- Kapitel 11 -
Rasselnd fiel ein Stahlgitter von der Decke und versperrte den Ausweg endgültig. Scheppernde Schritte entfernten sich rasch, und mit ihnen auch das warme Licht des Feuers.
Verzweifelt versuchte ich mich aufzurichten, unter Anstrengung gelang es mir, zu den Gitterstäben zu kriechen. "Benjamin?", krächzte ich heiser, doch einzig ein hallendes Echo antwortete mir. Kraftlos sank ich gegen die Steinwand und schloss die Augen. Schmerz pochte in meiner Schulter, wo mich die Soldaten mit eisernen Griffen gepackt und mitgezerrt hatten. Ich glaubte, den metallischen Geschmack von Blut zu schmecken, doch auf meinen vernebelten Verstand war kein Verlass.
Und hier sass ich nun, in einem Schlosskerker, am Ende meiner Kräfte. In dieser Verfassung würde ich nicht einmal einen einfachen Zauberspruch zustande bringen. Das unregelmässige Flackern der zurückgelassenen Fackeln erleuchtete den Korridor, Wasser tropfte irgendwo von der Decke. Ein undefinierbarer Geruch hing in der stickigen Luft, vielleicht stank es nach Verwesung, vielleicht nach fauligem Fleisch. Mit jeder weiteren Minute, die verstrich, drohte die Dunkelheit mich zu überwältigen; der Raum mich einzuschliessen. Das ständige Tropfen des Wassers wurde zu einem unendlichen Rhythmus, plitsch -- platsch -- plitsch -- pla-
"Daly?", ertönte eine bekannte Stimme.
Vor Erleichterung brach ich beinahe in Tränen aus. Ich hätte nie gedacht, dass ich so froh sein würde, die tiefe Stimme des Zwerges zu hören. "Geht's dir gut?", kam es aus der selben Richtung. "Soweit schon", antwortete ich zittrig. Wer wusste schon, was die Soldaten mit uns vorhatten?
Willkommen heissen stand definitiv nicht auf der Liste.
Von Weitem hörte ich das verärgerte Fluchen von Benjamin. Er musste mehrere Zellen von mir entfert sein und brabbelte etwas in seiner eigenen Sprache vor sich hin, sodass ich nichts mitbekam. War mir ehrlich gesagt auch Recht so. Meine Gedanken schweiften wieder von der dunklen Zelle ab, und unwillkürlich musste ich an Adeline denken.
Der Gedanke an sie versetzte mir einen Stich.
Ob es ihr gut ging?
Ich hoffte es.
Gleichzeitig ärgerte ich mich über mich selbst, über diese grausame Welt und über meinen zukünftigen Gemahl, der anscheinend kein Interesse daran hatte, Benjamin und mich wieder hier rauszuholen. Auch wusste ich beim besten Willen nicht, weshalb wir festgenommen wurden. Hatten wir etwas Falsches getan? Den Magier auf irgendeine mir unbekannte Art beleidigt? Nein, das war nicht möglich.
Ich seufzte verzweifelt.
In so einer miserablen Lage hatte ich mich seit langer Zeit nicht befunden. Es war mir dann immer gelungen, einen Ausweg zu finden, doch diese Situation war bedeutend ernster. Ich rechnete unsere Chancen und Fluchtmöglichkeiten aus.
Zuerst käme das schwere Stahlgitter. Dann das unterirdische Tunnelsystem, wo einer sich nur allzu leicht verirren konnte. Und falls wir es aus den dunklen Gängen schafften, mussten wir unbemerkt die Eingangshalle des Palastes überqueren, die von Soldaten bewacht wurde.
Ich kam nicht zu einem erfreulichen Endergebnis.
Denn was konnten ein Zwerg und eine Magierin schon gegen eine Truppe Soldaten ausrichten?
Vorausgesetzt ich konnte mich auf Benjamin verlassen. Er war vermutlich immer noch verärgert darüber, dass ich Adeline seinem Auftrag vorgezogen hatte. Vielleicht würde er mich einfach in Stich lassen und den Soldaten ausliefern, sodass seine Aufgabe erledigt war.
Ich stöhnte innerlich frustriert auf.
Diese Machtlosigkeit hatte ich schon seit langem nicht mehr verspürt.
Stunden vergingen ereignislos, es könnten auch Minuten sein, in der Dunkelheit hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Benjamins Fluchen war irgendwann abgebrochen, ich hörte nur das beruhigende Spiel des Wassers. Jedoch wollte mir der Gedanke an Adeline einfach nicht aus dem Kopf gehen, wieder und wieder blitzten smaragdgrünen Augen vor meinem geistigen Auge auf, der Sandsturm, eine bewusstlose Adeline. Die Nacht im Hotel, der Entführer, auf den mein Zauberspruch nicht wirkte. Auch hier hatten sich die smaragdgrünen Augen in meine Gedanken eingebrannt.
Es bestand kein Zweifel, dass beide diesselbe Person waren.
Doch wieso wurde Adeline entführt?
Mein Grübeln brachte mich zurück an den Zeitpunkt, wo wir das Mädchen weinend am Strassenrand gefunden hatten, neben ihrem zerstörten Wagen. Ich hörte, wie sie uns mit schüchterner Stimme sagte, dass sie zu ihren Verwandten im Süden musste. Adeline hatte irgendetwas an sich, das ich nicht nennen konnte, und obwohl wir uns nur seit Kurzem kannten, vermisste ich sie schmerzlich.
Ein lautes Scheppern. Ich schlug desorientiert die Augen auf. Dumpfe Schritte näherten sich, aufgrund ihrer Regelmässigkeit konnte es nur das Marschieren von Soldaten sein. Ich musste wohl eingenickt sein. Unter Anstrengung richtete ich mich auf und presste mein Gesicht an die rauen Gitterstäbe. "Benjamin?", flüsterte ich. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Die Schritte dröhnten nun von den kalten Steinwänden, ihr Echo ohrenbetäubend. "Benjamin!", schrie ich nun fast mit panischer Stimme.
Es ging alles so schnell.
Auf einmal starrte ich in kalte Augen, hörte eine ausdruckslose Stimme, die "Aufmachen!" bellte. Ehe ich mich versah wurde das Gitter aufgeschlossen und beiseite geschoben, und Wachmänner drangen in den engen Raum ein, ihre Gesichtszüge starr. Zwei packten mich grob, und ich schrie beinahe auf, als sich Finger in meine Schulter gruben.
Das letzte, was ich sah, war die gefühlslose Miene eines Soldaten, bevor mir ein Tuch über den Kopf gestülpt wurde.
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