Kapitel 3
Zwischen all diesen Blicken gab es einen, der besonders herauastach. Jener Blick ließ mich aufschauen. Er war keineswegs wie alle anderen. Dieser Blick triefte förmlich vor Triumph und Arroganz. Er gehörte niemand anderen als Lauren, das Mädchen, das für all das verantwortlich war. Dabei kannte ich noch nicht mal das volle Ausmas des ganzen.
Wie viel Zeit letztlich vergangen war, war mir nicht bewusst. Offensichtlich reichte es jedoch vollkommen für Lauren ihr Erscheinungsbild noch einmal umzukrempeln. Ihr Körper umschmiegte ein dunkelrotes Kleid, das sich nahezu wie angegossen an ihre Kurven schmiegte und ihre Figur ein wenig betonte. Ein ähnliches rot zierte ihre vollen Lippen. Während ein Tiefes Rot sonst mit Leidenschaft und einer lodernden Flamme assoziiert wurde, erinnerte es bei Lauren nur an purer Bosheit. Als würde es genau diese Seiten von ihr betonen, jedoch schien sie sich dieser Wirkung vollkommen bewusst, setzte es ja vielleicht sogar gekonnt so ein. Letzten Endes strahlte sie völlige Stärke und Selbstbewusstsein aus. Die Lippen, die zu einem triumphierenden Lächeln verzogen wurden. Der Blick, die aufrechte Haltung. Alles saß zur rechten Stelle.
"Herbringen", schnitt die autoritäre Stimme des Alphas die Stille. Es war das erste Mal, dass ich einen Blick auf ihn erhaschte. Schon bevor ich den Raum betreten hatte, war seine dominante Präsenz zu spüren gewesen, doch nun, wo ich unmittelbar in seinem Blickfeld stand, fühlte es sich so an, als würde es mich erdrücken. Ich nahm mir kaum wirklich die Zeit ihn zu mustern, weil es einfach auch nicht in meinem Interesse lag. Warum sollte es das, wenn ausgerechnet diese Menschen vermutlich nach meinem Tod trachteten?
Durch eine Hand, die sich bestimmt auf meine Schulte legte, wurde ich wieder in die Realität gerissen. Der größere der beiden Jungs, die mich hergebracht hatten, sah mich auffordernd an, bevor sie mich verstießen und mich anschließend zu dem so gefürchteten Alpha führten. Unmittelbar vor ihnen, drückten sie mich auf meine Knie. Ich spürte Laurens schweren Blick, wie sie auf mich hinsah. Ein Gefühl der Unzufriedenheit machte sich in mir breit. Ihr so ausgeliefert zu sein, war nicht mehr als erniedrigend. Allein ihr Blick gab mir das Gefühl schwach zu sein. Schwach. Ja, ich war Schwach. Eine Erkenntnis, die mich schon durch den ganzen Abend verfolgte. Vorher habe ich mich nie um so etwas wie Stärke gekümmert. Es hat auch nie wirklich eine große Rolle in meinem Leben gespielt, aber jetzt ist Stärke das, was für mein zukünftiges Leben entscheidend sein würde. Vorrausgesetzt ich hatte noch ein zukünftiges Leben.
"Miriel!", schrie der Alpha. Eine ältere Frau, die sich ebenfalls vorne in der Nähe des Alphas befand, schreckte auf und bewegte sich zügisch zu Lauren und mir. Ich sah sie nicht an, noch sah ich zu Lauren. Starr war mein Blick weggerichtet, nur für einen Augenblick wagte ich es erneut zu der Fremden zu sehen. Ein kurzer Augenblick, in der sich unsere Blicke trafen und dieser kurze Augenblick reichte, um festzustellen, dass mir nicht das entgegensah, was ich erwartet hatte. Kein Spott, keine Schadenfreude. Die Traurigkeit und Reue in ihren Augen war erschreckend. Sie machte dies auf jeden Fall nicht freiwillig, was auch immer sie tun musste. Bevor die Frau, die offenbar Miriel hieß, etwas tun konnte, handelte Lauren bereits. Zischend riss sie ihrem Vater ein Pfeil aus der Hand und drückte sie Miriel in die Hand.
