Des Menschen Vor(ur)teil

Seungmins Pov:

In den letzten fünf Minuten hatten wir größtenteils geschwiegen, uns einfach umarmt und uns gegenseitig Trost gespendet. Nur dann und wann wurde die Stille von leisen, beruhigenden Worten unterbrochen, die zumindest ein kleines Bisschen Mut zurück in unsere Adern fließen ließen. Am meisten munterte uns die Hoffnung darauf auf, dass es doch eine Lösung für unsere Problem gab, die einfach noch niemand gefunden hatte. Zwar war es reines Wunschdenken und eher ein Klammern an pure Vermutungen, aber es half uns, zu entspannen und wieder Herr über unserer Sinne zu werden.

„Ok, also tragen wir noch einmal die Fakten zusammen. Ich weiß, das könnte jetzt ein bisschen komisch werden so offen über alles zu reden aber vielleicht bringen uns ja gerade diese Informationen auf die richtige Spur. Also beschreibt eure Dämonen mal. Was macht sie charakterlich aus?" Felix schien sowas wie einen Plan zu haben. Logisch, er hatte immerhin die meiste Zeit von uns allen damit verbracht, sich mit unserer Situation auseinanderzusetzen. Außerdem erschien es mir ebenfalls sinnvoll, unsere Gegner zu kennen, wenn wir schon gegen sie vorgehen wollten. Jedes Detail zählte.

„Dann fange ich mal an." Jisung saß noch immer neben mir auf der Couch. Er wirkte weitaus gefasster als noch vor wenigen Minuten, doch auch ihm merkte man das Unbehagen an. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass er nun so offen über seinen Dämon sprechen sollte. Der Dunkelhaarige verschränkte seine Finger ineinander, sah auf diese nieder und begann dann mit erstaunlich fester Stimme zu sprechen.

„Der Dämon, den ich beschworen habe, heißt Minho. Das erste Mal habe ich ihn –glaube ich zumindest– in der Nacht unseres Rituals gesehen. Am Anfang dachte ich, ich habe mir das eingebildet aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. In der nächsten Nacht kam er dann wieder zu mir." Kurz stockte er und suchte nach den richtigen Worten. „Minho kann purpurne Flammen erzeugen, er hat damit mein Zimmer beleuchtet aber er kann sie auch einsetzen, um jemanden zu heilen. Zumindest hat er mir so die blauen Flecken von unserem ersten Mal entfernt. Aber er ist dennoch rücksichtslos wenn es um seine Befriedigung geht."

Verstand ich das gerade richtig? Hatte dieser Minho mit Jisung das getan was Chan auch mit mir gemacht hatte? Er hatte ebenso Sex mit diesem Wesen? Ich musste einfach nochmal auf Nummer sicher gehen. „Du- du hast also tatsächlich mit ihm geschlafen?", fragte ich vorsichtig und Jisung sah für einen Moment schuldbewusst in meine Augen.

„Ja, zweimal", murmelte er leise, fügt dann aber noch hinzu: „Und Chan hat das auch gemacht richtig?"

Ich nickte lediglich und biss mir etwas fester auf meine Lippe, da in mir schon wieder dieses fiese Gemisch aus Trauer und Wut aufstieg. Deshalb lausche ich lieber aufmerksam den Worten, die unser Ältester von sich gab. Seine Stimme war jetzt wieder sicherer und er bemühte sich sichtlich um einen objektiven Bericht.

„Minhos Augen können die Farbe von braun zu rot ändern aber manchmal glänzen sie auch golden. Er ist, den Sex betreffend , sehr dominant und bestimmt genau, was wir tun. Aber ich habe dennoch das Gefühl, dass er es vorher weiß, wenn ich etwas möchte oder mir etwas peinlich ist." Dann zuckte er kurz die Schultern. „Mehr wüsste ich jetzt auch nicht, außer ihr braucht noch mehr Details wie~" „Nein, nein, schon gut. Ich denke mehr muss ich nicht darüber wissen, wie mein bester Freund gevögelt wird. Danke", stoppte Felix den etwas übereifrigen Jisung und trotz der komischen Situation mussten Innie und ich grinsen.

