Der geheimnisvolle Fremde

Felix Pov:

„So und was jetzt? Warten wir einfach hier bis uns ein Wunder widerfährt?", fragte Seungmin und suchte den kleinen Raum mit den Augen ab. Wir waren der Anweisung von Wooyoung gefolgt und hatten uns direkt nach der Schule auf den Weg zur Bibliothek gemacht und standen nun wieder in dem kleinen, versteckten Arbeitszimmer, dass immer noch ziemlich düster und verstaubt vor uns lag.

„Nein, wir werden die Zeit sinnvoll nutzen." Entschied ich und trat an den Schreibtisch. „Wir durchsuchen einfach alles, was uns nützlich sein könnte. Wir müssen hier doch irgendwelche Hinweise darauf finden, wie wir unsere Situation wieder bereinigen können." Demonstrativ griff ich nach einem Heft, dass auf dem Tisch lag und schlug es auf. 

„Ok, vielleicht finden wir noch das zweite Notizheft. Möglicherweise sind da noch mehr Aufzeichnungen über Dämonen. Also ich suche erstmal in dem Regal, wo wir auch die anderen Bücher gefunden haben." Seungmin ging ganz pragmatisch an die Sache und leuchtete mit der starken Taschenlampe -jeder von uns hatte eine mitgebracht- zu dem hohen Regal.

„Dann nehmen Lix und ich die andere Seite des Raumes unter die Lupe", kündigte mein bester Freund an und ging hinüber zu dem zweiten wandhohen Regal, das mit Büchern, kleinen Schriftrollen und einigen Kästchen angefüllt war. Ich warf noch einen prüfenden Blick zu Jeongin, der sich gerade der Reihe zuwandte, in der er auch die Bücher entdeckt hatte, die nun bei Sungie zuhause lagen. Dort wo sie ehemals standen, war eine kleine Lücke zu erkennen und auch der Staub war an dieser Stelle verwischt. Schließlich machten wir uns an die Arbeit. Jeder griff nach ein paar Werken, um sie zu überprüfen.

„Hier sind so viele verschiedene Abhandlungen von klassischer Philosophie und einigen altertümlichen Mythen. Aber nichts zu unserem Problem." Vermeldete Innie und griff wieder ins Regal, um erneut einige Bücher zu inspizieren.

„Ich befürchte immer noch dass das alles nicht so einfach wird, wie wir ursprünglich gehofft haben." Auch Jisung schien ein wenig den Mut zu verlieren aber ich drehte mich zu ihm und warf ihm einen strengen Blick zu. „Du wirst doch nicht schon aufgeben Jisung... Wir werden eine Lösung finden. Wooyoung hat uns gesagt, dass wir hierherkommen sollen und wir mehr Informationen erhalten werden."

„Richtig." Pflichtete Seungmin mir bei und trat näher. „Immerhin scheint dieser jemand, der die Notizen verfasst hat, sehr viel Ahnung von diesem dämonischen Kram zu haben. Und möglicherweise ist die Lösung direkt vor unserer Nase und Wooyoung wusste das. Vielleicht hat er uns ja noch mehr Hinweise hinterlassen. Selbst wenn wir uns alle Aufzeichnungen hier ansehen müssen... Am Ende werden wir sicher etwas finden."

Er griff gerade nach dem nächsten Stapel, als vom Eingang ein lautes Poltern zu hören war, gefolgt von einem ungehaltenen „Was sucht ihr denn bitte hier?"

Wir zuckten fürchterlich zusammen und drehten uns zu dem jungen Mann, der in dem schmalen Durchgang stand, herum. Dieser hatte die Arme verschränkt und wirkte nicht besonders erfreut über unsere Anwesenheit. „Hört ihr etwa schwer? Was macht ihr hier? Das ist mein Arbeitszimmer. Wieso schnüffelt ihr in meinen Sachen herum und durchwühlt die Regale? Kommt ihr jetzt alle hierher, um eure dämlichen Mutproben zu machen?" Seine Augen verengten sich und selbst in dem diffusen Licht der Taschenlampen konnte man erkennen, dass er sich anspannte, bevor er uns eingehender musterte. Vor allem Jisung fasste er scharf ins Auge und dann blieb sein Blick an mir hängen. „Wartet mal... euch habe ich schon mal gesehen." Er deutete auf mich. „Du... du warst am Dienstag hier und hast dich mit diesem Jungen vergnügt." Seine Augenbrauen wanderten noch weiter nach oben, als er dann auf die Bücherstapel in unseren Händen blickte. Ich wurde indes dezent rot um die Nasenspitze und sah peinlich berührt zu Boden.

