Der Zweite Kuss
Taehyun POV:
Es war Freitag. Ich war bereits bei Yeonjun und half ihm für das Treffen ein paar Snacks zu besorgen, die (zu meinem Glück) von ihm finanziert wurden. Auf seinen Wunsch hin, richtete ich den Küchentisch wie ein Buffet mit Fingerfood und Getränken ein.
"Ist das alles hier nicht etwas übertrieben, Hyung? Das ist ja schließlich keine Party.", fragte ich und beobachtete wie der Ältere die Musikbox mit seinem Smartphone verband.
"Ich lege halt viel Wert auf gute Stimmung, Taehyun-ah.", rechtfertigte sich Yeonjun und ich schüttelte seufzend den Kopf, doch zeigte ich schließlich Verständnis. Ich wusste wie wichtig sowas für Yeonjun war, er legte viel Wert darauf, dass alle Anwesenden Spaß hatten. Im Vergleich zu mir, waren ihm solche sozialen Dinge von großer Bedeutung und er verstand was ein Raum brauchte, damit er positiv auf das Gemüt der Gäste schlug.
Gestern Abend bekam ich nach langer Zeit eine Nachricht von Choi Beomgyu, indem er mich über die bisherigen Fortschritte seines Plans informierte und sein Ziel für heute Abend schilderte. Dieses wäre, dass Soobin und Yeonjun heute alleine miteinander sprechen würden. Ich persönlich fand dieses Ziel ja ziemlich bescheiden.
"Schreibst du eigentlich seit dem letzten Mal noch mit irgendjemanden aus der Gruppe?", fragte ich dann neugierig den Anderen, der gerade dabei war ein paar Lichter aufzustellen. Yeonjun blickte über seine Schulter zu mir in die Küche rüber und sah mich verwundert an.
"Ja, ab und zu schreibe ich mit Hueningkai."
"Und Soobin?"
Er blinzelte vorerst stumm.
"Mit ihm habe ich auch geschrieben...woher weißt du das?"
Ich zuckte mit den Schultern und fragte anschließend wie er den älteren Literaturstudenten fand.
"Er ist ganz süß. Seine Grübchen haben es mir ja angetan."
"Ich habe auch Grübchen.", äußerte ich trocken und Yeonjun verdrehte die Augen.
"Ja, aber dich finde ich nicht heiß, Taehyun."
"Ouch, Hyung, ouch.", sagte ich dann und imitierte dabei die typische Geste des Anderen, indem ich meine Brust hielt und mich mit schmerzerfülltem Gesicht nach vorne beugte. Yeonjun musste bei meiner Show lauthals los lachen und ich ließ mich von diesem fröhlichen Klang anstecken.
"Also hatte ich Recht, du findest den Literaturstudenten heiß, was?", sagte ich schließlich dreckig und Yeonjun grinste. Ich glaube Beomgyu konnte heute Abend so wie ich meinen besten Freund kannte auf viel mehr als nur ein Gespräch hoffen.
Es dauerte nicht lange und schon standen die drei eingeladenen Gäste vor der Tür. Ich hatte bei ihrem Eintritt für einen kurzen Moment Augenkontakt mit Beomgyu, welcher mir zur Kenntnisnahme dieses Momentes ein schwaches Lächeln geschenkt hatte. Es war nur kurz, aber ich bemerkte anhand seiner Aura, das etwas an ihm anders war als sonst. Oder bildete ich mir das ein? Aber meine Vorahnung bestätigte sich über den Abend noch mehrere Male, als ich diese fast unscheinbaren Gesichtsausdrücke des Langhaarigen in Momenten seiner Unvorsicht entdeckte. Was mir auch auffiel war, dass sein Blick des Öfteren zu Soobin wanderte und sowas wie Bekümmerung seine Züge pflasterte, doch so schnell wie diese Emotion aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder und ich hätte beinahe gedacht, dass ich mich verguckt hätte, wenn sich diese Handlung nicht wiederholt hätte.
War er vielleicht besorgt, dass sein Plan nicht klappte? Ich sah zu Yeonjun und Soobin, welche sich schon seit einer halben Stunde gemeinsam angeregt mit Hueningkai unterhielten. Yeonjun hatte des Öfteren den Körperkontakt zum Anderen gesucht und sie sind sich die letzten Minuten ziemlich offensichtlich nahe gekommen, das selbst Hueningkai sie wissend anstarrte und ab und zu wie ein schüchternes Schulmädchen begann zu kichern. Wenn Beomgyu sich Sorgen um seinen Plan machte, dann war das meiner Meinung nach ziemlich unbegründet. Ein letzter Blick zum Besagten und ich ärgerte mich, dass mich seine niedergeschlagene Stimmung überhaupt so beschäftigte.