„Ich will als nächster", meldete sich Jeongin zu Wort, dann wurden seine Wangen noch eine Spur rosiger und der Jüngste betrachtete die Bettdecke so eingehend, als würde sie ihm gerade wirklich spannende Geschichten erzählen. Doch nach einem sanften Knuff in die Seite begann auch er seinen Bericht.

„Also mein Dämon heißt Hyunjin. Er ist größer als ich, sogar ein ganzes Stück. Er hat silbergraues Haar, das ihm bis zu den Schultern reicht. Seine Augen können blau und silbern werden und er kann Wasser kontrollieren. Er konnte es sogar nutzen, um sich auszuziehen." Bei dieser Erinnerung nahmen seine Wangen ein tomatiges Rot an und ich vermutete stark, dass danach sehr viel versaute Dinge passiert sind. „Das erste Mal richtig gesehen habe ich ihn am Samstagabend aber ich habe euch ja von meinem Traum erzählt... Wahrscheinlich war das auch Hyunjin. Zu Beginn fand ich ihn etwas gruselig und er ist auch ziemlich dominant, aber auf eine andere Art als Minho. Hyunjin meint jedes Mal, dass ich ihm gehöre und bringt mich dazu, diese Worte zu ihm zu sagen." Für eine Sekunde schien Jeongin abzudriften und dann stotterte er leise. „U-und ich finde es nicht mal schlimm, wenn er das will. Auch wenn ich jetzt oder in anderen Momenten, wenn er nicht bei mir ist merke, wie seltsam das eigentlich ist... es macht mir nichts aus. Ich will seine Worte sogar erwidern. Ich will ihm gehören." Der Jüngste vergrub sein Gesicht in den Händen und seufzte erleichtert. „Es-es ist irgendwie befreiend, das zuzugeben."

Beruhigend tätschelte ich seinen Kopf und versuchte, die ganze Sachen weniger unangenehm für ihn zu machen.

„Schon gut Innie. Dir muss das vor uns nicht peinlich sein. Wir verstehen dich."

Um das darauffolgende Schweigen nicht unnötig in die Länge zu ziehen, meldete sich Felix zu Wort. „Naja, ich kann euch jetzt weniger von den Liebhaberqualitäten meines Dämon berichten, da wir noch nicht bis zum Äußersten gegangen sind", meinte er trocken. „Aber da er gesagt hat, dass dieser Pakt hauptsächlich auf dem Verlangen und der Lust basiert, werde ich wohl auch nicht mehr allzu lange darum herum kommen." Er murmelte die nächsten Worte nur undeutlich. „Vielleicht sollte ich mich schon mal vorbereiten..." Offenbar bemerkte Felix dann auch, dass er nicht alleine war und fuhr mit seiner Zusammenfassung fort. „Also meiner heißt Changbin, er ist etwas kleiner als ich und hat ziemlich viele Muskeln. Er kann Licht erschaffen, einfach so. Ich denke, er hat sogar Sinn für Humor und ist recht ehrlich, was seine Absichten mit mir angeht. Das erste Mal begegnet bin ich ihm gestern Nachmittag in der Bibliothek, dabei habe ich auch gleich Minho kennengelernt. Offenbar sind die Dämonen untereinander auch miteinander vertraut. Schließlich kennt Changbin Minho und Chan." „Richtig und Minho kennt Hyunjin", warf Jeongin in die Runde, was Jisung mit einem Nicken bestätigte.

„Ob sie auch befreundet sind, so wie wir?" Die Frage war mir einfach so herausgerutscht und im Nachhinein hörte sie sich selbst in meinen Ohren eher naiv und abwegig an.

„Kann sein. Oder sie haben sich erst durch das Ritual zusammengefunden. Vielleicht können wir darüber noch mehr in Erfahrung bringen." Jisung schien angestrengt nachzudenken und sich eine Strategie bereitzulegen.

„Also so viel mehr kann ich euch zu Changbin jetzt auch noch nicht sagen. Klar, er hat die Führung übernommen, als wir uns geküsst haben aber wahrscheinlich ist das sowieso ein Kriterium, dass auf alle Dämonen zutrifft... Dominanz und Herrschaft über andere."

