Das kleine Einmaleins der Dämonenbeschwörung

Jeongins Pov:

„Du kannst dich nicht dagegen wehren. Du bist an mich gebunden... und ich an dich. Eine solche Bindung kann man nicht einfach ignorieren, selbst wenn man es versucht."

Ich nickte und legte den Kopf schief. Seine Worte klangen so weise, so als wäre er sich allem bewusst, was dieses Ritual ausgelöst hatte. 

„Weißt du etwas über diese Bindung?"

Hyunjin hatte sich noch nicht abgewandt, er musterte mich immer noch aufmerksam und dann schüttelte er den Kopf. „Nicht so viel, wie ich gern wissen würde. Doch wenn man das Wissen von anderen Ritualen auch auf die Bindung zwischen uns anwendet, kann man davon ausgehen, dass sie stark genug ist, um beide Parteien an diese Worte zu erinnern. Dass es eine Art Vertrag ist, der gewisse Handlungen voraussetzt. Sind diese erfüllt, werden auch die Bedingungen des Rituals erfüllt."

Kurz runzelte ich die Stirn und legte den Kopf schief. „Kannst du das nochmal weniger kryptisch formulieren... Also mir ist klar, dass dieses Ritual, wie viele andere wohl eine Bindung von zwei Wesen oder Seelen nach sich zieht."

„Genau, meistens läuft es so, dass ihr Menschen uns ruft, um einen Gefallen oder Wunsch einzufordern. Ihr wollt etwas von uns und wir legen die Bedingungen fest, unter welchen wir den Wunsch erfüllen. Damit haben beide Seiten jeweils etwas, dass sie einfordern und gleichzeitig entsteht eine Bindung zueinander. In den meisten Fällen sind diese rein geschäftlicher Natur."

Nun verstand ich es, dennoch wollte ich noch mehr darüber erfahren. Um besser nachdenken zu können, lehnte ich mich gegen Hyunjin, spürte die sanfte Kälte seiner Haut, als sich unsere Arme berührten. Sein Haar kitzelte mich, als ich meine Wange an seine Schulter schmiegte und ich zog die Nase kraus. Doch dann fiel mir etwas auf.

„Aber bei unserer Bindung ist das nicht so... also ich meine wir haben euch alle gerufen, ohne einen bestimmten Gefallen einzufordern. Es kam auch nie dazu, dass wir euch um etwas derartiges gebeten haben."

„Naja, außer vielleicht, dass wir euch richtig hart ficken sollen." Hyunjins Kommentar kam so abgeklärt und trocken, dass ich kichern musste.

„Aber das zählt doch nicht zu einem solchen Vertrag, oder?" Als ich das Kopfschütteln erahnen konnte, sprach ich weiter. „Dann haben wir uns eigentlich nie richtig an euch gebunden."

Für einen Augenblick verspannten sich die Muskeln unter mir und ich hob den Kopf, um den Dämon ansehen zu können. Doch dieser zeigte keine Gefühlsregung und sah hinaus auf das Wasser. Seine Augen spiegelten das helle Blau und beinahe wollte ich in diesen Augen versinken.

„So simpel wird es nicht sein, Jeongin. Allein eure Worte hatten die Kraft uns zu rufen und du hast selbst gesagt, du spürst eine Anziehung zu mir. Dieses Ritual ist anders als die anderen. Es scheint im ersten Moment trügerisch einfach und freundlich. Ja, sogar harmlos und rücksichtsvoll... aber ich traue diesem Frieden nicht."

Nun verstand ich, was er sagen wollte. Eine leichte Gänsehaut zog sich über meine Arme. Rasch strich ich mit den Händen darüber, versuchte das Unwohlsein wegzuwischen und legte meine Wange wieder gegen seine Schulter. Es blieb einige Sekunden still zwischen uns bevor ich sprach.

„Das ist wirklich ungewöhnlich... Aber wie will es uns dann schaden? Was ist der Sinn hinter diesen Worten?"

Ich versuchte meine grauen Zellen anzustrengen und eine oder auch mehrere mögliche Erklärungen zu finden, doch die Ideen entglitten mir wie Wasser, das zwischen den Fingern hindurchfloss.

