

Vorsichtig, um möglichst wenig kaputt zu machen, schritt ich zwischen den Kristallen umher, betrachtete einige der Gebilde genauer und bewunderte deren Glanz und Größe.

„Einige dieser Kristalle sind bis zu 11 Metern lang und etwa zwei Meter im Durchmesser." Binnie war neben mich getreten und legte seine Hand auf einen der runden Steine. „Ihr Menschen nennt diese Riesenkristalle auch Marienglas oder Selenit, weil sie durch vulkanische Aktivität entstanden sind."

Interessiert runzelte ich die Stirn. „Wie kann dabei sowas entstehen?"

„Ganz einfach, die Kammern im Gestein wurde mit besonders mineralhaltigem Wasser geflutet und auch die Ablagerungen im Stein waren besonders reichhaltig. Die hohen Temperaturen haben eine Art Gips erschaffen, den man auch Anhydrit nennt. Als die Magma unter dem Berg, in dem sich die Mine von Naica befindet, abkühlte, löste sich dieser Anhydrit auf und mit ein bisschen Calcium, Salz und Schwefelsäure, konnten sich dann Selenitkristalle ablagern und diese wunderschönen Formen erschaffen."

Nun blickte ich ihn direkt an und schüttelte milde beeindruckt den Kopf. „Woher weißt du das alles? Ich meine, ich habe noch nie von Selenit und Anhydrit gehört."

Changbin zuckte die Schultern. „Ich lebe schon ein paar Jahrhunderte länger als du... um nicht zu sagen Jahrtausende. Irgendwann ist die Aneignung von neuem Wissen das Einzige, was noch vorrangig erstrebenswert scheint. Außerdem ist es nützlich."

Ich summte zustimmend und musste erstmal noch verarbeiten, dass Lucifer wirklich schon so lange existierte. 

„Ist es nicht komisch für euch, an uns gebunden zu sein?", brach es aus mir heraus. „Ich meine, ihr habt ein so enormes Wissen, lebt schon viel länger als wir und habt eine ganz andere Definition von Zeit und davon wie ihr sie verbringt."

So gesehen musste es für sie schwierig sein, sich mit uns Menschen einzulassen. Und ich verdrängte diese Tatsache immer, da der schwarzhaarige Dämon kaum älter aussah als ich selbst. Dieser schwieg gerade. Erst nach einer halben Minute antwortete er mir doch noch.

„Es ist eine Umstellung und ich stimme dir zu, unsere Auffassungen von Zeit, Leben und Gerechtigkeit gehen weit auseinander. Und nüchtern betrachtet mag unsere Altersdifferenz erschreckend sein, doch wieso denken wir überhaupt in diesen beschränkten Dimensionen? Wenn sich unsere Seelen finden konnten, warum dann nicht auch unsere Körper und der Verstand? Deine Artverwandten neigen teilweise dazu in sehr engen Kategorien zu denken. Ihr sagt zwar immer ihr seid offen für alle Gesinnungen, doch ihr könnt auch schnell euer altbekanntes Wertesystem wieder hervorzaubern, wenn es besser zu eurer Einschätzung der Situation passt." Eine kleine Falte hatte sich auf seiner Stirn gebildet. 

"Zurück zum Wesentlichen... es gibt dennoch Komponenten, die genau durch ihre Gegensätzlichkeit zu unseren Auffassungen so spannend sind. Wenn man lang auf dieser Welt existiert, dann beginnt man automatisch neue Phänomene und Reformen, die die Zukunft verändern oder zumindest beeinflussen, mit mehr Interesse zu sehen. Würden wir aufhören uns für aktuelle Geschehnisse zu interessieren oder nicht mehr in eure Welt kommen, um mit euch Deals abzuschließen, würden wir in wenigen Jahrhunderten vollständig vergessen werden. Außerdem sind eure technischen Errungenschaften durchaus lobenswert und sehr praktisch. Es ist viel interessanter an euch direkt zu forschen, als euch nur zu beobachten." Dabei sah er einmal an mir hinab und ich hätte schwören können, sein Blick blieb dabei länger als nötig an meinem Hintern hängen.

„Ich denke, das kann ich als Kompliment auffassen." Mit einem koketten Lächeln in seine Richtung setzte ich mich wieder in Bewegung, lief weiter durch die Höhle, hüpfte von einem Stein hinüber zu einem kleineren und berührte äußerst behutsam die Oberfläche der verschiedensten Kristalle. Einige waren teilweise unglaublich glatt und durchscheinend, andere wiederum waren eher weiß und ab und an etwas uneben. Und dann gab es da noch richtig spitze oder stark gewellte Oberflächen, die ebenso interessant zu befühlen waren.

„Es ist wirklich ein außergewöhnlicher Ort... er ist wundervoll", beurteilte ich und betrachtete nochmal die funkelnde Höhle, bevor ich zu dem Dämon trat, ihm meine Hand entgegenstreckte und anschließend seine Finger umgriff. „Darf ich versuchen, uns zurückzubringen?"

„Natürlich", Changbin beobachtete aufmerksam, wie ich mich vor ihn stellte und nun nach beiden Händen griff, um mich daran festzuhalten. Plötzlich erlosch auch das Licht um uns herum und wir standen in vollkommener Dunkelheit. Ich dachte ganz fest an mein Zimmer und schon verschwanden wir. 

Ich musste zugeben, es fühlte sich luftig leicht an, mich selbst zu teleportieren. Es war, als würden mich meine weichen Flügel tragen und schneller als erwartet landete ich etwas wackelig auf den Füßen. Ich blickte mich um und konnte erleichtert feststellen, dass es mein Zimmer war, in dem wir standen.

Doch statt meine Hände loszulassen, hielt Changbin sie noch eine kleine Weile, sah auf sie hinab und strich dann mit den Daumen über meine Handrücken.

„Ich hoffe, jetzt ist dir nicht mehr langweilig." 

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Wenn ihr wissen wollt, wie diese Höhlen aussehen, hier ein paar Bilder: 

Ich hoffe ihr habt ein schönes Wochenende. 

Love you Stay 💕

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