"Ich habe Lust auf Flaschendrehen! Lasst uns Flaschendrehen spielen", brüllte Hueningkai aufgregt, woraufhin Yeonjun natürlich sofort auf die Idee anspring, während sich Soobin eher von den Anderen mitreißen ließ. Der Jüngste unserer Gruppe schenkte kurzerhand Beomgyu ein Zwinkern, welches dieser mit einem Daumen-nach-oben entgegen nahm. Diese kleine Interaktion hatte mein Interesse erweckt. Unauffällig hatte ich mich neben dem Langhaarigen gestellt, welcher mich daraufhin verwundert angesehen hatte.
"Ist das auch Teil des Plans?", fragte ich schließlich und Beomgyu nickte kurz, bevor er sich dann wieder zu den Anderen drehte, welche sich schon auf den Boden platziert hatten und eine leere Flasche in die Mitte stellten.
Flaschendrehen; das war eine clevere Idee. Was gab es besseres als das gute alte Trinkspiel, wenn es darum ging zwei Menschen miteinander zu verkuppeln.
Die ersten Runden begannen wie immer harmlos und unschuldig. Mit den verstreichenden Minuten und den ausgetrunkenen Mischgetränken, senkte sich langsam aber sicher die Hemmschwelle.
"Soobin, Wahrheit oder Pflicht?", fragte Yeonjun lächelnd und ich verzog leicht angewidert das Gesicht, als ich die prickelnde und erhitzte Stimmung um die Beiden herum wahrnahm. Seinen eigenen besten Freund flirten zu sehen, war normalerweise etwas was man möglichst versuchte zu vermeiden. Ich hatte ja nichts dagegen, dass sie sich zueinander hingezogen fühlten, aber ich war auch nicht wirklich scharf darauf Zeuge ihrer Zuneigung und Anziehung zueinander zu sein. Es fühlte sich schon fast so an, als dürfte ich nicht hinsehen, so intensiv sah Yeonjun den Schwarzhaarigen an.
"Ähm, Pflicht?"
Yeonjun nickte aufgrund seiner Antwort zufrieden und Hueningkai gab ein lang gezogenes "Oho" von sich.
"Du musst mit mir auf ein Date.", äußerte der Älteste. Ein Kreischen verließ Hueningkais Lippen und ich schloss meine Augen, um mich vor diesem kitschigen Moment zu retten und das starke Bedürfniss ein Würggeräusch machen zu wollen zu unterdrücken. Für einen kurzen Moment war es unangenehm ruhig. Alle wartend auf die Antwort des Anderen, der momentan die Farbe einer Tomate angenommen hatte. Schließlich nickte er und Yeonjun grinste über beide Ohren. Die leichte Röte auf den Wangen meines Kumpels entging mir dabei nicht. Wow, Soobin hat es ihm wirklich angetan, dachte ich
Mein Blick wanderte instinktiv zu Beomgyu neben mir. Immerhin musste er ja jetzt aufgrund seines Erfolgs über beide Ohren strahlen. Der Plan lief besser als erwartet. Als ich aber dann Beomgyu erblickte, musste ich geschockt innehalten. Statt das breite Lächeln, das ich erwartet hatte, begrüßte mich ein schmerzverzogenes Gesicht und ein hängender Kopf des Anderen.
Was zum-
Beomgyu blickte wieder hoch und seine dunklen Augen wanderten schon wieder zu Soobin...
In dem Moment hatte ich einen schockierenden Gedanken und ich ahnte etwas unglaublich Verrücktes.
Das Spiel ging ungehindert weiter. Ein paar Aufgaben hier und ein paar peinliche Geständnisse da, doch bis jetzt wurde eine bestimmte Linie nicht überschritten. Die meisten waren noch vorsichtig mit den gestellten Pflicht-Aufgaben, sie blieben größtenteils unschuldig und vielleicht fehlte einfach nur mehr Alkohol in unserem Blut, der dies änderte. Beziehungsweise dachte ich das, aber ich hätte es eigentlich besser wissen müssen. Choi Yeonjun war nicht Choi Yeonjun ohne seine Schamlosigkeit. Besagter grinste mich schelmisch an, als die Flasche auf mich zeigte. Oh nein.