„Das weiß ich eben auch nicht." Der Dämon neben mir schnaubte ungehalten und kurz erkannte ich das verräterische silberne Flackern in seinen Augen. Doch dann blinzelte er, drehte sich zu mir und plötzlich wurde ich nach hinten gedrückt, sodass ich mit einem überraschten Laut in den Sand kippte und kaum reagieren konnte, als Hyunjin auch schon über mir lehnte und mich dann küsste. Seine Haare streiften meine Wangen, seine Hände hatte er dicht neben meinem Gesicht in den Sand gestützt und er hielt seinen Körper wenige Zentimeter über meinem.

Seine Lippen lagen kühl und dennoch angenehm weich auf meinen, während er mit bestimmtem Druck den Kuss intensivierte und schließlich meine Lippen überwand, um seine Zunge eindringlich gegen meine stupsen zu lassen. Sogleich ging ich darauf ein, stupste sanfter zurück und presste meine Augenlider gleichzeitig fester zusammen, um mich auf seinen Kuss zu konzentrieren. Ich wollte ihn so unbedingt schmecken. Es war so schön, ihn auf diese Weise zu spüren und zu wissen, dass er es freiwillig tat.

Es füllte mein Herz mit Wärme, dass er selbst die Initiative ergriffen hatte und mich nun so küsste, als würde er nie etwas anderes tun wollen. Behutsam legte er nun auch seinen Körper halb auf mir ab, stützte seine Unterarme neben mir auf und packte so mit einer Hand meine Haare. Er griff nicht zu fest zu, dennoch hielt er meinen Kopf genau an dem Ort, an dem er ihn brauchte.

Seine Küsse wurden hungriger. Verwegen leckte seine Zunge an meiner entlang und ein leises Knurren stieg aus seiner Kehle auf. Doch an der Intonation konnte ich hören, dass es kein aggressives Knurren war, sondern eher wie ein zufriedenes klang.

Deshalb erlaubte ich mir, meine Arme um ihn zu legen, ich schlang sie förmlich um seinen Rücken und gestattete ihm somit, sich enger gegen mich zu drücken. Ich hatte absolut nichts gegen seine Berührungen und das versuchte ich ihm zu vermitteln. All die Sorge und die Angst, dass er mich nun nicht mehr mochte oder mich nicht mehr anfassen würde, weil ich ihn zurückgewiesen hatte, war verschwunden und machte der angenehmen Hoffnung Platz, dass nun alles wieder war wie zuvor.

Immerhin hatte ich ihn nun akzeptiert und kam auch damit klar, dass er zeitweise ein richtiges Monster war. Ein Drache, der seine Gegner in der Luft zerfetzen konnte.

Vertrauensvoll drückte ich meine Handflächen gegen seinen Rücken, wollte ihn eigentlich noch enger an mich ziehen, doch da löste sich der Silberhaarige von mir und betrachtete mich eingehend.

„Wie kommt es, dass du jetzt keine Angst mehr vor mir hast?", fragte er mit stechend blauen Augen.

Zunächst holte ich tief Luft, da sich meine Sinne leicht benebelt anfühlten. Es war einfach zu schön, Hyunjin zu küssen und da nahm ich gern den Luftmangel in Kauf, der damit einher ging.

„Ich hatte Zeit zum Nachdenken", meinte ich dann ein wenig kurzatmig und lächelte zu ihm auf. Hyunjin sah noch nicht ganz überzeugt aus und plötzlich stützte er sich wieder auf und setzte sich dann auf, sodass er immer noch über mir war. Seine Augen betrachteten mich, erforschten meine Mimik, meine Worte und meine Haltung. Als wolle er mir die Wahrheit allein so entlocken.

Gerade als ich ihm wieder näherkommen wollte und ich mich aufsetzte, stand er selbst auf und reichte mir seine Hand. Verwundert ergriff ich sie und ließ mich auf die Beine ziehen.

„Interessant, dass deine Überlegungen dazu geführt haben, mich noch mehr zu mögen... anstatt mich zu verabscheuen." Er strich sich die Haare zurück und fügte dann hinzu. „Immerhin bin ich ein Monster." 

Es klang nicht wie eine Beleidigung, nur wie eine Feststellung.

Entschlossen trat ich auf ihn zu und griff zaghaft nach den silbrigen Strähnen, ließ sie durch meine Finger gleiten und hauchte dann. „Du bist ein wunderschönes Monster. Und ich gehöre dir."

