Eine unerwartete Wende
Beomgyu POV:
Ich musste etwas gestehen; in der Mitte von Soobins und meiner Freundschaft hatte ich vielleicht sowas wie romantisches Interesse für den Anderen entwickelt gehabt und mir insgeheim gewünscht, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte, doch dieser Wunsch von mir existierte nur für kurze Zeit. Als ich realisierte, dass ich keine Chance bei Soobin hatte, gab ich sofort auf, denn ich war und blieb in seinen Augen nur ein guter Freund oder im besten Falle sogar ein kleiner, selbsternannter Bruder. Ich wusste, dass ich Soobin viel bedeutete, wir zeigten einander unsere verletzlichsten Seiten und betonten immer wieder, dass wir (Hueningkai mit eingeschlossen) uns sehr nahe standen und wir alle gemeinsam wie eine zweite, kleine Familie füreinander waren. Für mich genügte dies bis vor kurzem aber auch. Solange ich an seiner Seite war, war ich zufrieden. Solange er glücklich war, hatte ich keine Probleme damit meine Gefühle für den Anderen nach hinten zu stellen und sie zu verdrängen. Irgendwann war ich es so gewohnt diese zu ignorieren, dass ich schließlich vergaß, dass ich sie überhaupt hatte. Für mich war Soobin, wie Hueningkai, immer eine emotionale Stütze gewesen und ich dachte ich hätte es endlich geschafft ihn nur als einen engen Freund anzusehen.
Ich hätte es besser wissen müssen...denn Gefühle konnte man nicht einfach so wie auf Knopfdruck abschalten, egal wie sehr man sich das Gegenteil einredete. Im Endeffekt kamen sie in den Momenten, an dem du es am wenigsten erwartet hattest, wieder hoch und wirbelten deine komplette innere Welt auf. Wie bei dem letzten Treffen, wo der alleinige Anblick von Soobin und Yeonjun so nah aneinander schmerzte. Wünschend, dass der andere mich doch bitte wieder in seinen Armen nahm, damit ich mich wieder an seinem warmen Körper anschmiegen und seinen vertrauten Duft einatmen konnte. Oder als ich vor ein paar Wochen sogar soweit für den Anderen ging und einen damals noch Fremden erlaubte mir einen Knutschfleck zu verpassen, obwohl ich wusste, dass ich das normalerweise in einer anderen Situation aufkeinenfall zugelassen hätte. Doch es war für Soobin; und für Soobin war ich bereit meine eigenen Grenzen zu ignorieren und aus meiner Komfortzone rauszugehen, wenn es bedeutete, dass es ihn glücklich machen würde. Ich hätte da schon wissen müssen, dass ich für einen einfachen Freund niemals soweit gegangen wäre. Ab da hätte ich wissen müssen, dass mein Plan mir am Ende nur schmerzhafte Gefühle einbringen würde. Und jetzt herrschte dieses Chaos in mir, der mich völlig übermannte. Meine Gefühle für den Anderen hinterließen gerade nur noch einen bitteren Nachgeschmack in meinem Herzen.
Ich hatte es niemandem erzählt, ich behielt alles für mich und war mir sicher, dieses Geheimnis mit in mein Grab zu nehmen.
Ich fühlte mich aufgrund meiner Gefühle unglaublich schlecht. Mein Vater hatte Recht, ich war wirklich ein Nichtsnutz. Ich brachte nur Enttäuschung und Chaos mit mir, ich versagte nicht nur als Sohn oder als kleiner Bruder, jetzt versagte ich zusätzlich noch als Freund. Was blieb denn jetzt noch von mir übrig? Ich war nichts, wenn ich nicht mal ein guter Freund für Soobin und Hueningkai sein konnte.
Meine düsteren Gedanken wurden mit jeder Sekunde schlimmer und meine Augen begannen zu brennen. Wenn ich nicht von einer Stimme in meinem Grübeln unterbrochen worden wäre, dann hätte ich bestimmt angefangen ein paar Tränen zu vergießen.
Ich realisierte wieder, dass ich mich momentan in einem kleinen Café neben der Uni befand, da ich noch eine ganze Stunde bis zu meiner nächsten Vorlesung hatte und die Zeit nicht auf dem Campus verbringen wollte. Wie immer hatte ich mir den kleinen Platz in der Ecke des Lokals als meinen Sitzplatz ausgesucht.
