1 - Ava: Söldnersache
Der Aufprall des Körpers auf den von Bier und Unrat feuchten Holzdielen klingelte dumpf in ihren Ohren. Der Rücken wölbte sich und sie trat ihm hart ins Rückgrat bevor sie ihren Fuß an seinem Hals platzierte.
"Noch ein Zucken und das Letzte was du gerochen hast ist das Erbrochene von dieser reizenden Dame." Der Mann blieb ruhig. Die Frau fing an zu flennen. Ein kleines bisschen Mitleid hatte sie mit ihr, immerhin drückte sie gerade ihrem Kunden die Kehle zu.
"Ava!"
Sie verdrehte die Augen, als sich Silas durch die umherstehende Menge drückte und grinsend dem Mann ihre schlammige Fußspitze ins Gesicht drückte. "Na, da haben wir ja einen ordentlichen Fang gemacht.", damit holte sie rasselnd die Handschellen hervor und ließ den Mann ein letztes Mal zappeln bevor er seine Freiheit endgültig verlor. "Du kommst jetzt mit mir und pass auf, dass du brav bleibst" sie beugte sich näher zu seinem Ohr hinab "bei Ungehorsam rutscht mir öfter mal mein Schwert aus.", hauchte sie mit rauer Stimme.
Ava zog ihren Fuß zurück, drehte sich zu den Schaulustigen um und verscheuchte sie mit einer raschen Handbewegung. "Hier gibt's nichts mehr zu sehen." Sie zwinkerte Silas kurz zu, die den knurrenden Mann grob hochzog und schon die Schenke verließ.
Dreifacher Mord. Ihr Blick schweifte zu der aufgetakelten Frau, die immernoch auf ihren Knien zusammengesunken vor ihrem Erbrochenem kauerte. "Es ist besser so, das wäre sonst heute dein letzter Kunde gewesen." Sie drückte ihr eine Silbermünze in die Hand und wandte sich zum Ausgang.
Die Nachtluft lag kühl auf ihrer Wange und sie sah in den Himmel. Sternenklar und wunderschön. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und lauschte dem Rauschen in den Bäumen. Das war sehr viel angenehmer, als das stickige, laute Gasthaus in dem, kurz bevor sie es betreten hatte, ausgiebig gefeiert und getrunken wurde.
Tief atmete sie die frische Luft ein und dachte daran wie einfach die Festnahme verlief.
Zu einfach. Verdammt, sie war zu mehr als das fähig. Sie war für mehr bestimmt, das wusste sie schon seit sie das erste Mal ein Messer in ihren kleinen Kinderfingern gehalten hatte. Sie musste für mehr gemacht sein, sie brauchte das Geld.
Ava rollte ihre Schulten, ließ ihre Finger knacken und schlug dann die Augen auf. Ungesehen kickte sie genervt einen größeren Stein aus dem staubigen Weg, bevor sie den Hof verließ und zu Silas aufschloss.
Ihre Freundin blickte sie aus wilden goldenen Augen an und flüsterte: "Meinst du es fällt auf" sie stieß ihr Knie in seinen Lendenbereich "wenn ihm ein Teil fehlt?" Er fing an zu quieken, wie ein Schwein und stammelte lautlose Worte.
Der Mann war erbärmlich. Ausgemergelt, klein und ängstlich. Seine Augen huschten unruhig umher als würde er in der Dunkelheit hinter den Bäumen etwas suchen. Als würde er Hilfe erwarten.
"Lass uns einfach gehen." Ava drückte ihren Rücken durch und hielt aufmerksam die Umgebung im Blick. Die Hand am Schwertknauf, bereit es jeden Moment zu zücken, aber nicht wissend ob sie es auch auf diese Weise einsetzen konnte. Denn bei allen Heiligen, sie hatte noch nie einen Menschen umgebracht und hatte es bisher auch nicht vor.
Ihr dunkler Umhang der mit dem Wappen der Stadtwache bestickt war, raschelte leise hinter ihr her und die sicheren und festen Fußtritte waren gerade laut genug, um eventuellem Gesindel zu signalisieren, dass sie nicht alleine waren.
Silas gähnte laut und ihr geflochtener blonder Zopf wippte bei jedem ihrer Schritte, während sie ihren Gefangenem hin und wieder zum Stolpern brachte. Es war inzwischen weit über Mitternacht und die ersten Schichtarbeiter kamen ihnen entgegen, um ihren bescheidenen Lohn in Empfang zu nehmen. Nur um ihn am nächsten Abend zu versaufen.
Mit stummer und ernster Miene schritt sie neben dem Mörder her und ließ Silas ihren Spaß haben. Sie war genauso fehl am Platz wie sie selbst. Silas war eine wilde Raubkatze, nicht zu bändigen. Dieses Dorf, diese Arbeit wurde ihrer Jagdlust nicht gerecht. Sie mussten hier endlich fort.
