Kapitel 7
Erinnert ihr euch noch an diesen Moment, an dem ich beschloss mich Lucas zu öffnen und ihm zu vertrauen? Vergesst das. Bitte haltet mir dieses Ding vom Leib, bevor ich noch völlig durchdrehe. Ich flehe euch an!
Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe, sind Lucas und ich wieder zurück in den Unterricht gegangen. Zu meinem Glück hatten wir Englisch, einer der einzigen Fächer mit denen ich klar kam. Entspannen, ablenken und einen passablen ersten Eindruck hinterlassen - Das war ursprünglich mein Plan. Natürlich, hatte der liebe Lucas andere Pläne. Was denn auch sonst? Wie kann ein Mensch bitte nur so lange reden ohne Luft zu nehmen? Bitte erklärt mir das, ich will es wirklich wissen. Anders kann ich das Mysterium neben mir nicht verstehen.
"Weißt du, eigentlich mag ich ja alle Lehrer, aber Mrs. - ich meine Mme. Denaux geht gar nicht!" Theatralisch warf er seine Hände in die Luft. Okay, ich glaube jetzt reicht es.
"Lucas", versuchte ich ihn zu stoppen, was nicht wirklich viel brachte. Als hätte ich nichts gesagt, ignorierte er mich.
"Nein ich übertreibe nicht! Diese französiche alte Kröte ist der Teufel auf Erden!"
"Lucas..."
"Ich weiß, du hast Angst, dass wir sie haben, aber ich kann dich beruhigen. Wir haben sie in keinem einzigen Fach. Sie ist sogar mit ihrer Klasse, die mir nebenbei Leid tut, auf Klassenfa-"
"Lucas, jetzt nehm verdammt nochmal Luft!", unterbrach ich ihn harsch, was endlich den erwünschten Effekt hatte. Endlich nahm sein Redefluss ein Ende.
Schmollend sah mich der Braunschopf an, wie ein Baby, dem man gerade ein Lolli geklaut hat. Nein wartet, er war viel schlimmer. Für ihn gab es einfach keine Beschreibung, die nicht untertrieben war.
"Vielleicht hast zu Recht. Komm, ich habe Hunger!" Mit diesen Worten packte er meinen Arm und zog mich zur Mensa, oder so. Anfangs wehrte ich mich, aber nach einiger Zeit wurde mir dann klar, dass das bei Lucas nicht funktionierte. Das hat es bis jetzt noch nicht und das wird es auch nie tun. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es auch durch. Seufzend gab ich dann letzten Endes auf und wollte mich gerade an einen freien Tisch setzten, als Lucas mich an beiden Schultern zu einem vollbesetzten Tisch schob. Mir sollte es recht sein, nur leider saß eine ganz bestimmte Person an diesem Tisch, mit dem ich alles andere als einverstanden war.
Sofort sah ich in jene markanten, dunklen Augen, die keinem anderen als ihm gehörten. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen und schrie förmlich nach Flucht. Weg von ihm, weg von der Ursache meines Kummers, aber bevor ich irgendwie eine Reaktion zeigen konnte, drückte mich Lucas auf einen der freien Stühle. Ich spürte wie mich jeder, wirklich jeder, der hier saß anstarrte, aber kein Blick war so stark und schmerzhaft wie seiner. Keiner interessierte mich, denn meine Gedanken handelten allein von ihm.
"Leute, das ist Fay und sie wird bei uns sitzen, weil ich ihr keine Wahl lasse", verkündete Lucas, welcher sich auf den Stuhl neben mich fallen ließ und seinen Arm um mich legte. Ethan saß mir direkt gegenüber. Welch ein Glück ich doch hatte, nicht wahr? Die Unruhe in mir stieg. Immer mehr wurde mir das Vermögen normal zu atmen, ruhig zu bleiben, genommen.
"Fay?", ertönte plötzlich seine Stimme. Diese dunkle, prägnante Stimme sprach meinen Namen aus. Es war fast schon verrückt, was eine Stimme für eine Wirkung haben konnte und das nur, weil es seine wahr. "Du bist im Rudel von Lauren, oder?", fragte er, wobei ich die Tatsache ignorierte, dass es hier eher um Lauren ging. Viel zu sehr, klammerte ich mich an den Gedanken, dass er mich einfach ansprechen wollte.
Stumm nickte ich und versuchte mir jeden Detail seiner Stimme einzuprägen. Seine Stimme war rau und tief. Für mich war sie perfekt.