"Wahrheit oder Pflicht, Taehyunie?"
"Pflicht.", schoss ich Impulsiv raus. Auch wenn ich mich davor fürchtete was Yeonjun mir als nächstes als Aufgabe stellen würde, zog ich dennoch nicht den Schwanz ein. Ich mag vielleicht ein Angsthase sein, aber ich war kein Loser!
"Okay, entweder du zeigst uns deinen Arsch oder-" Der vulgäre Satz bewirkte, dass sich die Anwesenden an ihrer Spucke verschluckten oder Comic-artig die Augen aufgerissen hatten, während ich jedoch keine Miene verzog und noch angespannt auf die andere Option wartete, die ich klarer Weise wählen werden müsste, denn ich hatte so etwas wie Würde. Yeonjuns Blick wanderte zu Beomgyu und das dreckige Lächeln wurde breiter. Dies muss auch Besagter bemerkt haben, denn er sah dann verwirrt zwischen mir und meinen Kumpel. "Du küsst Beomgyu."
Fick dich, Yeonjun, dachte ich und starrte ihn dementsprechend auch so an, was der Andere sehr wohl verstand. Es war ziemlich offensichtlich, dass Yeonjun mir mit Absicht diese zwei Optionen stellte, wissend dass ich die Erste aufkeinenfall wählen würde. Dann kam mir wieder in den Sinn, dass der Andere ja dachte, dass Beomgyu und ich was am Laufen haben könnten.
Soobin und Hueningkai hatten bei dieser gestellten Aufgabe nervös zwischen mir und Beomgyu hin und her geschaut und die Spannung, die in der Luft lag war lächerlich hoch. Ich seufzte, bevor ich mich dann zu dem Langhaarigen hindrehte.
"Ist das okay für dich?", fragte ich ihn anschließend und er zuckte mit den Schultern, bevor er kleinlaut sagte:
"Schlimm finde ich es nicht, aber..."
Sein diskreter Blick wanderte etwas verunsichert und peinlich berührt zu Soobin und ab da war ich mir eigentlich ziemlich sicher über meine Vermutung. Die Tatsache, dass mich zu küssen kein Problem für ihn darstellte, sondern viel eher, dass sein Freund, für den er (wenn ich richtig lag) nicht platonische Gefühle hegte, dabei war und zusah, beschämte ihn viel mehr. Was ein Plottwist, dachte ich.
Ich musste bei diesem Gedanken schnauben, denn ich wusste nicht wie ich über die Handlungen des Anderen denken sollte. Zum einen war ich erstaunt, dass dieser einen Plan erstellt hatte, um seinen besten Freund mit jemanden zu verkuppeln, obwohl er doch ganz offensichtlich etwas für diesen empfand. Zum anderen war ich aber unglaublich irritiert, weil ich nicht verstand wie ein Mensch so etwas tun konnte. Das grenzte doch schon fast an Dummheit. Ich meine, dachte Beomgyu wirklich, dass es eine clevere Idee sei sich selbst das Herz zu brechen? Versteht mich nicht falsch, ich war nicht besorgt über den Schmerz des Anderen. Ich war nur unglaublich verwirrt und hasste es wenn Menschen Dinge taten, dessen Sinn ich nicht verstand.
Vielleicht störte es mich aber auch etwas, dass ich so viel Zeit verschwendet hatte, um über die Stimmung des Anderen zu grübeln nur um dann herauszufinden, dass das der wahre Grund dahinter war, den ich schließlich nicht nachvollziehen konnte.
