39. Weiße Rosen
"Was wollte Julien Bam von dir? War er wirklich wegen dir da?", platzte es aus Jasper heraus nachdem er es schon eine Viertelstunde geschafft hatte einfach darüber zu schweigen.
"Jas!" Miriam stieß ihren Bruder in die Seite und nahm dann einen Schluck von ihrem Wasser.
Ich hielt nur inne. Mit diesen Fragen hatte ich schon gerechnet. Alleine deshalb, weil ich mir über alles den restlichen Nachmittag noch Gedanken machen hatte können. In meinem Kopf war ich tausende von Szenarien durchgegangen. Nicht nur die Situation mit Julien selber, nein, ich hatte auch an die Situation hier gedacht. Miriam und Jasper waren nicht die einzigen die gesehen hatten, dass ich mit Julien geredet hatte. Sie waren gewiss auch nicht die einzigen die Fragen hatten zu diesem Thema.
Verlegen nahm ich einen Schluck Wein und stellte das Glas dann wieder vorsichtig ab.
"Ihr werdet so oder so nicht locker lassen, deshalb sag ich es euch lieber direkt bevor es zu Gerüchten kommt", meinte ich gefasst. Innerlich kämpfte ich allerdings immer noch mit den Tränen.
"Du musst nicht darüber reden wenn du nicht willst", sagte Miri sofort.
"Nein, schon gut", mit einem kurzen Blick brachte ich sie zum schweigen. "Ich hab Julien an dem Tag kennengelernt an dem ich die blaue Bühne bei "Masters of Dance" betreten habe. Zugegeben... Ich wollte eigentlich in Vartan's Team. Wie eine Verrückte hatte ich an meiner Choreographie gearbeitet und auch alles so hinbekommen wie ich es wollte..." Ich hielt kurz die Luft an. Die Zwillinge warfen mir besorgte Blicke zu. "Naja, ich denke ihr habt mitbekommen, dass ich nicht in das Team gekommen bin in das ich wollte. Es lag allerdings nicht daran, dass Vartan mich nicht im Team haben wollte, es lag daran, dass ich mich in letzter Sekunde dazu entschlossen hatte Team Julien beizutreten. Es war einfach aus meinem Bauchgefühl heraus... Ihr könnt es auch nicht glauben wie irrational ich diese Entscheidung getroffen habe. Es hatte sich einfach richtig angefühlt." Wieder brach ich ab. Dieses Mal allerdings weil ein Kellner uns das Essen brachte.
Mit einem Danke nahm ich meine Pizza Funghi an und wartete bis die anderen zwei auch ihr Essen hatten.
"Wenn... Darf ich es sagen?" Miri zögerte.
"Sprich dich aus", ich schnitt nur ein Stück von der Pizza ab.
"Du und Julien, da war mehr als nur Freundschaft, oder?"
Wieder schwieg ich. Erst nach einigen Sekunden nickte ich.
"Es war nie Freundschaft wenn ich es jetzt rückblickend betrachte", murmelte ich. "Mehr ist es allerdings erst nach der Show geworden, aber lange hielt es nicht... Sagen wir es so. Eine dritte Partei hat die Karten neu gemischt und uns alles kaputt gemacht." Meine Finger verkrampften wieder und ich spürte eine Träne die über meine Wangen rollte.
"Wir bitte?" Miriam klappte der Mund auf.
"Ja, Sabotage auf dem höchsten Niveau", langsam nickte ich und aß weiter.
"Weißt du wer es war?"
"Bis heute Mittag wusste ich nicht Mal, dass es überhaupt jemand war, Jas... Aber, ja. Ich weiß wer es war."
Schweigen. Keiner der beiden wollte nach dem "Wer" fragen. Es war allerdings Jasper der sich als erstes wieder rührte.
"Und jetzt?", fragte er vorsichtig.