„Ihr habt damals die Notizen mitgenommen, richtig?" Seine durchdringenden Blicke bohrten sich förmlich in unsere Körper und wir waren offensichtlich genauso sprachlos wie er selbst.

„Sie-sie wissen von den Notizheften?", stammelte Jeongin und wirkte ein wenig hibbelig. Erst da verstand ich richtig, was das für uns bedeutete.

Vielleicht konnte uns dieser Mann helfen unser Problem zu lösen. Oder uns zumindest einen Hinweis auf die verbleibenden Schriften geben.

Ein Schnauben ertönte und der Ältere strich sich das Haar nach hinten. „Natürlich weiß ich von den Notizen. Ihr steht hier immerhin in meinem Arbeitszimmer", echauffierte er sich. „Aber woher beim großen Satan wisst ihr eigentlich, dass ihr mich heute hier finden würdet?"

„Wollen sie uns damit sagen, dass sie uns auch mitteilen könnten, wo wir mehr Auskünfte über die Dämonen finden?", fragte ich geradeheraus und der Fremde drehte seinen Kopf ruckartig zu mir, bevor er mich mit geweiteten Augen fixierte.

„Woher wisst ihr von den Dämonen?" Sein Blick wanderte zwischen unseren betretenen Mienen hin und her und dann kam er wohl zu einem eindeutigen Ergebnis. „Ihr habt welche heraufbeschworen, habe ich recht?"

Wie die geprügelten Hunde nickten wir beinahe synchron und ein tiefes Seufzen entfloh unserem Gegenüber. „Na großartig... und natürlich habt ihr euch nicht vorher an meine Anweisungen gehalten, sondern einfach munter drauflos... Aber immerhin seid ihr noch hier und wie mir scheint auch bei halbwegs klarem Verstand... Das ist ein Anfang."

„I-Ihre Anweisungen?", stammelte Jisung und trat nun einen Schritt nach vorn. „Dieses Buch über Dämonen und ihre Beschwörung ist von ihnen?"

„Allerdings. Ich bin der Verfasser dieser Schrift."

Für einige Sekunden war auch ich ziemlich verblüfft und starrte den jungen Mann vor uns an. „Aber das... das ist unmöglich. Sie haben diese Notizen vor über vier Jahrzehnten angefertigt. Sie sind viel zu jung."

Der Angesprochene warf mir einen belustigten Blick zu. „Du bist ja ein ganz Schlauer. Und ja, ich bin älter, als ich aussehe. Aber meine Geschichte und wer ich bin kann im Moment warten. Es gibt wichtigere Fragen zu klären. Zum Beispiel habt ihr mir immer noch nicht gesagt, wie ihr wissen konntet, dass ich heute hier bin? Und jetzt sprecht ja nicht von Zufall. Sowas gibt es nicht in meiner Welt."

Es hatte beinahe drohend geklungen und jeder versuchte die Neuigkeiten und auch die spontane Begegnung zu verarbeiten.

„Wir haben gestern einen Dämon um Hilfe gebeten und dieser hat uns gesagt, dass wir heute hierherkommen sollen." Fasste Seungmin kurz zusammen und die Augen des geheimnisvollen Fremden verengten sich zu kleinen Schlitzen.

„Wooyoung", murmelte er leise und ließ dann seine Fingerknöchel knacken. „Wenn ich diesen kleinen frechen Dämon in die Finger kriege..." Er schien sich gerade lebhaft auszumalen, was er dem hübschen Jungen antun konnte, als ich mich nun endlich bewogen sah, unser Problem anzusprechen. „Ja, genau der. Er hat uns hergeschickt, was wohl heißen soll, dass sie uns helfen können unser missglücktes Ritual wieder rückgängig zu machen?" Den letzten Satz beendete ich eher verunsichert mit einer Frage und sah nun hoffnungsvoll zu dem jungen Mann.

Dieser verdrehte die Augen und seufzte. „Ihr hättet diesen Fehler erst gar nicht machen sollen... Was hat euch nur dazu bewegt, es einfach mal mit einer Beschwörung zu versuchen?" Seine Stimme war vorwurfsvoll und wieder senkten wir die Köpfe, um diese unangenehme Situation irgendwie zu überstehen. Sogar ich fühlte mich unter den strengen Worten wie ein kleines Kind, dass gerade ausgeschimpft wurde. Doch dann hörte man erneut ein abgrundtiefes Seufzen. „Aber ja, schon gut. Ich helfe euch, das wieder geradezubiegen. Dafür muss ich jedoch wissen, welches Ritual ihr ausprobiert habt und möglicherweise brauche ich etwas Zeit. Aber wo sind denn meine Manieren... Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt."

