Feuerschwingen aus Leid

P.o.v. Maka:

Ich entkam immer nur für kurze Augenblicke aus der Dunkelheit, welche meine Sinne verschlang und mir den Atem raubte. Ich fühlte, wie meine Narben rissen, durch das hin und her schaukeln wurden meine Kopfschmerzen auch nicht besser. Das Bild, welches mir von meinen Augen vermittelt wurde wollte in meinem Kopf keinen Sinn ergeben. Verschwommene Kanten, 90 Grad Winkel und verschiedenste Farben rauschten an mir vorbei und verschwammen in einem unansehnlichen braun grau. Dann wechselten die hässlichen Umrisse und wurden von einem endlosen goldenen Meer mit sich riesengroßen auftürmenden Wellen ersetzt. Die Sonne brachte einzelne Partikel zum glitzern und funkeln und mit diesem letzten Bild verlor ich mich wieder in der kalten Finsternis.

P.o.v. Soul:

Ich hatte gerade die Teller in die Küche gebracht, als ich ihren Schrei gehört hatte. Sofort hatte ich alles stehen und liegen lassen und war bereits zwei Sekunden später in ihrem Zimmer angelangt. Wie angewurzelt blieb ich in der Tür stehen. In die zur Straße ausgerichtet Wand war ein riesiges Loch gerissen worden, der Schreibtisch war umgekippt und Maka's Bücher lagen im Zimmer verstreut. Was zum Teufel war hier passiert? Jemand musste wohl durch die Wand gebrochen sein und sie sich geholt haben. Aber wieso? Geschockt und wütend trat ich ins Zimmer und sah mich hilflos um. Ich suchte irgendetwas, was mir helfen konnte... und dann sah ich hinter mich, an die Wand mit der Tür. Eine Stelle in der Wand war gesplittert, als ob man einen Vorschlag Hammer dagegen gedonnert hätte. An Teilen des hinterlassenen Kraters klebte Blut. Meine Meisterin  war an die Wand geschleudert worden und hatte wohl das Bewusstsein verloren. Es musste so sein, denn sonst hätte sie gekämpft und ich sah keine Kampfspuren weit und breit. Ich musste sie finden... Ich tauchte meinen Finger in eines der blutigen Bruchstücke und leckte die rubinrote Flüssigkeit ab. Ein einziger Tropfen ihres Blutes war genug, um das Band zwischen uns zu aktivieren und mich ihre Seele lokalisieren zu lassen. Ich sprang aus dem Loch in der Wand an die nächste Hausfassade und stieß mich heftig ab. Der Druck reichte, um mich einige Blocks weiter fliegen zu lassen. Erst jetzt wurde mir die Macht menschlichen Blutes bewusst. Als Dämon war ich bereits mit schnelleren Reflexen und Sinnen, sowie weitaus höherer Kraft ausgestattet, doch das rubinrote Blut verlieh mir unglaubliche Ausdauer und verstärkte meine Stärken um ein Tausendfaches.

Ich sprang erneut ab, und verfiel in einen Sprint, raste in einer solchen Geschwindigkeit durch die Stadt, dass mann mich mit bloßem Auge nicht mehr von den Lichtstrahlen der unbarmherzig brennenden Sonne unterscheiden konnte. Innerhalb kürzester Zeit war ich an der Stadtmauer angekommen, musste jedoch abrupt stoppen. Bloß einige Zentimeter weiter ging es um hunderte Meter in die Tiefe. Selbst wenn mann auf dem weichen Sahara Sand landen würde, wäre der Druck der Landung so hoch, dass die sonst so locker liegenden Sandkörner so dicht zusammen gedrängt wurden, dass sie härter als Stahl waren.

Einige Meter Abstand nehmend, nahm ich Anlauf und sprang mit einem gewaltigen Satz über das massive Gemäuer und stürzte dem Boden entgegen. Ich verwandelte mich in eine Sense , verringerte so meine Masse und erzeugte einen geringeren Druck beim Aufprall. Kaum hatte ich den Sand berührt, verwandelte ich mich zurück und rollte mich ab, um den Druck des Aufkommens gleichmäßig über den Körper zu verteilen, sprang auf und sprintete erneut los, große Wolken aus Sand und Staub hinter mir lassend.

Ich konnte ihre Seele spüren, sie war aufgewühlt, verwirrt und verängstigt. Ihre Angst war für mich so real, dass ich sie schmecken konnte. Ihr Schmerz nährte mich und meine Geschwindigkeit wuchs, sodass die Konturen und Umrisse um mich herum verschwammen. Der Wind pfiff lautstark in meinen Ohren, jedoch blendete ich das Geräusch aus und konzentrierte mich auf die reine Angst meines Meisters, welche mir Flügel verleih.

Ich war gefesselt, gebunden an eine einzige Person mit unendlich hoher Gravitation. Ich war nicht an die Erde und deren Schwerkraft gebunden, konnte fliegen wie ein Vogel. Meine Fesseln verliehen mir schier unendliche Freiheit. Ich war gebunden, und doch freier als je zuvor. Aber meine Macht hatte einen Preis. Das Leiden meines Meisters war das Feuer meiner Schwingen, mit ihm konnte ich jede physische und psychische Fessel in der Luft zerreißen, keine Macht der Welt könnte mich halten. Einzig mein Meister war dazu fähig, er war die Sonne, um die jeder Planet kreiste, in dem ewigen erfolglosen Versuch sich zu befreien. Ich war unbesiegbar, doch der Preis, der dafür zu zahlen war, war unmenschlich. Hätte ich ihn zahlen müssen, wäre es kein Problem. Doch war es eben der eine Mensch, der mir wichtig war, der diese Schuld zu begleichen hatte. Und diese Tatsache war es, welche mir die Süße meiner Freiheit verbitterte.

Ich hatte schon von Dämonen gehört, die langsam aber sicher die Seele und den Verstand ihres Meisters zu Asche verbrannt hatten. Ich hatte die armseligen Schatten der Meister gesehen, welche verzweifelt in der Hölle litten und niemals Erlösung und Frieden fanden. Ausgebrannte Kerzenstummel ohne Docht, die für nichts mehr zu gebrauchen waren, nicht ohne ein Feuer, dass sie am leben erhalten konnten, bis es sie endgültig verzehrte. Sie waren nicht tot, bloß seelenlos. Als fade Schatten ihrer selbst waren sie dazu verdammt, herumzuirren bis sie verhungerten. Diese Erlösung konnte jedoch ewig dauern, denn dort unten verging die Zeit anders, als hier.

Die Hölle war in Wirklichkeit ein einziger lebender Organismus mit dem alleinigen Zweck der Reproduktion. Menschliche Verzweiflung war die Hauptnahrungsquelle dieses Organismus. Deshalb sammelte er die schrecklichsten Seelen, und zerrte die verdrängten Schuldgefühle hervor. Was uns Dämonen betraf, war der Ausdruck ,Ausgeburt der Hölle'erstaunlich passend. Wir wurden geschaffen und genährt, bis wir reif gewachsen waren. Danach waren wir ,vertragsfähig'. Wir sollten neue Seelen beschaffen, sie verderben und zerstören und sie dann dem Monster zum Fraß vorwerfen.

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, denn durch das Getose des Windes vernahm ich das leise verletzliche Wimmern meines Meisters.

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