Brot und Spiele

Triggerwarnung: Erwähnungen von Gewalt und Blut 


Seungmins Pov: 

Und so traten Chan, Berry und ich aus der ruhigen Ummauerung des Hofes hinaus auf die belebte Straße. 

Ich war erstaunt, wie sauber es hier aussah und auch roch. Die Menschen, die die Straße entlang flanierten, waren gut gekleidet, trugen wie wir die typisch weiße Toga und schienen ebenso gut gelaunt. Das laute Stimmengewirr und die munteren Gesichter, von denen man die freudige Erwartung ablesen konnte, ließen mich doch etwas hibbelig werden. Ich vermutete, dass die meisten Bürger Roms ebenfalls auf dem Weg zum Kolosseum waren, um sich das Spektakel anzusehen. Und als ich dann die breite gepflasterte Straße hinaufblickte, stockte mir der Atem. Einen Moment lang blieb ich mitten in dem Strom aus Menschen stehen und starrte fasziniert auf das gigantische Bauwerk direkt vor mir.

Das einfallende Licht der Sonne beleuchtete die Fassade mit all ihren Rundbögen und Arkadengängen so wunderbar, dass das Bauwerk wirkte, als hätte man es in Gold getaucht. Der helle Stein war wunderschön und die weißgewandete Menschenmenge, die darauf zulief, unterstrich die Herrlichkeit nur noch.

„Na komm, Minnie. Du kannst es dir gleich auch von innen ansehen."

Aus meiner Betrachtung gerissen, tat ich endlich wieder einen Schritt nach vorn und folgte dann eilig dem Dämon, der würdevoll auf das Amphitheater zuschritt. Ich schloss mit Berry zu ihm auf und sah erneut nach dem Hund, da ich fürchtete, ihn in der Menge zu verlieren. Doch seine kurzen Beinchen trugen in flink neben mir her und seine Schlappohren wackelten lustig, wann immer er seinen Kopf drehte.

Als ich so dicht neben Chan herging, bemerkte ich auch wie einige Menschen ihn respektvoll grüßten oder ihm mehr Platz machten. Offenbar hatte er nicht zu viel versprochen. Dieser purpurne Saum an seinem Gewand hatte mehr Gewicht und Einfluss, als ich zunächst geglaubt hatte. Prüfend blickte ich zu dem Höllenprinzen auf und konnte nicht bestreiten, dass sogar seine Haltung und der Gang so wirkten, als sei er sich seines Status durchaus bewusst. 

Und so schritten wir von den vielen weiß gekleideten Bürgern flankiert auf das Kolosseum zu. Als wir schon dicht vor einem der Eingänge waren, zog mich Chan ein wenig nach links zu einem Durchgang, der gut bewacht wurde. Aber sobald die Soldaten die Toga meines Begleiters begutachtet hatten, traten sie respektvoll zur Seite und ließen uns passieren.

Ich hörte selbst hier das Stimmengewirr, als wir einige Treppen emporstiegen und uns dann einen der Arkadengänge entlangbewegten.

„Hast du dir schon vieler solcher Spektakel angesehen? Ich meine, bist du bei jedem historischen Ereignis dabei gewesen, um zu wissen wie es ist?", fragte ich und sah hinab zu meinen Füßen, um nicht über eine der Stufen zu stolpern. Berry neben mir hüpfte diese flink hinauf und kam schneller als ich am oberen Absatz an.

„Ich habe bei weitem nicht alles gesehen. Aber so betrachtet, versuche ich doch die wichtigsten und interessantesten Ereignisse mit eigenen Augen mitzuerleben. Aber bei einigen davon war ich ohnehin anwesend. Und für dich suche ich sowieso nur das Beste aus." Er zwinkerte mir zu und mein Magen kribbelte leicht. Hastig konzentrierte ich mich auf die Stufen und versteckte meine Verlegenheit so gut es ging durch den gesenkten Kopf.

„Warum so schüchtern, Minnie? Hast du irgendwelche Bedenken, dass ich dich gleich in eine dunkle Ecke ziehe und über dich herfalle?" 

Jetzt besaß der Dämon doch tatsächlich die Frechheit zu lachen, während ich über diese Option nachdachte und mir nicht ganz sicher war, was ich nun lieber machen würde. Ich wusste, dass in den letzten Wochen nichts zwischen uns gelaufen war, vor allem wegen der Sache mit Christian und auch durch meine Unsicherheit gegenüber Chan. Aber als ich den Dämon vor mir so musterte, seine charismatische Ausstrahlung und den perfekten Körper bewundern konnte, wurde mir doch etwas wärmer.