Leider konnte ich ihm da wirklich nur zustimmen und ein tiefer Seufzer drang aus meiner Kehle. „Tia, ich habe wohl von euch allen am wenigsten zu sagen. Schließlich wusste ich bis gerade eben noch nicht einmal, dass solche übernatürlichen Wesen tatsächlich existieren und dass sie dann auch noch ausgerechnet durch unsere Beschwörung auftauchen."

Ehrlich gesagt, fiel mir nicht einmal etwas wirklich Nennenswertes ein. Ich konnte meinen besten Freunden ja schlecht erzählen, wie verdammt gut Chan im Bett war, wie er mir meine innigsten Wünsch erfüllt hatte und wie groß sein Penis war. Das mussten sie ganz sicher nicht wissen. Also würde ich mich wohl auf das Wesentliche beschränken.

„Chan ist ziemlich muskulös, er war am Anfang fast schon aufdringlich und hat nicht locker gelassen, als ich ihn abservieren wollte." Ich knurrte ganz leise. „Dabei hätte ich es tun sollen. Naja, und er scheint genau zu wissen, wie er mich behandeln muss. Es ist sogar so, als wüsste er, was ich mir sehnlichst gewünscht habe. Was ich alles ausprobieren will." Mehr wusste ich tatsächlich nicht und sah dann in die Augen meiner Freunde. „Also das Fazit, das ich jetzt aus dem ganzen Schlammassel gezogen habe ist, dass wir alle verdammt besitzergreifende Dämonen herbeigerufen haben, die uns ins Nirvana vögeln wollen." Ich hatte mir Mühe gegeben, das Ganze leicht sarkastisch klingen zu lassen und tatsächlich erschien ein leichtes Lächeln auf den Gesichtern der anderen drei.

„Gute deduktive Zusammenfassung Herr Kim", scherzte Felix und wandte sich nun an Jisung und Jeongin. „Was sollen wir nun machen? Habt ihr schon darüber nachgedacht?" Eigentlich war diese Frage ziemlich unnötig, da wir mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als machtlos gegen die übernatürliche Kraft der Dämonen waren, aber fragen kostete ja nichts.

„Wir sollten uns wirklich Mühe geben, sie besser kennenzulernen. Das hat eigentlich gleich zwei Vorteile", überlegte Jisung laut. „Zum Einen können wir sie so vielleicht besser verstehen und erkennen, ob wir bereit dazu sind, eine Bindung mit ihnen einzugehen oder zweitens, wir finden möglicherweise ihre Schwachstellen und können diese nutzen, um uns irgendwie von ihrem Einfluss zu befreien."

Wieder herrschte einen Augenblick absolute Stille, doch diesmal war sie eher angenehm und schien uns alle zum gleichen Ergebnis zu leiten.

„Du hast Recht." „So machen wir es."

Ein einstimmiges Nicken und schon war es beschlossene Sache. „So haben wir möglicherweise die Chance, dass uns nicht alles gleich um die Ohren fliegt." Stimmte Felix zu. Er wirkte in den letzten paar Minuten ziemlich abwesend. Doch er schüttelte kurz den Kopf und schien seine Unaufmerksamkeit endgültig zu vertreiben. „Wir sollten am besten nochmal in die Bibliothek gehen. Dort sind möglicherweise noch mehr Bücher, die uns bei der Lösung dieses Mysteriums helfen können. Und wir werden auch die sichten, die noch hier sind. Wir sollten sie alle gründlich studieren und finden hoffentlich brauchbare Hinweise."

Wieder stimmte unsere Runde zu und ich erprobte erneut mein eher schwaches Lächeln. „Was haltet ihr davon, wenn wir den angefangenen Nachmittag einfach im Pool verbringen? Schließlich nützt es nichts, wenn wir uns jetzt weiter verrückt machen. Und irgendwie habe ich gerade keinen Nerv für diese dämliche Recherche."