"Jetzt mach endlich, bevor ich dir deine verschrumpelte Kehle aufreiße!" Ohne ihre Mimik zu regen, schüttelte sie ihren Kopf, umfasste den Pfeil mit beiden Händen und schloss ihre Augen. Von Lauren kam als Reaktion nur ein Blick voller Zufriedenheit.
Tief atmete die ältere Dame ein und anschließend aus, als sie mit einem Mal ihre Augen öffnete. Erschrocken stieß ich leise Luft aus.
Leuchteten ihre Augen da etwa?!
"Es funktioniert! Daddy, es funktioniert!" Von der Freude geführt schmiss sich Lauren förmlich um den Hals ihres Vaters. Und ich? Ich war nicht in der Lage etwas zu tun. Meine Augen verfolgten lediglich Lauren, wie sie sich wieder aufrecht hinstellte. Lauren, wie sie ihr Kleid glatt strich, wie ihr Grinsen wuchs.
"Dorothea Archer, mein Name ist Lauren Archer, stolze Nachfahrin deiner Familie."
Was ging denn jetzt vor?
"Warum hast du mich mit Hilfe dieses Orakels gerufen?" Während Miriel vorher stets den Blick gesenkt hielt und viel eher reuevoll als spöttisch wirkte, sah sie nun fast schon herablassend zu Lauren.
"Ich bitte dich inständig dazu, das zu tun was du auch mit Francis Archer tatest. Bitte erfülle mir meinen seeligsten Wunsch und benutze deine Macht für mich. Um die Bedingungen dieses Fluches habe ich mich bereits gekümmert."
Francis? Fluch? Bedingung? Bitte was?
"Der Fluch denn ich einst sprach um Francis zu meinem zu machen, kann wundervoll sein. Er ist mächtig, aber nicht makellos. Ist er erst einmal da, kann er nur vom Betroffenen gebrochen werden. Wenn er sich trotz des Fluches in seine eigentliche Mate verliebt, bricht der Fluch und du verlierst ihn. Markiert er dich, bricht der Fluch ebenfalls. Also hüte dich davor. Hast du deinen Geliebten erst einmal verloren, wird er dich auf ewig hassen. Möchtest du dennoch?"
"Ja, ich möchte", sagte Lauren entschlossen. Miriel Augen blitzten auf, ehe sie, oder besser gesagt Dorothea, mit einem Nicken meine Hände ergriff.
"Dein Wunsch sei mir Befehl, Lauren Archer."
Ein grelles Licht schien auf, ehe sich ein quälender Schmerz immer weiter in meinem Körper ausbreitete. Es betäubte meine Sinne, mein Denken, mein Empfinden. Alles schien an mir vorbeizuziehen, bis auf den gequälten Schrei, der aus meiner Kehle drang. Der Schmerz war unerträglich, breitete sich in jede Faser meines Körpers aus. Wind schlug um Miriel, wüstete in seiner Macht. Steine die bröckelten, sich von der Wand ablösten und fielen.
Irgendwann, wurde der Schmerz mir letztlich zu viel und Die Welt um mich herum tauchte immer mehr in tiefes Schwarz. Ich verlor mein Bewusstsein erneut, zum zweiten Mal an einem Tag. Es zeigte nur mehr, wie schwach ich doch war.
Und ich hasste mich für diese Schwäche.
~●~
"Wann denkst du wacht sie auf?"
"Wie oft noch, ich weiß es nicht Caleb!"
"Sie ist jetzt schon ein ganzen Tag ohnmächtig!"
"Ich weiß, falls du es nicht bemerkt hast, ich wohne auch hier!"
"Ich hab keine Lust mehr zu warten.."
"Dann geh!"
"Um zu verpassen, wie sie aufwacht und sie dann ganz dir zu überlassen? Vergiss es, ich will nicht, dass sie sich in der Verzweiflung heraus dann aus dem Fenster stürzt, was in deiner Gegenwart nebenbei vollkommen verständlich ist..... Carly?.... Hallo?..."
"Sei still und hör auf mich zu picksen man! Ich versuche hier gerade deine geistliche Blödheit zu ignorieren, um nicht selbst zu verblöden."