Ich sah von meinem Kaffee hoch und erblickte ein vertrautes Gesicht, welches ich gerade am wenigsten erwartet hatte.
"Hast du gerade frei?", fragte Taehyun und musterte mich mit seinen kühlen, mysteriösen Augen. Ich brauchte etwas, um mich zu sammeln und auf seine Frage zu antworten.
"Ja, ich habe noch 'ne Stunde bis zu meinem nächsten Seminar.", sagte ich schließlich.
Was machte er hier? Wie lange stand er schon da?
"Cool, ich auch. Kann ich mich zu dir setzen?"
Hatte ich gerade richtig gehört? Ich konnte meinen Ohren nicht trauen, starrte ihn weiterhin nur sprachlos an.
"Oder ist dir das vielleicht unangenehm?", fragte er jetzt und ich erkannte so etwas wie Verunsicherung in seinen Zügen.
"Nein, nein. Gerne! Setz dich ruhig...", sagte ich kurzerhand und er schenkte mir ein erleichtertes Lächeln. Ich hielt aber besorgt inne, als ich realisierte, dass ich angesprochen wurde, als ich kurz davor war zu weinen. Oh nein, sind meine Augen noch feucht? Panisch blinzelte ich den Rest der Tränen weg und nahm nervös einen Schluck von meinem Getränk. Ich vermied dabei mit Absicht seinen Blick.
"Dein Plan scheint perfekt zu laufen. Yeonjun hat kommendes Wochenende ein Date mit Soobin.", begann er und ich erzwang mir ein Lächeln, den Schmerz in meiner Brust konnte ich jedoch nicht überspielen. Ich nahm wieder einen Schluck, diesmal einen Großen. Ich war nervös, Taehyuns Blick schien mich zu durchbohren.
"Du sagtest Soobin sei dein bester Freund?"
Ich hob den Blick und sprach:
"Ja, wir kennen uns schon seit Ewigkeiten. Wir sind wie Brüder."
Bei dem letzten Satz musste ich fast das Gesicht verziehen. Ich konnte mir selbst nicht glauben, aber ich wusste, dass es andere stattdessen tun würden. Das reichte mir.
Taehyun sagte nichts, er starrte mich weiterhin nur aufmerksam an, bevor er dann den Blick abwandte und auf das Menü über der Theke sah.
"Was ist dein Lieblingsgetränk hier?", fragte er plötzlich. Ich blinzelte bei diesem unerwarteten Themawechsel verwundert, doch dann überlegte ich stark über seine Frage, als ich mich von diesem plötzlichen Wechsel erholt hatte.
"Der Latte Macchiato hier ist gut."
"Trinkst du gerne Kaffee?"
"Ich liebe Kaffee.", schoss es jetzt ohne zu zögern aus mir heraus und meine schnelle Antwort gewann ein ehrliches Lächeln vom Anderen. Ich sah beschämt wieder zu meinem Getränk. Versuchte er gerade Small-Talk mit mir zu führen?
"Der wievielte Kaffee ist das heute für dich?"
Ich spitze überlegend die Lippen.
"Der Dritte?"
Taehyun sog, zu meinem Unverständnis, leicht schockiert die Luft ein.
"Ich trinke normalerweise viel mehr.", gestand ich dann aufgrund seiner Reaktion lachend und die Empörung in seinem Gesicht wurde noch sichtbarer.
"Hyung, so viel ist nicht vorteilhaft für deine Gesundheit."
Ich presste schuldbewusst die Lippen aufeinander und konnte nichts dagegen sagen, sondern nur als Antwort schief darüber lächeln. Er hatte Recht, aber meine Liebe (*hust* Sucht) für Kaffee benebelte jegliche Vernunft. Taehyun stand plötzlich auf und nahm sich aus dem Kühlschrank des Cafés eine Wasserflasche, bevor er zur Kasse ging und diese bezahlte. Verwirrt über diese plötzliche Handlung, verfolgte ich die Bewegungen des Anderen aufmerksam, bis er sich wieder vor mich setzte. Er schob dann sein gekauftes Getränk vor meine Tasse und bedeutete mit einer kurzen Kinn-Bewegung zu mir.