"Nichts und jetzt... Ich denke es ist besser so wie es jetzt ist." Ich zuckte mit den Schultern und versuchte so gleichgültig wie möglich dabei auszusehen. "Jetzt lasst uns lieber darüber reden wie euer HipHop Kurs heute Nachmittag noch war."
Die beiden schienen mein Schauspiel abzukaufen. Vor allem als ich wieder ein Lächeln aufsetzte und so tat als hätte ich nicht mit Tränen zu kämpfen gehabt.
Jasper war auch der erste der dann begann von dem Unterricht zu reden. Miriam stieg nur Momente später auch ein. Ich war froh über diese Ablenkung, auch wenn es nur bedingt half.
Es vergingen circa 48 Stunden seit dem Gespräch mit Julien und ich griff zu meinem Smartphone um ihn anzurufen.
"Krystal, endlich! Ich dachte du würdest dich nicht mehr melden...!"
"Ju, ich mache es kurz", ich unterbrach ihn sofort. "Ich habe nachgedacht. Es ist besser wenn du deine Sachen packst und wieder nach Köln gehst. Das zwischen uns kann nicht mehr klappen. Es ist zu viel passiert..."
"Nein, nein, nein. Kris, das akzeptiere ich nicht. Du handelst jetzt aus Angst heraus. Das ist mir klar, ich kenne dich gut genug. Es gibt aber nichts wovor du Angst haben musst! Kris... Du musst uns die Chance geben. Es wird alles wieder gut. Das verspreche ich dir."
"Es tut mir leid, Julien. Bitte melde dich nicht mehr...!" Mit diesen Worten legte ich auf und brach in Tränen aus.
Ja, zum einen hatte er recht. Ich hatte Angst... Allerdings war mir klar geworden, dass ich, wenn ich uns noch eine Chance geben würde, wieder mein Herz auf's Spiel setzten würde... Das konnte ich nicht nochmal durch machen. Nie wieder.
Mit Tränen den Augen legte ich mein Handy auf das Nachtkästchen und umarmte mein Kissen fester denn je. Schluchzen war hier und da nicht zu vermeiden. Es ging einfach gar nicht mehr anders.
Am Abend hatte ich mich dann wieder soweit im Griff, dass ich Miri aufmachen konnte und sie sogar in mein Zimmer ließ. Ihrem Blick nach zu urteilen lag ihr auch etwas auf dem Herzen. Ich war schon fast froh darüber, denn wenn andere mit mir über ihre Probleme reden wollten, dann würden sich meine hinten anstellen müssen. Damit war die perfekte Ablenkung geschaffen... Da hatte ich zumindest...
"Also, was führt dich zu mir?", fragte ich, reichte ihr eine Tasse Tee und setzte mich neben sie auf meine Tagesdecke in das Bett.
"Wir hatten gestern und heute keine Zeit dafür, aber... Vielleicht solltest du mit mir reden...?" Miriam klang verlegen.
"Wie bitte? Über was denn?"
"Über das Thema dem du gerade krampfhaft versuchst aus dem Weg zu gehen. Also?", sie nippte an der Tasse.
"Julien... Du meinst Julien..."
"Ja, genau. Ihn meine ich." Miri nickte.
"Da gibt es nichts mehr zu reden. Ich hab ihn jetzt endgültig nach Hause geschickt. Da ist einfach nichts mehr zwischen uns das funktionieren könnte." Ich setzte meine gleichgültige Miene auf und starrte auf meine Tasse.
"Krissi... Das ist doch nicht die Wahrheit...!"
"Glaub was du willst!"
"Krissi. Lüg doch nicht an... Ich sehe dich, dass es dir verdammt schlecht geht."
Ich schwieg. In dieser Zeit der Stille passierten allerdings mehrere Dinge. Wieder sah ich alles vor mir. Spürte jede Berührung. Jeden Kuss...
Tränen schossen mir in die Augen und von jetzt auf nachher schluchzte ich los.