Eilig schüttelte ich den Kopf und vertrieb diese Gedanken für den Moment. „Nein, ich denke, du kannst dich gut zurückhalten." Ob ich selbst auch so standhaft war, wagte ich zu bezweifeln. Aber ich versuchte möglichst selbstsicher die letzten Stufen zu erklimmen und sah ihm sogar in die Augen. Das schelmische Funkeln der dunkelbraunen Iriden ließ meine Knie jedoch etwas wackelig werden und als er sich dann zu mir beugte und leise gegen mein Ohr raunte, musste ich mich wirklich zusammenreißen.

„Oh... wenn du dich da mal nicht täuschst, Babyboy. Aber ich habe so einen Aufwand betrieben, um deinen Vormittag unvergesslich werden zu lassen... da sollte ich doch nicht kurz vor dem Höhepunkt aufhören." Sein warmer Atem traf meine Ohrmuschel und dann den Hals und ohne zu überlegen, neigte ich den Kopf zur Seite, um ihm mehr Angriffsfläche zu bieten. Fast wünschte ich mir, er würde mich dort küssen, ach was, er sollte mich überall küssen.

Doch da zog Chan seinen Kopf zurück, grinste mich etwas hinterhältig an und griff dann nach meinem Arm. „Wir beeilen uns besser."

Erst da nahm ich das laute Jubeln der Menge wieder wahr, hörte Trommeln und laute Rufe. Hastig folgte ich Chan und nach wenigen Metern traten wir hinaus in das helle Sonnenlicht. Ich blinzelte kurz und erkannte dann ein erhöhtes Podium, auf dem wir uns mit einigen anderen Herren befanden, die ebensolche Gewänder trugen wie Chan. Sie beachteten uns jedoch gar nicht, sondern starrten hinab in die Arena und waren von ihren gepolsterten Sitzplätzen aufgestanden, um die Eröffnung der Kämpfe genau zu verfolgen.

Schon dirigierte mich mein Begleiter nach vorn und deutete dann auf zwei gut gelegene Plätze. Sobald ich diese erreicht hatte, sah ich mich neugierig um und war erstaunt, wie viel man von hier sehen konnte, obwohl wir uns nicht so hoch oben befanden wie erwartet. Wir waren sogar näher an der Arena als die meisten anderen Zuschauer. Wir überblickten also das gesamte Rund des Kolosseums und gleichzeitig konnte man links und rechts die restlichen Bürger erkennen.

„Oh, wow", murmelte ich und beobachtete mit gespannt geweiteten Augen, wie sich nun zwei Tore öffneten und unter lauten Jubelrufen die Gladiatoren in die Arena traten. Der erste Aufmarsch sozusagen. Ich lehnte mich vorsichtig über den Rand der Balustrade und beobachtete die gerüsteten Krieger. Zunächst fiel mir auf, wie unterschiedlich sie gekleidet und ausgestattet waren. Einige von ihnen trugen noch nicht einmal richtige Panzerung oder ein Schwert. Es gab sogar ein paar, die lediglich ein kurzes gebogenes Messer und ein Netz mit sich trugen, wieder andere hatten Lanzen oder eine schützende Brustplatte aus Leder.

Ich war auch etwas davon überrascht, dass einige der Kämpfer gar nicht so schlank aussahen, wie man sie sonst in Filmen darstellte.

Doch noch bevor ich mich bei Chan erkundigen konnte, beugte er sich näher zu mir und fragte. „Und hast du schon einen Favoriten?"

Verwundert schüttelte ich den Kopf, sah mich aber nochmal unter den Gladiatoren um.

„Warum sind sie so verschieden gerüstet?", stellte ich meine Gegenfrage, um noch etwas Zeit zu gewinnen.

Chan rutschte etwas dichter zu mir und deutete dann auf die Männer in der Arena. „Selbst unter den Gladiatoren gibt es verschiedene Gruppen von Kriegern... Sie haben alle ihre spezielle Art zu kämpfen und zu töten. Ihre Ausrüstung hat verschiedene Vor- und Nachteile und diese werden hier genutzt, um die Spiele interessanter zu gestalten. Außerdem hat man selbst die als Sklaven gekauften Gladiatoren gut vorbereitet. Schließlich will man mit ihnen so lange wie möglich Geld verdienen und sie nicht zu schnell sterben sehen. Deshalb hat man ihnen auch mehr Essen gegeben." 

Er blickte mich sekundenlang intensiv an, so als habe er meine Überlegungen von vorhin verfolgt und würde sie jetzt beantworten. „Eine körpereigene Fettschicht schützt sehr zuverlässig gegen schlimme Verletzungen. Genau aus diesem Grund sind nicht alle Kämpfer dort unten so athletisch gebaut und nur muskulös. Es geht mehr um die Fertigkeiten mit ihren Waffen und die Taktik. Es kann viel ausmachen, seinen Gegner einschätzen zu können. Nichts ist schlimmer als unwissend in einen Kampf zu gehen, das kann dir das Leben kosten."

Demonstrativ sah er hinab auf den hellen Sandplatz und betrachtete die beiden Männer, die dort verblieben waren und die Spiele jetzt eröffnen würden.