„Wow, das dieser Einfall mal von dir kommt Seungmin", scherzte Felix und stupste mich an. „Normalerweise bist doch du unser Moralapostel und sagst uns, wie viel Zeit wir doch vertrödeln." Neckend zog er die Augenbrauen nach oben und schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln, als ich nur etwas Unverständliches murmelte, was so viel heißen sollte wie: „Ich kann auch mal verantwortungslos sein, wenn ich will."

.....................

Jedenfalls standen wir fünf Minuten später alle am großen Pool und waren damit beschäftigt, uns gegenseitig hineinschubsen zu wollen. Gerade hatte ich mich mit Jeongin verbündet, um auch unseren Ältesten ins Wasser zu befördern. Endlich bekam ich ihn an der Schulter zu fassen und schob ihn unbarmherzig Richtung Beckenrand. Felix trieb bereits im Wasser und sah uns mit großen Augen zu. Letztendlich schubste ich Jisung einfach und verfolgte zufrieden, wie er untertauchte und mit einem Schmollmund dann wieder die Wasseroberfläche durchbrach und sich die nun nassen Strähnen aus dem Gesicht wischte.

„Das war gemein. Gegen zwei habe ich doch keine Chance", beschwerte er sich und schwamm zu Felix, um diesen von hinten zu umarmen. „Beschütz mich Lixie. Wenigstens du musst zu mir halten."

Der Australier wurde dezent rot und ich fragte mich bereits, was jetzt los war, da ihm das sonst eher selten passierte aber ich hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Denn ich stand immer noch am Rand des Pools und plötzlich erhielt ich einen kräftigen Stoß und schon stürzte ich ins Wasser. Das kühle Nass schlug über mir zusammen und ich schwor mir im selben Augenblick Rache. Dieser kleine freche Fuchs. Der würde etwas erleben. Als ich wieder auftauchte, konnte ich gerade noch sehen wie Jeongin vorsichtshalber schon ein paar Schritte vom Pool zurückgetreten war und unschuldig lächelte.

„Sorry Minnie. Aber das war einfach zu einladend", witzelte er und quietschte erschrocken, als ich mich aus dem Wasser hochstemmte und ihm im nächsten Moment hinterherjagte, um ihn einzufangen. Kurze Zeit später hatte ich ihn tatsächlich erwischt. Ich drückte ihn gegen meine Brust und trug ihn triumphierend zum Wasser, wobei ich feststellte, dass Felix sich an Jisung gelehnt hatte und immer noch ein wenig neben der Spur wirkte. 

Was war eigentlich mit ihm los?

Als ich Jeongin dann ins Nasse verfrachten wollte, klammerte sich der Kleine nur fester an mich und wollte gar nicht mehr loslassen. Er war mir gerade so nahe, dass ich jede noch so kleine Pore auf seiner Haut erkennen konnte und plötzlich stutzte ich. 

Trug er heute Make-up? Klar, es war nichts Besonderes, aber normalerweise brauchte er das doch gar nicht. Er sah auch so makellos aus. Also warum trug er dann jetzt welches? Vor allem sein Hals schien damit großzügig bedeckt worden zu sein. Hatte dieser Hyunjin ihm etwas Knutschflecke verpasst? Das musste es wohl sein oder?

Da Jeongin sich noch immer weigerte loszulassen, sprang ich einfach mit ihm ins Wasser und es entwickelte sich schnell eine kleine Rangelei, bei der auch unsere beiden Hyungs nicht verschont blieben. Wir achteten sehr genau darauf, uns nicht zu sehr zu malträtieren. Vor allem bei Jisung waren wir vorsichtiger, da seine Taille immer noch aussah, als wäre er gerade vor ein Auto gelaufen. Dennoch hatten wir Spaß und ließen uns die Laune auch nicht von den bevorstehenden Entscheidungen vermiesen. 

Wir wussten, dass es nicht so ruhig und friedlich bleiben würde und dass wir uns in große Gefahr gebracht hatten. Aber solange uns der Himmel nicht auf den Kopf fiel sollten wir wohl weiterhin unser Leben so normal wie möglich gestalten. 

Freundschaft: so etwas wie Liebe mit Verstand. - Sabine Sauer 

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