Der schlanke, hochgewachsene Dämon blickte auf mich herab, lächelte nun fast schon belustigt und drückte dann einen Kuss gegen meine Lippen. Seine Augen bohrten sich in meine und leicht nervös wollte ich von dem gerade Gesagten ablenken, weil es mir beinahe intim erschien. Außerdem hatten mich meine eigenen Worte an die letzte Begegnung erinnert.

„Kannst du mir zeigen, wohin du damals wolltest?" Behutsam griff ich nach seiner Hand und wollte ihm signalisieren, dass ich ihm genug vertraute, um mich wieder einmal von ihm mitreißen zu lassen. Diesmal hoffentlich nicht direkt in ein Meer voller Blut, doch selbst dann würde ich es wohl überleben.

Plötzlich griffen seine angenehm kühlen Finger nach meinen und er drehte seinen Oberkörper zu mir.

„Ok, ich werde es dir zeigen. Aber diesmal starten wir woanders. Ich kürze die Route etwas ab, damit wir schneller am Ziel sind." Seine spielerische Seite kam endlich wieder zum Vorschein, denn er zwinkerte mir zu und ich entspannte mich zunehmend, da ich Zuversicht aus dieser kleinen Geste zog. Vorher hatte er so angespannt gewirkt, doch sobald wir über das Meer und seine Unternehmungen sprachen, taute er deutlich auf.

Ich nickte ihm auffordernd zu und er zog kurz seine Mundwinkel nach oben.

„Dann lass uns gehen." Mit diesen Worten erfasste mich der silberne Strudel und ich tauchte diesmal fast entspannt in die schwindelerregende Tiefe.

Dann hörte ich erneut das Schreien der Möwen und das Tuten von großen Schiffen. Also öffnete ich meine Augen und sah zu Hyunjin, dessen Haar in dem aufkommenden Wind der Küste wild um seinen Kopf wehte und ihm einen noch ungezähmteren Ausdruck verlieh. Deshalb betrachtete ich zunächst nur ihn und interessierte mich kaum für meine Umgebung. Er jedoch deutete nun mit dem Zeigefinger nach vorn. Vorbei an den Schiffen, die im Hafen vor Anker lagen. Ich folgte dem Finger und erblickte das offene dunkle Meer, dass sich in sanften Wellen auf die Küste zurollen ließ und die Schiffe zum Tanzen brachte.

„Was genau willst du mir zeigen?", fragte ich leise, da ich glaubte etwas zu übersehen. Doch Hyunjin lächelte nur und schüttelte den Kopf.

„Du übersiehst nichts. Ich wollte dir nur zeigen, wo sie lag, bevor sie abgefahren ist."

Ich runzelte die Stirn und fragte mich, ob ein Dämon den Verstand verlieren konnte. Denn beim besten Willen verstand ich nicht, was er mir mitteilen wollte.

„Was oder wer hat dort gelegen?"

„Das Schiff, dass ich dir zeigen wollte." 

Seine Erwiderung brachte nicht mehr Licht ins Dunkel und ich stellte mich darauf ein, wieder raten zu müssen. Also sah ich mich um. Ließ den Blick über die großen und kleinen Schiffe schweifen, las einige der Namen, beobachtete die umhereilenden Menschen, die uns absolut nicht beachteten. 

Dann schweiften meine Augen zu dem blauen Fleck im Wasser, den Hyunjin mir gewiesen hatte. Aber ich konnte keine adäquaten Schlüsse ziehe und mit einem Seufzten drehte ich mich zu meinem Begleiter.

„Würdest du mir noch ein paar Tipps geben? Zum Beispiel wo wir eigentlich sind?"

Die Mundwinkel der plumpen, pinken Lippen zuckten nach oben und dann öffneten sie sich, um zu sprechen.

„Wir sind hier im wunderschönen Cobh. Aber es ist besser bekannt unter dem Namen Queenstown."

Jetzt kniff ich meine Augen kurz zusammen. Ich wusste, dass diese Stadt zu Irland gehörte, ebenso wie Belfast. Und er meinte ja, die beiden Orte hätten etwas gemeinsam.

Dann auf einmal kam die Antwort wie ein Donnerschlag und ich sah mit offenem Mund und großen Augen zu Hyunjin auf. 

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Heute dürft ihr wieder miträtseln, von welchem Schiff Hyunjin spricht. Eigentlich habe ich es euch ziemlich einfach gemacht. ^^


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