Kapitel 13

"Fay, das ist total schwachsinnig, lassen wir das lieber. Das wird so schief gehen", seufzte Caleb, während ich ihn mehr oder weniger aus dem Auto zerrte. Es war ein Wunder, dass ich ihn überhaupt aus dem Haus bekommen hatte. Dieser Junge konnte verdammt negativ und stur sein. Die pessimistische Austrahlung, die er austrahlte, begann mich allmählich krank zu machen, dabei dachte ich bisher immer ich wäre der Pessimist.

Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie aufgeregt er am gestrigen Abend war. Er hatte pure Motivation ausgestrahlt und protzte nur so vor Zuversichtlichkeit. Wie viel konnte in einer Nacht bitte geschehen, dass sich seine Meinung so schlagartig änderte?

Um es klarer zu machen, sollte ich vielleicht erst einmal erläutern, was wir uns überhaupt ausgedacht hatten. Es ist ziemlich einfach. Ich würde Lucas erzählen, dass wir uns nach der Schule im Musiksaal treffen. Anstatt mir wird jedoch Caleb reinkommen und bevor er flüchten kann, schließe ich ab. Schlüssel war kein wirkliches Problem, da ich erfahren hatte, dass Caleb ein verdammter Idiot wag und über den zweiten, für verschollen geglaubten, Generalschlüssel verfügte. Mittlerweile wunderte mich bei dem hirnlosen Welpen einfach nichts mehr. Wie schnell man sich doch an so etwas gewöhnen konnte, fast schon beängstigend.

"Mach mal halblang Caleb. Soweit ich mich noch erinnern kann war das deine I- LASS MICH SOFORT RUNTER DU BEHAARTER SCHIMPANSE!" Wie eine wild gewordene Furie begann ich zu zappeln, als Caleb mich so plötzlich über seine Schulter geworfen hatte. Während ich versuchte ihn mehr oder weniger mit meinem Blick umzubringen, trug er mich beruhigt hinter die Schule. Die Blicke der anderen schienen ihm total nebensächlich, aber wenn ich ehrlich war, war dies gerade mein, oder besser gesagt unser letztes Problem. Am Abschnitt des Hofes hinter dem Gebäude, wo sich niemand außer uns wirklich befand, ließ er mich endlich wieder runter. Genervt drein blickend Strich ich meine Kleidung glatt.

"Was soll das, man?! Zuerst willst du nicht aus dem Auto und plötzlich bin ich dir anscheinend zu langsam", murrte ich. Abwartend auf eine Erklärung sah ich zu Caleb an, welcher sich seufzend gegen die Wand lehnte und leicht die Augen schloss.

"Ich bin durcheinander, okay?", gab er leise und dennoch deutlich von sich. Seine rechte Hand fuhr leicht durch sein Haar, während wiederum seine linke in seine Hosentasche glitt. "Das alles kommt irgendwie plötzlich und ich habe Angst etwas Falsches zu machen. Ich weiß, ich habe Scheiße gebaut, aber ich wollte erst nicht einsehen, dass ich mich zu Männern ebenfalls hingezogen fühle. Wenn ich das hier verhaue, wird Lucas mir niemals verzeihen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er mir jetzt nach einer Aussprache verzeihen würde oder überhaupt irgendwann. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich es ganz ehrlich nicht tun."

Ich konnte seine Ängste total verstehen. So wie ich mich kannte, wäre ich womöglich wie er. Ich würde ständig zweifeln, kein einziger positiver Gedanke hätte mehr Platz in meinem Kopf. Wenn ich ehrlich war, zweifelte ich auch immer und immer mehr daran, irgendwann in Ethans Armen zu liegen, glücklich mit ihm zu sein. Glücklich als Mates, als ein Paar. Ganz ohne Lauren.

Etwas frustriert atmete ich leise aus und lehnte mich dann direkt neben ihn an die Wand. Mein Blick glitt in den Himmel, dessen Blau von immer und immer mehr weißen Wolken verdeckt wurde. Ich durfte nicht wegen Ethan rumheulen, nicht jetzt. Caleb und Lucas waren nun wichtiger. Wenn ich nicht mit meinem Mate glücklich sein konnte, dann sollten es wenigstens sie sein.

"Caleb, woher willst du wissen, wie es enden wird, wenn du es nicht wenigstens probierst? Wenn du dauerhaft einfach zusiehst und nichts dagegen unternimmst, kann und wird sich nichts ändern."

Wenn ich nicht selbst handelte, würde sich nichts an der Situation ändern. Irgendwann würde ich akzeptieren müssen, dass ich Ethan verloren hatte. Der mit dieser Erkenntnis verbundene Schmerz würde größer sein als alles, was ich jemals zuvor verspürt hatte.

"Manchmal im Leben muss man alles bisschen Kraft in einem zusammenkratzen, um wieder aufzustehen. Egal, wann oder wie tief man gefallen ist. Das alles spielt doch keine Rolle."

Egal, wie oft. Jeder Fall war mit Schmerz und Kummer verbunden, doch jedes Aufstehen mit Stärke und Tatendrang.