"Wenn du soviel Kaffee trinkst, musst du besonders viel Wasser trinken."
"Ist die für mich?"
Der Jüngere nickte und ich sah sprachlos auf die Flasche, bevor ich dann nach dieser griff und mich kleinlaut bedankte. Wie nett von ihm, dachte ich berührt. Dieses warme Gefühl wurde aber bei seiner nächsten Frage wieder abrupt unterbrochen.
"Was sind die nächsten Schritte für deinen Plan?"
Mein Herz sank in meiner Brust, ich räusperte mich und leckte mir kurz über die trockenen Lippen, bevor ich dann den Mund öffnete.
"Ich glaube, ich beende das Ganze. Sie kommen auch ohne mich zurecht."
Zu meiner Überraschung nickte Taehyun zustimmend und sagte: "Klingt nach einer guten Idee." Sein Satz hatte mich zuerst leicht verwirrt, aber was er als nächstes sagte, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren, "Deine Gefühle für Soobin werden es dir schließlich danken." Es war totenstill.
Mein Herz hämmerte schmerzhaft gegen meine Brust. Für einen Moment schien alles um mich herum zu stoppen und ich hörte kaum noch etwas, bis auf das starke Pochen meines Pulses, der mir bis zu den Ohren reichte. Mein ganzer Körper war vor Schock paralysiert, ich bekam kein einziges Wort aus meinen Lippen. Taehyun verzog jedoch bei meiner Reaktion keine Miene und sah mich weiterhin nur seelenruhig an, während hingegen ein ganzer Krieg aufgrund seines Satzes in mir ausbrach.
"Keine Sorge, ich habe keinem davon erzählt.", sagte er schließlich in einem sanften Ton, um mich wohl zu beruhigen. Ich konnte aber nichtmals die Tatsache, dass der Andere das erste Mal auf so eine Art und Weise mit mir sprach, richtig verarbeiten. So geschockt von dem, was er davor gesagt hatte.
"Woher? Ich meine, wie? Warum glaubst du, dass ich was für Soobin empfinde?", stammelte ich total aufgewühlt.
"Seitdem letzten Treffen hatte ich so meine Vermutung. Deine Reaktion gerade hat diese für mich nochmal bestätigt.", sagte er schließlich schulterzuckend und ich starrte ihn völlig geschockt an. War es so offensichtlich?
"Was deine Gefühle betrifft-", begann er, doch ehe er den Satz beenden konnte, schoss es scharf aus mir heraus: "Ich möchte nicht darüber reden."
Es war nicht meine Absicht so hart zu klingen, doch das Gefühlschaos in mir machte es unmöglich ruhig und gelassen zu bleiben. Ich hatte Angst davor, was er als nächtes sagen würde. Ich schämte mich. Trotz meines Ausbruches, blieb Taehyuns Gesicht unverändert.
Es war unangenehm ruhig zwischen uns und schon wieder wollte ich ansetzen um aus meiner Tasse einen Schluck zu nehmen, bevor ich zu meinem Bedauern realisierte, dass diese leer war. Peinlich berührt über diese sinnlose Handlung von mir, setzte ich die Tasse wieder ab und starrte dann auf die Wasserflasche. Ich biss mir mit einem schlechtem Gewissen auf die Unterlippe.
"Danke nochmal, für das Wasser.", murmelte ich schließlich und traute mich nicht den Blick zu heben. Jetzt fühlte ich mich auch noch schuldig. Der Andere war so lieb und hatte sich über meine Gesundheit gesorgt. Ich dankte es ihm, indem ich unhöflich seinen Satz unterbrach. Konnte ich denn noch tiefer sinken?
Ich atmete niedergeschlagen aus und mir war wieder nach Weinen zu Mute. Ein Seufzen des Anderen holte mich aber wieder in die Gegenwart zurück und unbeabsichtigt hatte ich Blickkontakt zu ihm aufgebaut. Taehyun hatte sein Gesicht in seine Hand abgestützt und sah mich stirnrunzelnd an, er wirkte irgendwie frustriert. Die vorige Sanftheit in seiner Stimme war jetzt völlig verschwunden, als er sprach.