Gott, ich benahm mich wie eine Verrückte.
"Lauren hat mir von dir erzählt. Sie meinte, dass dich ein paar aus dem Rudel fanden, da du von deinem alten Rudel verbannt wurdest, beschloss Alpha Blain dich ja aufzunehmen. Warum wurdest du verbannt, wenn ich frage darf? Nur damit ich weiß, ob du eine Gefahr für mein Rudel darstellst. "
Verbannt? Gefahr für sein Rudel? Für das Rudel meines Mates? Innerlich lachte ich bitter auf. War es nicht irgendwie klar, dass sie ihm irgendeine ausgedachte Geschichte über meine Herkunft erzählen würde? Jedenfalls hatte sie es geschafft, dass er mich sogar als Gefahr einstufte. Als jemanden, den man loswerden musste. Jener Gedanke verursachte erneut eine Welle voll Schmerz und Verbitterung.
"Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht an meine Zeit davor erinnern. Ich bin anscheinend gestürzt bevor man mich fand", log ich überraschend überzeugend.
Jedes einzelne Wort, das ich aussprach, schmerzte. Ihn, meinen Mate anzulügen zu müssen, war mehr als nur grausam. Wie sehr wünschte ich mir nur, dass alles normal sei. Dass Ethan mein sein könnte, so wie ich sein, dass endlich mal etwas Licht in diese völlige Dunkelheit treten würde und mir Hoffnung gab. Hoffnung und Kraft das Leben zu leben.
"Ich... Oh man Fay", murmelte Lucas und sah mich bemitleidend an. Mitleid war gerade das letzte, was ich brauchte. "Das wusste ich gar nicht. Es tut mir leid."
"Ist schon okay Lucas", erwiderte ich darauf nur schlicht. Mitleid für etwas, das gar nicht stimmte? Nein, danke. "Es ist okay."
Alles war alles andere als okay.
"Ethiiii!", krisch plötzlich eine hohe Stimme. Alle bis auf Ethan sahen genervt drein oder verdrehten ihre Augen. Er hob seinen Blick nur sofort. Seine Mimik strahlte Glück und Freude aus.
Lauren...
"Ich hab dich vermisst, Baby", murmelte Ethan, nachdem er sie nah an sich gezogen hatte. Gleich darauf küsste Lauren leidenschaftlich, als gäbe es kein Morgen. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, verschleierte meinen Verstand. Ich wollte zu ihnen, Lauren zeigen, was sie davon hatte mir all das anzutun, aber das letzte, was ich im Moment wollte, war, dass Ethan mich hasst. Das könnte ich nicht ertragen.
"Ich weiß", hauchte sie verführerisch zurück und hauchte ihm ein Kuss auf die Wange. Dabei blieb ihr verachtungsvolle Blick stets auf eine Person gerichtet. Lauren sah mich abwertend, fast schon angeekelt an. Wie damals bevor wir das Rudelhaus betraten. Ich erwiderte ihr Blick nur kalt. Irgendwas würde das Biest jetzt machen. Ich konnte es förmlich von ihren Augen ablesen.
Und ich hatte Recht damit.
"Was macht DAS" Angewidert richtete sie ihren Finger auf mich. "hier bei uns am Tisch?"
Hörbar atmete Lucas aus und sah sie genervt an, wie jeder andere auch. Wow, Lauren war ja echt beliebt hier. Bin ich ein schlechter Mensch, wenn mir sas Genugtuung schenkt?
"Sie sitzt hier, siehst du das nicht oder kannst du nicht einmal das? Ich vergaß, du kanns nichts sinnvolles."
"Lucas!", zischte Ethan und sah ihn mahnend an. War ja klar, dass er sie in Schutz nehmen würde. Sie war ja seine 'Mate'. Ob er mich auch so schützen würde, wenn er von allem Bescheid wüsste? Nein. Er würde mich für irre halten und mich ins Exil schicken.
"Sorry, aber das wird mir hier zu blöd! Ich schätze dich wirklich sehr Ethan, sowohl als Alpha als auch als Freund, aber das hält niemand aus!" Wortlos nahm der blonde Junge, den ich vorher gar nicht beachtet habe, sein Essen und ging.
"Geh nur, los. Wenn ich erst einmal Luna bin, werde ich ein solches Verhalten verbieten. Und du!" Wütend funkelte sie mich an. "Ich würde dir raten ganz schnell zu verschwinden. Mein Vater wird es nicht gefallen, wenn ich ihm davon berichte. Also lauf, bevor ich mich noch vergesse und dir deine widerlichen Augen auskratze!"