„Was hältst du davon, Seungmin. Wir schließen Wetten darauf ab, wer von den Kämpfern siegt und wer verliert. Wer am Ende die meisten richtigen Wetten hat, der darf entscheiden, was wir danach tun." Vergnügt grinste er auf mich herab und als ich das Funkeln in seinen Augen erkannte, glaubte ich zu wissen worauf er anspielte.

„Das ist aber mehr als unfair", brummte ich und blickte zwischen den Gladiatoren hin und her. „Ich habe doch keine Ahnung vom Kämpfen und schon gar nicht von Taktik... Woher soll ich wissen wer siegt? Das ist für dich viel zu leicht."

Plötzlich wurde es auf den Tribünen unruhig und ich konnte erkennen, dass die beiden Krieger nun aufeinander losgingen. Der Kampf hatte begonnen. „Also wenn ich müsste, würde ich wohl auf den Mann mit dem Brustpanzer setzen. Er ist besser gegen Angriffe gerüstet."

Gönnerhaft lehnte sich Chan wieder zu mir. „Gut, dann werde ich dir ein bisschen helfen. Das da unten sind ein Secutor und ein Retiarius. Der Retiarius hat nur sein Netz und seinen Dreizack, dadurch muss er den fehlenden Schutz durch Schnelligkeit und Präzision ausgleichen. Der Secutor hingegen ist schwer bewaffnet und gut gepanzert. Siehst du den Arm und Beinschutz?" Ich nickte und beobachtete, wie die beiden Männer sich umkreisen und auf den passenden Augenblick warteten, um den anderen anzugreifen.

„Zusätzlich hat er Schwert und Helm. Es sind immer besonders spannende Kämpfe, wenn sie zwei so gegensätzliche Gladiatoren antreten lassen." Auch Chan wirkte interessiert an dem Geschehen, als sich der Mann mit Schwert nach vorn stürzte und den anderen zurückdrängte.

„Also hat der Secutor tatsächlich bessere Chancen."

Der Dämon lächelte teuflisch und wies mit dem Kinn nach unten. „Sieh es dir selbst an. Der Retiarius ist clever und versucht seinen Gegner dorthin zu führen, wo er ihn besser überwältigen kann. Die Ausgänge der Kämpfe sind nicht immer so leicht zu durchschauen."

Auch ich verstand endlich, dass es hier mehr darum ging, sich ein genaues Bild von den Fertigkeiten der Krieger zu machen. Dennoch entschied ich diesmal aus einem Bauchgefühl heraus. Vielleicht war es auch etwas Sympathie für den kaum bewaffneten Mann.

„Ich denke, der mit dem Netz wird es schaffen." Überzeugt sah ich hinauf zu Chan und dieser lächelte. „Gut, dann werde ich mal so nett sein und gegen dich wetten."

Unsicher lächelte ich und hoffte, dass ich nicht die falsche Wahl getroffen hatte.

Doch offenbar schien das Glück auf meiner Seite zu sein, denn nach wenigen Minuten tobte die Menge um mich herum.

Der Retiarius hatte sein Netz über seinen Gegner werfen können, da dieser zu langsam zum Ausweichen gewesen war. Und nun stürzte er sich auf ihn und stach mit seinem Dreizack in den Oberarm des am Boden Liegenden. Kurz zuckte ich auf, wandte aber nicht den Blick ab, sondern beobachtete, wie sich der Sand rot färbte. 

Ich konnte das Spektakel seltsamerweise vollkommen ungerührt betrachten und als die Menge in laute Rufe ausbrach, die forderten diesen Kampf zu beenden, überlegte ich für einen Moment mit einzustimmen. Doch rasch kniff ich die Lippen zusammen, beugte mich weiter über die Brüstung und sah zu, wie sich ein Mann in der Mitte unserer Loge erhob. Die Menge rastete fast aus und streckte ihre Daumen in die Luft.

„Da wollen die Leute offenbar gleich zum Anfang Blut sehen", flüsterte mit Chan zu, doch ich achtete mehr auf das Geschehen vor mir. Auch der Retiarius blickte hinauf zum Podium und wartete auf das Zeichen des Imperators.

Noch hielt dieser seinen Daumen waagerecht und wartete das Urteil der Masse ab, bevor er langsam, ganz gemächlich den Daumen hob und damit das Todesurteil des Unterliegenden besiegelte. 


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Also nur um es klarzustellen: die Quellen streiten bis heute darüber, ob der Daumen nun nach oben oder unten gerichtet wurde, wenn der Verlierer sterben sollte. Allerdings sagen einige Quellen, dass der Daume nach oben auch mit dem erhobenen Schwert (kampfbereit) verglichen werden kann und somit als Signal des Tötens verstanden werden könnte. Ich fand das recht einleuchtend und habe es deshalb so verwendet. 

I love you all. 💕

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