Ich war unzufrieden damit, dass mein Nebenmann mich immer noch nicht beachtete, obwohl wir doch beide gerade eine Aufgabe zu erledigen hatten. Er gab mir damit auf eine seltsame Art und Weise das Gefühl, dass meine Präsenz unbedeutend in seinen Augen war und es kratzte etwas an meinem Ego. Ich wollte dies ändern, also tat ich schon wieder etwas sehr impulsives. Ich packte Beomgyu am Nacken und verband ohne Vorwarnung unsere Lippen miteinander, um seine Aufmerksamkeit endlich auf mich zu lenken, was dem Anderen ein scharfes Einatmen entlockte, doch mich nicht in meinem Tun allzu störte. Als ich spürte wie Beomgyu sich anspannte, um sich wieder von mir zu lösen, verstärkte ich diesmal den Griff an seinem Nacken und nahm seine Unterlippe entschlossen zwischen meine, um den Kuss anschließend zu vertiefen. Ich gab zu, vielleicht wollte ich gerade etwas gemein sein, aber trotz meiner gewagten Handlung, spürte ich wie der andere instinktiv erwiderte und wir schnell einen gemeinsamen Rhytmus fanden. Meine andere Hand wanderte zu seinem Gesicht und dann durch sein weiches Haar, um dieses nach hinten zu streifen und seine Strähnen zwischen meine Finger zu nehmen, was den anderen dazu brachte sich mehr in den Kuss und die Berührung rein zu lehnen. Mochte er das? Ich verfestigte meinen Griff in seinem Haar und zog neugierig, aber vorsichtig an ihnen. Ein süßer, zarter Laut verließ daraufhin seine Lippen und ich musste innerlich über diesen kleinen Erfolg grinsen. Nach ein paar Sekunden löste ich abrupt den wilden Kuss und Beomgyu hatte einen verschleierten und gleichzeitig verwirrten Blick drauf. Seine Verwirrung wandelte sich aber schnell in Schock und Scham um, als er wieder realisierte, dass wir Zuschauer hatten. Ich hingegen widmete mich ganz cool wieder meinem Getränk, so als wäre nichts passiert, bevor ich Yeonjun mit hochgezogener Augenbraue musterte und "Zufrieden?" äußerte. Mein Kumpel lachte.
"Ich sagte küssen, nicht rummachen. Aber ja, war mehr als genug.", sprach er und diesmal verzog er angewidert das Gesicht. Ich musste selbstgefällig grinsen.
Hueningkai und Soobin sahen so aus, als hätten sie Beomgyu und mich beim Sex erwischt und der Jüngste schrie ganz dramatisch: "Meine Augen! Meine Unschuld!". Der andere empörte Zeuge des Kusses, hatte seine Hände verlegen über sein Gesicht gelegt, während er nur durch den Spalt seiner Finger durch lugte und Yeonjun damit anschließend aufgrund der Reaktion zum Lachen brachte.
"Aw, ihr seid ja so süß.", sagte er und wuschelte Hueningkai durch das wasserstoffblonde Haar, während er Soobin in eine rosa Wange kniff. Beomgyu hatte nur genervt die Augen verdreht, aber trotzdem zeichnete eine leichte Röte auch seine Wangen. Ich räusperte mich.
"Spielen wir noch?"
"Lasst uns lieber aufhören, bevor ich noch Soobin beim Rummachen zusehen muss und wirklich an Augenkrebs erkranke.", murmelte Hueningkai und blickte dabei wie traumatisiert in die Luft, während er das Gesicht bei der bloßen Vorstellung verzog. Soobin schlug ihm nach dieser Aussage beschämt und warnend gegen den Arm. Ich musste lachen.
Hueningkai konnte wie Yeonjun echt dramatisch sein, nur war er aufgrund seiner noch etwas kindlichen Art ziemlich süß dabei.
Als ich dann endlich den Blick von Beomgyu auf mir spürte, grinste ich triumphierend und stolz in mich hinein. Ich drehte mein Gesicht in seine Richtung und schenkte ihm ein provokantes Lächeln, bevor ich meine Augen zu seinen Lippen wandern ließ und meine eigenen mit meiner Zungenspitze kurz anfeuchtete. Dies gewann eine interessante Reaktion des Anderen und er brach hektisch den Blickkontakt, bevor er abrupt aufstand und sich mit Hueningkai in die Küche begab, der sich kurzerhand an die Snacks vergriff und glücklich vor sich hin mampfte.
Mein Blick hatte amüsiert den Abgang des Anderen verfolgt und ich spürte eine vertraute Präsenz neben mir. Ich wusste, dass es Yeonjun war ohne hinschauen zu müssen.
"So so, nur Freunde, huh?"
"Hyung.", sagte ich in einem warnenden Ton, dann sah ich in sein Gesicht. Er blickte mich mit diesen allwissenden Augen an und ich stand einfach nur nichtssagend auf, um mir etwas Sprite aus der Küche zu holen.
"Hey, ignorier mich nicht!", brüllte der Ältere mir noch hinterher.
***
Author's Note
Puh, das war mal ein längeres Kapitel als sonst. Hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen :)
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