"Kämpfe um das was dir lieb ist. Sonst hast du verloren, bevor du dich wehren konntest und dann wirst du dich in Zukunft immer und immer wieder eines fragen. Was wäre, wenn?", beendete ich schließlich meine kleine Motivationsrede. Gerade wollte ich meinen Blick zu ihm wenden, als Caleb mich ruckartig in seine Arme zog. Erschrocken schnappte ich nach Luft, versteifte mich etwas, ehe ich leicht die Umarmung zu erwidern begann. Ein kaum sichtbares Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

"Danke Fay", flüsterte Caleb nahe meinem Ohre. Sein warmer Atem prallte leicht gegen meine Haut, so nah war er an mir. "Du weißt gar nicht wie viel mir deine Worte bedeuten. Auch wenn die Umstände etwas kritisch sind, bin ich froh, dass du bei mir bist. Meine kleine Adoptivschwester, und wag es ja nicht zu leugnen und wehe du erzählst das jemanden. Wenn du das Carly erzählst kannst du mit einer Rache rechnen, die du so schnell nicht mehr vergessen wirst. Dieses Biest wird mich doch ewig damit aufziehen." Trotz dass ich ihn nicht sah, konnte man gegen Ende das Grinsen in seinem Gesicht deutlich raushören. Es freute mich, dass es ihm anscheinend wieder besser ging. Immerhin einmal konnte ich das Gefühl verspüren, das richtige zu tun.

"Keine Sorge... Das werde ich nicht", hauchte ich etwas leise, dennoch hörbar. Ein leises Lachen entkam mir und das Lächeln in meinem Gesicht wurde etwas breiter. Es war erschreckend, wie ich diesen Idioten und seine Schwester immer und immer mehr als Teil einer neuen Familie ansah. Dabei hatte ich mich doch Anfangs so sehr dagegen gewehrt. Schätze, weil ich in all dieser Dunkelheit ein kleines bisschen Licht brauchte.

~●~

"Fay, kannst du mir jetzt endlich erklären, warum zum Teufel du mich die ganze Zeit rumzerrst und wohin du willst", zischte Lucas etwas genervt. Tiefe Augenringe zierten sein Gesicht, was mir verriet, dass er letzte Nacht nicht sehr viel und gut geschlafen hatte. Ob es an der Begegnung mit Caleb lag? Natürlich konnte es viele Gründe haben, und nicht jeder musste unbedingt schlecht sein, aber potenziell könnte es an Caleb liegen.

"Wie schon mal gesagt, ich muss dir etwas zeigen", erwiderte ich murrend und ebenfalls etwas genervt. Dieser Junge konnte so anstrengend sein. Mit aller Kraft, zog ich ihn an der Hand hinter mir her. Der werte Herr schien keine wirklichen Anstalten machen, mir einfach brav zu folgen, was vieles so viel einfacher machen würde. Was man nicht alles für zwei Idioten tat.

"Aber wohin?", quengelte er wie ein kleines Kind weiter, wofür ich ihn glatt eine reinhauen könnte. Versteht mich nicht falsch, aber nach einer Doppelstunde Physik, wo Lucas einem mit allem Möglichen zuredete, hatte meine Motivation seinen Tiefpunkt bereits erreicht. Auf seine Aussage erwiderte ich erst mal nichts, da ich mir fast schon sicher war, sie bald erneut zu hören.

Leider gab es eine kleine Planänderung. Ich hatte eigentlich vor mich dort mit ihm zu treffen, naja offiziell. Aber da er keine Minute von meiner Seite wich, war dies nicht möglich. Also musste ich ihn wohl oder übel selbst dahin bringen. Caleb wartete bereits im Saal. Er schien zuversichtlich, was mich mit etwas Erleichterung erfüllte. Es freute mich sehr, dass unser Gespräch vorher eine postive Auswirkung gehabt hatte. Nun musste nur noch der Rest des Planes aufgehen.

"Wir sind da." Hörbar atmete ich aus, als ich ihn vor den Raum schob. Jetzt hieß es nur hoffen, dass alles glatt lief.

"Ich hoffe sehr, es lohnt sich. Wegen der Sache verpasse ich mein geliebtes Mittagessen. Neben Frühstück und Abendessen mein Lieblingsgang. Meine Mutter hat Lasagne gemacht", murrte Lucas vor sich hin, während er seine Hand auf die Türklinke legte und die Tür öffnete. Es kam mir vor wie in Zeitlupe, als er die Tür öffnete und eintrat. Zu unser aller Glück hatte er Caleb noch nicht bemerkt. Sobald er drinnen war, nahm ich meinen Mut zusammen, zog die Tür wieder zu und schloss ab. Wir hatten es geschafft.. Wir hatten es bisher tatsächlich geschafft.

"Fay? Hast du da gerade Lucas eingesperrt? Nicht dass mich das stören würde, nur brauche ich meinen Beta noch."

Eine Stimme, die ich überall zwischen tausenden erkennen würde.

Eine Stimmen, die es immer und immer wieder schaffte mein Herz zum Schmerzen zu bringen.

Eine Stimme, die so viel in mir auslöste.

"Ethan..", murmelte ich etwas geschockt und drehte mich um. Als hätte ich einen Geist gesehen, sah ich ihn an. Wie sollte ich das bitte erklären, ohne dass er mich für total bescheuert hielt?

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