"Okay. Nein. Mir geht es nicht gut damit, dass ich es jetzt ganz beendet habe, aber was bleibt mir? Zu viel ist passiert... Vor allem in meinem Kopf. Die ganzen Vorwürfe die ich ihm gemacht hatte, all die Fragen mit denen ich mich selbst gequält habe... Wenn ich ihn jetzt wieder an mich da lassen würde, dann war's das. Niemand kann garantieren, dass meine Schwester nicht noch andere Wege findet alles wieder kaputt zu machen...!" Ich brach ab.
"Warte. Deine Schwester war das?"
"Ja, sie war das", ich nickte nur langsam.
"Aber wie...?"
"Neid, Eifersucht... Hass auf einer anderen Ebene? Keine Ahnung. Ich will es auch nicht mehr wissen. Sie hat mir so oder so schon alles ruiniert. Ich will sie nicht Mal mehr sehen. Nie wieder... Wobei das wegen allen anderen ja so oder so nicht klappen kann, aber egal, dann will ich sie eben nur noch im Notfall sehen..."
"Aber wegen ihr kannst du doch Julien nicht so abservieren! Krissi, du heulst gerade als wäre jemand nahestehendes gestorben... Das kannst du doch nicht ignorieren!"
"Werde ich aber", ich wischte mit meiner freien Hand Tränen weg.
"Kris. Das ist doch purer Blödsinn. Nimm dein Handy, ruf ihn an und gibt der Sache eine Chance. Ich meine Hallo? Welcher Typ fährt dir von Köln..."
"Aachen", verbesserte ich sie ungewollt.
"Egal, aber welcher Typ fährt dir schon von Aachen in die Schweiz hinterher? Huh? Nenne mir einen. Das passiert nicht oft, und es sagt doch auch ganz klar, dass er dich wirklich mag!"
Ich schluckte. Ja, irgendwie hatte sie ja recht... Wer tat schon so etwas? Vor allem für jemanden den man eigentlich nur zwei Monate kennenlernen konnte?
Miri legte eine Hand auf meine Schulter.
"Kris, ich kann verstehen, dass du Angst hast. Wirklich, aber lass dir das von einem 18-jährigen Mädchen, dass von zwei Typen nur ausgenuzt und hintergangen wurde, sagen: Du bist ihm nicht egal, und ich glaube auch nicht, dass du es so leicht hinnehmen kannst ihn gehen zu lassen... Nimm dein Telefon und rede mit ihm. Das meine ich ernst!"
Mit Tränen in den Augen sah ich sie an. Miriam lächelte nur. In meinem Kopf begann es zu rattern. Sie hatte recht. Es würde mir nicht sonderlich gut gehen loszulassen. Die letzten Monate waren der Beweis dafür gewesen. Ich war eine Maschine gewesen... Und im Endeffekt war es mir nicht besser gegangen. Eher noch schlechter.
Allerdings hatte ich auch wirklich Angst... Was wenn Julien dann doch irgendwann nichts mehr von mir wissen wollte? Ich müsste alles wieder von vorne durch machen...
Weiter kam ich gar nicht mit meinen Gedankengängen weil irgendetwas gegen mein Fenster flog.
Miri und ich zuckten gleichzeitig zusammen.
"War das ein Vogel?", fragte Miri verwirrt und rutschte vom Bett.
"Keine Ahnung...!" Ich sprang auf, allerdings machte ich direkt einen Satz zur Seite als wieder etwas gegen das Fenster flog. "Sind das Blumen?"
"Hä?"
Ich lief zum Fenster und sah nach draußen. Von einem Moment auf den nächsten hatte ich es wieder mit meinen üblichen Herzproblemen zu tun und ich hielt die Luft an.
"Ist das... Julien? Man, los. Mach das Fenster auf! Jetzt, sofort!"
"Yah! Dränge mich nicht so...", japste ich los und schob sie von mir weg.
Natürlich zögerte ich allerdings mit dem öffnen des Fensters.
"Dein Ernst?", rief ich runter und verschränkte meine Arme. "Hab ich mich nicht klar und deutlich ausgedrückt? Und dann noch was... Woher zur Hölle weißt du wo ich wohne?"