Eine unglaubliche Erleichterung zog sich durch meinen Körper, als er versprach, unsere verpatzte Beschwörung wieder zu bereinigen. Also hob ich auch meinen Kopf und sah ihn dankbar an, bevor unser Gegenüber bereits weitersprach.

„Ich heiße Jeon Jungkook. Und ihr?" Nun sah er fast neugierig in die Runde. Eilig verbeugte ich mich und stellte mich vor. „Freut mich, ich bin Lee Felix. Und das sind meine Freunde." Ich deutete auf die anderen drei und diese nannten nun ebenfalls ihre Namen.

„Hallo, ich bin Jisung." „Ich bin Seungmin."

Jeongin sah kurz schüchtern zu dem Älteren und verbeugte sich ebenfalls. „Ich bin Yang Jeongin." Während der Vorstellungsrunde hatte Jungkook jeden von uns genau gemustert und seine Augen verrieten, dass ihm nichts zu entgehen schien.

„Ich nehme mal an, ihr seid dem Dämon schon begegnet, den ihr gerufen habt. Schließlich seid ihr hier... und wenn man genau hinsieht, dann kann man den Einfluss erkennen, den er auf euch nimmt." Nun war er es, der einige Schritte auf uns zuging und dicht vor Jeongin innehielt. „Du. Du scheinst bereits ziemlich stark unter dem Bann dieses Wesens zu stehen. Deine Augen verraten es." Doch dann wandte er sich um und wartete auf eine Antwort.

„Ja, also... wir sind ihnen schon begegnet."

Ihnen? Es sind mehrere?", fragte Jungkook alarmiert und sah nun Jisung an, der gerade gesprochen hatte.

„Ähm ja..." Kam es nun wieder geknickt von dem Ältesten unserer Runde. „Jeder von uns hat einen Dämon heraufbeschworen", stellte er dann kleinlaut klar und im nächsten Moment schlug sich dieser Jungkook an die Stirn.

„Seid ihr noch ganz bei Trost? Als ob es nicht schon reicht, einen Dämon in diese Welt zu lassen, ohne ihn an ein Versprechen zu binden oder einen Bann über ihn zu legen, falls er sich entscheidet doch nicht nach euren Regeln zu spielen. Aber gleich vier?!" Kurz klang seine Stimme hysterisch, jedoch beruhigte er sich schnell wieder und lehnte sich an die Tischkante. „So, jetzt erstmal der Reihe nach. Welche Schutzmaßnahmen habt ihr ergriffen? Habt ihr wenigstens vorher zu dem Ritual etwas gelesen oder euch über die nötigen Zutaten und Formeln in meinen Notizen informiert?"

Es war wirklich unangenehm, ihm sagen zu müssen, dass wir all dies nicht getan hatten, da wir einfach naiv und blauäugig an die Beschwörung gegangen waren. Doch einer musste es ja tun.

„Wir haben erst später mehr über das Ritual gelesen. Wir haben es damals einfach so getestet und lediglich ein wenig Weihrauch verbrannt und einen Kreis aus Kerzen aufgestellt. Naja... und dann haben wir die Formel gesagt." Wie die begossenen Pudel standen wir vor Jungkook. „Also keine Schutzmaßnahmen. Und ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht auf den Titel über der Beschwörung geachtet habe. Ich glaube, es gab gar keinen und nur die Formel stand da."

„Ja, aber die Zeichnung ist so eingängig, man erkennt sie sofort und die Beschwörung ist auch nicht lang", warf Jeongin ein. „Die zwei Gestalten, die sich küssen. Oder besser gesagt, der Dämon der den Menschen küsst."

Blankes Entsetzen spiegelte sich auf dem Gesicht des jungen Mannes. „Bei den sieben Höllen... was habt ihr getan?", stieß er fassungslos hervor und starrte uns mit leeren Augen an. Doch dann schüttelte er sich und sagte gepresst.

„Ihr seid sowas von am Arsch." 

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So meine lieben Leser*innen, ihr habt jetzt die Qual der Wahl zwischen diesem moderaten Cut und zwei Kapiteln für heute oder noch einem dritten Kapitel und einem sehr fiesen Cut. 💖 Wählt weise. 😈

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