"Das ist aber nicht nett, liebes Schwesterherz."
"Ich zeig dir gleich, was definitiv nicht nett ist!"
Vorsichtig öffnete ich meine Augen, nur um sie gleich danach wieder zu schließen. Gott, war es hell hier drinnen. Nach mehreren Versuchen gelang es mir schließlich. Meine Kehle fühlte sich unerträglich trocken an und meine Muskeln schmerzten noch immer etwas, als ich mich aufsetzte. Überrascht wandten sich die Blicke der beiden auf mich.
"Ist das Dornrösschen auch endlich aus ihrem holden Schlaf erwa-AU!" Entgeistert sah er das Mädchen an, die ihn gerade auf dem Hinterkopf geschlagen hatte. Wo war ich hier nur gelandet und wie kam ich hier weg?
"Caleb! Jetzt benehme dich doch mal!" Fassungslos wandte das Mädchen ihren Blick zu mir. "Es tut mir so leid, ich hoffe du hälst uns, oder besser gesagt den Volldeppen neben mir nicht für völlig verrückt. Ich bin Carly!" Lächelnd hielt sie mir ihre Hand hin, die ich zunächst nur misstrauisch ansah, bevor ich sie mit Zögern ergriff.
Wer waren sie und was machte ich hier?
"Fay", antwortete ich knapp, wobei mein Blick einmal durch das Zimmer fuhr. Es schien wie ein Schlafzimmer, war es vermutlich auch. Keines, das mir bekannt war.
"Ich weiß, das ganze Rudel weiß von dir. Jedenfalls, der verrückte neben mir heißt Caleb, und ist leider Gottes mein Zwillingbruder." Empört schnappte Caleb nach Luft und fasste sich an die rechte Brustseite.
"Du verletzt mich Carly!", schmollte er gespielt traurig.
"Linke Seite, Caleb. Das Herz ist auf der linken Seite." Beleidigt streckte er seiner Schwester die Zunge raus und verschränkte seine Arme, was in Kombination seiner Größer und des doch recht trainierten Körpers doch recht unsinnig wirkte.
"Eh... Also ehm was mache ich hier?", fragte ich unsicher. Das letzte an das ich mich erinnerte, war die Sache mit Lauren und Dorothea. Selbst die war nur noch Vage in meinen Erinnerungen. Verschwommen und unvollständig.
"Nachdem du dein Bewusstsein verloren hast und die Zeremonie beendet wurde, teilte man dich einer Familie ein. Mit anderen Worten bist du nun ein Teil des Rudels und wurdest von uns adoptiert. Also...Willkommen in der Familie?" Nervös kratze sie sich am Hinterkopf und sah mich an. Ich wollte keine neue Familie. Ich hatte eine, auch wenn sie tot ist. Niemand würde sie ersetzen.
"Wer ist wir?" Leicht sah ich auf. Die Skepsis und Unsicherheit würde man mir wohl blind ansehen können. "Wobei das eigentlich nicht von Bedeutung ist." Bleiben würde ich nicht einmal wenn ich keine andere Wahl hatte. "Ich will wissen, was da vorgefallen ist. Was habt ihr verrückten mit mir gemacht?"
"Es wurde uns verboten dir davon zu erzählen. Entschuldige." Carly sank bedrückt den Blick auf ihre Hände, die sie nervös knetet. Es konnte doch nicht sein, dass ich nirgends erfahren konnte, was sie mit mir angestellt hatten. Hatte ich nicht ein gutes Recht darauf? Schließlich war es meine Zukunft, die sich dadurch verändern konnte, mein Leben, das sie in Anspruch nahmen, meine Freiheit, die sie mir raubten. Jetzt war ich Teil eines Rudels, das ich bis auf den Tod hasste und wurde von einer Familie adoptiert, die ich nicht kannte und das obwohl die Trauer um meine Eltern noch immer nicht verblasst war. Wie denn auch? Es war gerade mal ein Tag her. Ich wollte weg hier. Ich musste weg hier. Was auch immer sie mir angetan hatten, es konnte nur schlimm sein. Es war dieses ungute Gefühl in mir, das mir verriet, dass noch eine schreckliche Zeit auf mich zukommen würde.
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