Kapitel 15

Lucas

"Fay, warum zur Hölle sollte ich jetzt kommen?", fragte ich noch immer verwirrt von ihrem Handeln. Als ich dann noch das Zuknallen der Tür hörte, mich umdrehte und keine Fay hinter mir stehen sah, schien ich komplett den Glauben an mein logisches Denken verloren zu haben, oder eher an ihren Verstand. Vielleicht auch an beiden. Naja, meine Karriere als Sherlock der Neuzeit endete wohl da, wo sie angefangen hatte. Auch nicht schlimm, es war viel zu anstrengend. In der Schule dachte ich schon mehr als genug nach. Naja... Sagen wir wenn mir gerade mal danach ist. Denkt ja nicht von mir ich bin ein Vorbildsschüler, denn wenn dem so wäre, würde ich mich womöglich selbst erschießen, um den einzig waren Lucas wieder zurückzuholen.

"Süße kleine Fay, möchtest du mir nicht verraten warum zum Teufel du mich hier einsperrst und ach ja... OHNE ETWAS ZU ESSEN?!" Leicht haute ich gegen die massive Holztür, doch erhielt trotz meiner Mühen keine Antwort. Ich musste meinen Prinzipien ja Treu bleiben und Essen gehörte defintiv dazu. Irgendwoher musste ich mir ja die Energie zum Nerven anderer Leute nehmen. Was wäre ich für ein Lucas Donovan, wenn ich nicht einmal Ethan auf die Nerven gehen konnte? Mein armer Alpha müsste sich dann den ganzen Tag langweilen.

"Lucas", ertönte plötzlich eine Stimme, die ich wirklich unter tausenden von Stimmen erkennen würde. Wie sollte ich auch die Stimme vergessen, die immer wieder in meinem Kopf auftauchte, mir immer wieder sagte, dass sie mich ablehnte? Wenn ich schlief und auch wenn ich wach war. Alles in mir schien still zu stehen und bis auf das Ticken der Uhr erfüllte nur Stille den Raum. Langsam, fast schon in Zeitlupe wie man es in Filmen gewohnt war, drehte ich mich um und sah direkt in das Gesicht, das ich am meisten vergessen wollte.

Caleb. Mein Mate, alias die Person, die mir mein Herz brach.

Mit einem Mal schien alles ein Sinn zu ergeben. Fays seltsames Verhalten den ganzen Tag über, wie sie mich unbedingt herbekommen wollte. Sie hatten es geplant, gemeinsam. War das der Dank dafür, dass ich mich Fay anvertraut hatte? Mich hier her bringen, damit ich mir anhören konnte, dass ich niemals gut genug für Caleb sein würde und das nur weil ich etwas mehr zwischen den Beinen hatte, als jemand, der ideal wäre? Jemand weibliches? Ich war kein Mädchen, aber leider war es etwas, was ich nicht gerade mal so ohne Arzt verändern konnte oder wollte.

"Was willst du, Caleb?", zischte ich spitz. Sowohl mein Blick als auch meine Stimme hatten eine unglaubliche Kälte angenommen, die nicht einmal ich selbst von mir gewohnt war. Er hatte mir weh getan und das als mein Mate. Als hätte er mir mein Herz rausgerissen, darauf rumgetrampelt und anschließend verbrannt, wobei nicht einmal das ansatzweise den Schmerz symbolisierte, den ich verspüren musste oder noch immer tat. Andere brachten sich nach einer Ablehnung um oder starben an den Schmerzen, also könnt ihr mir ausnahmsweise sogar glauben, wenn ich hier von unglaublichen Qualen redete.

Fast schon zweifelnd blickte mein Gegenüber mich an. "Mit dir reden, Lucas. Hör mir wenigstens zu", flehte er mich fast schon an. Schmerz spiegelte sich in seinen Augen wieder. Er verspürte Schmerz? Er? Er war es doch gewesen, der mich zurückverwiesen hatte. Er hatte also nicht das Recht dazu zu schmollen.

"Ich finde du hast schon genug gesagt." Er sollte aufhören zu reden, ich wollte von all dem nichts wissen. "Meinst du nicht, du hast genug angerichtet? Ich hab verstanden, dass du mich als dein Mate nicht akzeptierst, okay? Ich habe es verstanden! Und ich bin es satt ständig daran erinnert zu werden. Du hast mir ziemlich deutlich gemacht, was du von mir hälst. Wenn du jetzt also wieder hier bist um mir irgendeine vorwürfe zu machen, dann lass es verdammt noch mal!"

Wie mir langsam eine Träne über die Wange kullerte, meine Hände immer mehr zu zittern begannen, bekam ich gar nicht wirklich mit. Was ich aber mitbekam, war die unglaublich große Sehnsucht, die ich verspürte. Neben dem großen Schmerz, war es das, was mich gerade am meisten fertig machte. Caleb sollte einfach verschwinden. So würde ich niemals in der Lage sein ihn zu vergessen, auch wenn es das war, was ich am wenigsten wollte. Wir hatten schlicht und ergreifend einfach keine andere Wahl, denn aufgeben und sterben war einfach keine Option. Niemals würde ich etwas derartiges zulassen.

Gerade wollte ich mich wieder zur Tür drehen und weiterhin mein verdorbenes Glück probieren, als ich eine Hand an meinem Handgelenk spüren konnte, die mich von meinem Vorhaben abhielt. Es war als würden Stromschläge durch mich fahren, die angenehm kribbelten. Ich hasste es so sehr, dass er dennoch eine solche Wirkung auf mich hatte.