Es dauerte nicht mehr lange bis sie den staubigen Pfad verließen und die Füße auf das Steinpflaster des Hofes setzten, in dem der Außenposten des Dorfes errichtet war. Der Posten war nicht groß, eine kleine Steinmauer umgab eine Wachstube, einen Stall und einen großen Holzkäfig in den sie die dürre Gestalt schubsten und dann den Riegel vorschoben.
Der Holzkäfig war breit genug für drei Gefangene, aber er hatte heute Platz für sich allein. Morgen würde er mit einer Karawane in die Hauptstadt fahren, um dort in den Kerker geworfen zu werden und den Prozess zu erwarten der höchstwahrscheinlich seinen schmutzigen Kopf kosten wird.
Ava verschränkte die Arme und betrachtete den Mann ein letztes Mal, seine tief liegenden Augen und den trockenen Mund der sich zu einer wütenden Grimasse verzog.
Schulterzuckend wandte sie sich ab und betrat die Wachstube. Silas würde Wache stehen, bis sie jemand ablösen würde.
Drinnen war es warm und muffig, die Vorhänge waren zugezogen, das Kaminfeuer brannte in einem hellen Rot und einige Wachen saßen noch an einem langen Holztisch. Sie tranken Bier und spielten Karten. Einige nickten ihr zu.
Das waren die Leute die einen Mörder festnehmen sollten und da war es ihr egal wie viele Prostituierte er zerstückelt haben soll, sie war für mehr gemacht.
Sie ging über den grünen Teppich, der auch schonmal bessere Zeiten gesehen hatte. Schmutz von Jahrzehnten war darin festgetreten, niemand machte sich die Mühe hier sauber zu machen. Was ein Drecksloch. Ava kam an der offenen Tür zu einer kleinen Kammer an.
Der Wachtmeister thronte hinter seinem Schreibtisch und schrieb etwas in ein großes Lederbuch. Er ignorierte sie, also blieb Ava im Türrahmen stehen. Der Raum wurde nur durch eine einzige Kerze erhellt, die auf der Fensterbank stand. Die Flammen tanzten und umschlungen sich in Einklang mit dem Kratzen der Federspitze auf dem rauen Papier. Der dunkle Holzstuhl knarzte als der Wachtmeister sich ein Stück nach vorn bewegte und die Feder beiseite legte. Dann nahm er Notiz von ihr, winkte sie näher zu sich.
"Erledigt." Sie legte den Schlüssel auf den Schreibtisch neben dem Tintenfässchen. "Gute Arbeit.", sagte der Wachtmeister, Fagins war sein Name. Die Haare waren grau, sein Gesicht wies schon Falten auf, aber nichtsdestotrotz war er gut gebaut und seine Uniform lag eng an seinem Körper. Er betrachtete Ava für einen kurzen Augenblick. Dann zog er seufzend die Schublade auf und entnahm ihr einen kleinen klimpernden Beutel.
"Gab es Probleme?"
"Nein, keine. Er hat keinen Aufstand gemacht.", antwortete Ava und wartete geduldig auf ihren Bonus für die Gefangennahme. Fagins wog den Beutel in seiner Hand und warf ihn ihr schließlich zu. "Gut. Sehr gut." Er widmete sich wieder seinem Buch.
Mistkerl.
Ava steckte sich den unangenehm leichten Beutel an den Gürtel und verließ mit einem Nicken in Richtung ihrer Kollegen die Stube. An der Ausgangstür hielt sie jedoch inne, da hing ein Zettel, angepinnt mit einem Messer. Ihr Verstand sog jedes Wort auf und mit einer blitzschnellen Bewegung riss sie das Papier ab und steckte es sich in die hintere Hosentasche.
Von Hochmut beflügelt trat sie zu Silas, die an der Mauer lehnte und aus der Ferne die neue Wache anschmachtete, die statt ihrer den Käfig im Auge behielt.
"Hier ist dein Anteil", sagte Ava und gab ihr die Hälfte der Münzen.
"Super! Das ist ja ein halber Tageslohn!" Silas biss kurz mit ihren Zähnen darauf. Ava zog eine Braue hoch: "Wir könnten besseres verdienen, das weißt du." Ihre Freundin zuckte mit den Schultern. Doch den Zettel behielt sie trotzdem für sich. Sie musste erst herausfinden was es damit auf sich hatte.
"Lass uns gehen. Wir müssen morgen wieder zurück zum Wachturm." Und das war ein ganzer Tagesmarsch. Silas streckte sich. "Vielleicht passiert morgen mal was spannendes."
Ava schwang ihren Arm um Silas Schulter und lächelte: "Wir werden bessere Tage als heute erleben. Das verspreche ich dir."
Als sich ihre Wege trennten tippte Ava bei jedem Schritt mit ihrer Fingerspitze gegen den Schwertgriff und summte eine ruhige Melodie vor sich her, während der Zettel in ihrer Hosentasche heiß glühte und sich ein Gefühl der Wärme in ihrer Brust ausbreitete.
Vielleicht war das ihre Chance.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top