"Ich verstehe es nicht. Willst du ihn für dich haben oder nicht?"
Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.
"Was meinst du?", fragte ich kurzerhand und fühlte mich vor seinen Augen ziemlich klein.
"Wenn du weiterhin so passiv bleibst, dann wird er endgültig Yeonjun gehören. Stört dich das nicht? Bist du sicher du wirst es nicht bereuen?"
Wie bitte? Was wollte er mir damit sagen? Ermutigte er mich gerade seinem Freund Soobin auszuspannen? Bei diesem Gedanken stieg Wut und Enttäuschung für Besagten in mir auf und ich konnte die nächsten Gefühle, die aufgrund dieses Gedankens getriggerten wurden, nicht mehr stoppen.
"Soobins Glück steht für mich an erster Stelle.", presste ich aber nur raus und entgegnete seinen kühlen Augen mit neugefundenem Mut. Ich wollte mich nicht in seine Freundschaft mit Yeonjun einmischen, also behielt ich meine Meinung diesbezüglich für mich. Er hob eine Augenbraue.
"Das war nicht meine Frage. Ich habe gefragt, ob du es nicht bereuen wirst."
Die Wut in mir stieg. Ob ich das bereuen würde oder nicht, darüber wollte ich gerade überhaupt nicht nachdenken. Die Antwort würde mein Selbsthass nur noch mehr bestärken. Ich fühlte mich bereits beschissen genug.
"Warum interessiert dich das so sehr? Das geht dich doch nichts an.", sagte ich giftig und beobachtete wie Irritation jetzt Taehyuns Züge pflasterte, eine intensive Emotion, die ich mit meinem Ton getriggert hatte. Er schnaubte.
"Wer hat mich denn bitte ursprünglich in das Ganze reingezogen? Das Mindeste, dass du tun kannst ist keine kleine Bitch zu mir zu sein, nur weil deine Gefühle nicht erwidert werden, Choi Beomgyu."
Das schmerzte. Sein harter Satz rieb noch mehr Salz in meine Wunden und mein Ego war stark gekränkt.
"Du hättest meine Ideen doch ablehnen können!", verteidigte ich mich anschließend, bevor ich dann unüberlegt raushaute, "Wenigstens hintergehe ich meine Freunde nicht."
Taehyuns Augen waren ja schon immer einschüchternd, aber nach meinem Satz funkelte etwas bedrohliches in diesen und wenn Blicke töten könnten, dann hätte ich wohl jetzt meinen letzten Atemzug genommen.
"Was soll das jetzt heißen?" kam es gefährlich ruhig aus seinem Mund und ich musste schwer schlucken. Ich bekam kein Wort raus. Auf meine Stille hin, schnaubte mein Gegenüber schließlich nur ungläubig aus und sah in die Ferne, so als würde er mir damit mehr von seiner Aufmerksamkeit verweigern wollen. Ich konnte es ihm nicht übel nehmen, ich weiß wie frustrierend und nervig ich auf andere wirken konnte.
Dieser Anblick vom Jüngsten bewirkte jetzt, dass ich meine vorige Anschuldigung hinterfragte. Wenn Yeonjun ihm so egal wäre, dann hätte Taehyun doch nicht so auf diesen Satz von mir reagiert, oder? Aber was wollte er denn sonst mit diesen Fragen aussagen?
Taehyun stand ohne ein weiteres Wort zu sagen auf und verließ das Café, ließ mich, total verwirrt über das was gerade geschehen war, zurück.
Er war wütend auf mich, das war klar. Dann traf es mich wie ein Blitz. Der einzige Mensch, der von meinem Geheimnis wusste...und ausgerechnet diesen hatte ich gerade verärgert. Vielleicht hatte ich es mir damit sogar völlig bei ihm verspielt. Scheiße, dachte ich und griff mir frustriert in die Haare, Was soll ich jetzt machen?
Bis jetzt hatte Taehyun immer sein Versprechen gehalten, wenn er gesagt hatte, dass er die Sachen für sich behalten würde. Jetzt wo ich ihm einen guten Grund gab, das Gegenteil zu tun, würde es diesmal anders sein?
Ich hatte Angst. Angst davor, was mein unüberlegtes Verhalten für Konsequenzen noch mit sich bringen würde.
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