Gerade als ich Anstalten machte mich zu entschuldigen, schnaupte Lucas auf und zog mich am Handgelenk aus der Mensa raus. Auch wenn ich im Moment nichts mehr als Hass und Trauer empfand, spürte ich deutlich die Wärme in mir, die Lucas mit seiner Freundlichkeit erschuf.
"Wir wollten sowieso gehen." Mit diesen Worten zog er mich endgültig in den Flur und ließ mein Handgelenk los.
Erst jetzt wurde mir eine Tatsache wirklich bewusst, dass sämtliche Blicke zu uns gerichtet waren. Neugierig sahen sie mich an. Neugierig, belustigt und vieles mehr. Ich konnte noch nie groß damit umgehen im Mittelpunkt zu stehen und dies war hier nicht anders.
Boden bitte lass mich in dich versinken.
"Fuck, wie ich sie hasse. Wenn sie Luna wird, wird das Rudel untergehen. Ethan ist blind um das zu verstehen. Wie kann man nur so blöd sein?! Ich bin dabei meinen besten Freund zu verlieren!", schrie er als wir weit genug waren. Verzweifelt schlug er fest gegen ein Schließfach und raufte sich sein Haar. Ich wollte ihm helfen, ihn aufmuntern. Er war doch drauf und drann sich ein Weg als einen Freund zu erkämpfen, denn sein Zustand war mir keineswegs egal. Ob das wirklich so gut war? Schließlich machten Gefühle schwach. Ich hatte genug Erfahrung mit so etwas.
"Lucas", sagte ich vorsichtig und legte ihm beruhigend meine Hand auf seine Schulter. "Du wirst deinen besten Freund nicht verlieren. Nicht wegen ihr. Er wird schon noch die Augen öffnen und glaube mir, einen so tollen Freund wie dich will man nicht verlieren. Und wenn dann ist man echt blind! Ethan wird schon wieder zur Besinnung kommen."
Kurz zuckte sein Mundwinkel, ehe er wieder sein selbstsicheres Grinsen aufsetzte. Genau so wollte ich ihn sehen. Der normale Lucas, der schlecht Flirten kann, dennoch selbstsicher ist und zu viel redet.
"Du hast Recht, mich will man nicht verlieren und wenn Ethan denkt er wird mich so einfach los, hat er sich gewaltig geschnitten. Alpha hin oder her."
Mein Blick fiel auf das Schließfach, auf das er vorhin draufgeschlagen hatte. Es hatte eine verdammt große Delle, die ein Mensch alleine nicht erzeugen konnte. Tja, aber ein Werwolf schon.
"Was hast du jetzt vor wegen dem Schließfach zu machen? Der Besitzer oder die Besitzerin davon wird sich bestimmt nicht sehr darüber freuen." Grisend holte er einen Zettel raus auf dem groß "250" stand. Die gleiche Zahl wie auf dem Schließfach hier.
"Mrs. Denaux hat mich vorhin darum gebeten, dir mitzuteilen was dein Schließfach ist. Also bitte- Extra für dich verschönert! Und das kostenlos."
Geschockt drehte ich mich zu meinem Schließfach und fokussierte die Delle. Das war jetzt nicht sein Ernst, oder?
"Dein Code steht da ebenfalls drauf. Im Schließfach findest du eine Anleitung, wie du deinen Code änderst. Wir sehen uns in Physik!" Schnell rannte er davon und flüchtete vor mir, während ich immer noch sprachlos mein Schließfach anstarrte. Wie sollte ich das bitten der Schulleitung erklären?
Plötzliche spürte ich direkt neben mir eine Präsenz, die ich nur zu gut kannte. Warum konnte er mir nicht einfach aus dem Weg gehen? Warum musste er immer in meiner Nähe? Es tat nur um so mehr weh. Das Schicksal hasste mich.
"Fay? Du bist meine neue Schließfachnachbarin?" Grinsend reichte er mir seine Hand, die ich zögernd annahm. Sofort begann alles in mir zu kribbeln. Alles verlang nach ihm. Diese so kleine Berührung löste so viel in mir aus, verschlug mir den Atem.
"Auf eine tolle Schließfachfreundschaft.", sagte er schelmisch grinsend, bevor er dann von mir abließ und ging. Alles was er zurückließ war sein wundervoller Geruch und eine absolute Kälte.
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