"Hab rumgefragt... Und ich hab dir auch gesagt, dass ich dich nicht so einfach gehen lassen werde. Also kommst du runter oder muss ich hier auf dem Hof eine Rede halten damit auch alle hier mitbekommen, dass ich dich liebe?"
Ich hielt die Luft an. Schon wieder. Meine Gefühle fuhren wieder mal Achterbahn, aber dieses Mal so verrückt, dass ich selber nicht Mal mehr wusste wo oben und unten ist.
Miri stieß mir in die Seite.
"Krystal, bitte! Ich meine was ich sage. Das habe ich immer."
Ich starrte ihn nur an. In seiner Hand hielt er einen Strauß... Ein Strauß weißer Rosen. An der Stelle merkte ich auch, dass zwei der armen Blumen wohl auch an meinem Fenster gelandet waren...
Mir drehte sich der Magen um. Ich wusste, dass Miriam recht hatte. Julien meinte es ernst. Jetzt hatte er auch noch diese drei kleinen Wörter gesagt... Nie in meinem Leben, vor allem in den letzten Tagen, hätte ich erwartet sie von Julien zu hören. Nie.
Allerdings fragte ich mich auch wie er so leicht über all das was passiert ist hinweg zu kommen... Dann wurde mir klar, dass Julien in einer ganz anderen Situation gesteckt hatte als ich... Aber wie um alles in der Welt sollte ich jetzt auf einmal keine Angst mehr haben und alles vergessen was passiert war?
"Kris... Ich will ja nicht, dass du mich rein lässt, aber ich sehe von hier unten wie du alles wieder anfängst zu überdenken..."
Ich schwieg immer noch...
Ich wusste genau warum Ju das so gut erkannte. Bei dieser Sache war er wie ich. Grüblerisch... Warum also stand er hier und war nicht bei sich Zuhause und da hatte darüber nach? Oder über seine Arbeit?
"Wenn du da jetzt nicht runter gehst, dann schubse ich doch jetzt aus dem Fenster. Ich sag es dir!", zischte Miri und sah mich von hinten drohend an.
"Kris? Bitte!"
Noch ein paar Sekunden hielt ich die Luft an, dann trat ich einfach zurück und lief zur Tür.
"Wenn du abschließt oder sonst einen Müll machst, dann schick ich dich in die Hölle beim nächsten Training!", warnte ich Miriam nur und schlüpfte in meine Schuhe.
"Ich schwöre ich mache nichts und warte brav... Aber klär das..."
"Schon gut..." Ich öffnete die Tür.
"Und Krissi?"
"Mh?" Ich sah nochmal zu ihr.
"Renn nicht weg."
Ich sah sie nur stumm an. Meine Entscheidung hatte ich schon getroffen. Miriam hätte sagen können was sie wollte.
Im nächsten Moment verließ ich das Zimmer und eilte den Gang entlang. Mir war egal, dass mich zwei Mädchen auf dem Gang aufhalten wollten. Draußen zog ich die Kapuze meines Pullovers auf und lief direkt auf Julien zu. Er hatte mich erwartet. Natürlich...
2090 Wörter
Guten Mittag meine liebsten Kekse ♥️
Hier ein neues Kapitel. 😃 Ich hoffe euch hat es gefallen. 😄 Leider weiß ich nicht ob ich heute noch ein weiteres Kapitel hochladen kann wie die letzten Tage, aber morgen geht es zu 100% weiter. ☺️
Lasst mir gerne ein Vote da, wenn euch das Kapitel gefallen hat. Und wie immer: Alle Kommentare sind jederzeit willkommen! :3
Hier möchte ich mich auch noch besonders bei allen bedanken die beim letzten Kapitel die Fragen beantwortet haben! Es hat mir sehr geholfen. 🥰😍🥰
Aber nun: Danke für alles, und bis zum nächsten Kapitel!
xoxo eure Luna ♥️
30. April 2o2o
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