"Verdammt, hör mir zu, Lucas." Der Blick mit dem Caleb mich ansah hatte so vieles in sich, dass es mir fast schon die Sprache verschlug. Zorn, Sehnsucht, Schmerz, Verzweiflung, Reue und viel mehr, wofür meine Sherlock Fähigkeiten jedoch nicht mehr ausreichten. Stumm sah ich ihn also an. Eine Chance zum reagieren gab er mir sowieso nicht, viel zu schnell hatte er wieder begonnen zu reden.

"Merkst du es denn nicht? Was ich gesagt, getan habe, war wirklich eine absolute Arschloch Aktion und ich bereue ich. Verdammt und wie ich bereue." Sein Griff um mein Handgelenk verstärkte sich spürbar. Als suchte er Halt, einen Anker. "Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es tun. Wenn ich irgendetwas machen kann, um das rückgängig zu machen, was ich getan habe... Ich würde es tun, koste es was es wolle. Lucas, ich bin Idiot und du verdienst etwas besseres als mich. Vielleicht bin ich einfach selbstsüchtig, aber ich kann und werde dich nicht aufgeben. Du bist mein Mate und du weißt gar nicht, wie schrecklich mir das alles leid tut. Das Schicksal hat uns füreinander Bestimmt. Ich war damals überfordert gewesen, habe total überreagiert. Beschimpf mich ruhig, Schlag mich auch, wenn es dir dadurch besser geht, a-"

Das darauffolgende Klatschen unterbrach ihn, als meine Hand auf seine Wange stieß. Sein Gesicht flog zur Seite, während meines zu Boden gerichtet war, krampfhaft versuchte Tränen zu vermeiden. Bevor ihr mir jetzt irgendwelche Vorwürfe macht, er hat es mir angeboten und außerdem hatte er das defintiv verdient. Caleb ist ein Arsch, aber er ist mein Arsch.

Eine Chance großartig auf mein Handeln zu reagieren, gab ich ihm nicht. Ehe er sein entsetzen irgendwie aussprechen konnte, war ich einige Schritte näher gekommen und umklammerte ihn, als wäre er mein Fels in der Brandung. Mein Halt, das mich davor bewahrte in ewiger Dunkelheit und Kälte zu ertrinken.

"Du hättest das alles viel früher sagen müssen...du Idiot. Jetzt halt die Klappe und erwider gefälligst die Umarmung", schluchzte ich leise und gedämpft gegen den Stoff seines Pullovers. Er schien eine Weile zu brauchen, um die Situation zu realisieren, so dass sich die Angst in mir aufbraute, dass er doch keine Lust mehr auf mich hatte. Um so erleichterter war ich dann, als ich spürte, wie sich starke Arme um mich legten und mich nah an sich drückten. Als versuchte er jegliches Schlechte aus mir herauszurücken.

Ja, er hatte mich verletzt.

Ja, ich wollte ihn vergessen.

Und ja, ich bin gescheitert, denn ich kann nicht ohne ihn. Er war mein Mate, mein Schicksal. Und gegen das Schicksal konnte man sich bekanntlich nicht wehren. Man konnte diese Vorfälle nach hinten verdrängen oder schon früher geschehen lassen. Aber niemals würde man in der Lage sein, diese Dinge aufzuhalten. Jedes Scheitern, jedes Gewinnen, war genauestens vom Leben geplant. Daran glaubte ich zumindest.

Ich weiß nicht genau, wie lange wir einfach da standen, fest umschlungen und stumm. Einige Zeit verging jedoch, bis Caleb sich von mir löste und mich lächelnd ansah. Er schien glücklich, genauso glücklich wie ich auch. Wir hatten einander gefunden und die Tatsache, dass er mich akzeptiere, erfüllte mich mit einer Freude, die ich zuvor noch nie gespürt hatte. Sanft wusch er mir leichte Tränen unter meinem Auge weg, hauchte sanft einen Kuss auf meine Stirn, ehe er seine gegen meine lehnte.

"Ich hoffe du bist dir bewusst, dass du mich ab jetzt nie wieder los wirst", lachte er leise hauchend, was mein Lächeln breiter werden ließ, sofern das überhaupt möglich war.

"Und ich hoffe dir ist bewusst, dass ich das nicht will."

Seinen Mate zu haben war etwas wundervolles. Es rufte Emotionen in einem auf, die man sonst nirgends spüren konnte. Ich hoffe für jeden, er wird in der Lage sein, seinen Mate zu finden, und sollte man dies getan haben, so hoffe ich, dass sie miteinander glücklich werden. Jeder hat das verdient, unabhängig ob böse oder gut.

"Fay, du kannst uns rauslassen", rief Caleb etwas lauter, während er nach meiner Hand griff und diese mit seiner verschränkte. Doch auch nach Minuten schien keine Antwort zu kommen, was uns beide verwirrt aufschauen ließ. Leicht klopfte Caleb gegen die Tür, sichtlich irritiert. Aha, hielt sich Madame etwa nicht an den Plan?

"Fay?" Wieder keine Antwort. Sie war weg und somit der Schlüssel auch.

Mit einem Mal wurde mir bewusst, was das hieß.

"WAS?! UND WAS IST BITTE MIT MEINEM MITTAGESSEN?!"

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